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Entscheidungen

StPO

Mangelnde Eignung, elektronisches Dokument, doppelte Wiedereinsetzung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.02.2022 - 1 Ss 28/22

Leitsatz des Gerichts: 1. Die in § 32a Abs.6 Satz 2 StPO vorgesehene Fiktion fristwahrender Einlegung nach Hinweis auf die mangelnde Eignung einer zuvor mittels elektronischen Dokumentes eingereichten Revisionsbegründung kann nur durch die Einreichung eines für die Bearbeitung durch das Gericht geeigneten elektronischen Dokumentes ausgelöst werden, nicht durch Übermittlung einer Revisionsbegründung in Papierform.
2. Ebenso genügt nur die Einreichung eines für die Bearbeitung durch das Gericht geeigneten elektronischen Dokumentes den Anforderungen einer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigenden Nachholung der versäumten Handlung.


In pp.

Der Antrag des Angeklagten, ihm Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumen der Frist zur Revisionsbegründung zu gewähren, wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

Das Landgericht Aurich hat den Angeklagten mit Urteil vom 1. November 2021 auf die Berufung der Staatsanwaltschaft u.a. wegen schweren Wohnungseinbruchdiebstahls in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und zugleich die Berufung des Angeklagten verworfen. Im Übrigen hat es die Einziehung des Wertes des Taterlangten in Höhe von 42.459,60 EUR angeordnet.

Das Urteil wurde dem Verteidiger am 8. Dezember 2021 zugestellt. Am Montag den 10. Januar 2022 erhielt das Landgericht Aurich lediglich den Prüfvermerk über die Übermittlung einer Revisionsbegründung im Format „docx“ (word-Dokument) aus dem besonderen Anwaltspostfach des Verteidigers; das Dokument selbst befand sich nicht bei der Akte. Nachdem der Vorsitzende mit Schreiben vom 11. Januar 2022 den Verteidiger darauf hingewiesen hatte, dass kein entsprechendes Dokument eingegangen sei, hat Letzterer mit noch am selben Tag beim Landgericht eingegangen Fax mitgeteilt, dass die Revisionsbegründung vom Vortag von ihm erstellt, überprüft und ordnungsgemäß in seinem System über „E-Versand“ über sein eigenes beA-Postfach an das Landgericht Aurich versandt worden sei. Zugleich hat er dem Landgericht nicht nur den diesbezüglichen Zustellungsnachweis, sondern auch die auf den 10. Januar 2022 datierende und von ihm nunmehr handschriftlich unterzeichnete Revisionsbegründungsschrift per Fax übermittelt. Im selben Schriftsatz hat der Verteidiger anwaltlich versichert, dass das am 11. Januar 2022 per Fax zur Absendung gebrachte Dokument in Form der Revisionsbegründung inhaltsidentisch ist mit dem am 10. Januar 2022 per beA als Anlage versandten Revisionsbegründung. Für den Fall, dass von einer versäumten Revisionsbegründungsfrist ausgegangen werde, hat der Verteidiger schließlich vorsorglich um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ersucht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorerwähnten Schriftsätze verwiesen.

II.

1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumen der Frist zur Revisionsbegründung wird als unzulässig verworfen.

a) Der Angeklagte hat die Revisionsbegründungsfrist nicht eingehalten.

Nach dem seit dem 1. Januar 2022 geltenden § 32d Satz 2 StPO müssen die Revision und ihre Begründung als elektronisches Dokument übermittelt werden, um Wirksamkeit zu entfalten (vgl. BT-Drs. 18/9416, S. 51; ferner Köhler, in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 32d Rn. 2; Graf, in KK-StPO, 8. Aufl., § 32d Rn. 5). Dieses bei Gericht eingereichte elektronische Dokument muss nach § 32a Abs. 2 Satz 1 StPO für die Bearbeitung geeignet sein. Gemäß § 32a Abs. 2 Satz 2 StPO i.V.m. §§ 2 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) wiederum müssen die Dokumente dem Dateiformat „PDF“ bzw. „TIFF“ entsprechen. Ist ein elektronisches Dokument für die Bearbeitung durch das Gericht nicht geeignet – entspricht dies insbesondere nicht den geeigneten Dateiformaten –, so ist dies gemäß § 32a Abs. 6 Satz 1 StPO dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs unverzüglich mitzuteilen. Nach § 32a Abs. 6 Satz 2 StPO hat das nicht den vorbezeichneten Formatvorgaben entsprechende elektronische Dokument dennoch fristwahrende Wirkung, wenn der Absender es unverzüglich nach Erhalt der Mitteilung in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und eine inhaltliche Übereinstimmung mit dem ursprünglich eingereichten Dokument glaubhaft macht (vgl. auch Köhler, in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 32b Rn. 7; Graf, in KK-StPO, 8. Aufl., § 32a Rn. 22; Valerius, in BeckOK-StPO, § 32a Rn. 20 jew. m.w.N.). Wird also das elektronische Dokument nunmehr in einer zur Bearbeitung geeigneten Form unverzüglich nachgereicht, so gilt es zum Zeitpunkt der früheren, unwirksamen Einreichung als eingegangen (vgl. Valerius a.a.O.; Graf a.a.O.).

Dies ist hier nicht der Fall.

Die Revisionsbegründung ist am 10. Januar 2022, dem Tag der Ablauf der Revisionsbegründungfrist, als Word-Dokument und damit nicht in einem zur Bearbeitung geeigneten Format (hier: PDF) dem Landgericht Aurich elektronisch übermittelt worden, woran auch der Umstand nichts zu ändern vermag, dass diese Revisionsbegründung beim Landgericht offenbar am 26. Januar 2022 als Word-Dokument ausgedruckt werden konnte (vgl. Valerius, in BeckOK-StPO, § 32a Rn. 7.1). Auf diesen Mangel ist der Verteidiger durch das Landgericht unverzüglich hingewiesen worden, woraufhin der Verteidiger ohne schuldhaftes Verzögern die Revisionsbegründungsschrift per Telefax nachgereicht hat. Eine – angekündigte –Einreichung der Revisionsbegründung per beA in elektronisch lesbarer Form ist nach telefonischer Auskunft der Geschäftsstelle des Landgerichts Aurich auf Nachfrage des Senats vom 21. Februar 2021 allerdings binnen Antragsfrist wie auch im Zeitraum danach nicht erfolgt.

Durch die erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist erfolgte Nachreichung als Telefax ist aber die Fiktionswirkung des § 32a Abs. 6 StPO nicht ausgelöst worden. Denn bereits der Wortlaut dieser Vorschrift zielt auf die Nachreichung von Dokumenten in elektronischer Form ab, indem es in § 32a Abs. 6 Satz 2 StPO heißt, dass „[d]as elektronische Dokument […] als zum Zeitpunkt seiner früheren Einreichung eingegangen [gilt], sofern der Absender es unverzüglich in einer […] zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht“. Das Erfordernis der Nachreichung ausschließlich elektronischer Dokumente entspricht auch dem gesetzgeberischen Willen; in der Gesetzesbegründung wird ausgeführt, dass die Vorschrift eine Fiktion der Fristwahrung anordne, wenn der Absender „unverzüglich ein technisch lesbares Dokument einreicht“ (vgl. BT-Drs. 18/9416, S. 48). Ob vor Inkrafttreten des eine Einreichung bestimmter Schrift-sätze – unter anderem auch der Revisionsbegründung – zwingend in elektronischer Form anordnenden § 32d StPO ein einschränkendes Verständnis der Regelung des § 32a Abs. 6 StPO dahingehend, dass auch die nach damaliger Rechtslage grundsätzlich ausreichende Einreichung per Telefax im Rahmen der Nachreichung als zur Bearbeitung geeignet anzusehen ist, geboten war (so offenbar OLG Rostock, Beschluss vom 02.12.2020 - 4 U 70/20, juris Rn. 6 f. zur identischen Vorschrift des § 130a Abs. 6 ZPO), kann vorliegend dahinstehen. Jedenfalls seit Inkrafttreten des § 32d StPO ist dies nicht mehr möglich. Die Wirksamkeit der Schriftsätze ist danach nunmehr grundsätzlich zwingend an deren Einreichung in elektronischer Form geknüpft. Als zur Bearbeitung geeignet i.S.d. § 32a Abs. 6 Satz 2 StPO können angesichts dessen nur den Anforderungen entsprechende, für das Gericht lesbare elektronische Dokumente angesehen werden. Die Nachreichung eines den Wirksamkeitsanforderungen immer noch nicht genügenden Dokumentes ist demgegenüber nicht geeignet, im Wege der Fiktion eine Vorverlagerung auf den früheren Zeitpunkt des Eingangs eines ebenfalls nicht wirksam angebrachten Schriftsatzes zu bewirken. Dementsprechend lässt § 32d Satz 3 StPO eine Übermittlung in Papierform nur für den – hier weder vorliegenden noch glaubhaft gemachten – Ausnahmefall einer vorübergehenden technischen Störung zu.

b) Vor diesem Hintergrund liegen die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung ebenfalls nicht vor, da § 45 Abs. 2 Satz 2 StPO binnen Antragsfrist die Nachholung der versäumten Handlung verlangt.

Auch diesem Erfordernis genügt die per Telefax nachgereichte Revisionsbegründung nicht. Hierfür ist nämlich Voraussetzung, dass die versäumte Handlung in der gesetzlich vorgeschriebenen Form nachgeholt wird, da andernfalls der Antrag unzulässig ist (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 45 Rn. 11 m.w.N.). Zwar war bislang in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine (nachgeholte) Revisionsbegründung insoweit nur den – hier eingehaltenen – Formerfordernissen der §§ 344 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, 345 Abs. 2 StPO entsprechen muss (vgl. BGH, Beschluss vom 13.01.1997 – 4 StR 612/96, BGHSt 42, 365 = NJW 1997, 1516). Auf die Einhaltung allein dieser Formvorschriften kann nach der neuen Rechtslage indes nicht mehr abgestellt werden. Denn nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers handelt es sich mit der in § 32d Satz 2 StPO normierten Pflicht zur Einreichung elektronischer Dokumente um eine Form- und Wirksamkeitsvoraussetzung, deren Nichteinhaltung die Unwirksamkeit der Erklärung zur Folge hat (vgl. BT-Drs. 18/9416, S. 51). Angesichts dieser zwingenden Regelung muss die im Rahmen des Wiedereinsetzungsantrags nachzuholende versäumte Handlung zugleich der gesetzlich vorgeschriebenen Form der §§ 32a, 32d StPO entsprechen. Mit anderen Worten, entschließt sich – wie hier – der Revisionsführer (auch) im Verfahren über die Wiedereinsetzung zur Nachholung der versäumten Handlung mittels schriftlich nachgereichter Revisionsbegründung – die Möglichkeit, sie zu Protokoll der Geschäftsstelle abzugeben, wird übrigens durch § 32d StPO nicht eingeschränkt (vgl. Radke, in Ory/Weth, jurisPK-ERV, 1. Aufl., § 32 StPO Rn. 7) –, muss diese nicht nur gemäß § 32d Satz 2 StPO als elektronisches Dokument übermittelt werden, sondern gemäß § 32a Abs. 2 Satz 1 StPO zugleich für die Bearbeitung durch das Gericht technisch lesbar sein. Eine diesen Erfordernissen genügende Revisionsbegründung ist jedoch binnen Antragsfrist nicht eingegangen, so dass der Wiedereinsetzungsantrag unzulässig ist.

2. Für das weitere Verfahren weist der Senat jedoch daraufhin, dass, wenn der Angeklagte über seinen Verteidiger binnen Wochenfrist nach Zustellung dieses Beschlusses nunmehr eine den vorstehenden Voraussetzungen genügende Revisionsbegründungsschrift beim Landgericht einreicht, diesem Wiedereinsetzung in die – mangels formgerechten Wiedereinsetzungsantrags (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 13.08.2018 – 2 Rev 47/18 - 1 Ss 86/18, juris Rn. 9; Graalmann-Scheerer, in LR-StPO, 27. Aufl., § 44 Rn. 9 jew. m.w.N.) – vorliegend versäumte Wiedereinsetzungsantragsfrist zu gewähren sein wird. Denn ausnahmsweise erscheint hier die neuerliche Wiedereinsetzung zur Wahrung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geboten, um dem Angeklagten, der bislang von dem allein durch seinen Verteidiger verschuldeten (vgl. BT-Drs. 17/12634, S. 26), ihm indes nicht zuzurechnenden (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 44 Rn. 18) Formmangel keine Kenntnis gehabt haben dürfte, die Möglichkeit zur Beseitigung dieses Formmangels durch Nachholung formgerechten Vorbringens i.S.d. § 45 Abs. 2 StPO zu geben (vgl. in diese Richtung BGH, Beschluss vom 09.07.2003 – 2 StR 146/03, NStZ 2003, 615 Rn. 4; OLG Hamburg, Beschluss vom 13.08.2018 – 2 Rev 47/18 - 1 Ss 86/18, juris Rn. 12; s.a. Kassenbohm, StraFo 2017, 393 <399>; Beukelmann/Brökers, in MAH-Strafverteidigung, 3. Aufl., § 38 Rn. 147; Graf, in KK-StPO, 8. Aufl., § 32d Rn. 5; Bosbach, in NK-StGB, 5. Aufl., § 32d Rn. 2; Valerius, in BeckOK-StPO, § 32d Rn. 4 jew. zur Wiedereinsetzung im Kontext des § 32d StPO).


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