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Entscheidungen

OWi

Akteneinsicht, Bußgeldverfahren, Sachverständigengutachten

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Chemnitz, Beschl. v. 22.07.2021 – 2 Qs 127/21

Leitsatz: Die Verteidigung von Mandanten in anderen Verfahren stellt ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 475 Abs. 1 StPO dar, das die (beschränkte) Einsicht in ein Sachverständigengutachten rechtfertigt


In pp.

1. Auf die Beschwerden der oben genannten Beschwerdeführer wird die Verfügung des Amtsgerichts Aue-Bad Schlema vom 12.01.2020 aufgehoben.
2. Den Beschwerdeführern wird – beschränkte – Akteneinsicht in eine anonymisierte Fassung des Sachverständigengutachtens vom 15.10.2020 ohne Falldaten gewährt. Die Akteneinsicht wird durch das Amtsgericht Aue-Bad Schlema vollzogen.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen der Beschwerdeführer trägt die Staatskasse.

Gründe

I.

Beim Amtsgericht Aue-Bad Schlema war nach Erlass eines Bußgeldbescheids und hiergegen eingelegtem Einspruch ein Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften anhängig.

Die Geschwindigkeitsmessung war mit einem Messgerät Leivtec XV3 erfolgt. Der Betroffene hatte die Ordnungsgemäßheit der Geschwindigkeitsmessung mit dem verwendeten Messgerät in Frage gestellt. Das Amtsgericht hat ein messtechnisches Sachverständigengutachten eingeholt. Der Gutachter kommt zu dem Ergebnis, dass beide von ihm untersuchte LEIVTEC XV3 Geschwindigkeitsmessanlagen die Verkehrsfehlergrenze von +/- 0,3 km/h bzw. +/- 0,3% bei Messwerten oberhalb von 100 km/h bei verschiedenen Pkw-Modellen nicht einhalten können. Das gerichtliche Verfahren ist inzwischen rechtskräftig beendet.
Mit Schreiben vom 21.12.2020, 23.12.2020 bzw. 28.12.2020 beantragten die Beschwerdeführer Akteneinsicht, hilfsweise die Übersendung des eingeholten Gutachtens. Zur Begründung führten sie aus, dass sie in anderen Ordnungswidrigkeitenverfahren, in denen ebenfalls eine Geschwindigkeitsmessung mit einem solchen Messgerät erfolgt war, mit der Verteidigung beauftragt seien. Die Erkenntnisse aus dem hier eingeholten Gutachten seien auch für ihre Verteidigung in diesen Verfahren von Interesse.

Der Verteidiger des hier Betroffenen trat der Akteneinsicht entgegen; er machte schutzwürdige Mandanteninteressen geltend, die er nicht näher darlegte. Allenfalls komme eine Übersendung des anonymisierten Gutachtens in Betracht.
Mit richterlicher Verfügung vom 12.01.2021 wurde die beantragte Akteneinsicht und die hilfsweise beantragte Übersendung des Gutachtens wegen entgegenstehender schutzwürdiger Belange des Betroffenen versagt.

Die Beschwerdeführer legten hiergegen jeweils am 18.01.2021 Beschwerde ein.

Nach Anhörung des Sachverständigen teilte dieser mit Schreiben vom 10.02.2021 mit, dass er eine geschwärzte Fassung des schriftlichen Gutachtens ohne Falldaten als Download zur Verfügung stellen könne.

Das Amtsgericht half den Beschwerden nicht ab und legte diese mit Beschluss vom 31.03.2021 dem Landgericht zur Entscheidung vor.

II.

Die Beschwerden sind zulässig und begründet.

Da die Beschwerdeführer am hier zugrundeliegenden Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht beteiligt sind, gelten für diese die Beschränkungen des § 305 S. 1 StPO nicht (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Auflage 2020, § 304 Rn. 7).
Die Beschwerdeführer haben gem. § 475 Abs. 1 StPO einen Anspruch auf beschränkte Akteneinsicht durch Übersendung einer anonymisierten Form des Sachverständigengutachtens ohne Falldaten; schutzwürdige Belange des Betroffenen stehen nicht entgegen.

Das berechtigte Interesse liegt in der Verteidigung von Mandanten in anderen Verfahren, bei denen ebenfalls ein Messgerät des genannten Typs zum Einsatz kam. Die hier mit dem Sachverständigengutachten gewonnenen Erkenntnisse können für die Frage der Geeignetheit des Messgerätetyps auch in anderen Ordnungswidrigkeitenverfahren bedeutsam sein. Entgegenstehende schutzwürdige Belange des hier Betroffenen sind weder dargelegt noch ersichtlich. Datenschutzbelange können gewahrt werden, indem eine anonymisierte Gutachtenfassung zur Einsichtnahme zur Verfügung gestellt wird.

Die begehrte Einsichtnahme war daher – beschränkt – zu gewähren. Die Kammer hat gem. § 309 Abs. 2 StPO die in der Sache erforderliche Entscheidung getroffen.


Einsender: VerkehrsrechtsBlog

Anmerkung:


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