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Entscheidungen

OWi

Trunkenheitsfahrt, Aufklärungspflicht, Atemalkoholmessung, Dräger ALCOTEST 9510 DE, Fahrverbot, Geldbuße

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 24.03.2022 – 3 Ws (B) 53/22

Leitsatz des Gerichts: 1. Bei einer Messung der Atemalkoholkonzentration mit einem Gerät des Typs Dräger ALCOTEST 9510 DE handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren, was im Rahmen der Beweisaufnahme zu einer reduzierten Sachverhaltsaufklärungspflicht des Tatgerichts führt: Das Tatgericht muss lediglich das Messverfahren (den berücksichtigten Toleranzwert, sofern erforderlich) und das so ermittelte Messergebnis benennen. Nur wenn die Beweisaufnahme konkrete Hinweise für Unregelmäßigkeiten ergeben hat, die über pauschale Behauptungen zur Fehlerhaftigkeit der Messung und grundsätzlichen Einwänden des Betroffenen gegen das dem Gerät zugrundeliegende Wirkprinzip hinausgehen, muss das Tatgericht Verfahrensbestimmungen wie Zeitablauf ab Trinkende und Messablauf darstellen.
2. Bei häufig vorkommenden Verstößen können die Angaben von Berufszeugen, die unter Hinweis auf die nachvollziehbar dargelegte Ordnungsgemäßheit der Erfassung des Verstoßes erfolgen, trotz fehlender eigener Erinnerung auch dann in freier Beweiswürdigung als zutreffend gewertet werden, wenn diese damit zugleich ersichtlich darauf abzielen, die Richtigkeit des Vorwurfs zu bestätigen.
3. Begründungserfordernis bei erheblicher Abweichung von der Regelbuße.
4. Nach § 25 Abs. 1 Satz 2 StVG ist in der Regel ein Fahrverbot gegen die betroffene Person wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG anzuordnen, so dass nähere Erörterungen hierzu nur in besonderen Ausnahmefällen erforderlich sind.


3 Ws (B) 53/22 - 122 Ss 24/22

In der Bußgeldsache
gegen pp.

wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit

hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Kammergerichts am 24. März 2022 beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 13. Dezember 2021 wird als unbegründet verworfen.
Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

I.

Nachdem der Polizeipräsident in Berlin gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 21. September 2021 wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 1 StVG unter Berücksichtigung von Voreintragungen im Fahreignungsregister eine Geldbuße in Höhe von 590,00 Euro sowie ein einmonatiges Fahrverbot verhängt und eine Wirksamkeitsbestimmung nach § 25 Abs. 2a StVG getroffen hatte, hat ihn auf seinen hiergegen gerichteten Einspruch das Amtsgericht Tiergarten am 13. Dezember 2021 wegen einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 1 StVG zu einer Geldbuße in Höhe von 750,00 Euro verurteilt, ihm für die Dauer von einem Monat verboten, Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu führen und eine Bestimmung über das Wirksamwerden des Fahrverbotes nach § 25 Abs. 2a StVG getroffen.

Das Gericht hat festgestellt, dass der Betroffene mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,32 mg/l sein Fahrzeug am 12. September 2021 um 23.47 Uhr auf öffentlichem Straßenland geführt hat. Nach den Urteilsgründen beruhen die Feststellungen auf den Angaben des als Zeugen vernommenen Polizeibeamten, dem der Betroffene im Straßenverkehr durch seine Fahrweise aufgefallen war, und der Zeugin A, die auf der Gefangenensammelstelle die Messung durchführte, und auf der Verlesung des Ausdrucks des Messgerätes des Typs Dräger ALCOTEST 9510 DE vom 13. September 2021, welches ausweislich des ebenfalls verlesenen Eichscheines bis Ende Dezember 2021 geeicht war. Der den erlaubt abwesenden Betroffenen vertretende Verteidiger hat die Fahrzeugführereigenschaft des Betroffenen eingeräumt, den Tatvorwurf bestritten und lediglich erklärt, der Betroffene verfüge über ein „geregeltes, überschaubares Einkommen“.

Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen Rechts und erhebt die allgemeine Sachrüge. Zur Begründung führt der Verteidiger im Wesentlichen Widersprüche zwischen den Urteilsgründen und dem Protokollinhalt an, wendet sich gegen die Beweiswürdigung des Gerichts insbesondere im Hinblick auf die Wertung der Aussage der Zeugin A und die Verwertbarkeit der Messung und beanstandet die festgesetzte Höhe der Geldbuße.
Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat mit Zuschrift vom 2. März 2022 beantragt, die Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

Die nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Mit den Verfahrensrügen kann der Betroffene nicht durchdringen.

a) Sollte dem Vortrag der Verteidigung eine Verfahrensrüge insoweit zu entnehmen sein, als dass Widersprüche zwischen der in der Hauptverhandlung erfolgten Aussage der Zeugin A und den diesbezüglichen Feststellungen in den Urteilsgründen bzw. in sich widersprüchliche Bekundungen der Zeugen bestünden, hat diese Rüge keinen Erfolg.
Zwar kann mit der sog. Inbegriffsrüge (§ 261 StPO) grundsätzlich gerügt werden, dass im Urteil ein Beweismittel verwertet worden sei, das nicht in dieser Form zum Inbegriff der Hauptverhandlung gezählt habe, und dass das Tatgericht nicht den gesamten Inbegriff in seiner Entscheidungsfindung berücksichtigt habe (vgl. Schneider, NStZ 2019, 324). Einer durch das Rechtsbeschwerdegericht vorzunehmenden Überprüfung der Behauptung, die Aussage der in der Hauptverhandlung gehörten Zeugin A sei in den Urteilsgründen fehlerhaft wiedergegeben bzw. in sich widersprüchlich, steht jedoch das Verbot der Rekonstruktion der Hauptverhandlung entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 30. August 2018 - StR 183/18 -, juris; Senat, Beschluss vom 29. Oktober 2021 - 3 Ws (B) 282/21 - und vom 28. Juli 2021 - 3 Ws (B) 176/21 -; OLG Brandenburg, Beschluss vom 25. März 2009 - 1 Ss 15/09 -, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 64. Aufl., § 261 Rn. 42). Im Übrigen sind derartige Widersprüche jedenfalls nicht vorhanden, und - wie die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend ausführt - die tatsächlich mit der Rüge angegriffene Beweiswürdigung des Gerichts ist nicht zu beanstanden (siehe unten 2. a) bb)).

b) Sollte die Verteidigung mit ihrer pauschalen Bezugnahme darauf, sie habe der Verwertung des Messergebnisses in der Hauptverhandlung mehrfach widersprochen (Rechtsmittelbegründungsschriftsatz vom 11. Februar 2022 S. 2 f.), mit einer Verfahrensrüge beanstanden wollen, dass das Gericht ein Beweismittel berücksichtigt hat, das nicht verwertet werden durfte, so steht dem bereits §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 344 Abs. 2 StPO entgegen. Denn die Verteidigung hat insbesondere kein Verfahrensgeschehen aufzeigt, aus dem erkennbar ist, gegen welche Verfahrensnorm(en) das Gericht verstoßen haben soll (vgl. Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 16. April 2013 - (2 B) 53 Ss-OWi 58/13 (55/13) -, juris).

Sollten im Übrigen das Messverfahren und –ergebnis in der Hauptverhandlung durch die Verteidigung substantiell beanstandet worden sein, und sollte das Tatgericht versäumt haben, dem nachzugehen, hätte die Verteidigung eine - den Anforderungen der §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 344 Abs. 2 StPO genügende - Verfahrensrüge wegen Verstoßes gegen die Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) erheben müssen (vgl. Senat, Beschluss vom 23. August 2021 - 3 Ws (B) 206/21 -).

2. Die auf die allgemeine Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils zeigt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf, der die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache gebietet.

a) Insbesondere verhelfen die Einwendungen des Betroffenen gegen die Beweiswürdigung des Amtsgerichts der Sachrüge nicht zum Erfolg.

aa) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts, dessen Überzeugungsbildung das Rechtsbeschwerdegericht nur darauf prüft, ob sie auf rechtsfehlerhaften Erwägungen beruht. Dies ist namentlich der Fall, wenn sie mit gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen oder unbezweifelbarem Erfahrungswissen unvereinbar ist, Widersprüche oder sonstige Verstöße gegen die Gesetze der Logik enthält oder Lücken aufweist, sich insbesondere nicht mit naheliegenden alternativen Geschehensabläufen befasst, obwohl sich dies nach dem Beweisergebnis aufdrängt (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2006 - 3 StR 139/06 -; OLG Bamberg, Beschluss vom 13. Februar 2017 - 3 Ss OWi 68/17, jeweils juris).

Bei der im vorliegenden Fall erfolgten Messung mit dem Gerät Dräger ALCOTEST 9510 DE handelt es sich um ein sog. standardisiertes Messverfahren (vgl. Senat, Beschlüsse vom 23. August 2021 a.a.O., vom 12. Juni 2019 - 3 Ws (B) 164/19 -; OLG Dresden, Beschluss vom 28. April 2021 - OLG 22 Ss 672/20 (B) -; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 7. Februar 2019 – 1 OWi 2 Ss Bs 83/18 -, jeweils juris; Schäler, NZV 2017, 422). Diese Anerkennung führt hinsichtlich des Umfanges der Beweisaufnahme und der Anforderungen an die Urteilsgründe zu Erleichterungen (BGHSt 39, 291; 43, 277), die verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, juris).

Die Erleichterungen bedeuten im Rahmen der Beweisaufnahme eine reduzierte Sachverhaltsaufklärungspflicht des Tatgerichts:

Das Tatgericht darf bei einer mit einem standardisierten Messverfahren erfolgten Messung ohne weitergehende Beweiserhebung (bei Toleranzabzug, sofern erforderlich) von der Richtigkeit des ermittelten Messwerts ausgehen (BGH a.a.O.; Senat, Beschlüsse vom 23. August 2021 a.a.O. und vom 22. September 2020 - 3 Ws (B) 182/20 -, juris; BayObLG, Beschluss vom 6. Juli 2020 - 202 ObOWi 682/20 -, juris).

Die in § 77 Abs. 1 OWiG normierte Aufklärungspflicht nötigt das Gericht nur dann zu einer weitergehenden Beweisaufnahme zwecks näherer Überprüfung des Messergebnisses, wenn im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte vorgetragen werden oder sonst ersichtlich sind, die geeignet sind, Zweifel an dessen Richtigkeit zu begründen (vgl. BGH a.a.O.; Senat, Beschluss vom 23. August 2021 a.a.O.).

Für die Urteilsgründe bedeuten die Erleichterungen eine reduzierte Darlegungspflicht des Tatgerichts:

In den Entscheidungsgründen muss das Tatgericht bei einer Messung mit einem standardisierten Messverfahren lediglich das Messverfahren (den berücksichtigten Toleranzwert, sofern erforderlich) und das so ermittelte Messergebnis benennen.

Nur wenn die Beweisaufnahme konkrete Hinweise für Unregelmäßigkeiten ergeben hat, die über pauschale Behauptungen zur Fehlerhaftigkeit der Messung und grundsätzlichen Einwänden des Betroffenen gegen das dem Gerät zugrundeliegende Wirkprinzip hinausgehen, ist das Tatgericht gehalten, diese darzustellen (vgl. Senat, Beschluss vom 23. August 2021 a.a.O.).

bb) Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts entspricht diesen Grundsätzen.

Das Amtsgericht hat sich widerspruchsfrei und detailliert mit den erhobenen Beweisen - insbesondere der Aussage der Zeugin A - auseinandergesetzt und in nicht zu beanstandender Weise die Überzeugung hinsichtlich der Tat- und Schuldfrage gebildet.
Insbesondere hat das Amtsgericht Messverfahren und -ergebnis ausgeführt und ist in ausreichendem Maße auf die Verfahrensbestimmungen (vgl. Senat, Beschluss vom 23. August 2021 a.a.O.) wie Zeitablauf ab Trinkende und Messablauf eingegangen. Die von der Verteidigung - nunmehr - beanstandete zehnminütige Kontrollzeit vor der Messung ist in den Urteilsgründen ausführlich erörtert worden.

(1) Grundsätzlich steht einer Wertung der Aussage der in der Gefangenensammelstelle tätigen Zeugin A - anders als von der Verteidigung in der Rechtsbeschwerde vorgebracht (Rechtsmittelbegründungsschriftsatz vom 11. Februar 2022 S. 2) - im Rahmen der freien Beweiswürdigung nicht entgegen, dass sie sich an den konkreten Vorgang nicht mehr im Einzelnen erinnern konnte (UA S. 4). Denn es ist anerkannt, dass bei häufig vorkommenden Verstößen die Angaben von Berufszeugen, die unter Hinweis auf die nachvollziehbar dargelegte Ordnungsgemäßheit der Erfassung des Verstoßes erfolgen, trotz fehlender eigener Erinnerung auch dann in freier Beweiswürdigung als zutreffend gewertet werden können, wenn diese damit zugleich ersichtlich darauf abzielen, die Richtigkeit des Vorwurfs zu bestätigen (vgl. für polizeiliche Zeugen von Verkehrsverstößen: BGHSt 23, 213; Senat, Beschluss vom 7. Februar 2022 - 3 Ws (B) 20/22 -).

(2) Die aufgrund der Aussage der Zeugin A vorgenommene Wertung des Tatgerichts, die zehnminütige Kontrollzeit vor Beginn der Messung sei eingehalten worden, ist nicht zu beanstanden.

Zum einen ist es - wie die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend hervorhebt - nicht widersprüchlich, wenn das Tatgericht von der Einhaltung der Kontrollzeit aufgrund der Aussage der Zeugin A ausgeht, wonach Messablauf und Kontrollzeit durch die Verfahrensabläufe auf der Gefangenensammelstelle sicher gewährleistet seien. Denn die Betroffenen befänden sich ununterbrochen unter Aufsicht, weshalb ausgeschlossen sei, dass diese zehn Minuten vor Messbeginn Nahrung, Getränke oder Sonstiges zu sich nehmen würden, auch wenn die zehnminütige Wartezeit nicht vollständig während der persönlichen Anwesenheit der Zeugin A stattfinde (UA S. 4).

Zum anderen hat der Betroffene nicht vorgetragen, vor der Durchführung der Messung noch etwas zu sich genommen zu haben (UA S. 5). Soweit die Verteidigung in der Rechtsbeschwerdebegründung insoweit die fehlende Einhaltung der zehnminütigen Kontrollzeit rügt (Rechtsmittelbegründungsschriftsatz vom 11. Februar 2022 S. 4 f.), kann sie im Rahmen der Sachrüge nicht gehört werden, weil es sich um einen urteilsfremden Vortrag handelt (vgl. Senat, Beschluss vom 23. August 2021 a.a.O.).

(3) Auch liegt der vorwerfbare Mittelwert von 0,32 mg/l entgegen den Ausführungen der Verteidigung nicht nur „relativ knapp über dem Grenzwert von 0,25 mg/l“ (Rechtsmittelbegründungsschriftsatz vom 11. Februar 2022 S. 2), sondern vielmehr deutlich, so dass allein hieraus selbst bei Nichteinhaltung der Kontrollzeit keine Unverwertbarkeit der Messung resultieren würde (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 28. April 2021 a.a.O.).

b) Auch der durch das Amtsgericht erkannte Rechtsfolgenausspruch hält sachlich-rechtlicher Überprüfung stand.

Die Bemessung der Rechtsfolgen liegt grundsätzlich im Ermessen des Tatgerichts, so dass sich die Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht darauf beschränkt, ob das Tatgericht von rechtlich zutreffenden Erwägungen ausgegangen ist und von seinem Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat (vgl. Senat, Beschluss vom 12. März 2019 - 3 Ws (B) 53/19 -, juris m.w.N.).

Es weisen weder die Festsetzung einer Geldbuße in Höhe von 750,00 Euro noch die Anordnung des einmonatigen Regelfahrverbots mit der Wirksamkeitsbestimmung des § 25 Abs. 2 a StVG einen Rechtsfehler zu Lasten des Betroffenen auf.

aa) Bei der Bemessung der Geldbuße hat sich das Amtsgericht an dem für den fahrlässigen Verstoß gegen § 24a Abs. 1 StVG vorgesehenen Bußgeldtatbestand nach §§ 1, 4 Abs. 3 BKatV in Verbindung mit Nr. 241 der Anlage (BKat) zu § 1 Abs. 1 BKatV orientiert, der eine Geldbuße von 500,00 Euro vorsieht.
Gegen die Erhöhung der Regelgeldbuße gemäß § 17 Abs. 3 OWiG auf 750,00 Euro ist angesichts der im Urteil rechtsfehlerfrei dargestellten drei Voreintragungen aus Rechtsgründen nichts zu erinnern (vgl. Senat, Beschlüsse vom 9. März 2022 - 3 Ws (B) 43/22 -, vom 22. Dezember 2021 - 3 Ws (B) 309/21 - und vom 4. Februar 2021 – 3 Ws (B) 6/21 -, juris; Gürtler/Thoma in Göhler, OWiG 18. Aufl., § 17 Rn. 20). Die Voreintragungen sind im Zeitpunkt der Hauptverhandlung nicht tilgungsreif gewesen. Das Gericht hat die - erhebliche - Abweichung von der Regelbuße (Erhöhung um 50 Prozent) begründet (zu dem Erfordernis vgl. OLG Hamm, Beschlüsse vom 10. August 2021 - III-5 RBs 187/21 - und vom 26. Februar 2015 - III-1 RBs 28/15, jeweils juris): Zwar seien die Voreintragungen nicht einschlägig, jedoch in kurzer Folge begangen worden (UA S. 5).

Dass die Urteilsgründe trotz der Höhe der verhängten Geldbuße keine weitergehenden Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen ausweisen, gefährdet den Bestand des Urteils nicht. Lassen sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des erlaubt abwesenden Betroffenen nicht feststellen, zwingt die Aufklärungspflicht das Tatgericht auch dann nicht zu weiteren Ermittlungen, wenn beabsichtigt ist, eine Geldbuße von mehr als 250,00 Euro zu verhängen. Denn die persönlichen und wirtschaftlichen Umstände sind aufgrund der Regel-Ausnahme-Systematik der BKatV nicht von Vornherein Gegenstand der Amtsaufklärung (vgl. Senat, Beschluss vom 23. August 2021 a.a.O.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17. Dezember 2018 - 1 Rb 10 Ss 644/18 -, juris). Es obliegt vielmehr dem Betroffenen, konkrete Tatsachen vorzutragen, die ein Abweichen vom Regelsatz nahelegen, um so die tatrichterliche Aufklärungspflicht auszulösen (Senat, Beschluss vom 27. April 2020 – 3 Ws (B) 49/20 –, juris). Dies hat der den Betroffenen in der Hauptverhandlung vertretende Verteidiger laut den Urteilsgründen nicht getan. Er hat es vorgezogen, lediglich anzugeben, dass der Betroffene über ein „geregeltes, überschaubares Einkommen“ verfüge (UA S. 3). Daraus ergeben sich gerade keine konkreten Anhaltspunkte für außergewöhnlich schlechte wirtschaftliche Verhältnisse des Betroffenen.

bb) Die Verhängung des einmonatigen Fahrverbots begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Anders als in den Fällen des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG normiert § 25 Abs. 1 Satz 2 StVG, dass in den in §§ 24a StVG, 4 Abs. 3 BKatV, Nr. 241 BKat genannten Fällen ein Fahrverbot in der Regel anzuordnen ist. Hier versteht sich das Vorliegen eines groben Pflichtenverstoßes und in der Folge die Angemessenheit des angeordneten Fahrverbots von selbst (vgl. BGHSt 38, 125; Senat, Beschlüsse vom 16. Februar 2022 - 3 Ws (B) 24/22, vom 23. August 2021 a.a.O., vom 14. Januar 2021 - 3 Ws (B) 321/20 - und vom 22. Oktober 2020 - 3 Ws (B) 222/20 -; OLG Bamberg NStZ-RR 2018, 325), weswegen nähere Erörterungen nur in besonderen Ausnahmefällen erforderlich sind. Da in den Fällen des § 24a StVG nur Härten ganz außergewöhnlicher Art oder sonstige, das äußere und innere Tatbild beherrschende außergewöhnliche Umstände ein Absehen rechtfertigen (vgl. BGHSt 38 a.a.O.; OLG Koblenz, Beschluss vom 23. April 2014 – 2 SsBs 14/14 –, juris), besteht für das Tatgericht erst dann Anlass, die Möglichkeit des Absehens vom Fahrverbot zu erwägen und dies in den Urteilsgründen zu erörtern, wenn sich dafür sprechende Umstände aus der Beweisaufnahme oder der Einlassung des Betroffenen ergeben (vgl. Senat, Beschlüsse vom 23. August 2021 und vom 14. Januar 2021, jeweils a.a.O.).

Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe gerecht. Denn dafür, dass die Anordnung des Fahrverbots für den Betroffenen eine ganz außergewöhnliche Härte darstellen würde, die sich auch nicht durch ihm zumutbare Maßnahmen abfedern lassen kann (vgl. Senat NJW 2016, 1110 m.w.N.), gab es nach den allein maßgeblichen Urteilsgründen unter Berücksichtigung der dem Betroffenen gewährten Wirksamkeitsbestimmung gemäß § 25 Abs. 2a StVG keine Anhaltspunkte.

Schließlich hat sich das Amtsgericht in dem angefochtenen Urteil in ausreichender Weise mit der Möglichkeit auseinandergesetzt, gemäß § 4 Abs. 4 BKatV von einer Anordnung eines Fahrverbots abzusehen, und darauf hingewiesen, sich darüber bewusst gewesen zu sein, unter bestimmten Voraussetzungen nach Maßgabe von § 4 Abs. 4 BKatV auf die Verhängung eines Fahrverbots verzichten zu können (UA S. 6). Näherer Feststellungen, dass der durch das Fahrverbot angestrebte Erfolg auch mit einer erhöhten Geldbuße nicht zu erreichen gewesen wäre, bedurfte es nicht (vgl. BGHSt 38 a.a.O.).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.


Einsender: RiKG U. Sandherr, Berlin

Anmerkung:


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