Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, Antrag des Wahlanwalts, Niederlegung des Mandats

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Rostock, Beschl. v. 16.09.2021 - 22 Qs 157/21

Eigener Leitsatz: Nach dem Wortlaut des § 141 Abs. 2 Satz 1 StPO hat die Pflichtverteidigerbestellung nur dann zu erfolgen, wenn der Beschuldigte noch keinen Verteidiger hat. Zwar kann auch der bisherige Wahlverteidiger zum Pflichtverteidiger bestellt werden. Voraussetzung ist hierbei jedoch, dass der Wahlverteidiger die Niederlegung seines Mandats für den Fall der beantragten Bestellung ausdrücklich ankündigt.


22 Qs 157/21

Landgericht Rostock

Beschluss

In dem Strafverfahren
gegen pp.

Verteidiger:
Rechtsanwalt,

wegen Diebstahls geringwertiger Sachen

hat das Landgericht Rostock - 12. Strafkammer als Beschwerdekammer - durch die unterzeichnenden Richter am 16. September 2021 beschlossen:

1. Die sofortige Beschwerde des ehemaligen Beschuldigten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Rostock vom 26.08.2021 (Az.: 23 Ds 161/21) wird als unbegründet verworfen.
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Die gemäß §§ 142 Abs. 7 Satz 1, 311 StPO statthafte und unter Berücksichtigung von §§ 311 Abs. 2, 37 Abs. 2 StPO fristgemäß eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Zum Zeitpunkt der beantragten Beiordnung als Pflichtverteidiger am 11.05.2021 lagen die Voraus-setzungen einer notwendigen Verteidigung gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO (zunächst) vor. Der Verurteilte befand sich nämlich seit demselben Tag in anderer Sache in Strafhaft in der JVA Waldeck. Vor dem Hintergrund, dass durch § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO die Nachteile kompensiert werden sollen, die durch die eingeschränkten Verteidigungsmöglichkeiten infolge einer Inhaftierung einhergehen, setzt die vorgenannte Norm nicht voraus, dass der Freiheitsentzug im Zusammenhang mit dem Strafverfahren folgt, im welchen der Fall einer notwendigen Verteidigung zu prüfen ist.

Indessen folgt grundsätzlich aus der Notwendigkeit der Verteidigung i.S.v. § 140 StPO noch nicht unmittelbar die Notwendigkeit der Pflichtverteidigerbestellung; den Zeitpunkt der Bestellung regeln vielmehr die §§ 141, 141a StPO. Das eigene Antragsrecht des Beschuldigten nach § 141 Abs. 1 StPO dient dazu, in zeitlicher Hinsicht die Phase des Strafverfahrens abzudecken, in der § 140 StPO die Verteidigung bereits für notwendig erachtet, aber noch keine Pflicht zur Beiordnung eines Verteidigers von Amts wegen besteht. Wenn die (engen) Voraussetzungen des § 141 Abs. 2 StPO vorliegen, bedarf es dagegen keiner Mitwirkungshandlung des Beschuldigten (LG Würzburg, Beschluss vom 10.11.2020, Az.: 6 Qs 197/20). Im vorliegenden Fall lagen die Voraussetzungen nach § 141 Abs. 2 Nr. 2 StPO vor. Denn spätestens mit Schreiben der Polizeiinspektion Rostock - Kriminalkommissariat Außenstelle Lichtenhagen - vom 04.03.2021 wurde dem ehemaligen Beschuldigten der Tatvorwurf eröffnet. Zudem befand er sich zum Zwecke des Strafvollzuges aufgrund richterlicher Anordnung im Sinne der vorgenannten Vorschrift in einer Anstalt. Hierbei ist auch bei § 141 Abs. 2 Nr. 2 StPO ausreichend, dass sich der Beschuldigte in anderer Sache in Haft befindet (vgl. Krawczyk in: BeckOK StPO, 40. Edition, § 141 Rn. 17).

Nach dem Wortlaut des § 141 Abs. 2 Satz 1 StPO hat die Pflichtverteidigerbestellung jedoch nur dann zu erfolgen, wenn der Beschuldigte noch keinen Verteidiger hat. Mit Schriftsatz vom 11.05.2021 erklärte Rechtsanwalt pp., dass er Herrn pp. verteidige. Die Vollmacht wurde standesgemäß anwaltlich versichert. Die Bestellung von Rechtsanwalt Penneke als Pflichtverteidiger kam aufgrund des bestehenden Wahlmandats nicht in Betracht. Zwar kann auch der bisherige Wahlverteidiger zum Pflichtverteidiger bestellt werden. Voraussetzung ist hierbei jedoch, dass der Wahlverteidiger die Niederlegung seines Mandats für den Fall der beantragten Bestellung ankündigt (vgl. OLG Oldenburg NJW 2009, 3044. BT-Drs. 19/13829, 36, Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 141 Rn. 4/10; Krawczyk in: BeckOK StPO, 40. Edition, § 141 Rn. 2). Fehlerhaft ist es dagegen, den Wahlverteidiger ohne Ankündigung der Mandatsniederlegung als Pflichtverteidiger zu bestellen (vgl. Krawczyk in: BeckOK StPO, 40. Edition, § 141 Rn. 2; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 141 Rn. 4/10), da dies dem klaren Wortlaut von § 141 Abs. 1 S. 1 StPO und dem darin zum Ausdruck kommenden Vorrang der Wahlverteidigung vor der Pflichtverteidigung widersprechen würde (LG Würzburg, Beschluss vom 10.11.202, Az.: 6 Qs 197/20; Krawczyk in: BeckOK StPO, 40. Edition, § 141 Rn. 2). Die teilweise vertretene Ansicht, in dem Antrag auf Beiordnung sei in der Regel die Ankündigung der Niederlegung des Wahlmandates für den Fall der Beiordnung zu erblicken (Thomas/Kämpfer in: MüKo, StPO, § 141 Rn. 2; LG Freiburg, Beschluss vom 26.08.2020, Az.: 16 Qs 40/20), ist indessen mit dem Wortlaut von § 141 Abs. 2 StPO nicht zu vereinbaren.

Unabhängig davon war von der Bestellung eines Pflichtverteidigers nach § 141 Abs. 2 Satz 3 StPO abzusehen. Nach dieser Norm kann in den Fällen des § 141 Abs. 1 Nr. 2 StPO die Bestellung eines Pflichtverteidigers unterbleiben, wenn beabsichtigt ist, das Verfahren alsbald einzustellen und keine anderen Untersuchungshandlungen als die Einholung von Registerauskünften oder die Beiziehung von Urteilen oder Akten vorgenommen werden soll. Nachdem die Voraussetzungen nach § 141 Abs. 2 Nr. 2 StPO eingetreten waren, gewährte das Amtsgericht Rostock dem Verteidiger auf Antrag lediglich noch Akteneinsicht. Unmittelbar im Anschluss daran regte das Amtsgericht Rostock mit Verfügung vom 24.06.2021 die Einstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO an und stellte dieses nach einem entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft Rostock mit Beschluss vom 05.07.2021 nach der vorbezeichneten Norm ein.

Vor diesem Hintergrund kann es dahingestellt bleiben, ob eine rückwirkende Pflichtverteidigerbestellung überhaupt in Betracht kommt.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 1 StPO.

Ein weiteres Rechtsmittel ist nicht gegeben, §§ 310 Abs. 2, 311 StPO.


Einsender: RA T. Penneke, Rostock

Anmerkung:


zurück zur Übersicht

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".