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Entscheidungen

StPO

Selbständiges Einziehungsverfahren, Eröffnung, Einstellung

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 01.11.2021 – 4 Ws 80/21

Leitsatz: Selbständiges Einziehungsverfahren: Eröffnungsbeschluss
Ist entgegen §. 435 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 203 StPO nicht über die Eröffnung des selbständigen Einziehungsverfahrens entschieden worden, liegt ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis vor, dass zur Einstellung des Verfahrens führt.


4 Ws 80/21

In dem selbständigen Einziehungsverfahren
betreffend das Grundstück pp.straße pp. in Berlin samt hierzu gehöriger Miet- und Pachtforderungen sowie die Kaufpreisforderung für die ehemals im Eigentum der Einziehungsbeteiligten stehenden Miteigentumsanteile am Grundstück pp. Platz pp. in Berlin pp.

Einziehungsbeteiligte:
pp.

hat der 4. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 1. November 2021 beschlossen:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Einziehungsbeteiligten wird der Beschluss des Landgerichts vom 19. August 2021 aufgehoben. Das Verfahren wird eingestellt.

2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Einziehungsbeteiligten fallen der Landeskasse Berlin zur Last.

Gründe:

I.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss ein im Eigentum der Beschwerdeführerin stehendes Grundstück sowie ihr zustehende Kaufpreis-, Miet- und Pachtforderungen im selbstständigen Einziehungsverfahren eingezogen. Einen Eröffnungsbeschluss hinsichtlich* der ihrer Entscheidung zugrundeliegenden Antragsschrift der Staatsanwaltschaft Berlin vom 12. April 2021 hatte es zuvor nicht gefasst. Mit Schriftsatz des Verteidigers vom 23. August 2021, eingegangen beim Landgericht am Folgetag, hat die Einziehungsbeteiligte „Beschwerde" gegen den ihr am 21. August 2021 zugestellten Beschluss eingelegt und beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das selbständige Einziehungsverfahren einzustellen. Einen entsprechenden Antrag hat die Generalstaatsanwaltschaft Berlin in ihrer Zuschrift an den Senat vom 16. September 2021. gestellt. Beide vertreten die Auffassung, dass das Fehlen einer Eröffnungsentscheidung dies zwingend zur Folge habe.

II.

Die statthafte (§§ 436 Abs. 2, 434 Abs. 2 StPO) und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde hat Erfolg.

Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Einstellung des Ver-fahrens, da ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis vorliegt. Das Landgericht hat entgegen §. 435 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 203 StPO nicht über die Eröffnung des Verfahrens entschieden.

Ein Fall der Nichtausführbarkeit nach § 435 Abs. 3 Satz 1 StPO lag nicht vor, weil keine unüberwindbaren faktischen Barrieren — etwa der unbekannte Aufenthalt des Einziehungsadressaten — der Durchführung des Verfahrens entgegenstanden (vgl. OLG Bamberg StraFo 2019, 382 mwN; Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 64. Auflage, § 435 Rdn 16; BT-Drucks. 18/9525 S. 92).

Die Kammer hat auch nicht konkludent über die Eröffnung entschieden. Die ausdrückliche wie auch die konkludente — Eröffnung des Verfahrens erfordert eine eindeutige Willenserklärung des Gerichts, die Anklage zur Hauptverhandlung zuzulassen (vgl. BGH NStZ-RR 2017, 86 mwN). Für das selbständige Einziehungsverfahren gilt über § 435 Abs. 3 StPO insoweit dasselbe (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vorn 10. August 2020 — 1 Ws 265/20 juris). Dem Akteninhalt ist indes nicht zu entnehmen, dass die "Kammer die Eröffnungsvoraussetzungen geprüft und eine bewusste Entscheidung hierüber getroffen hat. Eine konkludente Eröffnungsentscheidung kann 'auch nicht in der Sachentscheidung selbst liegen, da erstere der letzteren vorausgehen muss (vgl. OLG Bamberg aaO).
Der Senat hat gemäß § 309 Abs..2 StPO in der Sache selbst zu entscheiden und das Verfahren nach § 206a Abs. 1 StPO einzustellen. Ist im selbständigen Einziehungsverfahren eine Einziehungsanordnung ergangen, stellt das Fehlen der Prozessvoraus-setzung eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses ein endgültiges, nicht mehr behebbares Verfahrenshindernis dar, das in jeder Lage des Verfahrens zu berücksichtigen. ist (vgl. BGHSt 33, 167; 29, 224; StraFo 2018, 471; NStZ 2012, 225; OLG Oldenburg aaO; OLG Bamberg aaO; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 3. Juni 2014 — 111-2 RVs 55/14 —, juris; OLG Zweibrücken, Beschluss vom '2. Mai 2008 — 1 Ws 142/08 —, juris; Senat, Beschluss vom 16. März 2015 — 4 Ws 27/15 —, juris). Eine Nachholurig der unterbliebenen Eröffnungsentscheidung im Beschwerdeverfahren durch den Senat ist daher ebenso ausgeschlossen wie die Zurückverweisung der Sache (vgl. OLG Oldenburg aaO; OLG Bamberg aaO). Soweit die Staatsanwaltschaft unter Bezugnahme auf den Beschluss des Landgerichts Kleve vom 7. April 2020 — 120 Qs 23/20 —, juris, die Auffassung vertritt, dass der fehlende Eröffnungsbeschluss nicht zu einer Verfahrenseinstellung führe, weil dieser im selbständigen Einziehungsverfahren nicht dieselbe Bedeutung habe wie im Strafverfahren, überzeugt dies nicht, weil der Eröffnungsbeschluss nach § 435 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 427 Abs. 1 Satz 1 StPO dem Einziehungsbeteiligten die Befugnisse eines Angeklagten verleiht und damit konstituierende Wirkungen für seine prozessuale Rolle, und seine — unverzichtbare — Rechtsposition hat.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO.


Einsender: RA C. Hoenig, Berlin

Anmerkung:


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