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Entscheidungen

StPO

Lichtbilder, Sachverständiger, Erstattung des Gutachtens

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Zweibrücken, Urt. v. 07.12.2020 – 1 OLG 2 Ss 53/20

Leitsatz: Lichtbilder, die der Sachverständige in der Hauptverhandlung bei der Erstattung seines Gutachtens erläutert, darf das Gericht ohne weiteres der Urteilsfindung zugrunde legen.


In pp.

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 4. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Zweibrücken vom 19. Mai 2020 wird verworfen.
2. Der Angeklagte trägt die Kosten des Rechtsmittels.

Gründe

Das Amtsgericht Zweibrücken hat den Angeklagten wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort sowie wegen einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10 Euro und einer Geldbuße verurteilt. Ferner hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist bestimmt. Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht dieses Urteil dahingehend abgeändert, dass die fahrlässige Verkehrsordnungswidrigkeit sowie die Maßregelanordnung entfallen sind; das weitergehende Rechtsmittel hat das Landgericht verworfen. Gegen die teilweise Verwerfung seiner Berufung wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, die er auf die Beanstandung der Verletzung sachlichen und formellen Rechts stützt.

Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.

I.

Nach den Feststellungen des Landgerichts befuhr der Angeklagte am 9. Oktober 2018 gegen 19:21 Uhr mit einem auf seinen Arbeitgeber zugelassenen Sattellastzug nebst Auflieger die Pariser Straße in Zweibrücken in Fahrtrichtung Göteborger Straße. In Höhe des Anwesens Nummer … kam ihm ein anderer, unbekannt gebliebener LKW entgegen. In diesem Bereich war die Fahrbahn nur ca. sechs Meter breit, sodass die beiden (ohne Spiegel) jeweils zweieinhalb Meter breiten LKW nur unter Schwierigkeiten aneinander vorbeigesteuert werden konnten. Dementsprechend rangierten der Angeklagte und der Fahrer des anderen LKW über mehrere Minuten jeweils vor und zurück. Kurz nachdem es dem Fahrer des entgegenkommenden LKW gelungen war, an dem vom Angeklagten gelenkten LKW vorbeizufahren, stieß der Angeklagte mit der Zugmaschine seines Gespanns gegen den am rechten Fahrbahnrand ordnungsgemäß geparkten BMW X3 des Zeugen K. Hierbei drückte der LKW den PKW im Bereich der Fahrerseite im unteren mittleren Bereich von hinten nach vorne ein, sodass die Fahrertür, die Hinterkante des linken vorderen Kotflügels und ein Teil der Schwellerleiste beschädigt wurden. Aufgrund der Kollision wackelte der BMW X3 deutlich. Der Angeklagte setzte sein Fahrzeug zurück, wobei er den linken Außenspiegel des PKW nach hinten umklappte. Sodann korrigierte der Angeklagte seine Fahrlinie und fuhr anschließend vorwärts an dem beschädigten PKW vorbei und davon, ohne irgendwelche Feststellungen zu ermöglichen. An dem BMW entstand ein Sachschaden von 6.452,88 Euro.

Das Landgericht hat sich u.a. auf der Grundlage eines in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachtens eines KFZ-Sachverständigen die Überzeugung verschafft, dass der Angeklagte jedenfalls optisch über den sog. Rampenspiegel, der den Bereich unterhalb des Beifahrerfensters bis zum Boden für den Fahrer einsehbar machte, den Anstoß an den PKW wahrgenommen und damit gerechnet hat, hierdurch einen nicht unerheblichen Schaden an dem Fahrzeug verursacht zu haben. Es hat dieses Verhalten rechtlich gem. § 142 Abs. 1 StGB als unerlaubtes Entfernen vom Unfallort gewertet.

II.

Das Verfahren war nicht gem. § 260 Abs. 3 StPO wegen Fehlens einer Verfahrensvoraussetzung einzustellen. Im Hinblick auf die Feststellungen des Landgerichts zur Sprachkunde des Angeklagten, der deutscher Staatsangehöriger ist, begegnet die Wirksamkeit der Zustellung des nicht übersetzten Strafbefehls keinen rechtlichen Bedenken. Im Übrigen weist die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 17. August 2020 zutreffend darauf hin, dass das rechtliche Gehör des Angeklagten jedenfalls durch die anschließende Hauptverhandlung hinreichend gewahrt worden ist.

III.

1. Die auf die Sachrüge veranlasste Überprüfung des Schuld- und Rechtsfolgeausspruchs hat keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben.

Insbesondere die Ausführungen der Strafkammer zur Beweiswürdigung sind rechtlich nicht zu beanstanden. Ihre Schlussfolgerungen sind – wenn nicht gar naheliegend – jedenfalls möglich; zwingend müssen sie nicht sein (st. Rspr. vgl. BGH Urteil vom 01.02.2017 – 2 StR 78/16, juris Rn. 20 m.w.N.). Entgegen den Ausführungen der Revision hat sich das Landgericht durchaus hinreichend mit den aufgrund Dunkelheit eingeschränkten Lichtverhältnissen am Unfallort befasst und seine Überzeugung, dass der Angeklagte gleichwohl jedenfalls das durch den Anstoß bewirkte Wackeln des BMW bemerkt hat, nachvollziehbar begründet. Im Hinblick auf die auf Zeugenangaben gestützte Feststellung, dass zum Zeitpunkt des Unfalls der eigentliche Rangiervorgang bezüglich des entgegenkommenden LKW beendet gewesen war und es dessen Fahrer bereits gelungen war, an dem vom Angeklagten gelenkten Fahrzeug vorbeizufahren (UA S. 7), begegnet es auch keinen rechtlichen Bedenken, wenn das Landgericht aus dem Zurückstoßen und der Änderung der Fahrlinie nach dem Anstoß den Schluss gezogen hat, dass der Angeklagte den Unfall bemerkt hatte.

2. Auch die Verfahrensrügen dringen nicht durch.

a) Die Rüge, das Landgericht habe es verfahrensfehlerhaft versäumt, den Angeklagten gem. § 265 Abs. 2 StPO auf die Möglichkeit hinzuweisen, dass die Feststellung einer optischen Wahrnehmung des Unfallereignisses in Betracht kommt, ist jedenfalls unbegründet. Der Vortrag der Revision, es habe in der Hauptverhandlung nicht „zur Diskussion“ gestanden, dass der Angeklagte „den Unfall visuell wahrgenommen haben könnte“, vielmehr habe sich „die gesamte Beweisaufnahme einschließlich Sachverständigengutachten nur um die Frage [gedreht], ob er den Anstoß gehört oder taktil wahrgenommen haben konnte“, steht bereits in einem nicht aufgelösten Widerspruch zu den schriftlichen Urteilsgründen. Denn danach hat der Sachverständige in der Hauptverhandlung ausgeführt, „dass der Kollisionsort vom Fahrersitz aus mittels des sogenannten Rampenspiegels einsehbar gewesen“ war (UA S. 16). Jedenfalls aber musste das Berufungsgericht den Angeklagten auf die optische Wahrnehmbarkeit des Unfallgeschehens für den Angeklagten schon deshalb nicht hinweisen, weil bereits das Amtsgericht in seinem Urteil vom 22. Januar 2020 – auch – auf die visuelle Wahrnehmbarkeit des Unfallgeschehens abgestellt hatte (dort UA S. 5).

b) Ein Verstoß gegen § 261 StPO liegt ebenfalls nicht vor.

aa) Das Landgericht hat in den schriftlichen Urteilsgründen (UA S. 16) dargelegt:

„Der Sachverständige hat (..) ausgeführt, dass der Kollisionsort vom Fahrersitz aus mittels des sogenannten Rampenspiegels einsehbar gewesen sei (..) Der Sachverständige fügte zur Unterstreichung dieser Aussage ein Lichtbild bei, das er vom Fahrersitz eines baugleichen LKW aufgenommen hatte. Dieses auf Seite 14 seines schriftlichen Gutachtens, das sich im Sonderband „Gutachten“ befindet, befindliche Lichtbild wurde in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen und bestätigt die entsprechenden Angaben des Sachverständigen“.

Der Beschwerdeführer beanstandet unter Hinweis auf das Fehlen eines entsprechenden Vermerks im Hauptverhandlungsprotokoll betreffend einer Inaugenscheinnahme des Lichtbilds, dass dieses nicht prozessordnungsgemäß zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden sei und dass das Landgericht seine Überzeugung insoweit nicht aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpft habe.

bb) Die Rüge dringt nicht durch.

Die im Zusammenhang mit der Schilderung der mündlichen Ausführungen des Sachverständigen stehende Passage in den schriftlichen Urteilsgründen ist wohl dahin zu verstehen, dass die Strafkammer ihre Überzeugung von der Einsehbarkeit der Kollisionsstelle auf dessen sachkundige Darlegungen gestützt hat, wobei der Sachverständige seine Ausführungen (unter anderem) anhand eines Lichtbilds tätigte. Tatsachen solcher Art, die der Sachverständige als Grundlage seines Gutachtens in der Hauptverhandlung vorträgt, sowie Hilfsmittel, die der Sachverständige hierbei verwendet, darf das Gericht ohne weiteres der Urteilsfindung zugrunde legen (BGH, Urteil vom 04.03.1987 – 3 StR 526/86, juris Rn. 9). Sie sind Bestandteil der sachverständigen Äußerungen und werden dadurch zum Gegenstand der Hauptverhandlung. Die Verwendung von Hilfsmitteln durch einen Sachverständigen stellt auch keine wesentliche - und deshalb gem. § 273 Abs. 1 StPO in das Hauptverhandlungsprotokoll aufzunehmende - Förmlichkeit dar (vgl. BGH, Urteil vom 08.11.1983 – 5 StR 517/83, juris Rn. 7: Vorhalt von Lichtbildern an einen Zeugen).

Aber selbst dann, wenn es sich bei der fraglichen Wendung in den schriftlichen Urteilsgründen nicht nur um die missverständlich formulierte Darstellung eines Vorhalts handeln sollte, sondern die Strafkammer bei ihrem Urteil tatsächlich fälschlich davon ausgegangen ist, das Lichtbild sei – zusätzlich - durch Inaugenscheinnahme zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht worden, hat die Rüge keinen Erfolg. Denn wenn das Lichtbild im Rahmen des mündlichen Sachverständigengutachtens Gegenstand der Hauptverhandlung war, kann das Urteil nicht auf der unterlassenen Inaugenscheinnahme beruhen (vgl. zur unterlassenen Verlesung einer Urkunde: BGH, Beschluss vom 22.09.2006 - 1 StR 298/06, NStZ 2007, 235; OLG Hamm, Beschluss vom 11.05.2017 – III-4 RBs 152/17, juris Rn. 13). Das Landgericht hat die betreffende Feststellung im Übrigen entscheidend auf die mündlichen Ausführungen des Sachverständigen gestützt. Der Senat kann auch vor diesem Hintergrund sicher ausschließen, dass das Landgericht im Falle der Durchführung einer förmlichen Inaugenscheinnahme des Lichtbildes zu einer anderen Überzeugung gelangt wäre.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO


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