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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, Nachträgliche Bestellung, Kosteninteresse des Verteidigers

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Oldenburg, Beschl. v. 24.02.2022 - 1 Qs 65/22

Eigener Leitsatz: Die nachträgliche Bestellung eines Pflichtverteidigers ist nicht zulässig.


Landgericht Oldenburg
Beschluss
1 Qs 370 Js 78551/21 (65/22)

In der Strafsache
gegen pp.

Verteidiger:

wegen Vergehen nach § 29 BtMG

hat das Landgericht - 1. Große Strafkammer - Oldenburg durch die unterzeichnenden Richter am 24.02.2022 beschlossen:

Die sofortige Beschwerde des ehemals Beschuldigten gegen den Beschluss des Amts-gerichts Oldenburg vom 09.02.2022 (Az.: 28 Gs 717/22) wird kostenpflichtig als unbegründet verworfen.

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft führte gegen den ehemals Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das BtMG. Ihm wurde vorgeworfen, am 19.09.2021 eine kleine Menge Marihuana (ca. 22 g) besessen zu haben; daneben wurde nebst Utensilien zum Konsum ein Seit-Springmesser gefunden. Die Tat wurde bekannt, nachdem die Polizei wegen einer Suizidankündigung in die Wohnung gerufen worden war. Nachdem sich mit Schreiben vom13.01.2022 sein Verteidiger zu den Akten gemeldet und im Hinblick auf ein weiteres Ermittlungsverfahren die Erstreckung der dortigen Beiordnung vorn 15.12.2021 auch auf dieses Verfahren beantragt hatte, hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren am 04.02.2022 gern. § 154 Abs. 1 StPO eingestellt.

Das Amtsgericht hat durch den angefochtenen Beschluss, auf dessen Begründung zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, die Beiordnung abgelehnt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Beschuldigten vom 17.02.2022, die am selben Tag bei Gericht eingegangen ist und auf deren Begründung ebenfalls verwiesen wird.

II.

Das gem. §§ 142 Abs. 7, 311 StPO statthafte Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegen die Ablehnung der Beiordnung ist zwar zulässig, ihr musste der Erfolg jedoch versagt bleiben.

1. Zwar ist der Beiordnungsantrag bei der Staatsanwaltschaft, die hierüber zu entscheiden nicht befugt ist, am 13.01.2022 eingegangen, während das Verfahren erst mit Verfügung vom 04.02.2022 eingestellt wurde, mit der Einstellung gem. § 154 Abs. 1 StPO war das Verfahren dann aber abgeschlossen. Da die Pflichtverteidigung ersichtlich allein dem Zweck dient, im öffentlichen Interesse dafür zu sorgen, dass ein Beschuldigter in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Beistand erhält und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird, besteht nach bereits erfolgtem Abschluss des Verfahrens keine Notwendigkeit mehr für die Beiordnung eines Pflichtverteidigers. Eine dem Zweck der Pflichtverteidigung dienende Tätigkeit scheidet nämlich nach Abschluss des Verfahrens grundsätzlich aus, so dass eine dennoch er-folgende Beiordnung ausschließlich dem verfahrensfremden Zweck dienen würde, dem Verteidiger einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse zu verschaffen (vgl. BGH, NStZ-RR 2009, 348; LG Oldenburg, Beschl. v. 24.05.2011, Az. 6 Qs 21/11). Eine nachträgliche, gleichsam rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Abschluss des Verfahrens kommt daher regelmäßig nicht mehr in Betracht, selbst wenn der Antrag bereits vor Abschluss des Verfahrens gestellt wurde (vgl. OLG Oldenburg, Beschl. v. 15.07.2014, Az. 1 Ws 322/14).

Zwar mag im Einzelfall eine andere Entscheidung sachgerecht sein, wenn ein Verteidiger recht-zeitig vor Abschluss des Verfahrens einen Beiordnungsantrag gestellt hat, umfangreich für seinen Mandanten tätig wurde und trotz Vorliegens der Voraussetzungen einer notwendigen Verteidigung nicht beigeordnet wird, weil nicht über seinen Beiordnungsantrag entschieden wird. In diesem Fall würde der Verteidiger durch bloßes Zuwarten der Justiz um seinen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse gebracht, damit ist aber der vorliegende Verfahrensgang nicht zu vergleichen, zumal zwischen dem Eingang des Beiordnungsantrags und der Einstellungs-verfügung nichts passiert ist. An diesem Ergebnis wollte der Gesetzgeber auch mit der Neufassung des § 141 StPO nichts ändern. Aus der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 19/13829, S. 37) folgt, dass eine Pflichtverteidigerbestellung nicht sofort, sondern lediglich so rechtzeitig er-folgen muss, dass die Verteidigungsrechte gewahrt werden (§ 141 Abs. 1 S. 2 StPO). Hier aber war, weil das Verfahren ohne weitere Ermittlungen eingestellt wurde, keine Verteidigung mehr nötig und folglich waren auch keine Verteidigungsrechte durch die Bestellung eines Pflichtverteidigers mehr zu wahren; den vom ehemals Beschuldigten bemühten Rechtsprechungsnachweisen vermochte die Kammer nicht zu folgen.

2. Ohnehin aber lag kein Fall einer notwendigen Verteidigung vor, denn auch die bestehende rechtliche Betreuung, die sich auf postalische, Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten beschränkt, vermag doch ersichtlich keine andere Einschätzung rechtfertigen, denn damit ist keinesfalls belegt, dass der frühere Beschuldigte unfähig zu Selbstverteidigung gegenüber dem damaligen Tatvorwurf gewesen wäre.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.


Einsender: RA J. Möckel, Oldenburg

Anmerkung:


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