Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, Entpflichtung, Vorratshaltung, Beschwerderecht

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Dresden, Beschl. v. 03.09.2021 - 3 Ws 78/21

Leitsatz: Die Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung mit der einschränkenden Maßgabe zu deren Wiederaufleben im Falle der Niederlegung des Wahlmandats durch einen neu mandatierten Rechtsanwalt ist unzulässig. In diesem Fall steht dem entbundenen Pflichtverteidiger ein Beschwerderecht zu.


3 Ws 78/21

Beschluss

In dem Strafverfahren
gegen pp.

Verteidiger:

wegen Vergewaltigung u.a.

hier: Aufhebung der Bestellung des Pflichtverteidigers

hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Dresden am 03.09.2021 beschlossen:

1. Auf die sofortige Beschwerde des vormaligen Pflichtverteidigers wird die Verfügung des Vorsitzenden der 4. Großen Strafkammer des Landgerichts Dresden vom 29. Juli 2021 unter Nr. 1 dahingehend abgeändert, dass die in Satz 2 angeordnete Maßgabe entfällt.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten und des Beschwerdeführers fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

I.

1. Dem Angeklagten, der sich in dieser Sache nach vorläufiger Festnahme am 20. Februar 2021 seit 21. Februar 2021 in Untersuchungshaft befindet, war Rechtsanwalt B. mit Beschluss des Ermittlungsrichters des Amtsgerichts Dresden vom 21. Februar 2021 als Pflichtverteidiger bestellt worden (§ 140 Abs.1 Nr. 4 StPO).

Das Strafverfahren ist nunmehr bei der 4. Großen Strafkammer des Landgerichts Dresden anhängig, nachdem die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 1. Juni 2021 Anklage zum Landgericht Dresden erhoben hat. Die Anklage der Staatsanwaltschaft wurde mit Beschluss vom 28. Juli 2021 zur Hauptverhandlung zugelassen. Zugleich wurde das Hauptverfahren eröffnet und Haftfortdauer angeordnet. Der Beginn der Hauptverhandlung ist für den 28. September 2021 vorgesehen.

2. Im Hinblick auf die Verteidigungsanzeige des Wahlverteidigers Rechtsanwalt S. vom 17. Mai 2021 hat der Vorsitzende der 4. Strafkammer des Landgerichts Dresden mit Verfügung vom 29. Juli 2021 die Bestellung von Rechtsanwalt B. als Pflichtverteidiger mit der Maßgabe aufgehoben, dass die alte Bestellung wieder auflebt, sollte das Wahlmandat niedergelegt werden." Im Vorfeld dieser Entscheidung hatte der Rechtsanwalt S. mit Schriftsatz vom 28. Juni 2021 mitgeteilt, dass die Verteidigung durch ihn (als Wahlverteidiger) nicht gesichert sei.

Mit am 3. August 2021 eingegangenem Schriftsatz erhebt Rechtsanwalt B. sofortige Beschwerde gegen die vorbezeichnete Maßgabe aus der Verfügung vom 29. Juli 2021. Nach seiner Ansicht könne die Entbindung nicht mit einer Wiederauflebensklausel im Falle der Niederlegung des Mandats durch den Wahlverteidiger verbunden werden. Wegen der Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf den Schriftsatz Bezug genommen.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden, hat beantragt, die sofortige Beschwerde von Rechtsanwalt B. als unzulässig zu verwerfen.

1. Die sofortige Beschwerde ist nach § 143a Abs. 4 StPO statthaft und im Übrigen zulässig.

Dem vormaligen Pflichtverteidiger steht gegen die angeordnete Maßgabe, dass seine Pflicht-verteidiger unter der Bedingung der Niederlegung des Wahlmandats durch Rechtsanwalt
S. wiederauflebt, ein Beschwerderecht zu. Entscheidungen über den Verteidigerwechsel sind gemäß § 143a Abs. 1 und Abs. 4 StPO anfechtbar. Allerdings kann der Pflichtverteidiger seine Entbindung grundsätzlich nicht anfechten (BGH, Beschluss vom 18. August 2020 — StB 25/20, BGHSt 65, 106-110 m.w.N.; Henssler/Prütting, Bundesrechtsanwaltsordnung, 5. Auflage, § 49 Rdnr. 22). Indes ist der Pflichtverteidiger im vorliegenden atypischen Fall durch die Verfügung des Vorsitzenden beschwert. Die Entscheidung stellt - vergleichbar der Beschwer im umgekehrten Fall der Ablehnung einer vom Pflichtverteidiger beantragten Rücknahme der Beiordnung (vgl. BGH, Beschluss vom 5. März 2020, StB 6/20, NStZ 20, 434; Mey-er-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Auflage, §143 Rdnr. 36 m.w.N.) - einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Rechtsanwalts gemäß Art. 12 Abs. 1 GG dar.

Die sofortige Beschwerde wurde innerhalb der Frist des § 311 Abs. 2 StPO erhoben.

2. Die sofortige Beschwerde des Pflichtverteidigers ist auch begründet.

Der Angeklagte hat - damals noch als Beschuldigter - am 17. Mai 2021 einen anderen Verteidiger gewählt. Dieser hat die Wahl auch angenommen, sich gegenüber dem Gericht als Verteidiger angezeigt und klargestellt, dass die Verteidigung durch ihn nicht gesichert ist.

Nachdem die Verteidigung durch den Wahlverteidiger nicht gesichert ist, steht zu befürchten, dass der Wahlverteidiger das übernommene Mandat alsbald wieder niederlegen wird. Für diesen Fall hat der Gesetzgeber gemäß § 143a Abs. 1 Satz 2 StPO eine Ausnahme von der Entbindung des Pflichtverteidigers vorgesehen. Hingegen hat der Vorsitzende der Strafkammer die Bestellung des Pflichtverteidigers § 143a Abs. 1 Satz 1 StPO aufgehoben und dieses für den Fall der Niederlegung des Mandats durch den Wahlverteidiger mit einer Klausel zu einem (quasi) automatischen Wiederaufleben der Bestellung des Pflichtverteidigers vom 21. Februar 2021 gekoppelt. Ein derartiger, schwebender Zustand der Bestellung des Pflichtverteidigers kommt indes weder nach den Regelungen der Strafprozessordnung noch nach den Regelungen der Bundesrechtsanwaltsordnung (§ 49 BRAO) in Betracht, zumal sich dadurch in der tatsächlichen Umsetzung im Einzelfall, beispielsweise in der Beteiligung zur Wahrnehmung der Rechte des Angeklagten, zum Datenschutz sowie zur Vergütung des Pflichtverteidigers, erhebliche Unwägbarkeiten ergeben würden.

Die die Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung einschränkende Maßgabe zu deren Wiederaufleben im Falle der Niederlegung des Wahlmandats durch Rechtsanwalt S. war daher aufzuheben. Es verbleibt bei der (nicht angefochtenen und für ihn auch nicht anfechtbaren) Aufhebung der Bestellung des Pflichtverteidigers.

Für die Kosten des Beschwerdeverfahrens haftet in Ermangelung eines anderen Kostenschuldners die Staatskasse. Die Auslagenentscheidung beruht auf der entsprechenden An-wendung des § 467 Abs. 1 StPO.


Einsender: RA A. Boine, Dresden

Anmerkung:


zurück zur Übersicht

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".