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Entscheidungen

Gebühren

Terminsgebühr, Auslieferungsverfahren, Beistand

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Jena, Beschl. v. 11.03.2021 – Ausl AR 55/20

Leitsatz: Für die Teilnahme des Beistands des Verfolgten im Rahmen des Auslieferungsverfahrens an einem Termin zur Vernehmung/Anhörung des Verfolgten vor dem Amtsgericht nach den §§ 21, 22 oder 28 IRG fällt keine Terminsgebühr nach Nr. 6102 VV-RVG an. (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung des Senats, siehe Beschl. v. 14. Mai 2007 - 2 Ws 122/07).


In pp.

1. Auf die Erinnerung der Staatskasse wird der Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Thüringer Oberlandesgerichts - Rechtspflegerin - vom 16.10.2020 abgeändert und unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags vom 05.10.2020 die an den Antragsteller aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 625,94 € festgesetzt.
2. Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

In dem vorliegenden Auslieferungsverfahren, das die u. Behörden mit zwei Europäischen Haftbefehlen zum Zweck der Strafverfolgung betrieben haben, ist dem in S. festgenommenen Verfolgten bei seiner Anhörung am 05.06.2020 vom Amtsgericht Sonneberg Rechtsanwalt W. als Rechtsbeistand für das Auslieferungsverfahren bestellt und eine Festhalteanordnung erlassen worden. In der Folge ordnete der Senat mit Beschluss vom 09.06. 2020 auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft die Auslieferungshaft an, wies mit Beschluss vom 15.07.2020 den Antrag des Verfolgten auf Aufhebung, hilfsweise Außervollzugsetzung des Auslieferungshaftbefehls zurück und stellte mit weiterem Beschluss vom 07.08.2020 fest, dass die von dem Verfolgten am 05.08.2020 vor dem Amtsgericht Suhl erklärte Zustimmung zur vereinfachten Auslieferung wirksam erteilt worden und eine Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung nicht veranlasst ist. Am 19.08.2020 wurde der Verfolgte nach U. überstellt.

Rechtsanwalt W. nahm nach der Anhörung am 05.06.2020 auch an zwei Anhörungsterminen nach § 28 IRG vor dem Amtsgericht Suhl am 02.07. und 05.08.2020 als Rechtsbeistand teil. Gegenstand der Anhörung vom 05.08.2020 war nach zuvor erteilter schriftlicher Zustimmung zu einer vereinfachten Auslieferung ausschließlich eine nochmalige Protokollierung nach § 41 Abs. 2 IRG.

Mit Schriftsatz vom 14.09.2020, korrigiert durch Schriftsatz vom 05.10.2020, beantragte Rechtsanwalt W. die Festsetzung der entstandenen Gebühren und Auslagen als Pflichtbeistand:

2 Terminsgebühren nach Nr. 6102 VV RVG (1. und 2. Termin beim AG Suhl) 848,00 €
Tage- und Abwesenheitsgeld bei einer Geschäftsreise
(40,00 €, 25,00 € bzw. 25.00 €) nach Nr. 7005 VV RVG 90.00 €
Fahrtkosten bei Benutzung eines eigenen Kfz. (2-mal 33,60 €)
nach Nr. 7003 VV RVG 67,20 €
Auslagen für Ablichtungen und Ausdrucke aus Behörden- und
Gerichtsakten nach Nr. 7000.1a VV RVG 66, 40 €
Zwischensumme 1.071,00 €
16 % Umsatzsteuer 171, 46 €
Summe 1.243,06 €.

Mit Beschluss vom 16.10.2020 setzte die Rechtspflegerin beim Thüringer Oberlandesgericht die dem Rechtsbeistand aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung (Gebühren und notwendige Auslagen) antragsgemäß auf 1.243,06 € fest.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Erinnerung des Bezirksrevisors bei dem Thüringer Oberlandesgericht vom 25.11.2020, mit der - unter Hinweis auf die dahingehende Rechtsprechung der Mehrzahl der Oberlandesgerichte - geltend gemacht wird, dass für die Teilnahme des Rechtsbeistands an den Anhörungsterminen gemäß §§ 21, 22 und 28 IRG keine Terminsgebühr nach Nr. 6102 VV RVG anfalle, und angeregt wird, die vom Senat im Beschluss vom 14.05.2007, Az. 1 Ws 122/07, noch vertretene gegenteilige Rechtsaufassung unter dem Eindruck der Entwicklung der obergerichtlichen Rechtsprechung zu überprüfen.

Die Rechtspflegerin hat der Erinnerung unter dem 11.01.2021 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat vorgelegt.

Der Beschluss vom 11.01.2021 und die Erinnerung sind dem Antragsteller im Januar 2021 zur Kenntnis gegeben worden. Eine Stellungnahme ist nicht erfolgt.

II.

Die gemäß § 56 Abs. 1 RVG zulässige Erinnerung der Staatskasse, über die der Senat in der Besetzung mit drei Richtern entscheidet, nachdem der zuständige Einzelrichter die Sache mit Beschluss vom 26.02.2021 wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat übertragen hat (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 2 RVG), ist begründet und führt in dem tenorierten Umfang zur Abänderung des angefochtenen Vergütungsfestsetzungsbeschlusses vom 16.10.2020, weil für die Teilnahme des beigeordneten Rechtsbeistands an den amtsgerichtlichen Anhörungsterminen im Auslieferungsverfahren (§§ 21, 22, 28 IRG) keine Terminsgebühr nach Nr. 6102 VV RVG anfällt.

An der mit Beschluss vom 14.05.2007 (Az. 1 Ws 122/07, veröffentlicht u. a. in NStZ-RR 2008, 63f.) vertretenen gegenteiligen Auffassung hält der Senat nach nochmaliger Überprüfung in der aktuellen Besetzung nicht mehr fest und schließt sich der in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte (vgl. Hanseatisches OLG Bremen, Beschluss vom 12.09.2018, 1 Ausl A 2/18; OLG Köln, Beschlüsse vom 10.01.2018, 6 Ausl A 195/17 - 110 und vom 14.03.2006, 2 ARs 35/06; Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 21.02.2006, Ausl 24/05; OLG Hamm, Beschlüsse vom 25.10.2016, 1 Ws 241/16, und vom 30.03.2006, 2 (s) Sbd IX 43/06, OLG Dresden, Beschlüsse vom 18.06.2018, 2 (S) AR 48/17, 01.12.2017, OLG Ausl 111/16, und vom 06.02.2007, OLG 33 Ausl 84/06, OLG Bamberg, Beschluss vom 07.05.2007, 5 Ausl 12/07, OLG Stuttgart, Beschlüsse vom 28.09.2007, 3 Ausl 55/07 und 01.10.2009, 1 Ausl 1110/09, OLG Koblenz, Beschluss vom 29.02.2008, (1) Ausl /III - 20/07, OLG Rostock, Beschluss vom 12.03.2009, Ausl 14/08 I 7/08, OLG Oldenburg, Beschluss vom 16.03.2009, Ausl 56/08, Brandenburgisches OLG, Beschlüsse vom 25.07.2009, 2 Ausl (A) 30/08 und 05.05.2011, (1) 53 Ausl A 43/10 (20/10), OLG Celle, Beschluss vom 14.12.2009, 1 ARs 86/09, alle bei juris) ganz vorherrschenden und überzeugend begründeten Auffassung an, dass mit der Teilnahme des Beistands des Verfolgten im Rahmen des Auslieferungsverfahrens an einem Termin zur Vernehmung vor dem Amtsgericht nach §§ 21, 22 und/oder 28 IRG keine Terminsgebühr nach Nr. 6102 VV RVG entsteht und dass letztere - wie insbesondere aus der Formulierung „Terminsgebühr je Verhandlungstag“ zu schlussfolgern - nur für die Teilnahme an mündlichen Verhandlungen vor dem Oberlandesgericht vorgesehen ist. Auf die Gründe der genannten Entscheidungen (insbesondere die sehr ausführliche Darstellung im Beschluss des Hanseatischen OLG Bremen vom 12.09.2018, a. a. O.), denen der Senat nichts (Neues) hinzuzufügen hat, wird umfassend Bezug genommen.

Das Nichtentstehen der Terminsgebühr führt im Ergebnis auch zu keiner unbilligen Härte, denn einem besonderen (außergewöhnlichen) Aufwand des Rechtsanwalts im Sinne einer besonders schwierigen oder umfangreichen Tätigkeit kann in begründeten Einzelfällen ggf. im Rahmen der Festsetzung einer Pauschgebühr (§§ 51, 42 RVG) Rechnung getragen werden.

Nach alledem hat der Antragsteller vorliegend keinen Anspruch auf Gebühren nach Nr. 6102 VV RVG. Die Gebühr nach Nr. 6101 VV RVG ist ihm hingegen zuzusprechen, auch wenn er insoweit keinen ausdrücklichen Antrag gestellt hat.

Dem beigeordneten Rechtsbeistand stehen somit die folgenden - unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung festzusetzenden - Gebühren und Auslagen zu:

- Verfahrensgebühr nach Nr. 6101 VV RVG 316,00 €
- Tage- und Abwesenheitsgeld nach Nr. 7005 VV RVG 90,00 €
- Fahrtkosten nach Nr. 7003 VV RVG 67,20 €
- Auslagen nach Nr. 7000.1a VV RVG 66,40 €
Zwischensumme 539,60 €
16% Umsatzsteuer 86,34 €
Summe 625,94 €.

Eine Entscheidung über die Kosten ist gemäß § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG nicht veranlasst.


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