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Entscheidungen

OWi

Vollmachtsvorlage, Zustellung an den Betroffenen, Wirksamkeit

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Brandenburg, Beschl. v. 12.09.2022 – 1 OLG 53 Ss-OWi 399/22

Eigener Leitsatz:

Die Vorschrift des § 145a Abs. 1 StPO ist eine bloße Ordnungsvorschrift und begründet keine Rechtspflicht, Zustellungen für die Betroffene an deren Verteidiger zu bewirken.


In pp.

Der Antrag der Betroffenen auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts gegen den Beschluss des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 23. Mai 2022 wird als unbegründet verworfen.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Die Entscheidung des Senats ist nicht anfechtbar.

Gründe

1. Die Zentrale Bußgeldstelle des Zentraldienstes der Polizei des Landes Brandenburg hat mit Bußgeldbescheid vom 10. Februar 2021 gegen die Betroffene wegen Verstoßes gegen die Wartepflicht an einem Bahnübergang als Führerin eines Kraftfahrzeuges gemäß §§ 24, 25 StVG, §§ 19 Abs. 2, 49 StVO, § 4 BKatV, Ziff. 89b2 BKat ein Bußgeld in Höhe von 240,00 € festgesetzt und ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat unter Einräumung der Gestaltungsmöglichkeit des § 25 Abs. 2a StVG angeordnet, wobei die Tat am 9. Dezember 2020 gegen 16:49 Uhr am Bahnübergang Bahnhofstraße in 14822 Brück begangen worden sein soll.

Mit Schriftsatz vom 24. Februar 2021 hat sich Rechtsanwalt K. aus L. unter Vorlage einer Vollmachtsurkunde vom selben Tag zum Verteidiger bestellt und gegen den Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt.

Das Amtsgericht Brandenburg an der Havel hat durch Urteil vom 4. April 2022 den Einspruch der Betroffenen gegen den vorgenannten Bußgeldbescheid vom 10. Februar 2021 verworfen, da die Betroffene trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt zur Hauptverhandlung nicht erschienen war; auch der geladene Verteidiger war zum Hauptverhandlungstermin nicht erschienen.

Mit Verfügung vom 4. April 2022 hat die Bußgeldrichterin die förmliche Zustellung des Verwerfungsurteils an die Betroffene verfügt, nicht hingegen an den bevollmächtigten Rechtsanwalt.

Das Verwerfungsurteil wurde der Betroffenen am 8. April 2022 zugestellt. Mit dem bei Gericht am 14. April 2022 eingegangenen Schreiben legte die Betroffene gegen das Verwerfungsurteil vom 4. April 2022 „Beschwerde“ ein.

Mit Beschluss vom 23. Mai 2022 verwarf das Amtsgericht Brandenburg an der Havel das gemäß § 300 StPO iVm. § 79 Abs. 3 OWiG als Rechtsbeschwerde ausgelegt Rechtsmittel gemäß § 346 Abs. 1 StPO iVm. § 79 Abs. 3 OWiG als unzulässig, da es nicht gemäß innerhalb der Monatsfrist des § 345 Abs. 1, 2 StPO iVm. § 79 Abs. 3 OWiG in einer von einem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle mit Anträgen versehen und begründet worden sei.

Gegen diesen dem Verteidiger 15. Juni 2022 förmlich und der Betroffenen formlos zugestellten Beschluss hat die Betroffene mit dem am 21. Juni 2022 eingegangenen Schreiben „erneute Beschwerde“ eingelegt.

2. a) Die von der Betroffenen erhobene „Beschwerde“ ist gem. § 300 StPO iVm. § 79 Abs. 3 OWiG als „Antrag auf gerichtliche Entscheidung“ gemäß § 346 Abs. 2 StPO, § 79 Abs. 3 Satz 2 OWiG als der einzig statthafte Rechtsbehelf auszulegen. Dieser ist im Übrigen form- und fristgerecht eingelegt worden.

b) In der Sache hat der Rechtsbehelf jedoch keinen Erfolg.

aa) Die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde beträgt bei einem Abwesenheitsurteil – wie im vorliegenden Fall – gemäß § 341 Abs. 1, 2 iVm. 79 Abs. 3 OWiG eine Woche ab Zustellung der Entscheidung. Dem schließt sich die Begründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO iVm. § 79 Abs. 3 OWiG an, die einen Monat beträgt.

Im vorliegenden Fall wurde das Urteil des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 4. April 2022 der Betroffenen am 8. April 2022 wirksam förmlich zugestellt. Die Zustellungsurkunde weist dies gem. § 1 Brb VwZG iVm. §§ 2, 3 VwZG und § 182 ZPO nach. Sie ist eine öffentliche Urkunde gem. § 415 ZPO, die volle Beweiskraft gem. § 418 ZPO entfaltet. Soweit nach § 415 Abs. 2 ZPO der Nachweis der Unrichtigkeit der durch zu Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen möglich ist, ist ein solcher Nachweis nicht geführt worden. Auch erfolgte die Zustellung auf Anordnung der Gerichtsvorsitzenden (§ 36 Abs. 1 S. 1 StPO iVm. § 71 OWiG). Mithin endete die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde gemäß § 43 Abs. 1, 2 StPO iVm. § 71 OWiG mit Ablauf des 15. April 2022 und die Monatsfrist zur Begründung der Rechtsbeschwerde mit Ablauf des 16. Mai 2022, da der 15. Mai 2022 auf einen Sonntag fiel.

Zwar erfolgte die Einlegung der Rechtsbeschwerde durch die Betroffene am 14. April 2022, fristgerecht, jedoch ist eine Begründung der Rechtsbeschwerde weder frist- noch formgerecht bei Gericht eingegangen. Das am 21. Juni 2022 bei Gericht eingegangene, selbst verfasste Schreiben der Betroffenen erfolgte nicht innerhalb der Begründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO iVm. § 79 Abs. 3 OWiG und auch nicht in der Form des § 345 Abs. 2 StPO iVm. § 79 Abs. 3 OWiG, wonach die Begründung in einer von einem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erfolgen muss. Zweck dieser Zulässigkeitsvoraussetzung für die Rechtsbeschwerde ist, dass die Anträge und die Begründung von sachkundiger Seite stammen und daher gesetzmäßig und sachgerecht sind; die Rechtsbeschwerdegerichte, mithin die Oberlandesgerichte, sollen dadurch vor Überlastung durch unsachgemäßes Vorbringen Rechtsunkundiger bewahrt werden (vgl. BVerfGE 46, 135, 152; BGHSt 25, 272, 273; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 345 Rdnr. 10).

bb) Die förmliche Zustellung des Verwerfungsurteils an die Betroffene ist auch wirksam. Zwar hatte der Verteidiger der Betroffenen bereits im Verwaltungsverfahren eine Vollmachtsurkunde zu den Akten gereicht, so dass er gemäß § 145a Abs. 1 StPO iVm. § 71 OWiG als ermächtigt gilt, Zustellungen im Empfang zu nehmen. Von daher wäre das Bußgeldgericht gehalten gewesen, das Urteil dem Verteidiger zuzustellen und die Betroffene davon formlos zu unterrichten (vgl. § 145a Abs. 3 Satz 1 StPO, Nr. 154 Abs. 1 RiStBV). Die Vorschrift des § 145a Abs. 1 StPO ist jedoch eine bloße Ordnungsvorschrift und begründet keine Rechtspflicht, Zustellungen für die Betroffene an deren Verteidiger zu bewirken (allgemeine Ansicht, statt vieler: vgl. KG, Beschluss vom 27. November 2020, (5) 161 Ss 155/20 (47/20), in: StraFo 2021, 69 ff.; OLG Hamm, Beschluss vom 8. Mai 2007, 4 Ws 210/07). Daher sind auch an die Betroffene vorgenommene Zustellungen wirksam und setzen Rechtsmittelfristen in Gang (vgl. BVerfG NJW 2001, 2532; BGHSt 18, 352, 354; BayObLG VRS 76, 307; OLG Düsseldorf NStZ 1989, 88; OLG Frankfurt StV 1986, 288; OLG Karlsruhe VRS 105, 348; OLG Köln VRS 101, 373; KG a.a.O.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 145a Rn 6). Die Rechtsbeschwerde ist daher unzulässig, weil Rechtsbeschwerdebegründung verfristet und nicht formgerecht eingelegt worden ist. Mithin hat das Amtsgericht das Rechtsmittel zu Recht nach § 346 Abs. 1 StPO iVm. § 79 Abs. 3 OWiG verworfen.

cc) Es besteht auch keine Veranlassung, der Betroffenen von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zwar kann die unterlassene Zustellung der Entscheidung oder das Unterlassen einer entsprechenden Benachrichtigung von der Zustellung an den Betroffenen oder Verteidiger die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründen, wenn die Fristversäumung auf diesem Unterlassen beruht und nicht besondere Umstände vorliegen, die der Betroffenen Anlass geben mussten, für die Einhaltung der Frist auch selbst Sorge zu tragen (vgl. KG a.a.O.), jedoch hatte der Verteidiger spätestens mit der Zustellung des Beschlusses vom 23. Mai 2022, die 15. Juni 2022 erfolgt ist, von dem Verwerfungsurteil vom 4. April 2022 Kenntnis, was wiederum die Wiedereinsetzungsfrist des § 45 Abs. 1 StPO ausgelöst hat, innerhalb der gemäß § 45 Abs. 2 Satz StPO die versäumte Handlung in der gesetzlichen Form nachzuholen gewesen wäre, was nicht geschehen ist.

3. Eine Kostenentscheidung nicht veranlasst, da das Kostenverzeichnis dafür keine Gebühr vorsieht und Auslagen nicht entstehen (vgl. OLG Koblenz VRS 68, 51; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 346 Rdnr. 12 m.w.N.).
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4. Die Entscheidung ergeht letztinstanzlich und ist nicht anfechtbar.


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