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Entscheidungen

Zivilrecht

E-Scooter, verschuldensunabhängige Haftung

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Frankfurt am Main, Urt. v. 22.04.2021 – 29 C 2811/20 (44)

Eigener Leitsatz: Halter von E-Scootern trifft keine Verpflichtung zur verschuldensunabhängigen Haftung nach § 7 StVG.


In pp.

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall.

Der Kläger ist Eigentümer eines Fahrzeugs der Marke Mercedes Benz E-Klasse mit dem amtlichen Kennzeichen pp (nachfolgend das „Klägerfahrzeug“). Die Beklagte ist die Haftpflichtversicherung des E-Scooters der Marke Circ (Kennzeichen: pp.). Bei dem E-Scooter handelt es sich um ein Elektrokleinstfahrzeug nach der eKFV und ist mit einem elektrischen Antrieb und einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 20 km/h (auf ebener Strecke) ausgestattet.

Der Kläger hatte sein Fahrzeug am Abend des 18.12.2019 zwischen 19:00 und 20:00 Uhr in der Münchener Straße in Höhe der Hausnummer 30 am Fahrbahnrand geparkt. Als der Kläger später am Abend zu seinem Fahrzeug zurückkehrte, stellte er fest, dass sein Fahrzeug an der Beifahrerseite beschädigt worden war. Ein Verantwortlicher für den entstandenen Schaden war auch nach Hinzuziehung der Polizei nicht ermittelt worden. In dem von dem Kläger in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten wird festgestellt, dass am Klägerfahrzeug ein Sachschaden in Höhe von EUR 2.915, 38 (vgl. Bl. 5 d.A.) entstanden war.

Der Kläger behauptet, dass sich der E-Scooter Kennzeichen: pp. am Abend des 18.12.2019 neben seinem Fahrzeug befunden habe. Er behauptet, dass der E-Scooter entweder unsachgemäß neben das Fahrzeug abgestellt worden und später auf das Klägerfahrzeug umgefallen sei oder mutwillig gegen das Klägerfahrzeug gestoßen worden sei.

Der Kläger ist der Ansicht, dass eine analoge Anwendung des § 7 StVG in dieser Konstellation geboten sei. Ein Ausschluss der Gefährdungshaftung nach § 8 Nr. 1 StVG sei nicht mit den heutigen Gegebenheiten des Straßenverkehrs zu vereinbaren. E-Scooter stellten im Straßenverkehr ein erhebliches Gefährdungspotenzial dar und es sei damit nicht vereinbar, Schadensersatzansprüche ausschließlich gegen den Fahrer des E-Scooters durchzusetzen, insbesondere wenn der Unfallhergang nicht aufklärbar sei. Es sei allein auf die Gefährlichkeit des Verkehrsmittels abzustellen und nicht auf die starre Geschwindigkeitsgrenze des § 8 Nr. 1 StVG. Eine Vergleichbarkeit mit Fahrzeugen die der Gesetzgeber bei der Entstehung des § 8 Nr. 1 StVG bezwecken wollte, sei mit den heutigen E-Scootern nicht mehr vereinbar.

Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte wird verurteilt, 2.915,38 € Schadensersatz zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 27.03.2020 an den Kläger zu bezahlen.
2. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,75 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass eine analoge Anwendung der Gefährdungshaftung gem. § 7 I StVG für E-Scooter nicht in Betracht käme. Eine verschuldensunabhängige Einstandspflicht für den E-Scooter unter Anwendung des Wortlauts gem. § 8 Nr. 1 StVG bestehe nicht. Die Beklagte verweist insbesondere auf das Urteil des LG Münster vom 09.03.2020 – 8 O 272/19).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von EUR 2.915,38 gegen die Beklagte. Ein Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 7 Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 Nr. 1 und S. 4 VVG.

Eine Haftung aus § 7 Abs. StVG ist hier gemäß § 8 Nr. 1 StVG ausgeschlossen.

Nach § 8 Nr. 1 StVG ist die in § 7 Abs. 1 StVG normierte verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung dann ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein Kraftfahrzeug verursacht wurde, das auf ebener Strecke mit keiner höheren Geschwindigkeit als 20 km/h fahren kann. Grundsätzlich hat der Halter, der sich auf diese Ausnahmevorschrift beruft, hat den Tatbestand des § 8 StVG zu beweisen (BGHZ 136, 69 = NZV 1997, 390). Er muss darlegen und beweisen, dass das Kraftfahrzeug zum Unfallzeitpunkt nicht mehr als 20 km/h fahren konnte.

Hier ist jedoch unstreitig, dass der bei der Beklagten haftpflichtversicherte E-Scooter nicht mehr als 20 km/h fahren kann.

Der E-Scooter verfügte über eine Zulassung nach der Elektrokleinstfahrzeug-Verordnung (eKFV), die zum Zeitpunkt des Unfallereignisses auch bereits in Kraft und somit anwendbar war. Gemäß § 1 eKFV sind Elektrokleinstfahrzeuge im Sinne der Verordnung, Kraftfahrzeuge mit elektrischem Antrieb und einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von nicht weniger als 6 km/h und nicht mehr als 20 km/h (Jahnke in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 26. Aufl. 2020, § 1 eKFV Rn. 10, 11).

Der eindeutige Wortlaut des § 8 Nr. 1 StVG steht einer verschuldensunabhängigen Haftung entgegen (Vgl. LG Münster vom 09.03.2020 – 8 O 272/19, zitiert nach juris).

Die Vorschrift des § 8 StVG war dem Gesetzgeber bei Verabschiedung der eKFV bereits bekannt und hätte bei Bedarf bereits zu diesem Zeitpunkt eine Änderung hätte vornehmen können. Insbesondere ist die Regelung, obwohl von derartigen Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr heute eher größere als geringere Gefahren ausgehen (Medicus DAR 2000, 442; Greger/Zwickel, HaftungsR § 19 Rn. 4), durch das 2. SchadÄndG nicht aufgehoben oder geändert worden.

Der Kläger hat aus demselben Grund auch keinen Anspruch aus § 18 I StVG. Auch insoweit steht § 8 Nr. 1 StVG einer Haftung entgegen (vgl. BGH NJW 1997, 2517). Zumal in der vorliegenden Konstellation niemand den E-Scooter zum Zeitpunkt des Unfalls gefahren hat.

Ein Anspruch des Klägers folgt schließlich nicht aus § 823 Abs. 1 BGB. Voraussetzung dafür wäre, dass das Unfallereignis zumindest teilweise auf ein mindestens fahrlässiges Verhalten des Fahrers zurückzuführen wäre. Dies scheidet bei einer alleinigen Geltendmachung gegenüber der Haftpflichtversicherung aus.

Da die Hauptforderung nicht besteht, scheiden auch die Nebenforderungen aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 709 S. 1 und S. 2, 708 Nr. 11 ZPO.

Der Streitwert wird auf 2.915,38 € festgesetzt.


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Anmerkung:


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