Gericht / Entscheidungsdatum: LG Koblenz, Beschl. v. 31.03.2021 - 10 Qs 20/21
Leitsatz: Zur Beiordnung eines Pflichtverteidigers in den Fällen einer ggf. erforderlichen nachträglichen Gesamtstrafenbildung.
10 Qs 20/21
Landgericht Koblenz
Beschluss
In dem Ermittlungsverfahren
gegen pp.
wegen Subventionsbetrugs
hier: Beschwerde gegen die Ablehnung der Beiordnung als Pflichtverteidiger
hat die 10. große Strafkammer (Wirtschaftsstrafkammer) des Landgerichts Koblenz durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht, den Richter am Landgericht und die Richterin am 31.03.2021 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Ko-blenz vom 04. März 2021 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe:
Die Staatsanwaltschaft Koblenz führt gegen den Beschwerdeführer ein Ermittlungsverfahren wegen Subventionsbetruges. Sie wirft ihm vor:
In einem Antrag auf Gewährung von sog. Corona-Soforthilfe" an die Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz vom 25.05.2020, dort eingegangen am 29.05.2020 per E-Mail von der Adresse pppp., versicherten Sie, seit dem 01.01.2020 im Haupterwerb ein Einzelunternehmen zu führen und durch die Corona-Pandemie nicht vor dem 31.12.2019 in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten zu sein. Sie gaben ferner an, im Zusammenhang mit der Corona-Krise sei ein Liquiditätsengpass in Höhe von 9.000,- EUR entstanden.
Tatsächlich betrieben Sie zu keiner Zeit im Haupterwerb ein Gewerbe, sondern waren viel-mehr arbeitslos und erhielten Leistungen der Bundesagentur für Arbeit.
Die Subvention wurde letztlich nicht ausgezahlt."
In diesem Verfahren bestellte sich am 16. Februar 2021 der Verteidiger für den Beschwerdeführer und beantragte seine Beiordnung als Pflichtverteidiger. Zur Begründung führte er aus, sein Mandant werde in anderer Sache eines Verbrechens beschuldigt und vorliegend sei eine Gesamtstrafenfähigkeit gegeben.
Die Staatsanwaltschaft trat mit Verfügung vom 19. Februar 2021 der Beiordnung als Pflichtverteidiger entgegen und führte aus, Gegenstand des Verfahrens sei der Vorwurf eines Vergehens. Eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und darüber sei keinesfalls zu erwarten.
Die Beiordnung als Pflichtverteidiger sei auch nicht wegen einer zu erwartenden Gesamtstrafenbildung geboten. Zwar sei am 18. Februar 2021 gegen den Beschwerdeführer in dem Verfahren 2065 Js 72227/20 Anklage wegen des Vorwurfes des gemeinschaftlichen besonders schweren Diebstahls in zwölf Fällen oder der gewerbsmäßigen Hehlerei in Tatmehrheit mit einem Verstoß gegen das Waffengesetz und des Fahrens ohne Fahrerlaubnis erhoben worden. Demgegenüber sei der vorliegende Tatvorwurf nur von untergeordneter Bedeutung.
Das Amtsgericht hat den Antrag des Beschwerdeführers auf Beiordnung seines Verteidigers als Pflichtverteidiger mit dem jetzt angegriffenen Beschluss vom 04. März 2021 zurückgewiesen mit einer an die Ausführung der Staatsanwaltschaft angelehnten Begründung.
Die Staatsanwaltschaft hat mit Verfügung vom 09. März 2021 das Verfahren gemäß § 154 Abs. 1 StPO im Hinblick auf die zu erwartende Verurteilung in dem Verfahren 2065 Js 72227/20 vorläufig eingestellt.
Mit Schreiben vom 10. März 2021 wendet sich der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Amtsgerichts Koblenz vom 04. März 2021 mit der sofortigen Beschwerde, die er damit begründet, die vom Gericht herangezogene Rechtsprechung sei durch die Neuregelung des Rechts der Pflichtverteidigung überholt. Eine Beiordnung habe im vorliegenden Verfahren unter dem Gesichtspunkt der Schwere der Tat zu erfolgen. Diese beurteile sich nach der zu erwartenden Rechtsfolgeentscheidung. Ab zu erwartender Freiheitsstrafe von einem Jahr sei ein Fall der notwendigen Verteidigung gegeben. Die Grenze der Straferwartung von einem Jahr Freiheitsstrafe sei auch dann zu beachten, wenn ihr Erreichen oder Überschreiten erst infolge einer zu erwartenden Gesamtstrafenbildung in Betracht komme. Maßgebend sei der Umfang der Rechtsfolgen, die insgesamt an den Verfahrensgegenstand geknüpft seien, nicht die Höhe der Einzelstrafen. Wegen der zeitlichen Überschneidung mit den im Verfahren 2065 Js 72227/20 angeklagten Taten sei eine Gesamtstrafenbildung zumindest über § 55 StGB unausweichlich. Infolgedessen sei auch die Straferwartung aus dem vorgenannten Verfahren im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigen.
Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen. Sie verweist darauf, dass das Verfahren am 09. März 2021 gemäß § 154 StPO vorläufig eingestellt worden sei. Eine spätere Gesamtstrafenbildung sei derzeit nicht zu erwarten.
Die gemäß § 142 Abs. 7 Satz 1 StPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie wurde innerhalb der sich aus § 311 Abs. 2 StPO ergebenden einwöchigen Frist eingelegt. Zwar ist der Akte das Empfangsbekenntnis des Verteidigers nicht beigefügt, jedoch ist die Beschwerde bereits am 10. März 2021 über das elektronische Postfach bei Gericht eingegangen, so dass von einer rechtzeitigen Beschwerdeeinlegung auszugehen ist.
Die sofortige Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Die Voraussetzungen des - hier allein in Betracht kommenden - § 140 Abs. 2 StPO liegen nicht vor.
Entgegen den Ausführungen des Verteidigers begründet hier auch nicht die Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge die Beiordnung eines Pflichtverteidigers.
§ 264 StGB sieht für Subventionsbetrug eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vor. Die Staatsanwaltschaft ordnet den dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Subventionsbetrug so ein, dass jedenfalls keine Freiheitsstrafe von einem Jahr und mehr zu erwarten ist. Dem-entsprechend hat sie auch das vorliegende Verfahren gemäß § 154 Abs. 1 StPO im Hinblick auf den Tatvorwurf in dem Verfahren 2065 Js 72227/20 vorläufig eingestellt. Die Kammer schließt sich der Wertung der Staatsanwaltschaft insoweit an. In einem vergleichbaren Fall, in dem allerdings die Subventionssumme auch geflossen ist, hat sie eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten verhängt.
Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers rechtfertigt sich vorliegend auch nicht daraus, dass - wie der Verteidiger des Beschwerdeführers behauptet - eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 StPO mit den Strafen aus einer Verurteilung indem Verfahren 2065 Js 72227/20 in Betracht kommt. § 55 StGB ordnet eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung an für den Fall, dass ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Diese Voraussetzungen liegen jedenfalls derzeit nicht vor. In dem Verfahren 2065 Js 72227/20 liegt bislang keine rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers vor. Sie könnte bereits aus diesem Grunde nicht im vorliegenden Verfahren berücksichtigt werden. Darüber hinaus ist - worauf die Staatsanwaltschaft zutreffend hinweist - derzeit eine Verurteilung im vorliegenden Verfahren nicht zu erwarten, da das Verfahren gemäß § 154 Abs. 1 StPO vorläufig eingestellt wurde im Hinblick auf das Verfahren 2065 Js 72227/20.
Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 473 StPO zu verwerfen.
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