Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamburg, Beschl. v. 10.06.2022 1 Ws 16/22
Eigener Leitsatz: 1. Zum fortwirkenden Feststellungsinteresse.
2. Bei der Anordnungen einer sog. Einschlussregelung für einen Untersuchungshaftgefangenen kommt der gebotenen Berücksichtigung des Bedürfnisses der Gefangenen an Interaktion und internen Freiräumen besonderes Gewicht zu (hier Einschluss wegen der Corona-Pandemie).
In pp.
1.) Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg (624 KLs 10/21) vom 25. Januar 2022 aufgehoben.
2.) Es wird festgestellt, dass die Anordnung der Anstaltsleitung der Untersuchungshaftanstalt Hamburg, den Angeklagten in der Zeit vom 11. Dezember 2021 bis zum 16. Februar 2022 der Maßnahme des Einschlusses bei täglich einer Freistunde und dreiundzwanzigstündiger Einsperrung in seinem Haftraum zu unterwerfen, rechtswidrig war.
3.) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe
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Der Angeklagte und Beschwerdeführer befindet sich seit seiner Festnahme am 11. November 2020 in Untersuchungshaft aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Hamburg vom 21. Oktober 2020. Gegenstand des auf Fluchtgefahr gestützten Haftbefehls ist der Vorwurf des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (100 kg Kokain). Mit Haftstatut vom 22. Oktober 2021 wurde die Trennung des Angeklagten von insgesamt zehn Mitangeklagten angeordnet. Die Untersuchungshaft wird seit dem 12. November 2020 vollzogen in der Untersuchungshaftanstalt Hamburg (im Folgenden: UHA).
Am 30. April 2021 erhob die Staatsanwaltschaft Hamburg Anklage gegen den Angeklagten, unter anderem wegen der haftbefehlsgegenständlichen Tat.
Mit Beschluss vom 14. September 2021 ließ die Große Strafkammer 24 die Anklage der Staatsanwaltschaft vom 30. April 2021 mit geringen sprachlichen Anpassungen zu und eröffnete das Hauptverfahren.
Die Hauptverhandlung hat am 26. Oktober 2021 begonnen. Aufgrund von Infektionsschutzmaßnahmen in der Corona-Pandemie zum Teil den Beschwerdeführer selbst betreffend konnte sie jedoch 2021 anstatt an 16 nur an 6 Tagen durchgeführt werden. In ähnlicher Weise kam es auch im Jahr 2022 zum Ausfall mehrerer Sitzungstermine.
Während seiner Unterbringung in der Untersuchungshaftanstalt war der Beschwerdeführer in einer offenen Station (A 4) untergebracht, auf der er insbesondere innerhalb der von der Anstalt vorgegebenen Zeiten 08.30 Uhr bis 12:30 Uhr sowie 15:00 Uhr bis 18:00 Uhr am Aufschluss teilnehmen und dadurch etwa duschen, telefonieren, die Küche nutzen sowie sich mit Mitgefangenen unterhalten konnte.
Vor dem Hintergrund der Auswirkungen und Gefahren der Covid-19-Pandemie ordnete der Leiter der Untersuchungshaftanstalt am 3. Dezember 2021 aus Gründen des Infektionsschutzes nach Rücksprache mit den in der Ambulanz der Anstalt tätigen Ärzten formlos mitgeteilt über den hausinternen Info-Pool die Streichung sämtlicher Aufschlusszeiten an.
Zunächst blieb die entsprechende Regelung für den Angeklagten ohne Auswirkung, weil er am 3. Dezember 2021 an dem Corona-Virus erkrankte und daraufhin auf Anordnung des Gesundheitsamtes in seinem Haftraum bis (einschließlich) zum 10. Dezember 2021 isoliert wurde.
Im Anschluss hieran wurde der Beschwerdeführer entsprechend der Regelung vom 3. Dezember 2021 behandelt. Er trägt vor, aufgrund dessen in der Regel 23 Stunden in seinem Haftraum eingeschlossen gewesen zu sein.
Mit Schreiben seines Verteidigers vom 16. Dezember 2021 beantragte der Angeklagte beim zuständigen Landgericht gerichtliche Entscheidung nach § 119a StPO über den ihn betreffenden 23-stündigen Einschluss. Er stellte den Antrag, die Rechtswidrigkeit der Maßnahme festzustellen sowie die Anordnung des Einschlusses aufzuheben.
Die Anstaltsleitung der Untersuchungshaftanstalt (UHA) trug gegenüber dem Landgericht darauf an, den Antrag als unbegründet zurückzuweisen. Zur Begründung wies sie darauf hin, dass sich die am 3. Dezember 2021 angeordneten Leistungseinschränkungen auf § 42 Abs. 6 HmbUVollzG stützten. Auch unter Einhaltung der Verpflichtung der Anstalt aus § 36 Abs. 1 Nr. 6 IfSG seien die Maßnahmen aufgrund des erhöhten Risikos in der Untersuchungshaftanstalt im Hinblick auf die Verbreitung von Infektionskrankheiten wegen der vorherrschenden räumlichen Nähe und der möglichen Einschleppung von Krankheiten durch Mitarbeitende, Besucher, Gefangene in Lockerung oder Neuzugänge zum Schutz gegen SARS-CoV-2 dringend notwendig. Zweck sei es, die Gesundheit der Gefangenen insgesamt zu schützen und künftige Ansteckungen durch Kontakte auf den offenen Stationen zu unterbinden. Die Vollzugsanstalt habe die Pflicht, die Inhaftierten zu schützen. Darüber hinaus gehe es bei dem angeordneten Einschluss auch darum, die Durchführung geordneter Strafverfahren zu gewährleisten. Quarantäneanordnungen seien zu vermeiden, damit Hauptverhandlungen weiter stattfinden könnten. Der Schutz der Gefangenenrechte sei durch die Anordnung gewahrt. Die gewählte Maßnahme des Einschlusses sei geeignet und erforderlich, den angestrebten Zweck zu erreichen. Es bestehe in der Untersuchungshaftanstalt bereits ein umfangreiches Hygienekonzept einschließlich Maskentragungspflicht (OP- oder FFP2-Masken). Am Arbeitsplatz gelte die 3G-Regel. Mildere Mittel kämen daher nicht mehr in Betracht. Auch zeige das Infektionsgeschehen, dass auch geimpfte Personen erkrankten und das Coronavirus weiterverbreiten könnten. Gegenwärtig seien trotz Hygienekonzepts und einer Impfquote unter den Bediensteten von über 90 Prozent 30 positive Fälle von Corona innerhalb der Bediensteten und Inhaftierten der UHA bekannt. Dabei seien verstärkt sogenannte Impfdurchbrüche zu verzeichnen.
Eine Unterbringung ausschließlich von geimpften und etwa täglich getesteten Personen auf einer offenen Station sei aufgrund der hohen Fluktuation und nicht zuletzt aufgrund des organisatorischen Mehraufwandes nicht zu leisten. Daher sei die konkrete Maßnahme des Einschlusses angemessen.
Mit Beschluss vom 21. Dezember 2021 verwarf das Landgericht Hamburg, Große Strafkammer 24, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Zur Begründung stützte es sich darauf, dass der Antrag bereits unzulässig sei. Gegen Allgemeinverfügungen der Anstaltsleitung sei nicht der Antrag nach § 119a StPO statthaft, sondern der Rechtsweg nach § 23 EGGVG eröffnet.
Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde des Angeklagten hob der Senat am 12. Januar 2022 den Beschluss des Landgerichts Hamburg auf und verwies die Sache zu neuer Entscheidung an dieselbe Strafkammer des Landgerichts Hamburg zurück. Der Senat begründete dies damit, dass § 119a Abs. 1 StPO auch für abstrakt-generelle Regelungen betreffend die Untersuchungshaft der zulässige Rechtsbehelf ist.
Die Einschlussregelung vom 3. Dezember 2021 galt währenddessen unverändert fort.
Dem nunmehr wieder zuständigen Landgericht teilte die stellvertretende Anstaltsleiterin der UHA am 19. Januar 2022 mit, dass bis auf weiteres an der angegriffenen Maßnahme festgehalten werden solle. Zur Begründung verwies sie auf Erwägungen eines Schreibens des Staatsrats der Behörde für Justiz- und Verbraucherschutz vom 17. Januar 2022, die auch für den verfahrensgegenständlichen Einschluss gälten. Das Schreiben betraf die Einführung einer Testnachweispflicht für Besucher der Anstalt. In dem Schreiben wurde darauf hingewiesen, dass in der Vollzugsanstalt im Vergleich zur Gesamtbevölkerung ein deutlich erhöhter Anteil vulnerabler Personen aufhältig sei, welche aufgrund von Vorerkrankungen einschließlich Suchterkrankungen ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung aufwiesen. Im Übrigen sei die seinerzeit dominierende Omikron-Variante deutlich ansteckender.
Der Beschwerdeführer bemängelte gegenüber dem Landgericht u.a., es sei nicht erkennbar, auf welche tatsächlichen Erwägungen der Anstaltsleiter die Anordnung vom 3. Dezember 2021 gestützt habe. Auch in der Folge sei nicht substantiiert vorgetragen worden, warum offene Stationen für Geimpfte und Getestete nicht leistbar seien. Überdies stelle § 42 Abs. 6 HmbUVollzG keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die angeordneten Einschränkungen dar. Die Vorschrift sei zu unbestimmt und könne keine Einzelhaft rechtfertigen.
Das Landgericht hat daraufhin auch unter Bezugnahme auf das Schreiben des Staatsrats vom 17. Januar 2022 den Antrag des Beschwerdeführers mit Beschluss vom 25. Januar 2022 abermals, nunmehr durch Entscheidung in der Sache, zurückgewiesen. Die auf § 42 Abs. 6 HmbUVollzG beruhende Anordnung sei rechtmäßig und verletze den Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten. Die Schließung der ehemals offenen Station, auf der der Beschwerdeführer untergebracht sei, sei mit Blick auf das gesetzgeberische Ziel unter den konkreten Umständen sowie im Hinblick auf die besonders ansteckende Omikron-Variante und die seinerzeitigen Inzidenzwerte des Corona-Virus geeignet, erforderlich und verhältnismäßig. Zwar verkenne die Kammer nicht, dass es Aufgabe des Staates sei, im Rahmen des Zumutbaren alle Maßnahmen zu treffen, die geeignet und erforderlich seien, um eine Verkürzung der Rechte von Untersuchungsgefangenen zu vermeiden, wobei die Stationsschließung verbunden mit einem 23-stündigen Einschluss eine erhebliche Belastung darstellten. Dieser schwerwiegende Eingriff müsse allerdings hinter dem Schutz von Leib und Leben der Untersuchungsgefangenen, der Bediensteten der UHA und Dritter zu denen auch die weiteren Verfahrensbeteiligten der Hauptverhandlung gehörten zurücktreten. Insoweit sei hier den Umständen der Untersuchungshaft und des laufenden Hauptverfahrens Rechnung zu tragen. Daher bestünde eine besonders ausgeprägte Pflicht des Staates zum Schutz der Gesundheit sämtlicher Verfahrensbeteiligter, welche die angegriffene Maßnahme als ein gerade noch hinnehmbares Sonderopfer rechtfertige. Zudem sei ohne die angeordnete Kontaktreduzierung insbesondere auch in dem gegen den Beschwerdeführer gerichteten Verfahren die Durchführung eines geordneten Strafverfahrens die Hauptaufgabe des Vollzugs der Untersuchungshaft erheblich erschwert. Die bis zum 3. Dezember 2021 eröffneten Kontaktmöglichkeiten hätten wiederholt zu Haftraumquarantänen geführt und es bestünde bei einer fortdauernden Öffnung die Gefahr großflächiger, stationsübergreifend verhängter Quarantäneanordnungen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die neuerliche, mit Verteidigerschriftsatz vom 30. Januar 2022 beim Landgericht angebrachte und beim Senat am 15. Februar 2022 eingegangene Beschwerde des Angeklagten. Zur Begründung hat der Beschwerdeführer sinngemäß vorgetragen, der angefochtene Beschluss und die Verfügung des Anstaltsleiters vom 3. Dezember 2021 verletzten ihn in seinen Rechten aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG, 104 Abs. 1 GG, 3 Abs. 1 GG, 19 Abs. 4 GG, 20 Abs. 3 GG sowie Art. 3 EMRK. Das Landgericht habe seine Aufklärungspflicht verletzt, indem es seiner Entscheidung alleine die Tatsachenbehauptungen der UHA zugrunde gelegt habe. Tatsächlich sei nicht hinreichend nachvollziehbar, auf welcher Rechtsgrundlage und mit welchen Erwägungen die Schließung der Station verfügt worden sei. § 42 Abs. 6 HmbUVollzG sei überdies zu unbestimmt für die höchst intensiven Grundrechtseingriffe. Schließlich sei nicht überprüfbar, ob etwaiges Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt worden sei. Das Landgericht habe insoweit verkannt, dass Ermessenserwägungen nicht nachgeschoben werden könnten und dass das Gericht eigene Erwägungen nicht an die Stelle der Ermessensausübung der Behörde setzen dürfe. Hiergegen habe das Landgericht u.a. dadurch verstoßen, dass es die in dem Schreiben der UHA vom 19. Januar 2022 enthaltenen Erwägungen aus Januar 2022 zugrunde gelegt habe. Sowohl das Landgericht als auch die UHA hätten überdies verkannt, dass die angeordnete Maßnahme der Anordnung von Einzelhaft gleichkomme, deren Voraussetzungen nicht vorlägen. Hiervon unabhängig sei zu überprüfen gewesen, ob jedenfalls bei Geimpften und Genesenen täglich hätten Schnelltests durchgeführt werden können, um die langen Einschlusszeiten zu reduzieren. Eine dieser Verfahrensweise entgegenstehende Ressourcenknappheit sei nicht ausreichend belegt.
In seiner Beschwerdeschrift hat der Angeklagte zunächst beantragt,
den Beschluss des Landgerichts vom 25. Januar 2022 ebenso wie die Verfügung des Anstaltsleiters vom 3. Dezember 2021 aufzuheben.
Die UHA hat beantragt,
die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Ergänzend zu ihrem vorherigen Vorbringen hat die Anstaltsleitung der UHA vorgetragen, dass eine medizinische bzw. psychologische/ psychiatrische Betreuung der Gefangenen gewährleistet sei. Gegebenenfalls werde mittellosen Gefangenen ein TV-Gerät zur psychischen Stabilisierung leihweise überlassen. Ausnahmen vom erweiterten Einschluss für genesene oder geboosterte Gefangene seien weder vorgesehen noch organisatorisch möglich. Die Untersuchungshaftanstalt sei bis zur Kapazitätsgrenze ausgelastet. Eine Binnendifferenzierung der vorgenannten Gefangenen von den übrigen Inhaftierten würde bedeuten, dass Plätze auf diesen Sonderstationen nicht voll belegt werden könnten, falls nicht ausreichend genesene oder geboosterte Gefangene vorhanden seien. Bei der Mehrzahl der Gefangenen sei zudem noch keine Grundimmunisierung vorhanden. Seit Dezember seien überdies trotz zweifacher oder Booster-Impfung insgesamt 49 Bedienstete an einer Covid-Infektion erkrankt. Der Krankenstand sei auch noch überdurchschnittlich hoch mit 12,9 % (acht Bedienstete); insoweit bezog die UHA sich auf die seinerzeitige Situation im Februar 2022.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat zunächst beantragt,
die von dem Leiter der Untersuchungshaftanstalt Hamburg angeordnete Maßnahme des Einschlusses, soweit sie den Beschwerdeführer betrifft, aufzuheben und die weitergehende Beschwerde hinsichtlich des Feststellungsbegehrens zu verwerfen.
Am 17. Februar 2022 wurde die verfahrensgegenständliche Anordnung vom 3. Dezember 2021 von der UHA aufgehoben, so dass dem Beschwerdeführer seit diesem Zeitpunkt der von ihm begehrte intern offene Vollzug wieder zugebilligt wird.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt nunmehr,
den Beschluss des Landgerichts Hamburg, Große Strafkammer 24, vom 25. Januar 2022 aufzuheben sowie festzustellen, dass die Anordnung der Anstaltsleitung der Untersuchungshaftanstalt Hamburg, den Beschwerdeführer in der Zeit vom 11. Dezember 2021 bis zum 16. Februar 2022 der Maßnahme des Einschlusses bei täglich nur einer Freistunde und rund dreiundzwanzigstündiger Einsperrung in seinem Haftraum zu unterwerfen, rechtswidrig war, sowie die Kosten des Beschwerdeverfahrens und der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers der Staatskasse aufzuerlegen.
Zur Begründung führt die Generalstaatsanwaltschaft unter anderem aus, dass ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse trotz Wegfalls der Beschwer gegeben sei. Die Beschwerde sei unter anderem deswegen begründet, weil alle Untersuchungsgefangenen unterschiedslos der Einschließung unterworfen worden seien und die Anstalt nicht einmal die Möglichkeit vorgesehen habe, im Wege einer differenzierten Einzelfallprüfung von dem mit der Einschließung verbundenen Vollzugsregime abzusehen. Der Beschwerdeführer sei daher in seinen Grundrechten aus Art. 1, 2 Abs. 1 GG (Persönlichkeitsrecht) sowie Art. 1 Abs. 1 GG (Kontakt zu anderen Menschen) verletzt worden.
Der Beschwerdeführer macht sich den angepassten Antrag der Generalstaatsanwaltschaft zu Eigen.
Die UHA beantragt auch weiterhin,
die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
Ergänzend trägt sie vor, dass die Maßnahme vom 3. Dezember 2021 nicht unter § 54 Abs. 2 Ziff. 3 HmbUVollzG zu subsumieren sei, da es sich gerade nicht um eine besondere Sicherungsmaßnahme gehandelt habe. Die Einrichtung einer im Haus abgetrennten Station für vollständig geimpfte oder genesene Gefangene sei anhand der räumlichen Gegebenheiten nicht möglich gewesen. Hinzukomme, dass trotz zumeist regelhafter Überwachung der Inhaftierten diese sich in der gemeinsamen Freizeit nicht an die ihnen immer wieder in Erinnerung gerufenen Abstandsregelungen und Maskenpflichten gehalten hätten, was im November 2021 zu einem erheblichen Infektionsgeschehen mit etwa 15 Gefangenen der offenen Station geführt habe. Unmittelbar vor der Einführung der streitgegenständlichen Maßnahme seien sieben vollständig Geimpfte an einer Covid-Infektion erkrankt. Eine lückenlose Überwachung sei nicht möglich. Durch die Schließung der offenen Stationen sei es letztlich gelungen, die Infektionszahlen innerhalb der Anstalt zu begrenzen. Die Maßnahmen seien dabei regelmäßig von der Leitenden Ärztin in den Leitungsrunden überprüft worden. Die Pandemiekommission für den Justizvollzug unter dem Vorsitz der leitenden Ärztin tage außer am Wochenende täglich, um die Maßnahmen zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Unmittelbar nachdem sich das Infektionsgeschehen Anfang Februar beruhigt habe, sei die Öffnung der Station vorgenommen worden.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
1. Der Antrag des Angeklagten ist, da er auf den zuvor von der Generalstaatsanwaltschaft Hamburg gestellten Antrag Bezug genommen hat, als auf den diesem entsprechenden Entscheidungssatz gerichtet auszulegen. Dementsprechend spielt es keine Rolle, dass der von der Generalstaatsanwaltschaft gestellte Antrag zunächst nicht geeignet war, den Verfahrensgegenstand nach Erledigung der Beschwer in ein Feststellungsverfahren überzuleiten. Einen dies bewirkenden Antrag konnte alleine der Angeklagte stellen.
2. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts ist in Gestalt des Feststellungsantrags gemäß §§ 119a Abs. 3, 304 Abs. 1 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Insbesondere besteht trotz Aufhebung des angefochtenen Einschlusses ein fortwirkendes, schutzwürdiges Interesse des Angeklagten an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der beanstandeten Maßnahme, soweit ihn diese nach dem Ende seiner Quarantänepflicht ab dem 11. Dezember 2021 betroffen hat.
a) Ein fortwirkendes Rechtsschutzinteresse ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Gewährleistung des in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgten effektiven Rechtsschutzes im Falle bereits erledigter Maßnahmen jedenfalls auch dann anerkannt, wenn es sich dabei um tiefgreifende Grundrechtseingriffe handelt und der Betroffene wegen der typischerweise kurzen Dauer des Eingriffs keine gerichtliche Entscheidung erlangen konnte (BVerfG, Beschluss vom 17.10.2012, 2 BvR 736/11; Beschl. v. 07.03.2012 2 BvR 988/10, BVerfGK 19, 326, 331 = NJW 2012, 2790, Rn. 27; Urt. v. 27.02.2007 1 BvR 538, 538/06, 1 BvR 2045/06 BVerfGE 117, 244, 268; Urt. vom 31.05.2006 2 BvR 1673/04; 2 BvR 2402/04 , Rn. 31 juris ; Beschl. v. 30.04.1997 2 BvR 817/90, 2 BvR 728/92, 2 BvR 802/95, 2 BvR 1065/95 BVerfGE 96, 27, 40; Beschl. vom 24.06.1996 2 BvR 2137/95 , Rn. 21 juris ; OLG Hamburg, Beschluss vom 20.08.2019 − 2 Ws 85/19 −, NStZ 20, 311; Beschluss vom 15.02.2017 2 Ws 32/17 −). Ein in diesem Sinne gewichtiger Grundrechtseingriff ist dabei nicht ausschließlich auf unter Richtervorbehalt stehende Eingriffe begrenzt (BVerfG, Beschl. v. 28.10.2012 2 BvR 737/11 NJW 2013, 1941, Rn. 12; BVerfGK 19, 326, 331).
Ein fortwirkendes Rechtsschutzinteresse liegt überdies auch dann vor, wenn ein gerichtliches Verfahren dazu dienen kann, einer Wiederholungsgefahr zu begegnen (BVerfG, Urteil vom 31.05.2005 2 BvR 1673/04, 2 BvR 2402/04 , Rn. 32, juris; Beschluss vom 03.03.2004 1 BvR 461/03 , Rn. 27 juris; Beschluss vom 05.12.2001 2 BvR 527/99, 2 BvR 1337/00, 2 BvR 1777/00 , Rn. 35 juris; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., vor § 296 Rn. 18). Eine solche Wiederholungsgefahr kann beispielsweise fortbestehen, wenn nicht fern liegt, dass erneut Entscheidungen getroffen werden, die der angegriffenen gleichen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 25. Februar 2010 2 Ws 18/10 , Rn. 17 juris; KK-Schultheis, StPO, 8. Aufl. 2019, § 119a Rn.9, § 119 Rn. 82).
b) Hieran gemessen kommt dem Angeklagten ein fortwirkendes Rechtsschutzinteresse unter beiden genannten Aspekten des tiefgreifenden Grundrechtseingriffes und der Wiederholungsgefahr zu.
Ein die dargestellten Anforderungen erfüllender schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte des Angeklagten lag hier vor (vgl. insoweit auch Junck in BeckOK, Strafvollzugsrecht Hamburg (Hrsg.: Schatz), HmbUVollzG, 14. Ed. Stand 01. Dezember 2021, § 42 Rn. 21, beck-online). Durch die Streichung sämtlicher Aufschlusszeiten wurde der Beschwerdeführer erheblich in seinem Recht aus Art. 2 Abs. 1 GG eingeschränkt. Die Bedingungen des Freiheitsentzuges wurden hierdurch erheblich verschärft, weil der Beschwerdeführer für einen jeweils deutlich längeren Zeitraum pro Tag unfreiwillig auf seinen Haftraum beschränkt und an der Kontaktaufnahme mit anderen Gefangenen gehindert wurde (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.10.2012 2 BvR 736/11 BverfGK 20, 93, 100 = BeckRS 2012, 60003 sowie für den Arrest BVerfG, Beschl. v. 12.02.2004 2 BvR 1709/02 BVerfGK 2, 318, 323 = NStZ-RR 2004, 220).
Im vorliegenden Fall war es dem Beschwerdeführer während der Dauer der Maßnahme vom 3. Dezember 2021 bis zum 17. Februar 2022 auch nicht möglich, eine abschließende Entscheidung des Senats in der Sache einzuholen. Unmittelbar nach Ende seiner vom Gesundheitsamt bis zum 10. Dezember 2021 angeordneten Isolation hat er gerichtliche Entscheidung beantragt und gegen die ablehnenden Entscheidungen des Landgerichts jeweils unverzüglich Beschwerde eingelegt.
Hiervon unabhängig besteht auch Wiederholungsgefahr. Es ist nicht auszuschließen, dass die Anstaltsleitung bei erneutem Ansteigen von Covid-19-Erkrankungen innerhalb der Untersuchungshaftanstalt, bei dem Aufkommen einer neuen Variante des Coronavirus oder gar dem Eintreten einer neuen Pandemielage eine gleichgelagerte Anordnung treffen wird, zumal davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer sich auch fortan noch in der Untersuchungshaftanstalt aufhalten wird.
3. Die Beschwerde ist auch begründet. Die angegriffene Maßnahme der UHA Hamburg erweist sich im Hinblick auf den Angeklagten aufgrund fehlerhafter Ermessensausübung als rechtswidrig und hat diesen dadurch in seinen Rechten verletzt. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob die angefochtene Maßnahme im Ergebnis rechtmäßig hätte angeordnet werden können. Jedenfalls war sie schon deswegen rechtswidrig, weil die UHA das ihr zukommende Ermessen nicht rechtsfehlerfrei ausgeübt hat. Im Einzelnen:
a) Zutreffend hat die UHA die angefochtene Maßnahme allerdings auf die Ermächtigungsgrundlage des § 42 Abs. 6 HmbUVollzG gestützt. Hiernach haben die Untersuchungsgefangenen die notwendigen Anordnungen zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene zu befolgen sowie die dafür erforderlichen Maßnahmen zur Umsetzung des Gesundheitsschutzes und der Hygiene in der Anstalt zu dulden.
aa) Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist die Vorschrift als Ermächtigungsgrundlage für die konkret angeordnete Maßnahme nicht zu unbestimmt.
(1) Jede Maßnahme, die mit einem Grundrechtseingriff verbunden ist, bedarf, um den Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips gerecht zu werden (vgl. Art. 20 Absatz 3 GG i.V.m. Art. 28 Absatz 1 GG), einer Ermächtigungsgrundlage, aus der sich in einer dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entsprechenden Weise die Eingriffsvoraussetzungen und der Umfang der erlaubten Eingriffe ergeben (vgl. BverfG, Beschluss vom 12. November 2007 − 2 BvR 9/06 −, BeckRS 2007, 28276). Zweck, Anlass und Grenzen des Eingriffs müssen in der Ermächtigungsgrundlage, um dem grundrechtlich festgelegten Bestimmtheitsgebot aus Art. 20 Abs. 3 GG gerecht zu werden, bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden. Dabei ist allerdings die Interpretationsbedürftigkeit einer Norm nicht mit Unbestimmtheit gleichzusetzen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. November 1990 − 1 BvR 402/87 −, NJW 1991, 1417; BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 2 BvR 2436/10, 2 BvE 6/08 −, NvWZ 2013, 1468). Zu berücksichtigen ist, dass die zu regelnden Sachverhalte häufig eine hohe Komplexität und Dynamik aufweisen und, sollen zum Zeitpunkt des Normerlasses nicht im Einzelnen absehbare Sachverhalte erfasst werden, nicht immer auf einfache Begriffe und Reaktionsmuster zu reduzieren sind. Insoweit muss es dem Gesetzgeber gestattet sein, durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe und gegebenenfalls auch generalklauselartiger Ermessenstatbestände zukunftsoffene Regelungen zu schaffen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1988 − 1 BvR 520/83 −, NJW 1989, 666; Schulze-Fielitz in Dreier, GG, 3. Auflage 2015, Band 2, Art. 20 Rn. 133 f.). Es ist dabei grundsätzlich Aufgabe der Gerichte, durch schrittweise Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe und durch Kontrolle der Einhaltung der Ermessensschranken die notwendige Berechenbarkeit des Verwaltungshandelns sicherzustellen.
(2) § 42 Abs. 6 HmbUVollzG wird diesen Vorgaben gerecht und erfüllt damit die Anforderungen an das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot. Zweck, Anlass und Grenzen der mit § 42 Abs. 6 HmbUVollzG möglichen Maßnahmen sind, sofern die Norm der gebotenen Auslegung unterzogen wird, ausreichend deutlich bestimmt. Der Zweck des Gesetzes ist anhand seines Wortlautes erkennbar die Aufrechterhaltung der Sicherheit in der Untersuchungshaftanstalt i.S. von § 4 Abs. 2 HmbUVollzG auf dem Gebiet des Gesundheitsschutzes und der Hygiene.
Der hinreichenden Bestimmtheit steht nicht entgegen, dass die Norm auf der Rechtsfolgenseite keine ausdrückliche Begrenzung auf bestimmte oder eingegrenzte Maßnahmen vornimmt. Die Offenheit ist durch die faktischen Bedürfnisse im Bereich der Gesundheitsfürsorge gerechtfertigt. Gerade die jüngste Entwicklung hat gezeigt, dass im Bereich der Abwehr gesundheitlicher Gefahren häufig kurzfristig neuartige und dynamische Gefahrenlagen auftreten, denen schnell und flexibel begegnet werden muss. Trotz der Offenheit auf der Rechtsfolgenseite ist für die Normanwender auch hinreichend erkennbar, dass die möglichen Maßnahmen bis hin zu längeren Einschlüssen reichen. Denn bei ansteckenden Krankheiten erscheinen die Trennung oder Isolierung Gefangener als sich geradezu aufdrängende Mittel der Infektionsprophylaxe. Ihr Einsatz ist deswegen bereits schon im Zweck der Norm erkennbar angelegt. Die mit den entsprechenden Maßnahmen einhergehenden schwerwiegenden Grundrechtseingriffe stehen der Offenheit auf der Rechtsfolgenseite ebenfalls nicht entgegen. Für hinreichende Grenzen und Meßbarkeit der Anordnungen der Anstaltsleitung wird tatbestandlich durch die Einschränkung auf notwendige bzw. erforderliche Maßnahmen gesorgt. Auf der Rechtsfolgenebene tritt insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hinzu (Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drucks. 22/22972, S. 4; Junck a.a.O., § 42 Rn. 19a).
bb) Die Voraussetzungen der Norm lagen im Zeitpunkt der Anordnung der angefochtenen Maßnahme ebenso wie in der Folgezeit vor.
(1) Die Anordnung des Anstaltsleiters erfolgte formell rechtmäßig.
(a) Dessen Zuständigkeit ergibt sich aus den §§ 3 Abs. 1 S. 1, 90 Abs. 2 HmbUVollzG, wonach regelhaft der Leiter der Justizvollzugsanstalt, in der die Untersuchungshaft vollzogen wird, die die Ausgestaltung des Untersuchungshaftvollzuges betreffenden Entscheidungen trifft (Junck, a.a.O., § 3 Rn. 1).
(b) Das Fehlen einer schriftlichen Begründung der Anordnung führt nicht zur formellen Rechtswidrigkeit der Maßnahme. § 42 Abs. 6 HmbUVollzG verlangt weder Schriftform noch Begründung. Ob eine Regelung nach § 42 Abs. 6 HmbUVollzG unter das in § 4 Abs. 3 HmbUVollzG bestimmte Erläuterungsgebot fällt, kann dahinstehen. Denn jedenfalls statuiert § 4 Abs. 3 HmbUVollzG keine formelle Begründungspflicht im verwaltungsverfahrensrechtlichen Sinn, wie sie etwa § 39 VwVfG vorsieht. Die Vorschrift soll allein der Transparenz und Nachvollziehbarkeit der vollzuglichen Maßnahmen für die Gefangenen dienen. Dementsprechend führt das Unterlassen einer Erläuterung auch nicht dazu, dass eine Vollzugsmaßnahme aufgrund eines formellen Mangels fehlerhaft wäre (Junck, a.a.O., § 4 Rn. 20).
(2) Die materiellen Voraussetzungen des § 42 Abs. 6 HmbUVollzG waren gegeben.
Aufgrund der Covid-19-Pandemie bedurfte es spezieller Maßnahmen und Einschränkungen zum Zwecke des Gesundheitsschutzes.
Der gewählte 23-stündige Einschluss ist auch als notwendig bzw. erforderlich anzusehen. Die Erforderlichkeit als Tatbestandsmerkmal ist alleine an dem Zweck des Gesundheitsschutzes ausgerichtet; andere zu berücksichtigende Interessen sind an dieser Stelle nicht von Relevanz, sondern fließen erst in die spätere Abwägung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ein. Die Erforderlichkeit einzelner Maßnahmen liegt deswegen bereits dann vor, wenn kein milderes bzw. weniger eingriffsintensives Mittel zur Verfügung steht, das dem Gesundheitsschutz zu dienen ebenso geeignet ist. Hieran gemessen ist im vorliegenden Fall von der Notwendigkeit der getroffenen Maßnahmen auszugehen. Jedes mildere Mittel hätte zu einem größeren Bewegungsspielraum der Gefangenen geführt, hätte die Ansteckungsgefahr damit erhöht und wäre dementsprechend nicht gleich geeignet zur Gefahrenabwehr gewesen.
b) Dennoch war die verfahrensgegenständliche Anordnung rechtswidrig. Die UHA hat das ihr durch § 42 Abs. 6 HmbUV eingeräumte Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt.
aa) Für die Frage der Rechtmäßigkeit einer Ermessensentscheidung kommt es maßgeblich darauf an, ob die Entscheidung auf sachgerechten Erwägungen beruht (BVerwG, Urt. v. 29.10.1992 7 C 34/91 NJW 1993, 609, 610). Ein Ermessensfehler liegt insbesondere im Falle eines Ermessensfehlgebrauchs vor (vgl. hierzu Kamann/Spaniol in Feest/Lesting, StVollzG, 6. Aufl. 2012, § 115, Rn. 42 ff.; KG Berlin, Beschluss vom 03. Dezember 2002 5 Ws 507/02 Vollz , juris). Von einem solchen ist auszugehen, wenn die behördliche Entscheidung nicht den im Gesetz oder den in der Rechtsordnung insgesamt zum Ausdruck gebrachten Zwecksetzungen und Zweckvorgaben entspricht (Schwarz in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Auflage 2021, § 114 VwGO, Rn. 46). Dabei sind nicht nur der einfachrechtliche Zweck zu berücksichtigen, sondern auch gerade verfassungsrechtliche Wertentscheidungen wie insbesondere Grundrechte (vgl. Schwarz a.a.O.; Riese in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 41. EL Juli 2021, § 114 VwGO Rn. 65 f.). Ein Ermessensfehlgebrauch in der Variante des Ermessensdefizits liegt hierbei vor, wenn die Behörde nicht alle für die Entscheidung relevanten Gesichtspunkte gebührend berücksichtigt hat (Schwarz a.a.O. § 114 Rn. 46 f.; vgl. auch Riese a.a.O. Rn. 66). Dabei kommt den Grundrechten der durch die Maßnahme beeinträchtigten Personen eine zentrale Bedeutung zu. Trägt die Behörde diesen nicht hinreichend Rechnung oder verkennt sie die Interessengewichtung, so wird sie der Bedeutung des Grundrechts nicht gerecht (BVerwGE 91, 135, 140). Ein Ermessensdefizit liegt ferner auch dann vor, wenn die Behörde nicht alle relevanten Tatsachen umfassend ermittelt hat und insoweit gar nicht in der Lage war, alle maßgeblichen Gesichtspunkte bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen (Schwarz, in: Fehling/Kastner/Störmer, 5. Aufl. 2021, § 114 Rn. 48).
bb) Nach dieser Maßgabe hat die UHA das ihr in § 42 Abs. 6 HmbUVollzG eingeräumte Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt.
(1) Im Rahmen der ihr eingeräumten Ermessensspielräume hat die Justizvollzugsanstalt die Grundrechte und Bedürfnisse der Gefangenen, insbesondere nach Interaktion mit Mitgefangenen, und die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der Justizvollzugsanstalt zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen (vgl. OLG Naumburg, Beschl. v. 29.08.2019 1 Ws (s) 269/19 juris, Rn. 16; OLG Celle, Beschluss vom 03. März 1981 − 3 Ws 410/80−, NStZ 1981, 238). Bei der Anwendung der Vorschriften des Untersuchungshaftrechts hat sie dabei stets der besonderen Stellung Untersuchungsgefangener und dem Umstand Rechnung zu tragen, dass ein Untersuchungsgefangener noch nicht rechtskräftig verurteilt ist und deshalb lediglich unvermeidlichen Beschränkungen unterworfen werden darf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Januar 2008 2 BvR 1229/07 , juris; BVerfG, Beschluss vom 6. April 1976 2 BvR 61/76 , NJW 1976, 1311; Beschluss vom 31. August 1993 2 BvR 1479/93 , NStZ 1994, 52; Beschluss vom 30.Oktober 2014 2 BvR 1513/14 , NStZ-RR 2015, 79, 80). Untersuchungsgefangene sind gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 HmbUVollzG so zu behandeln, dass der Anschein vermieden wird, sie würden zur Verbüßung einer Strafe festgehalten. Vor diesem Hintergrund erlangen die Grundrechte der Gefangenen ein erhöhtes Gewicht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28.10.2012 2 BvR 737/11 BVerfGK 20, 107, 113). Als Konsequenz hieraus hat die Justizvollzugsanstalt u.a. den in § 5 Abs. 1 S. 1 HmbUVollzG zum Ausdruck gebrachten Angleichungsgrundsatz zu beachten und möglichst darauf hinzuwirken, dass Untersuchungsgefangene eine angemessene Zeit des Tages außerhalb ihrer Hafträume verbringen können (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.10.2012 2 BvR 736/11 BVerfGK 20, 93, 101).
(2) Den vorgenannten Anforderungen hat die UHA nicht genügt. Die einschlägigen Rechte und Interessen der Gefangenen haben bei ihrer Entscheidung keine ausreichende Berücksichtigung gefunden.
(a) Insoweit kann dahinstehen, auf welchen Zeitpunkt es bei der Prüfung der Ermessensentscheidung ankommt und ob und inwieweit die UHA im gerichtlichen Verfahren Gründe nachschieben kann.
(b) Denn jedenfalls genügen die Erwägungen der UHA auch unter Berücksichtigung der erst im Laufe des gerichtlichen Verfahrens geäußerten Überlegungen nicht den Anforderungen an eine fehlerfreie und vollständige Ermessensentscheidung.
Der gebotenen Berücksichtigung des Bedürfnisses der Gefangenen an Interaktion und internen Freiräumen kam im vorliegenden Fall besonderes Gewicht zu. Die Auswirkungen der Anordnung für die Gefangenen ähnelten einer Einzelhaft, die als besondere Sicherungsmaßnahme in § 54 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 3 HmbUVollzG spezifisch geregelt ist und einen schweren Eingriff in Grundrechte bewirkt (vgl. BVerfGK 20, 93, 103).
Die deswegen gebotene hinreichende Abwägung mit den Interessen der Gefangenen hat ausweislich der von der UHA mitgeteilten Erwägungen nicht stattgefunden. Die Begründung der UHA erschöpft sich auch in den nachgeschobenen Erwägungen in der Rechtfertigung der Maßnahme mit dem Infektionsschutz und der sich aus § 36 Abs. 1 Nr. 6 IfSG ergebenden Pflicht der Behörde zur Festlegung innerbetrieblicher Verfahrensweisen zur Infektionshygiene. Zwar hat die Anstaltsleitung hierzu weiter ausgeführt und erläutert, warum nach ihrer Auffassung mildere Mittel nicht in Betracht kämen. Bezüglich der beeinträchtigten Rechte der Gefangenen hat sie dagegen lediglich pauschal darauf verwiesen, dass diese durch die Anordnung gewahrt seien. Ihre Ausführungen lassen nicht erkennen, dass sie sich in ihrer Abwägung der entgegenstehenden Belange eingehend mit den konkret beeinträchtigten Grundrechten der Betroffenen und deren Gewicht auseinandergesetzt und hierbei insbesondere den Angleichungsgrundsatz und die Sonderstellung von Untersuchungsgefangenen berücksichtigt hat. Stattdessen waren die Überlegungen der UHA einseitig darauf ausgerichtet, dem Infektionsgeschehen entgegenzuwirken. Wenngleich dies im Ansatz richtig und dem Sinne des Gesetzes entsprechend war, hätte die UHA in einem zweiten Schritt vor dem Hintergrund der besonders schwerwiegenden Grundrechtseingriffe erwägen müssen, ob und inwieweit zumindest in Grenzen eine Konkordanz mit den Rechten der Gefangenen möglich und vertretbar gewesen wäre. Die UHA hätte sich hierzu näher verhalten und zusätzlich prüfen müssen, ob alternative Konzepte umsetzbar gewesen wären, die zumindest einen kürzeren und eingeschränkten Kontakt zu anderen Gefangenen ermöglicht hätten und hierbei zu einem derart geringen Restrisiko für Belange des Gesundheitsschutzes geführt hätten, dass die rechtlichen geschützten Interessen der Gefangenen dessen Hinnahme als noch vertretbar und damit gerechtfertigt hätten erscheinen lassen.
Dies wäre, soweit ersichtlich, nach Lage der Dinge jedenfalls für geimpfte und genesene Gefangene wie den Beschwerdeführer nicht ausgeschlossen gewesen. Den Versuch eines Interessenausgleichs hätte die UHA etwa durch die Prüfung der Frage unternehmen können, ob dem Grundbedürfnis an Kommunikation zumindest durch ein Minimum an zusätzlichen Freiräumen hätte entsprochen werden können. Zu denken gewesen wäre an deutlich verkürzte Öffnungszeiten, zu denen jeweils nur wenige Gefangene bei Aufteilung in feste Gruppen die Gelegenheit zu intern freier Bewegung gehabt hätten. Die Pflicht zur Tragung von Masken hätte in diesem verminderten Rahmen eher mit dem zur Verfügung stehenden Personal überwacht werden können; ihre Durchsetzung hätte durch den Verlust der Vergünstigung erfolgen können. Soweit die UHA in diesem Zusammenhang darauf verwiesen hat, dass eine unterschiedliche Behandlung von Gefangenen (Binnendifferenzierung) die Einrichtung einer abgetrennten Station erfordert hätte und dies aufgrund der räumlichen Gegebenheiten nicht möglich gewesen wäre, weil dies dazu geführt hätte, dass Plätze auf dieser Station nicht voll hätten belegt werden können, falls nicht ausreichend geimpfte oder genesene Gefangene vorhanden gewesen wären, erscheinen die Überlegungen aus sich heraus nicht nachvollziehbar. Insbesondere ist nicht erkennbar, warum nicht einzelne Gefangene auf einer sonst (zeitweise) geöffneten Station im Einschluss hätten verbleiben können.
Ob die entsprechenden Überlegungen zu einem Interessenausgleich, wie von der Generalstaatsanwaltschaft vertreten, notwendig zu Ausnahmen von der Einschlussregelung hätten führen müssen, weil letztere andernfalls unverhältnismäßig wäre, kann hier dahinstehen. Ein Ermessensfehler liegt alleine schon darin, dass die UHA das Gewicht der Gefangenenrechte und dementsprechend ihre Bedeutung bei der Ermessensausübung verkannt hat.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 467 Abs. 1 S. 1 StPO, da die Beschwerde in vollem Umfang Erfolg hat (vgl. Maier, in: MüKo-StPO, 1. Aufl. 2019, § 473 Rn. 126).
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