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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, schwierige Beweislage, unterschiedliche Beurteilung

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Potsdam, Beschl. v. 30.08.2022 - 25 Qs 38722

Eigener Leitsatz: Es liegt eine schwierige Beweislage, die die Bestellung eines Pflichtverteidigers erfordert vor, wenn zwei Justizorgane die Beweislage unterschiedlich beurteilen.


25 Qs 38/22

Landgericht Potsdam

Beschluss

In der Strafsache
gegen pp.

Verteidiger

Rechtsanwalt

wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen u.a.

hat die 5. Strafkammer des Landgerichts Potsdam — Beschwerdekammer — durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht, die Richterin am Landgericht Stenzel, die Richterin am Landgericht am 30.8.2022 beschlossen:

1. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft vom 2.6.2022 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Luckenwalde vom 1.6.2022, 21 Ds 496 js 8372/21 (2), wird als unbegründet zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwenigen Auslagen des Beschwerdeführers trägt die Landeskasse.

Gründe

I.

Dem Angeklagten wird vorgeworfen, ein Hakenkreuz an seiner Zimmerdecke angebracht zu haben. Das Hakenkreuz sei von der Straße aus durch das Fenster sichtbar gewesen. Bereits am 11.1.2020 führte die Polizei eine Gefährderansprache mit ihm durch, in der er auf die Strafbarkeit hingewiesen wurde. Nachdem der Angeklagte wegen des Verwendens dieses Hakenkreuzes durch Strafbefehl vom 19.10.2020, betreffend den Zeitraum zwischen dem 3.6.2020 und dem 22.6.2020, verurteilt worden war, klagt die Staatsanwaltschaft Potsdam ihn mit Anklageschrift vom 11.11.2021, Az: 496 Js 8327/21, an, das Hakenkreuz zwischen dem 10.7.2020 und dem 11.1.2021 weiter sichtbar gemacht zu haben.

Mit Anklage der Staatsanwaltschaft Potsdam vom 28.11.2020, Az: 475 Js 46500/20, wird dem Angeklagten ein Ladendiebstahl von Lebensmitteln und Alkohol im Wert von 60,93 Euro, Tattag 14.8.2020, vorgeworfen. Das Verfahren wurde ursprünglich gemeinsam gegen den gesondert verfolgten angeblichen Mittäter lin geführt, bevor es wegen des zwischenzeitlich unbekannten Aufenthalts des Beschwerdeführers abgetrennt worden ist. Der ehemals gesondert Verfolgte wurde mit Urteil des Landgerichts Luckenwalde vom 20.8.2021, Az: 21 Ds 457 Js 46500/20 (576/20) freigesprochen, da er auf den Videos der Überwachungskameras nicht zu erkennen gewesen sei und die Zeugen keine konkreten Erinnerungen mehr daran gehabt hätten, weshalb sie ihn ursprünglich anhand der Videoaufzeichnung identifiziert hätten. Einer Anregung des Gerichts, auch die Anklage gegen den Beschwerdeführer zurückzunehmen, trat die Staatsanwaltschaft nicht bei, da dieser auf den Bildern gut zu erkennen sei.

Das Amtsgericht Luckenwalde hat die Verfahren gegen den Beschwerdeführer miteinander verbunden und den Verteidiger des Angeklagten auf dessen Antrag hin mit Beschluss vom 1.6.2022, der Staatsanwaltschaft am 2.6.2022 zugestellt, als Pflichtverteidiger bestellt. In einem Vermerk vom 7.6.2022 führt das Amtsgericht hierzu aus, dass die Sach- und Rechtslage schwierig sei, da der mehrfach vorbestrafte Angeklagte Ausländer und der deutschen Sprache nicht mächtig sei. Der gesondert verfolgte angebliche Mittäter des Beschwerdeführers sei freigesprochen worden. Es komme für die Nachweisbarkeit auch in diesem Fall insbesondere auf die Zeugenaussagen und die Einlassung des Angeklagten an, weshalb ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliege.

Mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 2.6.2022, bei Gericht am Folgetag eingegangen, führt die Staatsanwaltschaft aus, die Bestellung eines Dolmetschers sei ausreichend, um die prozessualen Rechte des Angeklagten zu gewährleisten. Die Sachverhalte seien einfach gelagert und überschaubar. Der Angeklagte sei zwar vorbestraft, stehe aber nicht unter Bewährung. Der Freispruch in dem Bezugsverfahren sei allein deshalb erfolgt, weil der ehemals gesondert verfolgte angebliche Mittäter auf den Bildern der Überwachungskamera schlecht zu identifizieren gewesen sei, was bei dem Beschwerdeführer nicht der Fall sei.

Gründe:

Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO liegen vor. Danach ist ein Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn wegen der Schwere der Tat oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann. Hier liegt eine schwierige Sachlage vor.

Eine schwierige Sachlage kann sich aus der Schwierigkeit der Beweisaufnahme ergeben.

Nachdem der vormalige Mitangeklagte freigesprochen wurde, da er auf den Videos nicht identifizierbar war und dem Amtsgericht die Aussagen der Zeugen zur Identifizierung nicht ausreichten, führt das Amtsgericht aus, dass voraussichtlich auch im Fall des Beschwerdeführers — trotz der besseren Erkennbarkeit der zweiten Person auf den zur Akte gelangten Fotos — die Aussagen der Zeugen zur Identifizierung des Beschwerdeführers anhand des Videomaterials maßgeblich sein werden. In diesem Fall liegt — ähnlich dem Fall der Einlegung eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, die regelmäßig auf eine schwierige Sach- oder Rechtslage hinweist (vgl. nur Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 140 Rn. 27 m.w.N.) — ein Fall der notwendigen Verteidigung vor, da zwei Justizorgane die voraussichtliche Beweislage unterschiedlich bewerten.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 473 Abs. 2 StPO.


Einsender: RA S. Kappler, Luckenwalde

Anmerkung:


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