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Entscheidungen

Haftfragen

(Straf)Vollzug, Besitz, Playstation

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 12.04.2021 – 2 Ws 167/20 Vollz

Leitsatz: 1. Die einem Sicherungsverwahrten erteilte Erlaubnis, eine Spielkonsole zu besitzen, gilt bei seiner Verlegung in die Justizvollzugsanstalt eines anderen Bundeslandes nicht fort.
2. Die Rücknahme der einem Sicherungsverwahrten erteilten Erlaubnis zum Besitz einer Spielkonsole nach § 96 Abs. 2, 4 SVVollzG (Berlin) ist nur unter engen Voraussetzungen möglich.
3. Die Rücknahme einer Erlaubnis stellt eine eigenständige Maßnahme dar, gegen die allein ein Anfechtungsantrag statthaft ist.
4. Nach § 115 Abs. 1 Satz 3 StVollzG (Bund) ist eine Bezugnahme nur auf einzelne nach Herkunft und Datum genau zu bezeichnende Dokumente möglich; eine allgemeine Bezugnahme auf die Akte“ geht ins Leere.


2 Ws 167/20 Vollz

In der Maßregelvollzugssache
des Sicherungsverwahrten pp.

wegen Besitzes einer Spielkonsole (Playstation 2) in der Sicherungsverwahrung

hat der 2. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 12. April 2021 beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde des Leiters der Justizvollzugsanstalt Tegel gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin – Strafvollstreckungskammer – vom 13. November 2020 wird verworfen.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die dem Sicherungsverwahrten insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse Berlin.

Gründe

I.

1. Der Gefangene (Beschwerdegegner und Antragsteller) befand sich zunächst in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Brandenburg im Vollzug der Sicherungsverwahrung. Die Vollzugseinrichtung hatte ihm dort den Besitz und die Nutzung einer verplombten Spielkonsole „Playstation 2“ samt Zubehör erlaubt. Am 28. August 2019 wurde er zum weiteren Vollzug der Sicherungsverwahrung in die JVA Tegel verlegt. Dem Sicherungsverwahrten wurde dort die Spielkonsole inklusive Zubehör ausgehändigt. Am 28. November 2019 forderte die JVA ihn auf, ihr die Spielkonsole mit dem Zubehör auszuhändigen. Zur Begründung führte sie an, dass die Konsole nach der Hausverfügung 20/2018 vom 18. August 2018 nicht zugelassen werden könne. Danach sind Mobiltelefone und Spielkonsolen mit Funktechnik nicht genehmigungsfähig; eine Ausnahme gilt allein für Geräte mit Bluetooth-Schnittstellen sowie für die Spielkonsolen „Playstation 1“ und „Game Cube“. Da der Sicherungsverwahrte der Aufforderung nicht nachkam, nahm die JVA am 29. November 2019 die Spielkonsole samt Zubehör an sich und begründete dies mit Schreiben vom 13. Dezember 2019. Diese Entscheidung war Ausgangspunkt für die Vollzugsverfahren Landgericht Berlin 590 StVK 12/20 Vollz und 590 StVK 62/20 Vollz.

2. Im Verfahren 590 StVK 12/20 Vollz beantragte der Sicherungsverwahrte mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 13. Januar 2020 gemäß §§ 109 ff. StVollzG, „1. den ablehnenden Bescheid der JVA vom 29.11.2019/13.12.2019 über die Entnahme eines Gegenstandes aufzuheben,
2. die Antragsgegnerin zu verpflichten, im Sinne des Antrags zu entscheiden, hilfsweise unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts eine neue Entscheidung zu treffen“.
Die Strafvollstreckungskammer hatte in ihrem daraufhin ergangenen Beschluss vom 25. Februar 2020 dem Antrag zu 1. (auf Aufhebung des Bescheides) und dem Hilfsantrag zu 2. (Verpflichtung zur Neubescheidung) stattgegeben und dem (sinngemäß auf Rückgabe der Konsole samt Zubehör gerichteten) Hauptantrag zu 2. zurückgewiesen. Der Tenor des Beschlusses lautet:

„1. Die Antragsgegnerin wird unter Aufhebung der Entnahme- und Nutzungsversagungsentscheidung vom 28. bzw. 29. November 2019/ 13. Dezember 2019 verpflichtet, den Antragsteller unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung neu zu bescheiden. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
2. Die Kosten …“.

Die Entnahme der Konsole aus dem Zimmer und die damit einhergehende Versagung der weiteren Nutzung bemesse sich nach § 96 Abs. 2, 4 SVVollzG Berlin. Die Überlassung der Konsole in der JVA Tegel sei rechtswidrig gewesen. Denn die Zulassung der Playstation 2 stelle „einen Verstoß gegen die anstaltsinterne Verwaltungsvorschrift der Hausverfügung“ und damit einen „Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG“ dar (S. 7 Abs. 2 der Ausfertigung des Beschlusses vom 25. Februar 2020). Nach den Rechtsausführungen der Strafvollstreckungskammer sei die (frühere) Erlaubnis der Nutzung der Konsole in der JVA Brandenburg ohne Belang gewesen. Denn diese Gestattung habe „keine bindende Wirkung für die Sicherungsverwahrung in Berlin“ (S. 6 Abs. 4 der Ausfertigung des Beschlusses vom 25. Februar 2020). Da die Maßnahme hiernach zwar rechtswidrig, aber begünstigend gewesen sei, hätte sie nach § 96 Abs. 4 SVVollzG Berlin nur aufgehoben werden dürfen, wenn die vollzuglichen Interessen an der Aufhebung in Abwägung mit dem schutzwürdigem Vertrauen der Betroffenen auf den Bestand der Maßnahme überwiegen, wovon insbesondere auszugehen sei, wenn die Aufhebung der Maßnahme unerlässlich sei, um die Sicherheit der Einrichtung zu gewährleisten (S. 6 Abs. 3 der Ausfertigung des Beschlusses vom 25. Februar 2020).

Hiernach sei der Antrag zu 1. (Aufhebung des Bescheides) und der Hilfsantrag zu 2. (auf Neubescheidung) erfolgreich. Die Antragsgegnerin habe den Maßnahmecharakter der Einbringungsentscheidung und den damit einhergehenden Vertrauensschutz des Antragstellers verkannt und in ihrer Ermessenentscheidung bei der Entnahme und Nutzungsuntersagung nicht hinreichend berücksichtigt. Sie habe die Versagungsentscheidung hinsichtlich der „Playstation 2“ auf allgemeine Sicherheitsbelange gestützt, ohne die hier in besonderem Maße zu berücksichtigenden Belange des Antragstellers im Einzelfall zu würdigen und in ihrer Abwägung einzustellen (S. 6 Abs. 5 der Ausfertigung des Beschlusses vom 25. Februar 2020). Hingegen war nach den Ausführungen der Strafvollstreckungskammer der Hauptantrag zu 2. (auf Herausgabe der Konsole und Nutzungserlaubnis) nicht begründet. Denn der der Anstalt zustehende Ermessensspielraum habe „sich mangels Nullreduzierung nicht auf bloß eine mögliche Entscheidung reduziert“. Soweit die Antragsgegnerin den zuvor verkannten Vertrauensschutz des Antragstellers in ihre Ermessensabwägungen einstelle, könne sie letztlich aber eine abweichende, rechtlich vertretbare Entscheidung treffen (S. 8 Abs. 4 und S. 10 Abs. 2 der Ausfertigung des Beschlusses vom 25. Februar 2020). Der Beschluss ist von keiner Seite angefochten worden und seit dem 1. April 2020 rechtskräftig.

3. Nach Erlass des Beschlusses traf die JVA am 16. März 2020 eine erneute Entscheidung. Darin hielt sie mit ausführlicher Begründung ihre Entscheidung hinsichtlich der Spielkonsole nebst Zubehör im Ergebnis aufrecht und begründete dies ausführlich. Auch insoweit wandte sich der Antragsteller gemäß §§ 109 ff. StVollzG (Bund) an das Landgericht Berlin, was zum Vollzugsverfahren 590 StVK 62/20 Vollz führte. Er stellte in diesem Verfahren dieselben Anträge wie im Ausgangsverfahren, nunmehr aber unter Einschluss des letzten Bescheides vom 16. März 2020. Mit (dem hier angefochtenem) Beschluss vom 13. November 2020 hat die Strafvollstreckungskammer entschieden:
„1. Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. März 2020 – LSVa-B.-Nr. 471/19/6 – wird aufgehoben.
2. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die streitgegenständliche ‚Playstation2‘ samt Zubehör (…) auszuhändigen. Im Übrigen wird der Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig verworfen.“

Unzulässig sei der Antrag – so das Landgericht –, soweit er (erneut) die Entscheidungen vom 28. bzw. 29. November 2019/13. Dezember 2019 betreffe. Denn insoweit habe das Landgericht schon im Beschluss vom 25. Februar 2020 eine Entscheidung getroffen, die in Rechtskraft erwachsen sei. Zulässig und begründet sei der Antrag dagegen, soweit er sich auf die Entscheidung der Vollzugsbehörde vom 16. März 2020 beziehe. Die dort ausgesprochene Nutzungsuntersagung sei rechtswidrig und verletze den Antragsteller in seinen Rechten (§ 115 Abs. 2 Satz 1 StVollzG [Bund]). Dies soll sich nach den Ausführungen des Landgerichts aus zwei Erwägungen ergeben:
• Zum einen sei die fortwirkende Zulassung der JVA Brandenburg zu berücksichtigen. Dabei handele es sich um eine rechtmäßige Maßnahme, die nur nach Maßgabe der § 96 Abs. 3 SVVollzG (Berlin) widerrufen werden dürfe. Es lägen indes schon die Voraussetzungen dieser Norm nicht vor.
• Aber selbst, wenn die Zulassung durch die JVA Brandenburg rechtswidrig gewesen sein sollte, hätte die Nutzung – als rechtswidrige begünstigende Maßnahme – nur unter den Voraussetzungen des „§ 94 Abs. 2 und 4 SVVollzG Bund“ [gemeint ist offenkundig § 96 Abs. 2 und 4 SVVollzG Berlin] untersagt werden dürfen. Insoweit habe die Einrichtung das schutzwürdige Vertrauen des Antragstellers nicht hinreichend beachtet. Diesem stehe ein Folgenbeseitigungsanspruch auf Rückgabe der Playstation samt Zubehör zu.

4. Gegen diesen ihm am 16. November 2020 zugestellten Beschluss hat der Leiter der JVA Tegel Rechtsbeschwerde erhoben, die (spätestens) am 16. Dezember 2020 beim Landgericht Berlin eingegangen ist. In dieser erhebt er verschiedene sachlich-rechtliche Beanstandungen (zu den Einzelheiten sogleich).

II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig; sie erfüllt insbesondere auch die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG (Bund).

Zur Fortbildung des Rechts im Sinne des § 116 Abs. 1 Alt. 1 StVollzG (Bund) ist eine Rechtsbeschwerde nur dann zulässig, wenn der Einzelfall Anlass gibt, Leitsätze für die Auslegung gesetzlicher Vorschriften des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (std. Rspr., Senat, Beschlüsse vom 30. Januar 2019 – 2 Ws 7/19 Vollz –, 4. Juni 2018 – 2 Ws 48/18 Vollz; Arloth/Krä, StVollzG 4. Aufl. § 116 Rn. 3; jeweils mwN). Dies ist vorliegend zu bejahen. Der Einzelfall gibt Anlass u.a. zu Ausführungen zur Auslegung des § 96 SVVollzG (Berlin).

2. Auch wenn die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer nicht frei von Rechtsfehlern ist (siehe dazu nachfolgend a), erweist sich die Rechtsbeschwerde letztlich als unbegründet, da der Beschluss darauf nicht beruht (siehe dazu nachfolgend b).

a) Zu Recht rügt die Rechtsbeschwerde, dass das Landgericht der Genehmigung der JVA Brandenburg Bindungswirkung beigemessen habe. Die Annahme des Landgerichts, die JVA Tegel sei an die frühere Genehmigung der JVA Brandenburg gebunden, trifft indes nicht zu.

aa) Die von der JVA Brandenburg erteilte Erlaubnis zur Nutzung der Spielkonsole war auf deren Zuständigkeitsbereich beschränkt. Jedenfalls konnte die Erlaubnis nach der Verlegung des Sicherungsverwahrten in die JVA Tegel keine Wirkung mehr entfalten. Zwar wurde insbesondere vor Inkrafttreten der Föderalismusreform (BGBl. I S. 2034) im Jahr 2006 und entsprechender Landesvollzugsgesetze teilweise die Auffassung vertreten, dass eine einmal gewährte Besitzerlaubnis nicht auf die konkrete JVA beschränkt sei und bei einer Verlegung in eine andere Anstalt fortwirke (vgl. etwa OLG Karlsruhe NStZ 1990, 408; OLG Celle StV 1993, 307). Dies hatte zur Folge, dass eine Erlaubnis allein nach Maßgabe des § 70 Abs. 2, 3 StVollzG (Bund) widerrufen werden konnte. Diese Ansicht war schon deshalb Zweifeln ausgesetzt, weil sie das grundsätzlich zweipolige Rechtsverhältnis zwischen einem Gefangenen bzw. Sicherungsverwahrten und dem Leiter der konkreten Vollzugsanstalt, in der die Rechtsfolge vollzogen wird, unberücksichtigt ließ. So vertreten der Leiter und einzelne dazu ermächtigte Vollzugsbedienstete nach § 156 Abs. 2 StVollzG (Bund) die konkrete Anstalt, nicht aber eine bestimmte Gebietskörperschaft oder den deutschen Straf- oder Sicherungsverwahrungsvollzug als solchen. Die vielfältigen, dem Leiter beispielsweise durch das StVollzG (Bund) zugeschriebenen Befugnisse (zum Beispiel: § 17 Abs. 2, § 20 Abs. 2, § 25, § 28 Abs. 2, § 29 Abs. 1 Satz 2, § 31 Abs. 1, § 35 Abs. 3, § 36, § 51 Abs. 3, § 84 Abs. 2, 3, § 90 Satz 2, § 102 Abs. 1, § 105 Abs. 1, § 106 Abs. 2, 3, § 108 Abs. 1 Satz 1) nahm und nimmt er immer nur für die konkrete Anstalt, nicht aber für andere Institutionen wahr.

Ungeachtet dessen führte die vorgenannte Ansicht auch zu praktischen Problemen, wenn ein Gefangener in eine Anstalt mit höheren Sicherheitsstandard verlegt werden musste. Die Privilegierung einzelner stieß dort zumindest bei den anderen Gefangenen auf Akzeptanzprobleme, für die der „Sonderstatus“ einzelner Gefangener häufig nicht nachvollziehbar war. Verfassungsrechtlich geboten oder gar zwingend war diese Auslegung doch schon damals nicht. So hatte bereits das BVerfG im Beschluss vom 24. März 1996 – 2 BvR 222/96 – darauf hingewiesen, dass ein Strafgefangener nach einem Anstaltswechsel sich nicht ohne weiteres auf den Fortbestand einer Besitzerlaubnis berufen könne (ZfStrVo 1997, 367 [369]). Denn ob das auf § 70 Abs. 1 StVollzG (Bund) gegründete Rechtsverhältnis erlösche oder unter dem Vorbehalt des Widerrufs nach § 70 Abs. 3 StVollzG (Bund) fortbestehe, sei eine Frage des einfachen Rechts. Ein Vertrauen des Gefangenen in den Fortbestand einer Erlaubnis lasse sich (lediglich) in „besonderen Fallgestaltungen“ nicht ausschließen (BVerfG aaO).

Es liegt nach alledem nahe, dass sich schon nach der damaligen Rechtslage der Wirkungsbereich einer Erlaubnis auf diejenige Anstalt beschränkte, dessen Leiter sie erteilt hatte (so Arloth/Krä, StVollzG 4. Aufl. § 70 Rn. 7; BeckOK StVollzG/Knauss [Stand 1. Februar 2021] § 70 Rn. 48; differenzierend SBJL, StVollzG 7. Aufl. 5. Kapitel Freizeit Rn. 31; aA LNNV/Laubenthal, StVollzG 12. Aufl. G Rn. 39), zumal sie – wie hier etwa im Zusammenhang mit dem Besitz von Freizeitgegenständen – häufig von den jeweiligen Besonderheiten, insbesondere den baulichen Gegebenheiten, der jeweiligen „Gefangenenpopulation“ und den Sicherheitsstandards der jeweiligen Anstalt abhängig war und ist.

Letztlich bedarf dies aber keiner abschließenden Entscheidung. Denn jedenfalls nach Inkrafttreten der verschiedenen Landesvollzugsgesetze und der Verlegung eines Gefangenen in die Anstalt eines anderen Bundeslandes können frühere (zumal anstaltsbezogene) Erlaubnisse in dem neuen Bundesland grundsätzlich keine Geltung beanspruchen und keinen Vertrauenstatbestand begründen. Die Erlaubnis wird also in diesen Fällen nicht „mitgenommen“ (so ausdrücklich SBJL, StVollzG 7. Aufl. 5. Kapitel Freizeit Rn. 31 am Ende). So verhält es sich auch hier. Denn der Sicherungsverwahrungsvollzug im Bundesland Brandenburg und der entsprechende Vollzug im Bundesland Berlin unterliegen unterschiedlichen und eigenständigen Rechtsregimen (vgl. OLG Celle Beschluss vom 18. August 2016 – 1 Ws 323/16 [StrVollz] –, BeckRS 2016, 15978 zum Wechsel vom Maßregel- in den Strafvollzug). Während dort das Brandenburgische Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz vom 16. Mai 2013 (GVBl. I 2013, Nr. 17), in der Fassung vom 19. Juni 2019 (GVBl. I 2019 Nr. 43) Anwendung findet, gilt für die JVA Tegel das Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz Berlin vom 27. März 2013 (GVBl. 2013, 71) in der Fassung vom 4. April 2016 (GVBl. 2016, 152). Anhaltspunkte für eine „besondere Fallgestaltung“, die zum Zeitpunkt der Verlegung ausnahmsweise ein Vertrauen des Gefangenen in den Fortbestand der Erlaubnis der JVA Brandenburg hätte rechtfertigen können (BVerfG aaO), sind nicht ersichtlich.

bb) Nach alledem kommt es nicht mehr darauf an, ob der Annahme des Vertrauensschutzes nicht schon bereits – wie die Rechtsbeschwerde meint – die Feststellungen des Landgerichts Berlin im Beschluss vom 25. Februar 2020 entgegenstehen. Dazu nur so viel:

In jenem Beschluss war die Strafvollstreckungskammer zu dem Ergebnis gelangt, dass die frühere Genehmigung der JVA Brandenburg „keine bindende Wirkung für die Sicherungsverwahrung in Berlin“ habe (S. 6 Abs. 4 der Ausfertigung des Beschlusses vom 25. Februar 2020). Daran war das Landgericht in der neuerlichen Entscheidung indes nicht gebunden. Zwar hatte sie der Vollzugsbehörde in diesem Beschluss ausweislich Nummer 1. des Tenors ausdrücklich aufgegeben, „den Antragsteller unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung neu zu bescheiden“ [gemeint war offenbar „unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden“]. Grundsätzlich entfaltet ein solcher Bescheidungsbeschluss im Sinne des § 115 Abs. 4 Satz 2 StVollzG (Bund) nicht anders als ein Bescheidungsurteil im Sinne des § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO auch Bindungswirkung für die Beteiligten (vgl. zur VwGO etwa: BVerwG NJW 1996, 737 mwN). Doch musste dieser Teil der Entscheidung hier „ins Leere“ gehen. Denn eine Vollzugsbehörde kann nur dann zu einer Neubescheidung (unter Bindung an die Rechtsaufassung des Gerichts) verpflichtet werden, wenn es sich bei dem Begehren um einen Verpflichtungsantrag im Sinne des § 115 Abs. 4 StVollzG (Bund) handelt.

Tatsächlich lag dem ursprünglichen Begehren bei sachgerechter Auslegung aber ein Anfechtungsantrag gemäß § 115 Abs. 2 Satz 1 StVollzG (Bund) zugrunde. Denn Gegenstand des ursprünglichen Begehrens war letztlich die Frage, ob die Erlaubnis zum Besitz der Playstation samt Zubehör zurückgenommen oder widerrufen werden durfte. Wird eine solche begünstigende Maßnahme – wie hier auf Grundlage des § 96 Abs. 2, 4 SVVollzG (Berlin) – zurückgenommen, handelt es sich bei der Rücknahme um eine eigenständige Maßnahme. Eben diese war dann auch allein Gegenstand des ursprünglichen Rechtsschutzbegehrens, mit der Folge, dass insoweit von einem Anfechtungsantrag gegen die Rücknahmeentscheidung auszugehen war (vgl. dazu OLG Karlsruhe NStZ-RR 2001, 186; Kopp/Ramsauer VwVfG 21. Aufl. § 48 Rn. 172; OVG Münster NJW 1985, 281 [Widerruf als actus contrarius hat keinen anderen Rechtscharakter als die ursprüngliche Maßnahme]). Dann aber war kein Raum für eine – wie hier geschehen – auf § 115 Abs. 4 Satz 1, 2 StVollzG (Bund) gestützte Rückverweisung und die damit verbundene Verpflichtung, „den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden“.

b) Die angefochtene Entscheidung erweist sich trotz der fehlerhaften Ausführungen (siehe dazu oben a) aber im Ergebnis als richtig. Denn das Landgericht hatte schon in seinem Beschluss vom 26. Februar 2020 zu Recht darauf hingewiesen, dass die Übergabe der Gegenstände durch die JVA Tegel an den Antragsteller und deren Überlassung für zumindest drei Monate jedenfalls im Hinblick auf den Rechtsschutz wie eine echte Maßnahme – hier in Gestalt eine Erlaubnis – zu behandeln ist (vgl. Kopp/Ramsauer VwVfG 21. Aufl. § 35 Rn. 3b; BeckOK VwVfG/von Alemann/Scheffczyk [Stand 1. Januar 2021] § 35 Rn. 37 ff.). Davon geht auch die angefochtene Entscheidung aus.

Zutreffend hat das Landgericht ferner dargelegt, dass die Voraussetzungen für eine Rücknahme der Erlaubnis nicht vorlagen. Zwar steht die erstmalige Zulassung von – wie hier – Geräten der „Unterhaltungselektronik“ nach § 56 Abs. 2 Satz 2 SVVollzG (Berlin) grundsätzlich im Ermessen der Vollzugsbehörde („können … zugelassen werden“). Deutlich enger sind jedoch die Voraussetzungen für die Rücknahme oder den Widerruf solcher Maßnahmen; dies insbesondere dann, wenn es sich – wie vorliegend – um eine „begünstigende Maßnahme“ handelt. Solche dürfen nach § 96 Abs. 4 Satz 1 SVVollzG (Berlin) nur aufgehoben werden, „wenn die vollzuglichen Interessen an der Aufhebung in Abwägung mit dem schutzwürdigen Vertrauen der Betroffenen auf den Bestand der Maßnahmen überwiegen“. Diese Voraussetzungen lagen – wie bereits das Landgericht ausführlich dargelegt hat – nicht vor. Lediglich ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen:

Der Senat hatte bereits darauf hingewiesen, dass angesichts des verfassungsrechtlichen Abstandsgebots (vgl. BVerfG 128, 361 [374 ff.]) die zu Strafgefangenen in diesem Zusammenhang bestehenden Maßstäbe hier keine Geltung mehr beanspruchen können (Senat, Beschluss vom 28. Dezember 2015 – 2 Ws 289/15 Vollz –, BeckRS 2016, 2306). Schon vor Inkrafttreten des SVVollzG (Berlin) hatte sich der Vollzug der Sicherungsverwahrung daher deutlich vom Vollzug der Freiheitsstrafe zu unterscheiden. Trotz des nahezu identischen Wortlauts des § 98 StVollzG (Berlin) sind diese verfassungsrechtlichen Grundlagen bei der Auslegung und Anwendung des § 96 SVVollzG (Berlin) zu berücksichtigen. Dies führt u.a. dazu, dass bei Sicherungsverwahrten hinsichtlich des noch zumutbaren Kontrollaufwandes nach wie vor ein großzügigerer Maßstab anzulegen ist als bei Strafgefangenen (Senat aaO; OLG Naumburg, Beschluss vom 26. Mai 2011 – 1 Ws 638/10 –).

Vor dem Hintergrund dessen erweisen sich die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts als rechtsfehlerfrei. Zu Recht legt die Strafvollstreckungskammer dabei u.a. überzeugend dar, dass sich eine maßgebliche Gefährdung durch die Spielkonsole vor allem erst aus der Verbindung mit einem Mobiltelefon oder einem sonstigen internetfähigen Gerät ergibt. Dass der Sicherungsverwahrte ein solches Gerät, sei es in der JVA Brandenburg, sei es in der JVA Tegel besessen hat, ist indes nicht festgestellt. Das allein von der „Playstation“ ausgehende „Gefährdungspotential“ erweist sich daher als überschaubar. Ihm kann daher in diesem (durch eine Rücknahme einer Erlaubnis geprägtem) Einzelfall mit – für die Einrichtung für Sicherungsverwahrte – zumutbarem Kontrollaufwand begegnet werden.

c) Abschließend weist der Senat zum wiederholten Male darauf hin, dass die im angefochtenen Beschluss erfolgte allgemeine Bezugnahme „auf die Streitakte“ (BA S. 6) nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 1 Satz 3 StVollzG (Bund) gerecht wird und ins Leere geht. Ein pauschaler Hinweis auf den Inhalt der Akte genügt für eine solche Bezugnahme keinesfalls.

Vielmehr ist erforderlich, dass einzelne Schriftstück individuell bezeichnet werden, so dass eine Verwechslung mit anderen ausgeschlossen ist. Schließlich muss der Wille, auf einzelne Akteninhalte zu verweisen und sie so zum Inhalt der Feststellungen zu machen, deutlich und unmissverständlich sein. Die bloße Angabe einer Aktenfundstelle genügt dazu regelmäßig nicht (vgl. ausführlich dazu Senat, Beschluss vom 23. August 2019 – 2 Ws 125/19 Vollz –, juris; Beschluss vom 9. Februar 2012, – 2 Ws 544/11 Vollz –; Arloth/Krä, StVollzG 4. Aufl. § 115 Rn. 6). Letztlich hat sich dieser Rechtsfehler vorliegend aber nicht ausgewirkt, da die im Beschluss ausdrücklich getroffenen Feststellungen den Sach- und Streitstand ausführlich und aus sich heraus verständlich wiedergeben.

III.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 1, 4 StVollzG (Bund) in Verbindung mit § 473 Abs. 1 StPO.


Einsender: VorsRiKG O. Arnoldi, Berlin

Anmerkung:


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