Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Braunschweig, Beschl. v. 01.03.2022 - 1 Ws 38/22
Eigener Leitsatz: Die Gebühr Nr. 4142 VV RVG entsteht u.a. für eine Tätigkeit des Verteidigers für den Beschuldigten, die sich auf eine Einziehung bezieht. Dabei setzt der Gebührentatbestand nicht zwingend eine gerichtliche Tätigkeit oder einen Antrag der Staatsanwaltschaft voraus, sondern kann auch im Falle außergerichtlichen Beratung in Ansatz gebracht werden.
Oberlandesgericht Braunschweig
1 Ws 38/22
In der Strafsache
gegen pp.
- Verteidiger:
Rechtsanwalt Jan-Robert Funck, Schleinitzstraße 14, 38106 Braunschweig
- Beschwerdeführerin:
Staatskasse, vertreten durch den Bezirksrevisor am Landgericht Braunschweig -
wegen Betruges
hier: Beschwerde des Bezirksrevisors gegen die Festsetzung der Gebühr nach Nr.
4142 VV RVG
wird die Beschwerde des Bezirksrevisors gegen den Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 14. Dezember 2021 i.V.m. dem Beschluss vom 21. Januar 2022 als unbegründet verworfen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Auslagen werden nicht erstattet.
Das Landgericht ist zu Recht vom Vorliegen der Voraussetzungen des Gebührentatbestandes Nr. 4142 VV RVG ausgegangen und hat mit Beschluss vom 21. Januar 2022 die Höhe der Gebühr unter Zugrundelegung des vor dem 1. Januar 2021 geltenden Gebührenrechts zutreffend auf 447 nebst 16 % Umsatzsteuer abgeändert.
Die Gebühr entsteht, wenn sich die Tätigkeit des Rechtsanwaltes auf eine Einziehung bezieht". Sie findet ihren Sinn darin, dass der besondere Einsatz des Rechtsanwaltes mit dem Ziel der Bewahrung des Eigentums des Mandanten wegen der sich häufig aufwändig und umfangreich gestaltenden Tätigkeit abgegolten werden soll (KG Berlin, Beschluss vom 18. Juli 2005, 5 Ws 256/05, juris, Rn. 8). Indes ist die Gebühr unabhängig vom Umfang der entfalteten Tätigkeit des Rechtsanwaltes als reine Wertgebühr ausgestaltet, die sich für den Pflichtverteidiger nach §§ 49, 13 Abs. 1 RVG bemisst (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23. August 2007, 3 Ws 267/07, NStZ-RR 2007, 391).
Bereits die Beratung der Angeklagten durch den Verteidiger hat vorliegend die Gebühr ausgelöst. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass es an einem Antrag der Staatsanwaltschaft oder an einer gerichtlichen Entscheidung fehlt. Es reicht vielmehr aus, dass nach Aktenlage die Einziehung ernsthaft in Betracht gekommen ist (Kremer in: Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Aufl., VV 4142, Rn. 6). So liegt der Fall hier. Der Verteidiger hat in seinem Kostenfestsetzungsantrag vom 2. Oktober 2020 die Gebühr VV RVG 4142 mit mögliche Einziehung d. Wertes d. Erlangten/Erörterung mit der Mandantin" begründet. Anhaltspunkte dafür, dass diese Erörterung erst nach der Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft vom 4.10.2018, in der diese gem. § 421 Abs. 3 StPO von einer Einziehung abgesehen habe, stattgefunden habe und damit nicht (mehr) geboten gewesen wäre, bestehen nach Auffassung des OLG nicht. Das LG habe zu Recht darauf hingewiesen, dass der Verteidiger bereits 2 Jahre vor der Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft Akteneinsicht hatte und mithin davon ausgegangen werden könne, dass er unter gewissenhafter Erfüllung seiner Pflichten als Verteidiger die Angeklagte in den zwei Jahren vor der Abschlussverfügung hinsichtlich der in Betracht kommenden Einziehung von Vermögenswerten beraten hat.
Einsender: RA J.-R. Funck, Braunschweig
Anmerkung: Bestätigung von LG Braunschweig: 16 KLs 206 Js 37825/15 (57/18)
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