Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Trunkenheitsfahrt, Entziehung der Fahrerlaubnis, Nachtrunk

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Oldenburg, Beschl. v. 24.05.2022 - 4 Qs 155/22

Eigener Leitsatz: Zur Widerlegung einer Nachtrunkbehauptung.


Landgericht Oldenburg

Beschluss

4 Qs 155/22

In der Strafsache
gegen pp.

Verteidiger:

wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort

hat das Landgericht Oldenburg – 4. Große Strafkammer – durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht, den Richter am Landgericht und den Richter am 24.05.2022 beschlossen:
Auf die Beschwerde der Beschuldigten vom 26.04.2022 wird der Beschluss des Amtsgerichts Oldenburg vom 21.04.2022 aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen der Beschuldigten trägt die Staatskasse.

Gründe:

I.

Der Beschuldigten wird vorgeworfen, am 02.04.2022 gegen 23:00 bei McDonalds, Hasporter Damm 187 in Delmenhorst mit einem PKW, amtliches Kennzeichen pp., unter Alkoholeinfluss gegen einen in der dortigen Zufahrt des Drive-Ins im Boden eingegrabenen Findling gefahren zu sein. Der Findling sei daraufhin gegen einen dahinter befindlichen Pfeiler der dortigen Höhenbegrenzung der Zufahrt gedrückt worden, wodurch die metallische Außenverkleidung des Pfeilers deformiert worden und insgesamt ein Schaden von mindestens 3.000 € entstanden sei. In der Folge habe sie sich in Kenntnis des Geschehens von der Unfallstelle entfernt, ohne dass nähere Feststellungen zu ihrer Person getroffen werden konnten.

Gegen 01:30 wurde die Beschuldigte durch die ermittelnden Polizeibeamten an ihrer Wohnanschrift in der pp. in Delmenhorst angetroffen. Das an der Anschrift aufgefundene Fahrzeug mit dem vorstehenden Kennzeichen wies an der rechten Vorderseite erkennbare Beschädigungen auf, die augenscheinlich mit dem Unfallgeschehen in Zusammenhang stehen konnten.

Bei der Beschuldigten wurden zwischen 01:33 Uhr und 02:32 Uhr zwei freiwillige Tests zur Ermittlung der Atemalkoholkonzentration (AAK) und zwei Tests zur Ermittlung der Blutalkoholkonzentration (BAK) durchgeführt. Die Tests ergaben zu den betreffenden Uhrzeiten die folgenden Werte: um 01:33 Uhr eine AAK von 1,55 %o; um 01:39 Uhr eine AAK von 1,62 %o; um 02:02 Uhr eine BAK von 1,65 %o; um 02:32 Uhr eine BAK von 1,52 %o.

Mit Beschluss vom 21.04.2022 hat das Amtsgericht Oldenburg der Beschuldigten gemäß § 111a StPO die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen. Hiergegen wendet sich die Beschuldigte mit ihrer Beschwerde vom 26.04.2022. Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Entscheidung vom 05.05.2022 nicht abgeholfen. Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss und die Beschwerdeschrift verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Die Voraussetzungen für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 111a StPO liegen nicht vor, weil nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand keine dringenden Gründe für die Annahme erkennbar sind, dass der Beschuldigten die Fahrerlaubnis durch Urteil entzogen werden wird. Es ist nicht in hohem Maße wahrscheinlich, dass das mit der Sache befasste Gericht die Beschuldigte für ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen im Sinne des § 69 Abs. 1 StGB halten wird, weil gegen die Beschuldigte zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Ermittlungen zumindest kein dringender Tatverdacht einer Straftat besteht, ins-besondere kein dringender Tatverdacht von Straftaten nach §§ 315c Abs. 1 Nr. 1a, 316, 142 StGB.

1. Das Tatgericht entzieht die Fahrerlaubnis, wenn der Täter wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs begangen hat, verurteilt wird und sich aus der Tat ergibt, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Nach § 69 Abs. 2 StGB ist ein Kraftfahrer, der sich einer Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c StGB (Nr. 1), einer Trunkenheit im Verkehr nach § 316 StGB (Nr. 2) oder des unerlaubten Entfernens vom Unfallort nach § 142 StGB (Nr. 3) schuldig macht in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen.

Eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 111a StPO darf indes nur erfolgen, wenn sowohl der dringende Tatverdacht für eine Straftat i. S. d. § 69 Abs. 1 StGB besteht als auch ein in hohem Maße wahrscheinlicher Entzug (vgl. Schmitt, in: Meyer-Goßner/ders., § 111a StPO, Rn. 2; Huber, in: BeckOK, § 111a StPO, Rn. 3 – jeweils m. w. N.). An diesen Voraussetzungen fehlt es.

2. Es besteht zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Ermittlungen gegen die Beschuldigte weder der dringende Tatverdacht einer Straftat nach § 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB noch einer Straftat nach § 316 StGB und zwar sowohl für den Zeitraum vor dem Zusammenstoß mit dem Findling als auch für die sich anschließende Rückfahrt zu ihrer Meldeadresse. Denn der Beschuldigten kann nach derzeitigem Stand der Ermittlungen eine Fahruntüchtigkeit aufgrund eines Alkoholkonsums nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden; weder eine absolute noch eine relative Fahrunsicherheit.

a) Gegen die Beschuldigte kann der Nachweis einer absoluten Fahruntüchtigkeit derzeit nicht geführt werden.

aa) Der Grenzwert der absoluten Fahrunsicherheit im Straßenverkehr liegt für Fahrzeug-führer eines PKW bei einer BAK von 1,1 %o (BGHSt 37, 89; Geppert, in: Jura 2001, 559 (561); Fischer, § 316 StGB, Rn. 25). Kann eine entsprechende BAK zur Tatzeit nachgewiesen werden, wird die absolute Fahrunsicherheit unwiderleglich vermutet (siehe im Überblick Pegel, in: MüKo, § 316 StGB, Rn. 33 m. w. N.).

bb) Der Beschuldigten kann derzeit nicht nachgewiesen werden, dass sie zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens eine BAK von über 1,1 %o hatte.

Sie hat gegenüber der Polizei angegeben, zunächst bis etwa 22:30 Uhr auf einer Feier in Bookholzberg gewesen zu sein. Dort habe sie „zwei Glas Sekt“ zu sich genommen. Es treffe zu, dass sie zu der behaupteten Zeit mit dem besagten Fahrzeug bei dem in Rede stehenden McDonalds-Restaurant gewesen sei. Allerdings könne sie sich an kein Unfall-geschehen erinnern. Sie habe vielmehr noch auf dem Parkplatz ihr Essen verspeist und sei erst anschließend nach Hause gefahren, wo sie etwa gegen etwa 23:15 Uhr angekommen sei. In der Folge habe Sie dann im heimischen Wohnzimmer circa 0,8 l Weißwein getrunken und sei anschließend gegen Mitternacht ins Bett gegangen. Bis zum Eintreffen der Polizeibeamten um 01:30 Uhr habe sie geschlafen.

Dieser behauptete Nachtrunk zwischen 23:15 Uhr und 00:00 Uhr kann derzeit nicht als mutmaßliche Schutzbehauptung widerlegt werden. Die Einlassung „zwei Glas Sekt“ getrunken zu haben, genügt nicht im Ansatz, um eine BAK von 1,1 ‰ nachzuweisen. Dazu im Einzelnen:

aa) Der Rückschluss von einer gemessenen BAK zum Zeitpunkt der Blutentnahme auf die relevante BAK zum Zeitpunkt des Vorfalls ist nur dann problemlos möglich, wenn in der dazwischenliegenden Zeit ein regelhafter Verlauf der Blutalkoholkurve unterstellt werden kann. Nachtrunkeinlassungen erschweren diesen Rückschluss zugunsten des Beschuldigten. Sie stellen insofern ein günstiges Feld für Schutzbehauptungen in allen Fällen dar, in denen die Sistierung des mutmaßlich alkoholbedingt absolut fahruntüchtigen Verkehrsteilnehmers nicht unmittelbar, sondern – wie hier – erst im weiteren zeitlichen Umfeld des in Rede stehenden Deliktes erfolgte (siehe dazu insgesamt Hoppe/Haffner, in: NZV 1998, 265).

Die Widerlegung eines Nachtrunk ist aus gutachterlicher Sicht immer dann einfach, wenn Nachtrunkmenge und objektiv gemessene Blutalkoholkonzentration auch unter Berücksichtigung der individuellen Schwankungen der einzelnen pharmakokinetischen Berechnungsparameter nicht miteinander in Einklang zu bringen sind (Hoppe/Haffner, a. a. O.). Um eine Nachtrunkbehauptung allein durch eine Doppelblutentnahme sicher widerlegen zu können, müssen die folgenden Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein (dazu mit ausführlicher Begründung erneut Hoppe/Haffner a. a. O.):

(1) Die Nachtrunkmenge muss groß und in kurzer Trinkzeit konsumiert worden sein, da nur in entsprechenden Fällen ein längerer über das Trinkende hinaus anhaltender und somit durch Doppelblutentnahmen auch erfassbarer Anstieg der Blutalkoholkurve hervorgerufen werden kann.

(2) Die Entnahme der ersten Blutentnahme muss spätestens 45 Minuten nach dem Nachtrunkende erfolgt sein.

(3) Der Unterschied zwischen erstem und zweitem Blutprobenmittelwert muss mindestens 5 % betragen.

(4) Das Konzentrationsniveau der Blutalkoholmittelwerte zum Zeitpunkt der Blutentnahmen darf bei Entnahmezeitintervallen von 30 Minuten nicht wesentlich über 1,5 Promille liegen.
bb) Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Insbesondere wurde das Blut für die erste Blutprobe zur Bestimmung des BAK erst um 02:02 Uhr entnommen, während das behauptete Trinkende bereits um 00:00 Uhr erfolgt sei.

Die Zeitspanne ab dem letzten Alkoholkonsum, während welcher die BAK bis zur Erreichung ihres Maximums steigt, die sogenannte Anflutungsphase, ist von Proband zu Proband unterschiedlich, beträgt im Regelfall etwa 30 Minuten, kann aber – je nach individueller Konstitution – auch bis zu zwei Stunden dauern (Hoppe/Haffner a. a. O.). Ergeben die Analysen einer ersten in zeitlich engem Zusammenhang mit dem in Rede stehenden Tatgeschehen entnommenen und einer zweiten, im Abstand von 30 Minuten entnommenen Blutprobe, dass die BAK sinkt, kann die Nachtrunkbehauptung allein anhand dieser Analyse widerlegt werden. Denn dann wäre nachgewiesen, dass kein Nachtrunk stattgefunden haben kann, weil sich der Proband in diesem Fall noch in einer Anflutungsphase befinden müsste.

Hier liegt der Fall – entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft – allerdings anders. Der behauptete Nachtrunk ist bereits um 00:00 Uhr abgeschlossen gewesen, zum Zeitpunkt der ersten AAK-Messung um 01:33 Uhr also vor etwa 90 Minuten, zum Zeitpunkt der ersten BAK-Messung um 02:02 Uhr folglich bereits seit zwei Stunden. Auch nach der Einlassung der Beschuldigten hätte sie sich zu den jeweiligen Zeitpunkten der entnommenen Blutproben bereits in der Abbauphase befinden müssen, was letztlich durch die beiden BAK-Werte auch belegt wurde. Die Doppelblutentnahme bzw. die Analysen hätten – bereits von vorne herein – die Nachtrunkbehauptung nicht mehr widerlegen können.

Vielmehr stützen sämtliche genommenen Werte – unabhängig von der beweisrechtlichen Verwertbarkeit der AAK-Werte – eher die Einlassung der Beschuldigten. Denn zwischen 01:33 Uhr und 02:02 Uhr ist die Alkoholkonzentration offenbar noch von 1,55 %o um 01:33 Uhr über 1,62 %o um 01:39 Uhr auf bis zu 1,65 %o um 02:02 Uhr angestiegen, bevor sie bis um 02:32 Uhr auf 1,52 %o gesunken ist. Das legt jedenfalls nahe, dass die Beschuldigte sich während der Zeit zwischen 01:33 Uhr und 02:02 Uhr noch in einer Anflutungsphase befunden hat. Das wiederum würde nahelegen, dass sie – wie behauptet – innerhalb der letzten zwei Stunden davor – also zwischen 23:33 Uhr und 00:02 Uhr – noch Alkohol zu sich genommen haben könnte. Widerlegt wird die Nachtrunkbehauptung durch diese Werte allerdings in keinem Fall.

Bei dieser Bewertung hat die Kammer auch nicht verkannt, dass die Umstände des behaupteten Nachtrunk durchaus Zweifel wecken. So erscheint es prima facie zumindest fragwürdig, ob eine Person von etwa 172 cm Größe und einem Gewicht von 100 kg mit einer Menge von 0,8 l Weißwein innerhalb von 45 Minuten einen derart hohen Alkoholpegel erreichen kann.

cc) Die Nachtrunkbehauptung der Beschuldigten könnte ggf. aber noch über eine Begleitstoffanalyse widerlegt werden (allgemein zur Relevanz von Begleitstoffanalysen in Strafverfahren siehe Aderjan/Schmitt/Schulz, in: NZV 2007, 167). Hierüber könnte aus den entnommenen Blutproben dann ggf. noch bestimmt werden, ob die behauptete Art der konsumierten Getränke (Sekt und Weißwein) mit den Ergebnissen der Begleitstoffanalyse plausibel in Einklang zu bringen ist.

b) Gegen die Beschuldigte kann auch der Nachweis einer relativen Fahruntüchtigkeit zum gegenwärtigen Stand der Ermittlungen nicht geführt werden.

aa) Sogenannte relative Fahruntüchtigkeit liegt vor, wenn die Tatzeitblutalkoholkonzentration bei unter 1,1 ‰ liegt, aber aufgrund zusätzlicher Tatsachen der Nachweis alkohol- oder rauschmittelbedingter Fahrunsicherheit geführt werden kann (vgl. OLG Oldenburg, Beschl. v. 07.04.2016 – 1 Ss 53/16). Hierbei ist eine umfassende Gesamtwürdigung der Umstände vorzunehmen. Bedeutendstes Indiz für das Vorliegen einer relativen Fahruntüchtigkeit sind konkrete Ausfallerscheinungen. Als Ausfallerscheinungen kommen insbesondere in Betracht: eine auffällige, sei es regelwidrige, sei es besonders sorglose oder leichtsinnige Fahrweise, ein unbesonnenes Benehmen bei Polizeikontrollen, aber auch sonstiges Verhalten, das alkoholbedingte Enthemmung und Kritiklosigkeit erkennen lässt (vgl. OLG Oldenburg a. a. O.). Je weiter die festgestellte Blutalkoholkonzentration von der Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit entfernt ist, desto höher sind die Anforderungen an die für das Vorliegen einer relativen Fahruntüchtigkeit festzustellenden alkoholbedingten Ausfallerscheinungen (vgl. LG Darmstadt, Beschl. v. 12.03.2018 – 3 Qs 112/18). Dabei ist es ausreichend, dass die Ausfallerscheinungen von der Alkoholisierung zumindest mitverursacht worden sind (vgl. BGH, Urt. V. 22.04.1982 – 4 StR 43/82).

bb) Aufgrund der Einlassung der Beschuldigten, vor der Fahrt, aber bereits vor 22:30 Uhr, „zwei Gläser Sekt“ getrunken zu haben, kann ihr allein nachgewiesen werden, zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens unter Alkoholeinfluss gestanden zu haben. Der Nachweis, dass sie aufgrund dieser Blutalkoholkonzentration auch alkoholbedingt fahrunsicher gewesen ist, kann nach Aktenlage aber nicht geführt werden, insbesondere auch nicht aufgrund des erfolgten Unfallgeschehens. Denn insoweit kann derzeit nicht nachgewiesen werden, dass der Unfall durch einen typischen alkoholbedingten Fahrfehler verursacht wurde. Dazu im Einzelnen:

Ausweislich der angefertigten Skizze von der Unfallörtlichkeit handelt es sich um eine durchaus enge Kurvensituation auf einem Parkplatz. Der Kammer erscheint es daher – insbesondere bei Dunkelheit – lebensnah, dass auch ein nüchterner Fahrer an dieser Stelle aus Unachtsamkeit gegen den Findling hätte fahren können, zumal dieser sogar noch im Boden vergraben gewesen sein soll. Jedenfalls ist allein aus der abstrakten Beschreibung des Unfallgeschehens für die Kammer nicht erkennbar, dass es sich um einen typischen alkoholbedingten Fahrfehler gehandelt hat.

Ob sich aus den angeblich durch die Videokamera der Firma McDonald’s aufgezeichneten Aufnahmen möglicherweise eine alkoholbedingt auffällige Fahrweise der Beschuldigten zum Unfallzeitpunkt nachweisen lässt, kann die Kammer nicht beurteilen, weil den Akten entsprechendes Videomaterial nicht entnommen werden kann. Es scheint vielmehr weiterhin offen zu sein, ob überhaupt eine Videoaufzeichnung gesichert werden konnte und was hierauf zu erkennen ist. Der Kunde, der das Unfallgeschehen beobachtet haben will, ist namentlich nicht bekannt. Weitere Zeugen, die Angaben zur Fahrweise der Beschuldigten oder dem konkreten Unfallgeschehen machen könnten, sind nicht erkennbar. Der Mitarbeiter bei McDonald’s, der das Geschehen gegenüber der Polizei gemeldet hat, hat den Zusammenstoß erkennbar nicht selbst beobachtet. Fotos von der Unfallörtlichkeit, den Schäden vor Ort und dem Fahrzeug sind in den Akten nicht enthalten.

2. Es besteht darüber hinaus auch kein dringender Tatverdacht einer Straftat nach § 142 StGB.

a) Die Beschuldigte hat sich dahin eingelassen, dass sie den Aufprall nicht wahrgenommen habe. Diese Aussage kann aufgrund der derzeit bestehenden Beweislage nicht widerlegt werden. Damit kann ihr jedenfalls der subjektive Tatbestand einer Unfallflucht gegenwärtig nicht nachgewiesen werden.

Videoaufzeichnungen des Unfallgeschehens, aus denen die Wuchtigkeit des Anstoßgeschehens zu erkennen und damit ggf. auch die Bemerkbarkeit nachzuweisen sein könnte, sind, wie bereits angeführt, (bislang) nicht vorhanden. Ob aus einem denkbaren Gutachten Schlüsse zur Bemerkbarkeit des Anstoßgeschehens gezogen werden können, ist offen.

b) Darüber hinaus lässt sich auch die subjektive Seite im Hinblick auf das Bemerken der Schadenshöhe derzeit nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit nachweisen.

Denn bei der Verwirklichung einer Tat nach § 142 StGB ist der Täter nach § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB nur dann in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen, wenn er weiß oder wissen kann, dass bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist. Die Wertgrenze wird hierbei üblicherweise im Bereich von 1.300 Euro (so z. B. OLG Dresden, Beschl. v. 12.05.2005 – 2 Ss 278/05; OLG Hamm, Beschl. v. 30.09.2010 – III 3 RVs 72/10; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.07.2013 – III-3 Ws 225/13) bis zu etwa 1.500 Euro (so z. B. LG Dresden, Beschl. v. 07.05.2019 – 3 Qs 29/19; LG Braunschweig, Beschl. v. 03.06.2016 – 8 Qs 113/16) angesetzt. Ob die Beschuldigte – unterstellt, ihr wäre das Bemerken des Unfalls nachzuweisen – auch zumindest hätte wissen können, dass ein derart hoher Schaden entstanden ist, kann gegenwärtig ebenfalls nicht beurteilt werden, zumal weder Fotos von der Unfallörtlichkeit noch von dem Schadensbild an dem von der Beschuldigten gelenkten Fahrzeug in den Akten vorhanden sind.

Sollten insgesamt weitere Ermittlungen durchgeführt werden, dürften auch die von der Beschuldigten benannten Entlastungszeugen zu vernehmen sein.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus analoger Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.


Einsender: RA T. Lorenzen, Bremen

Anmerkung:


zurück zur Übersicht

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".