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Entscheidungen

StPO

Beschlagnahmeschutz, Bildmaterial, journalistische Tätigkeit

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Würzburg, Beschl. v. 10.05.2022 – 1 Qs 73/22

Eigener Leitsatz: 1. Der Annahme einer journalistischen Tätigkeit i. S. d. § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StPO und folgend eines Beweisverwertungsverbots bei hierfür erstellte Materialien nach § 97 Abs. 5 Satz 1 StPO nicht entgegen, dass selbst gefertig-te angefertigten Materialien weit überwiegend auf Twitter-, Instagram-, Face-book- und flickr-Kanälen veröffentlicht werden.
2. Bei der Beurteilung des berufsmäßigen Mitwirkens kommt es weder auf eine Gewinnerzielungsabsicht noch auf eine hauptberufliche Tätigkeit an.


In pp.

1. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers …gegen den Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts Würzburg vom 20.09.2021 wird dieser aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, dass die Anordnung der Durchsuchung der Person, der Wohnung mit Nebenräumen, der Geschäftsräume mit Nebenräumen und der Fahrzeuge des Beschwerdeführers … rechtswidrig gewesen ist.
3. Im Übrigen wird die Beschwerde verworfen.
4. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

A.

Die Staatsanwaltschaft Würzburg führt gegen verschiedene Beschuldigte ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts diverser Straftaten im Zusammenhang mit einem Versammlungsgeschehen der Bewegung „Eltern-Stehen-Auf-W.“ am 13.12.2020 in der W… Innenstadt. Es steht der Vorwurf im Raum, dass die politisch der linksextremen Szene nahestehenden Beschuldigten durch ihr einschüchterndes Auftreten die Teilnehmer der genehmigten Versammlung „Eltern-Stehen-Auf-W.“ an der ordnungsgemäßen Ausübung ihres Versammlungsrechts gehindert haben. Die Beschuldigten sollen zusammen mit etwa 30 anderen komplett in schwarz gekleideten und weitgehend vermummten Störern den Demonstrationszug auf seinem Pendelweg durch die Innenstadt begleitet, hierbei durch wiederholte Drohgebärden konkludent zu körperlichen Auseinandersetzungen aufgefordert und durch das Skandieren von Parolen und den penetranten Einsatz von Trillerpfeifen die Redebeiträge der Versammlungsteilnehmer übertönt haben. Hierdurch sei deren Sicherheitsgefühl erheblich beeinträchtigt worden. Auf Höhe des D-Platzes sei der Demonstrationszug unter Mitwirkung der Beschuldigten durch eine Blockade zum Anhalten gezwungen worden, welche von der Polizei durch unmittelbaren Zwang hätte durchbrochen werden müssen. Gegen die Beschuldigten bestehe demnach der Verdacht des gemeinschaftlichen Landfriedensbruchs, der gemeinschaftlichen Nötigung und des gemeinschaftlichen Verstoßes gegen das Bayerische Versammlungsgesetz gemäß §§ 125 Abs. 1 Nr. 2, 240 Abs. 1, Abs. 2 StGB, Art. 20 Abs. 1 Nr. 2, Art. 8 Abs. 2 Nr. 1 BayVersG, § 25 Abs. 2 StGB.

Der ebenfalls dem linken politischen Spektrum zuzurechnende Beschwerdeführer war bei diesem Versammlungsgeschehen zwar zugegen, ihm wird eine Tatbeteiligung jedoch nicht zur Last gelegt. Allerdings hat er - wie bereits früher bei ähnlichen Versammlungen - von dem Geschehen Bildaufnahmen angefertigt.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Würzburg ordnete der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Würzburg am 20.09.2021 die Durchsuchung der Wohnung, der Geschäftsräume und Fahrzeuge des Beschwerdeführers nach §§ 103, 105 Abs. 1, 162 Abs. 1 StPO und die Beschlagnahme der von ihm angefertigten Video- und Fotoaufnahmen des oben genannten Versammlungsgeschehens an, um darauf etwaige Tathandlungen der Beschuldigten nachweisen zu können.

Die Durchsuchung erfolgte am 26.11.2021 und führte zu der Beschlagnahme von vier Bilddateien, welche vom Rechner des Beschwerdeführers auf einen polizeieigenen USB-Stick gespeichert wurden. Nachdem der Beschwerdeführer anfänglich auf die Hinzuziehung eines Durchsuchungszeugen verzichtet hatte, verweigerte er (unter anderem) dies in den Formularen „Durchsuchungsprotokoll“ und „Sicherstellungsverzeichnis“ unterschriftlich zu bestätigten, weswegen er wiederholt gefragt wurde, ob und wen er hinzuziehen möchte. Daraufhin zog der Beschwerdeführer seine Mutter hinzu, bis zu deren Eintreffen mit dem Abschluss der Durchsuchung gewartet wurde.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 09.12.2021 wandte sich der Beschwerdeführer gegen die Durchsuchung seiner Wohnung und die Beschlagnahme der von ihm angefertigten Bilddateien und verlangte deren Rechtswidrigkeit feststellen und rückstandslose Löschung anordnen zu lassen. Aufgrund der journalistischen Tätigkeit des Beschwerdeführers bestünde ein Beschlagnahmeverbot nach §§ 97 Abs. 5 S. 1, 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, S. 2 StPO. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung, die beigefügten Anlagen und den ergänzenden Schriftsatz vom 07.01.2022 Bezug genommen.

Das Amtsgericht Würzburg hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Staatsanwaltschaft Würzburg hat beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet zu verwerfen. Es sei richtig, dass der Beschwerdeführer regelmäßig Versammlungen von Bewegungen, die dem rechten politischen Spektrum angehören oder nahestehen, begleitet und diese Versammlungen auf seinen Social-Media-Kanälen mit von ihm angefertigten Video- und Fotoaufnahmen kommentiert. Allerdings erschöpfe sich die Begleitung des Beschwerdeführers nicht in der bloßen Beobachtung und Dokumentation dieser Versammlungen. Vielmehr bestehe sein wahres und vordringliches Anliegen darin, seine eigenen politischen Ansichten - auch unter Ausstoß von Beleidigungen, Diskreditierungen und abwertenden Bemerkungen - kundzutun. Er sei daher nicht als Journalist, sondern als Gegendemonstrant einzuordnen, sodass die von ihm angefertigten verfahrensgegenständlichen Lichtbilder keinem Beschlagnahmeverbot unterlägen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Begründung Bezug genommen.

B.

Gegen eine Entscheidung, mit der eine Durchsuchung und Beschlagnahme angeordnet wird, ist die Beschwerde gemäß §§ 304 ff. StPO statthaft. Im Gegensatz zu der Beschlagnahme der vom Beschwerdeführer angefertigten Bildaufnahmen ist die Durchsuchung seiner Wohnung bereits abgeschlossen. Nach Beendigung einer Maßnahme kann mit der Beschwerde die Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit beantragt werden, wenn sich die Belastung der Maßnahme - wie bei der verfahrensgegenständlichen (Wohnungs-)Durchsuchung - nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung im Beschwerdeverfahren kaum erlangen kann. Allerdings folgt insoweit aus der Funktion des Richtervorbehaltes als vorbeugende Kontrolle einer unabhängigen und neutralen Instanz eine Einschränkung der Prüfungskompetenz, sodass das Beschwerdegericht seine Entscheidung nicht auf Gründe stützen darf, die dem Ermittlungsrichter zum Zeitpunkt seiner Entscheidung unbekannt waren. Prüfungsmaßstab im Beschwerdeverfahren bleibt die Sach- und Rechtslage zur Zeit des Erlasses des angegriffenen Durchsuchungsbeschlusses (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, Strafprozessordnung mit GVG und Nebengesetzen, 64. Auflage 2021, § 105 Rn. 15 f., Vor § 296 Rn. 18a). Die auch im Übrigen zulässige Beschwerde gegen den Beschlagnahmebeschluss und der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Durchsuchungsanordnung erweisen sich in der Sache als erfolgreich. Der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Art und Weise der Durchsuchung bleibt hingegen ohne Erfolg.

Bei Zugrundelegen des genannten Prüfungsmaßstabes waren die Anordnung der Durchsuchung nach §§ 103 Abs. 1 S. 1, 105 Abs. 1 S. 1 StPO und die Anordnung der Beschlagnahme nach §§ 94 Abs. 1, Abs. 2, 98 Abs. 1 StPO rechtswidrig. Die Art und Weise der Durchsuchung begegnet demgegenüber keinen Bedenken.

Zwar besteht aufgrund der durchgeführten Ermittlungen, insbesondere den Beobachtungen der Polizeibeamten POK O.t, Ltd. PDir. W., EPHK H. und KHM in H., gegen die Beschuldigten der Anfangsverdacht des Landfriedensbruches, der Nötigung und des Verstoßes gegen das Bayerische Versammlungsgesetz gemäß §§ 125 Abs. 1 Nr. 2, 240 Abs. 1, Abs. 2 StGB, Art. 20 Abs. 1 Nr. 2, Art. 8 Abs. 2 Nr. 1 BayVersG, § 25 Abs. 2 StGB. Ein derartiger Anfangsverdacht liegt vor, wenn es aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte nach kriminalistischer Erfahrung möglich erscheint, dass eine verfolgbare Straftat begangen worden ist und dementsprechend die Möglichkeit einer späteren Verurteilung besteht. Vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen reichen für die Annahme eines Anfangsverdachts nicht aus. Nicht erforderlich ist jedoch ein die Anklageerhebung rechtfertigender Verdachtsgrad, da das hierfür erforderliche Material im Ermittlungsverfahren erst gesammelt werden soll. Dementsprechend ist das notwendige Maß an Gewissheit deutlich geringer als etwa bei einem hinreichenden Tatverdacht, der zur Anklage (§ 170 Abs. 1 StPO) und Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) erforderlich ist (Münchner Kommentar zur StPO/Peters, 1. Aufl. 2016, § 125 Rn. 35 f., 42). Die Beschuldigten sind Mitglieder der Fangruppierung „B…“ des Fußballvereins W. und konnten von szenekundigen Beamten als Gegendemonstranten identifiziert werden, als diese während und im Vorfeld des Versammlungsgeschehens ihre Vermummung gelegentlich kurz abnahmen. Das von den Polizeibeamten beobachtete und dokumentierte einschüchternde Verhalten der Gegendemonstranten lässt die Begehung der oben genannten Straftaten (auch) durch die Beschuldigten im Bereich des Möglichen erscheinen.

Auch liegen grundsätzlich die Voraussetzung für die Durchsuchung bei Dritten, die nicht Beschuldigte einer Straftat sind, vor. Gemäß § 103 Abs. 1 S. 1 StPO ist die Durchsuchung bei derartigen Personen nur zur Ergreifung des Beschuldigten oder zur Verfolgung von Spuren einer Straftat oder zur Beschlagnahme bestimmter Gegenstände zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die gesuchte Person, Spur oder Sache sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Der Beschwerdeführer, ein amtsbekannter linker Szenefotograf, konnte am Tattag am Tatort mit seiner Fotoausrüstung festgestellt werden, sodass die Annahme gerechtfertigt war, dass dieser - wie in der Vergangenheit - das Versammlungsgeschehen fotografisch festgehalten und dabei etwaige konkrete strafbare Handlungen der oben genannten Beschuldigten dokumentiert hatte. Die Durchsuchung der Wohnung ließ daher erwarten, dass sie zum Auffinden dieser Aufnahmen führen könnte.

Die Art und Weise der Durchsuchung war rechtmäßig, denn die (anfänglich) fehlende Hinzuziehung von Durchsuchungszeugen begegnet keinen Bedenken. Es kann daher dahinstehen, ob die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Art und Weise einer Durchsuchung unmittelbar im Beschwerdeweg geltend gemacht werden kann oder ob zunächst ein Antrag analog § 98 Abs. 2 S. 2 StPO beim Ermittlungsrichter zu stellen ist. Denn entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann der von der Durchsuchung Betroffene - wie vorliegend geschehen - auf die Hinzuziehung von Zeugen verzichten (vgl. BeckOK/Hegmann StPO mit RiStBV und MiStra, 43. Ed. 1.4.2022, StPO § 105 Rn. 22; Karlsruher Kommentar/Bruns zur Strafprozessordnung, 8. Auflage 2019, § 105 Rn. 14). Nachdem der Beschwerdeführer seinen Verzicht widerrufen hatte, wurde mit dem Abschluss der Durchsuchung bis zum Eintreffen der vom Beschwerdeführer hinzugerufenen Zeugin gewartet, sodass auch insoweit kein Verstoß gegen § 105 Abs. 2 StPO vorliegt. Die Beschwerde war daher insoweit zu verwerfen.

Die beschlagnahmten Aufnahmen unterliegen jedoch einem Beweiserhebungsverbot gemäß § 97 Abs. 5 S. 1 StPO.

Dieser besagt, dass die Beschlagnahme der Verkörperung eines Inhalts im Sinne des § 11 Abs. 3 StGB unzulässig ist, soweit er sich im Gewahrsein einer Person im Sinne des § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 StPO befindet und ihrem Zeugnisverweigerungsrecht unterfällt.

I. Persönlicher Anwendungsbereich

Nach § 53 Abs. 1 S- 1 Nr. 5 StPO sind solche Personen zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von Druckwerken, Rundfunksendungen, Filmberichten oder der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informations- und Kommunikationsdiensten berufsmäßig mitwirken.

Der Beschwerdeführer gehört zu dem von § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 StPO geschützten Personenkreis.

1. berufsmäßige Mitwirkung an einem Mediendienst

Der Beschwerdeführer ist selbstständiger Fotograf und begleitet regelmäßig Versammlungen und Aufzüge, überwiegend von rechtsextremen oder dem politisch rechten Spektrum nahestehenden Gruppierungen. Unter anderem ist er seit dem 18.05.2021 von der R… damit beauftragt, die Ereignisse rund um die derzeit stattfindenden Protestkundgebungen gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Covid19-Pandemie zu dokumentieren. Die im Rahmen dieser Tätigkeiten angefertigten (Video-)Aufnahmen veröffentlicht der Beschwerdeführer unter dem Pseudonym „T H“ auf Social-Media-Kanälen wie Twitter, Instagram und Facebook und unter dem Pseudonym „T P“ auf flickr. Daneben betreibt er einen Publikationskanal, auf dem er eigenes Material bereithält und auf das (über-)regionale Medienhäuser zugreifen (können).

a) Mitwirkung in einem der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Mediendienst

Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer die von ihm angefertigten Materialien (weit überwiegend) auf seinen Twitter-, Instagram-, Facebook- und flickr-Kanälen veröffentlicht, steht einer journalistischen Tätigkeit im Sinne des § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 StPO nicht entgegen. Das Zeugnisverweigerungsrecht steht auch Personen zu, die berufsmäßig an Informations- und Kommunikationsdiensten mitwirken, sofern diese der Unterrichtung und Meinungsbildung dienen. Unter Informations- und Kommunikationsdiensten sind dabei sämtliche an jedermann gerichteten Angebote in Text, Ton oder Bild, die unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung oder längs oder mittels eines Leiters verbreitet werden, zu verstehen. Die Regelung zielt insbesondere auf Abrufdienste, bei denen Text-, Ton- oder Bilddarbietungen auf Anforderung aus elektronischen Speichern zur Nutzung übermittelt werden, d. h. sämtliche Formen der Internetkommunikation, ab (vgl. Karlsruher Kommentar/Bader zur Strafprozessordnung, ebenda, § 53 Rn. 30; Münchener Kommentar/Percic zur StPO, 1. Auflage 2014, § 53 Rn. 37; Gercke/Julius/Temming/Zöller/Gercke, Strafprozessordnung, 6. Auflage 2019, § 53 Rn. 28). Der Gesetzgeber trug durch die Einbeziehung dieser Mediendienste den aktuellen Entwicklungen der Medienlandschaft Rechnung. Die Einbeziehung dieser Dienste erscheine „im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG nicht minder schutzwürdig als Tätigkeiten auf dem Gebiet der Presse oder des Rundfunks, zumal in der heutigen Zeit die klassischen Medien häufig zusätzlich diese neuen Formen der Informationsvermittlung und Meinungsbildung nutzen“ (BT-Drucks. 14/5166, S. 7). In den Kreis dieser Mediendienste fallen - vorbehaltlich einer berufsmäßigen Nutzung und redaktionellen Aufbereitung zur Unterrichtung und Meinungsbildung - auch soziale Netzwerke wie Twitter, Instagram, Facebook und flickr. Es handelt sich um für jedermann zugängliche Plattformen, deren bereitgestellte Text-, Ton- und/oder Bildinhalte von den Nutzern der Plattform elektronisch abgerufen werden können.

Diese Informations- und Kommunikationsdienste müssen jedoch zusätzlich einer allgemein zugänglichen Unterrichtung oder der Meinungsbildung dienen. Dies kann grundsätzlich auch auf Onlinedienste wie Twitter, Instagram, Facebook und flickr zutreffen. Diese werden zunehmend (auch von klassischen Pressemedien) dazu genutzt werden, die Öffentlichkeit zumindest schlagwortartig über aktuelle Ereignisse zu unterrichten und zur öffentlichen Meinungsbildung beizutragen.

Der Beschwerdeführer ist (soweit bekannt) auf Twitter, Instagram und Facebook unter dem Account „T H“ und auf flickr unter dem Account „T P“ aktiv. Auf Twitter bezeichnet er sich als „Freelance Fotojournalist / Proteste / extreme Rechte / er/he“, dessen Foto- und Videoaufnahmen auf Anfrage erworben oder genutzt werden können. Auf Instagram stellt er sich als „Fotojournalist“ vor und auf Facebook bezeichnet er sein Profil als „Nachrichten- und Medienseite“. Auch dort gibt er als Tätigkeit an, dass er „Proteste schwerpunkt extreme Rechte“ fotografiere. Auf flickr präsentiert er sich als „Fotojournalist aus W“, der mit einer „Nikon … - Protestfotografie und Dokumentation“ betreibt. Sämtliche Accounts sind öffentlich zugänglich. Auf ihnen postet der Beschwerdeführer nahezu keine Beiträge über sich als Privatperson. Vielmehr stellt er regelmäßig und nahezu ausschließlich gesellschaftspolitisch motivierte Beiträge ein.

Auf Instagram, Facebook und flickr handelt es sich dabei vorwiegend um Foto(serien)- und Videobeiträge, die der Beschwerdeführer auf verschiedenen Versammlungen angefertigt hat. Schwerpunktmäßig handelt es sich dabei um Kundgebungen von rechtsextremen Gruppierungen und solchen, deren Teilnehmer dem rechten politischen Spektrum zumindest teilweise nahestehen, wie Pegida, Querdenker, Reichsbürger oder „Eltern-Stehen-Auf“. Die vom Beschwerdeführer eingestellten Aufnahmen bilden stets das Versammlungsgeschehen und mitunter das Verhalten und Aussagen von Versammlungsteilnehmern, Gegendemonstranten und polizeilichen Einsatzkräften ab. Daneben finden sich aber auch Beiträge über Polizeigewalt, Antisemitismus, Umweltschutz, Geschlechtergleichberechtigung oder ähnliche Belange. Der Beschwerdeführer ist dabei sowohl regional (Stadt W., U., Bayern), national (Deutschland) und international (z. B. Paris) tätig. Die Beiträge des Beschwerdeführers enthalten meist Kommentierungen, welche von „Steckt euch euer Querdenken in den Arsch..“ (Kommentar zu aufgezeichneten Querdenker-Parolen: „Steckt euch eure Masken in den Arsch!..:) bis hin zu der vereinzelten Nennung der ungefähren Teilnehmeranzahl, der Schilderung (vermeintlich) provokanter oder strafbarer Verhaltensweisen seitens der Demonstrationsteilnehmer oder polizeilicher Einsatzkräfte und die namentliche Nennung anwesender Persönlichkeiten der rechten, Pegida-, Querdenker- oder Reichsbürger-Szene reichen. Soweit der Beschwerdeführer Kinder, Passanten oder seiner politischen Gesinnung entsprechende (Gegen-)Demonstranten fotografiert hat, wurden diese von ihm unkenntlich gemacht. Daneben teilte der Beschwerdeführer (unkommentiert) einen Pressebericht des Bayerischen Rundfunk über die AfD, einen polizeikritischen Beitrag eines anderen Nutzers, einen Spendenaufruf der Seebrücke W., einen Hinweis auf die Veranstaltung „W. Wochen gegen Rassismus“ und einen Beitrag von Schwarzlicht W. über ein den Beschwerdeführer betreffende Strafverfahren. Zusätzlich verfasste der Beschwerdeführer zwei längere Beiträge über die historische Aufarbeitung des Lebens des aus dem Landkreis W. stammenden SS-Arztes Dr. W. und die antisemitischen Wurzeln des Judasfeuers, wenn auch nur erster mit Quellenangaben belegt wurde. Auf Facebook ist der Beschwerdeführer seit dem … 2020, auf Instagram seit dem … 2020 und auf flickr seit Anfang 2020 aktiv. Auf Facebook wechseln sich Phasen mehrmonatiger Beitragspausen mit Phasen mehrfacher monatlicher Beiträge ab. Dagegen finden sich auf Instagram nahezu durchgehend monatlich mehrfache Beiträge. Auf flickr hat der Beschwerdeführer 2020 insgesamt 935 Fotos eingestellt.

Hauptsächlich ist der Beschwerdeführer jedoch auf Twitter aktiv. Seit dem Februar 2017 hat er dort (Stand: 10.05.2021) 20.298 „Tweets“ abgesetzt. Dementsprechend „tweetet“ er nahezu durchgehend mehrfach täglich. Neben vereinzelten privaten Beiträgen finden sich auch hier thematisch vergleichbare und zum Teil inhaltlich identische Foto(serien)- und Videobeiträge des Beschwerdeführers. Darüber hinaus teilt der Beschwerdeführer jedoch auch zahllose aktuelle gesellschaftspolitisch motivierte Beiträge anderer Nutzer oder postet seine Meinung zu einem derartigen Thema. Der Beschwerdeführer nutzt dementsprechend seine öffentlich zugänglichen Social-Media-Kanäle seit geraumer Zeit dazu, die Öffentlichkeit (auch) durch eigens angefertigte Aufnahmen über gesellschaftspolitische Themen zu unterrichten und zur öffentlichen Meinungsbildung beizutragen.

b) berufsmäßige Mitwirkung

Das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 StPO steht jedoch nur solchen Personen zu, die berufsmäßig an einem der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informations- oder Kommunikationsdienst mitwirken. Dieses Tatbestandsmerkmal soll eine ausufernde und vom Schutzzweck nicht mehr getragene Anwendung der Vorschrift verhindern.

Bei der Beurteilung der Berufsmäßigkeit kommt es jedoch weder auf eine Gewinnerzielungsabsicht noch auf eine hauptberufliche Tätigkeit an. Auch eine nebenberufliche Tätigkeit oder eine Tätigkeit als freier Journalist kann ausreichen, wenn sie in der Absicht erfolgt, durch die nicht nur einmalige Ausübung zu einer dauernden, wenigstens wiederkehrenden Beschäftigung zu machen. Ausgeschlossen sind demnach Personen, die nur gelegentliche Beiträge einsenden oder ohne berufsmäßige Einbindung in den Medienbereich einmal in irgendeiner Weise tätig geworden sind (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, ebenda, § 53 Rn. 31; Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis/Szesny, Wirtschaftsstrafrecht, § 53 StPO, Rn. 59; Karlsruher Kommentar/Bader zur Strafprozessordnung, ebenda, § 53 Rn. 31; Münchner Kommentar/Percic, ebenda, § 53 Rn. 38; BeckOK/Huber StPO, 43. Ed. 01.04.2022, StPO, § 53 Rn. 27).

Soweit der Beschwerdeführer (zumindest Stand 03/2021) von Arbeitslosengeld II lebt(e) und insbesondere auf seinem Facebook-Auftritt explizit darauf hinweist, dass seine „Recherchearbeit koste[...] und [...] natürlich nicht bezahlt [werde]“ steht dies der Annahme einer berufsmäßigen Tätigkeit nach den genannten Maßstäben nicht entgegen. Zum einen verweist er auf diverse Möglichkeiten seine Tätigkeit durch Sach- und Geldspenden (Paypal, www.patreon.com, Amazon-Wunschzettel) zu unterstützen. Zum anderen ist den oben genannten Social-Media-Kanälen hinreichend zu entnehmen, dass die fotografische Tätigkeit des Beschwerdeführers thematisch gebunden und seit spätestens August 2020 dauerhafter Natur und auf Wiederholung angelegt ist. Daneben hat der Beschwerdeführer nachgewiesen, dass auch klassische Medienvertreter auf seine Fotografien zurückgreifen und er seit dem 18.05.2021 für die R… die aktuell stattfindenden Protestkundgebungen gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona - Pandemie dokumentiert. Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes handelt der Beschwerdeführer berufsmäßig, sodass dahingestellt bleiben kann, ob und inwieweit der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt durch seine Tätigkeit zu finanzieren vermag (und inwieweit dies mit den von ihm bezogenen Sozialleistungen vereinbar ist).

2. Redaktionell aufbereitete Informations- und Kommunikationsdienste

Eine weitere Einschränkung erfolgt durch § 53 Abs. 1 S. 3 StPO. Das Zeugnisverweigerungsrecht besteht nur, soweit die Beiträge, Unterlagen, Mitteilungen und Materialien für redaktionell aufbereitete Informations- und Kommunikationsdienste bestimmt sind und der Zeuge mit der redaktionellen Aufbereitung der abrufbaren Informationen befasst ist (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, ebenda, § 53 Rn. 40; Karlsruher Kommentar/Bader zur Strafprozessordnung, ebenda, § 53 Rn. 30; Münchner Kommentar/Percic, ebenda, Rn. 40ff; Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis/, ebenda, § 53 StPO, Rn 58). Eine redaktionelle Gestaltung liegt vor, wenn regelmäßig oder kontinuierlich eine nach außen erkennbare Inhaltsauswahl und -bearbeitung sowie eine formale Vereinheitlichung der Einzelbeiträge des Angebots erfolgt (vgl. BeckOK/Lent, Informations- und Medienrecht, 35. Edition, Stand 01.02.2022, § 14 MStV Rn. 15). Die vom Beschwerdeführer auf seinen Social-Media-Kanälen eingestellten Beiträge weisen eine derartige inhaltliche Kohärenz auf, dass sie in ausreichendem Maße erkennen lassen, welchen Themen und Ereignissen der Beschwerdeführer (z.T. sicherlich berechtigterweise) gesellschaftliche Relevanz beimisst und die für ihn deswegen berichtenswert erscheinen. Ebenso erfolgt eine Auswahl des vom Beschwerdeführer veröffentlichten und geteilten Materials und eine mehr oder weniger ausführliche Schilderung und Einordnung des Geschehens. Schließlich ist auch ein gewisser Grad an Professionalisierung (technische Ausrüstung; Bildbearbeitung) erkennbar.

Dabei verkennt die Kammer nicht, dass sich gerade auf Twitter zahlreiche Beiträge des Beschwerdeführers darin erschöpfen, dass er Beiträge anderer Nutzer (unkommentiert) teilt oder seine Meinung zu einem aktuellen gesellschaftspolitischen Thema - teilweise satirisch - kundtut. Dies schließt jedoch eine journalistische Qualifikation seiner Tätigkeit ebenso wenig aus, wie die fehlende Neutralität seiner Beiträge. Die in Rede stehenden Profile des Beschwerdeführers dienen erkennbar nicht seiner Selbstdarstellung. Vielmehr stehen nahezu sämtliche Beiträge in einem aktuellen gesellschaftspolitischen und thematischen Zusammenhang mit den Feldern seiner (foto-)journalistischen Tätigkeit. Hierdurch wird (noch) in einem hinreichenden Maße eine inhaltliche Auswahl erkennbar.

Auch soweit die Beiträge des Beschwerdeführers unverhohlen offen linkspolitisch gefärbt sind, steht dies der Annahme einer journalistischen Tätigkeit nicht entgegen. Denn Neutralität ist keine Voraussetzung für eine journalistische Tätigkeit (vgl. Binder/Vesting/Held, Beck'scher Kommentar zum Rundfunkrecht. 4. Auflage, § 54 RStV Rn. 58a).

Inwiefern der Beschwerdeführer entsprechend dem Vortrag der Staatsanwaltschaft Würzburg aufgrund seines Verhaltens nicht als ausschließlich beobachtender und dokumentierender Journalist, sondern als aktiv gestaltend eingreifender Gegendemonstrant einzustufen sei und ihm dementsprechend kein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 StPO zustehen könne, kann hier dahingestellt bleiben, da sich dafür in den vorliegenden Ermittlungsakten keine konkreten und einzelfallbezogenen Erkenntnisse finden. Andernfalls läge es nahe, dass der Beschwerdeführer im hiesigen Verfahren den Status eines Beschuldigten hätte.

II. Sachlicher Anwendungsbereich

Schließlich unterliegen die von der Staatsanwaltschaft Würzburg beschlagnahmten Bilddateien einem Beschlagnahmeverbot nach § 97 Abs. 5 S. 1 StPO, da sich das Zeugnisverweigerungsrecht des Beschwerdeführers auf diese erstreckt.

Das für die in § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 StPO genannten Personen bestehende Zeugnisverweigerungsrecht erstreckt sich auf die Person des Verfassers oder Einsenders von Beiträgen und Unterlagen oder sonstige Informanten sowie auf die ihnen im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemachten Mitteilungen, auf deren Inhalt sowie den Inhalt selbst erarbeiteter Materialien und den Gegenstand berufsbezogener Wahrnehmungen, § 53 Abs. 1 S. 2 StPO.

Die verfahrensgegenständlichen Aufnahmen wurden auf einer Demonstration der Initiative „Eltern-Stehen-Auf W.“ am 13.12.2020 angefertigt. Zwar war der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt noch nicht durch die R. mit der Dokumentation derartiger Demonstrationen beauftragt worden. Dies steht der Annahme eines Zeugnisverweigerungsrechts jedoch nicht entgegen. Wie bereits dargestellt informiert der Beschwerdeführer spätestens seit August 2020 berufsmäßig die Allgemeinheit durch die Veröffentlichung selbst angefertigter Foto- und Videoaufnahmen über den Ablauf, die Teilnehmer und die politischen Hintergründe derartiger Versammlungen. Die verfahrensgegenständlichen Aufnahmen stehen in einem untrennbaren sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit seiner beruflichen journalistischen Tätigkeit und unterliegen damit dem Zeugnisverweigerungsrecht des Beschwerdeführers. Das diese vom Beschwerdeführer selbst angefertigt und nicht veröffentlicht wurden, ist unschädlich. Das Zeugnisverweigerungsrecht gilt gleichermaßen für selbst erarbeitetes wie für unveröffentlichtes (Foto-)Material (vgl. BeckOK/Huber StPO mit RiStBV und MiStra, ebenda, § 53 Rn. 31f.; Karlsruher Kommentar/Bader zur Strafprozessordnung, ebenda, § 53 Rn. 33, 44a; Gercke/Julius/Temming/Zöller/Gercke, Strafprozessordnung, ebenda, § 53 Rn. 31f).

Eine Ausnahme vom Zeugnisverweigerungsrecht (und damit Beschlagnahmeverbot) nach § 53 Abs. 2 S. 2 StPO liegt mangels entsprechender Tatvorwürfe in der vorliegenden Verfahrenskonstellation nicht vor.

Da sich die Löschungsverpflichtung unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, war auf die Beschwerde hin keine entsprechende Anordnung zu treffen.

C.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 467 StPO analog. Mit Blick auf den geringen Misserfolg der Beschwerde wäre es unbillig, dem Beschwerdeführer einen Teil der Kosten aufzuerlegen, § 473 Abs. 4 S. 1 StPO.


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