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Entscheidungen

Corona

Gefälschter Impfpass, digitales Impfzertifikat, Vorlage Apotheke, Strafbarkeit

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Kaiserslautern, Beschl. v. 23.12.2021 – 5 Qs 107/21

Eigener Leitsatz: 1. Bei Impfausweisen handelt es sich nicht um amtliche Ausweise im Sinne der §§ 275, 276 StGB a.F.
2. Zur – nach altem Recht verneinten – Strafbarkeit der Vorlage eines gefälschten Impfpasses in einer Apotheke, um ein digitales Impfzertifikat zu erhalten.


In pp.

1. Auf die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 29.10.2021 wird dieser aufgehoben.
2. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

Der Beschuldigte soll am 15.10.2021 in einer Apotheke in O. einen Impfausweis mit einer gefälschten Bescheinigung über eine tatsächlich nicht erfolgte COVID-Impfung vorgelegt haben, um einen digitalen Impfnachweis zu erhalten. Im Rahmen des aufgrund dieses Sachverhalts eingeleiteten Ermittlungsverfahrens wurde mit Beschluss vom 29.10.2021 (Bl. 8f. d.A.) die Durchsuchung seiner Wohnung einschließlich seiner Person und ihm gehörender Sachen nach §§ 102, 162 Abs. 1 StPO sowie die Sicherstellung von als Beweismittel in Betracht kommender Gegenstände, insb. seines Smartphones und Impfausweises gemäß §§ 94, 98 Abs. 1 StPO angeordnet.

Die Wohnungsdurchsuchung fand am 02.11.2021 statt (Bl. 11 d.A.), anlässlich derer das Mobiltelefon des Beschuldigten sowie sein Impfpass sichergestellt wurde (Bl. 12 bzw. 17 d.A.).

Gegen den Durchsuchungsbeschluss sowie gegen die Beschlagnahme des Mobiltelefons wendet sich der Beschuldigte durch seine Verteidigerin mit Schreiben vom 06.11.2021 (Bl. 34 ff. d.A.), eingegangen beim Amtsgericht am 11.11.2021. Zur Begründung wird ausgeführt, dass das Vorzeigen eines gefälschten Impfausweises nach derzeitiger Rechtslage keine strafbare Handlung darstelle, und auf die (bisher) nur als Pressemitteilung veröffentliche Entscheidung des Landgerichts Osnabrück vom 28.10.2021, Az. 3 Qs 38/21 verwiesen. Eine Strafbarkeit nach § 277 StGB komme nicht in Betracht, da der Impfpass nicht einer Apotheke und nicht einer Behörde vorgelegt worden sei.

Der Beschwerde hat das Amtsgericht Kaiserslautern mit Beschluss vom 12.11.2021 (Bl. 59f. d.A.) nicht abgeholfen, da nicht nur nach seiner von der Auffassung der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern geteilten Auffassung (Bl. 58 d.A.) § 277 StGB keine Sperrwirkung gegenüber § 267 StGB entfalte, sondern schon nicht einschlägig sei, da es sich bei einer Impfbescheinigung, die keine Aussage über den früheren respektive gegenwärtigen Gesundheitszustand eines Menschen oder dessen Gesundheitsaussichten treffe, nicht um ein Gesundheitszeugnis handele.

II.

Die Beschwerde des Beschuldigten ist statthaft und auch sonst zulässig, § 306 Abs. 1 StPO. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Weder lagen die Voraussetzungen für eine Wohnungsdurchsuchung nach §§ 102, 162 Abs. 1 StPO, noch für eine Beschlagnahme nach §§ 94, 98 Abs. 1 StPO vor, da das vorgeworfene Verhalten nach Maßgabe der zum Zeitpunkt der Handlungen geltenden Straftatbestände nicht strafbar war.

1. Eine Strafbarkeit nach den §§ 275, 276 StGB wegen der Vorbereitung der Fälschung von amtlichen Ausweisen in der im Tatzeitpunkt gültigen Fassung vom 13.11.1998 kommt zunächst nicht in Betracht, da es sich bei Impfausweisen nicht um amtliche Ausweise im Sinne dieser Normen handelt. Darunter sind Urkunden zu verstehen, die von einer tatsächlich existierenden Behörde oder sonstigen Stelle der öffentlichen Verwaltung ausgestellt werden, um zumindest auch die Identität einer Person nachzuweisen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 06.10.2009 - 81 Ss 43/09, NStZ 2010, 520, 521). Da das Ausstellen von Impfausweisen nicht Behörden oder sonstigen Stellen der öffentlichen Verwaltung vorbehalten ist, sondern vielmehr auch durch Ärztinnen und Ärzte sowie deren Hilfspersonal erfolgen kann, die keine hoheitlichen Aufgaben wahrnehmen, handelt es sich bei Impfausweisen nicht um amtliche Ausweise im Sinne der §§ 275, 276 StGB a.F.

2. Ebenfalls nicht erfüllt ist der Tatbestand der Fälschung von Gesundheitszeugnissen gemäß § 277 StGB in der im Tatzeitpunkt gültigen Fassung vom 13.11.1998. Danach ist strafbar, wer unter der ihm nicht zustehenden Bezeichnung als Arzt oder als eine andere approbierte Medizinalperson oder unberechtigt unter dem Namen solcher Personen ein Zeugnis über seinen oder eines anderen Gesundheitszustands ausstellt oder ein derartiges echtes Zeugnis verfälscht und davon zur Täuschung von Behörden oder Versicherungsgesellschaften Gebrauch macht.

a) Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts handelt es sich bei Impfausweisen zwar um Gesundheitszeugnisse im Sinne des § 277 StGB. Gesundheitszeugnisse sind körperlich oder elektronisch fixierte Erklärungen über den gegenwärtigen Gesundheitszustand eines Menschen, über frühere Krankheiten sowie ihre Spuren und Folgen oder über Gesundheitsaussichten, wobei auch Angaben tatsächlicher Natur, so etwa über erfolgte Behandlungen, erfasst sind. Nicht erforderlich ist hingegen, dass die Bescheinigung eine Diagnose oder eine sachverständige Stellungnahme enthält (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 25.09.2013 - 2 Ss 519/13, NJW 2014, 482, 483, m.w.N.; MüKoStGB/Erb, 3. Aufl., § 277 Rn. 2; Fischer, StGB, 68. Aufl., § 277 Rn. 3). Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze fällt auch die Bescheinigung über die Durchführung einer COVID-Impfung unter das Tatbestandsmerkmal des Gesundheitszeugnisses im Sinne der Norm. Zwar enthält die in einem Impfausweis enthaltene Bescheinigung über die Durchführung einer COVID-Impfung keine ausdrückliche Aussage über deren Wirksamkeit im Hinblick auf eine etwaige Immunisierung. Jedoch ist eine derartige sachverständige oder gutachterliche Auseinandersetzung mit dem Grad der Wirkung einer Impfung nicht Voraussetzung für die Annahme eines Gesundheitszeugnisses im Sinne des § 277 StGB. Vielmehr genügen für die Annahme eines Gesundheitszeugnisses auch Angaben tatsächlicher Natur im Hinblick auf die Durchführung therapeutischer Maßnahmen (vgl. OLG Stuttgart, a. a. O.). Durch die Impfbescheinigung steht fest, dass dem Patienten ein Impfstoff gegen eine COVID-Erkrankung verabreicht wurde und dass die Körperzellen des Patienten der Wirkung dieses Impfstoffes jedenfalls übergangsweise ausgesetzt waren. Allein hiermit ist auch eine Aussage über einen vorübergehenden Gesundheitszustand eines Menschen getroffen. Ob etwa der Körper des Patienten infolge der Impfung Antikörper in einer ausreichenden Anzahl gebildet hat, ist eine hiervon zu trennende Fragestellung, die für die Einordnung der Impfbescheinigung als Gesundheitszeugnis keine Auswirkung hat.

b) Jedoch ist das Tatbestandsmerkmal der Vorlage zur Täuschung einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft nicht erfüllt. Der Beschuldigte hat nach Aktenlage den gefälschten Impfpass lediglich in einer Apotheke vorgelegt, um ein digitales Impfzertifikat zu erhalten. Bei einer Apotheke handelt es sich aber nicht um eine Behörde oder Versicherungsgesellschaft. Unter Zugrundelegung des staatsrechtlichen Behördenbegriffs (MüKoStGB/Radtke, 4. Aufl., § 11, Rn. 149) sind Behörden ständige, vom Wechsel respektive Wegfall einzelner Personen unabhängige, in das Gefüge der staatlichen Verwaltung eingeordnete Organe, die mit öffentlicher Autorität auf die Erreichung von Staatszwecken oder staatlich geförderten Zwecken hinwirken (vgl. BGH, Beschluss vom 20.09.1957 - V ZB 19/57, NJW 1957, 1673 m.w.N.). Mangels Eingliederung in das staatliche Verwaltungsgefüge handelt es sich daher bei Apotheken nicht um Behörden i.S.d. § 277 StGB a.F. Hiergegen spricht auch nicht die Regelung des § 22 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 IfSG. Danach haben Apotheker die durchgeführte Impfung auf Wunsch der geimpften Person in einem digitalen Impfzertifikat zu bescheinigen. Dass den Apothekern so staatliche Aufgaben übertragen worden sind, führt jedoch nicht dazu, dass Apotheker wie Behörden zu behandeln sind (LG Osnabrück, Beschluss vom 28.10.2021 - 3 Qs 38/21, juris). Wie sich bereits aus den Legaldefinitionen des § 11 Abs. 1 Nr. 2c) und Nr. 4a) StGB ergibt, wird gesetzgeberisch zwischen Behörden und sonstigen Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen, unterschieden.

c) Weiterhin scheidet auch eine Strafbarkeit nach § 277 StGB a.F. durch Übermittlung der in § 22 Abs. 2 S. 1, Abs. 4 IfSG genannten Daten an das Robert-Koch-Institut durch die gutgläubige Apotheke als Tatmittlerin im Wege der mittelbaren Täterschaft aus. Hierfür müsste das Gesundheitszeugnis als Täuschungsgegenstand der Behörde, nämlich dem Robert-Koch-Institut, sinnlich wahrnehmbar zugänglich gemacht werden (vgl. OLG Stuttgart, a. a. O., MüKoStGB/Erb, 3. Aufl., § 277 Rn. 4). Nach § 22 Abs. Abs. 5 S. 3 IfSG übermitteln die Apotheken jedoch lediglich die dort genannten personenbezogenen Daten an das Robert-Koch-Institut und nicht die Impfbescheinigung oder eine Kopie hiervon selbst. Somit hat das Institut keine eigene Möglichkeit zur Kenntnisnahme des Impfausweises.

3. Aus den unter 2 genannten Gründen kommt – unabhängig von der Frage nach dem Vorliegen der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen oder eine Sperrwirkung durch § 277 StGB (s.u.) – auch keine Strafbarkeit nach § 271 StGB in Betracht, da in Ermangelung einer Prüfungsmöglichkeit des Robert-Koch-Instituts das digitale Impfzertifikat nicht mit einem öffentlichen Glauben versehen werden kann.

4. Schließlich liegt auch kein Anfangsverdacht wegen Begehung einer Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 StGB vor.

a) Obschon die Tatbestandsvoraussetzungen des Gebrauchens einer unechten Urkunde an sich erfüllt sind, entfaltet der Anwendungsbereich des § 277 StGB hinsichtlich der Verwendung von Gesundheitszeugnissen als lex specialis gegen die Urkundenfälschung als lex generalis eine Sperrwirkung (LG Osnabrück, Beschluss vom 28.10.2021 - 3 Qs 38/21, juris; LG Karlsruhe, Beschluss vom 26.11.2021 - 19 Qs 90/21, juris; LG Landau (Pfalz), Beschluss vom 21.12.2021 - 5 Qs 93/21; BeckOK StGB/Weidemann, 51. Ed., § 277 Rn. 13; MüKoStGB/Erb, 3. Aufl., § 277 Rn. 9; Schönke/Schröder/Heine/Schuster, StGB, 30. Aufl., § 277 Rn. 12). Dies ergibt sich bereits aus der Systematik der Normen: Während sich § 267 StGB auf den allgemeinen Begriff der Urkunde bezieht, verengt sich der Tatbestand des § 277 StGB auf Gesundheitszeugnisse und sieht mit bis zu einem Jahr Freiheits- oder Geldstrafe einen deutlich geringen Strafrahmen als den des § 267 StGB mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe vor.

b) Eine Sperrwirkung ist zudem geboten, um Wertungswidersprüche zu vermeiden: Ohne sie würde das Benutzen von Gesundheitszeugnissen gegenüber Privaten höher bestraft als gegenüber Behörden und Versicherungsgesellschaften. Vielmehr liegt der Beschränkung ersichtlich der Gedanke zugrunde, dass durch die Vorlage von Gesundheitszeugnissen bei Behörden und Versicherungsgesellschaften ein größerer wirtschaftlicher Schaden droht, etwa im Hinblick auf das Erwirken unberechtigter Leistungsansprüche, als dies gegenüber Privatleuten der Fall wäre.

Ein weiterer Wertungswiderspruch tritt in dem Fall zu Tage, wenn nur ein Akt des zweiaktigen Delikts des § 277 StGB a.F. vollendet wird: Wenn ein Gesundheitszeugnis gefälscht werden würde, um es einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft vorzulegen, aber es noch nicht zur Vorlage gekommen wäre, wäre diese Handlung nicht nach § 277 StGB a.F. strafbar, da die Norm einen Versuch nicht unter Strafe stellt. Sehr wohl läge aber eine Strafbarkeit nach § 267 StGB vor, da gemäß der Einaktigkeit der Strafnorm bereits das Erstellen einer unechten Urkunde den Tatbestand der Urkundenfälschung vollendet. Ohne die Sperrwirkung würde in diesem Fall mithin diese Tat schwerer bestraft, als wenn das Gesundheitszeugnis vorgelegt worden wäre.

c) Auch vor dem Hintergrund der Gesetzesänderung des § 277 StGB n.F., wonach die Tatbestandsvoraussetzung einer Vorlage bei einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft nunmehr entfällt, lässt sich keine andere Ansicht überzeugend begründen. Zwar soll laut der Entwurfsbegründung (BT-DRs 20/89, S. 21) anhand der Änderung nunmehr eindeutig klargestellt werden, dass § 277 StGB keine Sperrwirkung gegenüber § 267 StGB entfaltet. Hieraus lässt sich jedoch allenfalls ableiten, dass der aktuelle Gesetzgeber bereits zuvor nicht von einer Sperrwirkung ausgeht. Zur Ermittlung des hier maßgeblichen gesetzgeberischen Willens zum Zeitpunkt des Erlasses der vorherigen Fassung kann hierauf schon methodisch nicht zurückgegriffen werden.

d) Schließlich verbieten nach Auffassung der Kammer der Bestimmtheitsgrundsatz sowie das Analogieverbot einen Rückgriff auf § 267 StGB, sofern § 277 StGB a.F. zur Anwendung kommt. Dies gilt auch für eine vermittelnde Ansicht, wonach sich die Sperrwirkung des § 277 StGB a.F. nur hinsichtlich ihr gegenüber höheren Strafandrohung aus § 267 StGB entfalten soll (so Fischer, StGB, 68. Aufl., § 277, Rn. 11)

5. Nach alledem besteht nach Überzeugung der Kammer kein Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung, die eine Wohnungsdurchsuchung oder die Beschlagnahme des Mobiltelefons des Beschuldigten gerechtfertigt hätte.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 467 StPO analog.


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