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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, Strafvollstreckungsverfahren

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Düsseldorf, Beschl. v. 20.04.2021 - 4 Qs 8/21

Leitsatz: Ein Fall notwendiger Verteidigung entsprechend § 140 Abs. 2 StPO liegt im Vollstreckungsverfahren insbesondere vor, wenn die Schwere der Tat oder die Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage oder die Unfähigkeit des Verurteilten, seine Rechte sachgemäß wahrzunehmen, das gebietet.


4 Qs 8/21

Landgericht Düsseldorf

Beschluss

In dem Beschwerdeverfahren
betreffend pp.

Verteidiger:

hat die 4. große Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf äuf die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Ratingen vom 17.03.2021 - Az: 20 Ds 16/18 - durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht, die Richterin am Landgericht und den Richter am Landgericht am 20.04.2021 beschlossen:

Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Amtsgerichts Ratingen vom 17.03.2021 aufgehoben.

Dem Beschwerdeführer wird Rechtsanwalt pp. als Pflichtverteidiger für das Vollstreckungsverfahren beigeordnet.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Amtsgerichts Ratingen vom 10.07.2019 (Az. 20 Ds - 100 Js 3037/18 - 16/18) rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt.

Nachdem die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ihn am 07.07.2020 zum Haftantritt lud und am 27.10.2020 Haftbefehl erließ, beantragte Rechtsanwalt pp. mit Schreiben vom 24.12.2020 seine Beiordnung als Pflichtverteidiger und die Aussetzung der Strafvollstreckung auf unbestimmte Zeit. Zur Begründung führte er eine Zwangsbehandlung des Verurteilten nach PsychKG in der LVR-Klinik der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf wegen akuter Schizophrenie (ICD-10: F20.08) an, aufgrund derer dieser sich nicht selbst verteidigen könne. Nachdem die Staatsanwaltschaft Düsseldorf seinen Antrag ablehnte, beantragte er mit Schreiben vom 22.02.2021 für den Beschwerdeführer gerichtliche Entscheidung.

Mit Beschluss vom 17.03.2021 hat das Amtsgericht Ratingen seinen Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers zurückgewiesen.- Zur Begründung wird ausgeführt, dass kein Grund für eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt ersichtlich sei, da zur Überprüfung alleine die Frage einer Aussetzung bzw. eines Aufschubs der Strafvollstreckung aufgrund des Gesundheitszustandes des Verurteilten stünde und diese Prüfung von Amts wegen erfolge.

Mit der sofortigen Beschwerde vom 24.03.2021 verfolgt der Beschwerdeführer sein Anliegen weiter.

Die zulässige sofortige Beschwerde ist auch begründet.

Dem Beschwerdeführer ist ein Pflichtverteidiger im Vollstreckungsverfahren beizuordnen, da die Voraussetzungen des g 140 Abs. 2 StPO vorliegen, welcher auch im Vollstreckungsverfahren entsprechende Anwendung findet.

Ein Fall notwendiger Verteidigung entsprechend § 140 Abs. 2 StPO liegt im Vollstreckungsverfahren insbesondere vor, wenn die Schwere der Tat oder die Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage oder die Unfähigkeit des Verurteilten, seine Rechts sachgemäß • wahrzunehmen, das gebietet (vgl. Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, -StPO, 63. Auflz 2020, § 140 Rn. 34).

Auch wenn diese Voraussetzungen einschränkend auszulegen sind, da im Vollstreckungsverfahren in deutlich geringerem Maße als im kontradiktorisch ausgestalteten Erkenntnisverfahren ein Bedürfnis für die Mitwirkung eines Pflichtverteidigers besteht (vgl. Schmitt aaO), ist dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Unfähigkeit zur eigenständigen sachgemäßen Wahrnehmung seiner Rechte ein Pflichtverteidiger beizuordnen.

Der heute 61 Jahre alte Beschwerdeführer hat durch die Beifügung von Arztbriefen und Gutachten dargelegt, dass er an paranoider Schizophrenie (ICD-10: F20.08) erkrankt und insoweit in fortdauernder Behandlung lit. Bereits im Alter von 18 Jahren zeigten sich erste Symptome. Aus dem Arztbrief der LVR-Klinik der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf vom 11.08.2020 geht hervor, dass der Beschwerdeführer dort seit dem 27.07.2020 nach dem PsychKG NRW untergebracht ist. Attestiert wird eine behandlungsbedürftige paranoide Schizophrenie, wobei der Beschwerdeführer die Einnahme einer Medikation zu jeder Zeit ablehnte. Erst am 01.03.2021 wurde der Beschwerdeführer aus der LVR-Klinik entlassen bei fortbestehender Erkrankung.

Im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens sind die Aussetzung und der Aufschub der Strafvollstreckung zu prüfen. Aufgrund seiner Erkrankung, welche ihm bereits die geordnete Lebensführung wesentlich erschwert bis unmöglich macht, ist der Beschwerdeführer als unfähig anzusehen, seine sachgemäßen Rechte eigenständig wahrzunehmen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die diesbezüglichen notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers trägt mangels eines anderen Kostenschuldners die Staatskasse (vgl. Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl. 2019, § 473 Rn. 2).


Einsender: RA H. Urbanzyk, Coesfeld

Anmerkung:


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