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Entscheidungen

Sonstiges

Ablehnung, dienstliche Äußerung, Mindestinhalt, Nichtäußerung, Willkür

Gericht / Entscheidungsdatum: BFH, Beschl. v. 28.09.2022 - X B 168/21

Eigener Leitsatz:

1. Wenn die nach § 44 Abs. 3 ZPO erforderliche dienstliche Äußerung zu einem Ablehnungsgesuch sich auf den Satz «Ich fühle mich nicht befangen» beschränkt, steht dies einer Nichtäußerung gleich. Der Vertretersenat muss den abgelehnten Richter in einem solchen Fall auffordern, seiner Pflicht aus § 44 Abs. 3 ZPO in ordnungsmäßiger Weise nachzukommen.
2. Nach Ergehen einer abschließenden Entscheidung im Hauptsacheverfahren besteht nur dann ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Ablehnungsantrag, wenn noch weitere Verfahrensabschnitte anstehen, in denen eine Ausübung des Richteramts in Betracht kommt, wie zum Beispiel ein Tatbestandsberichtigungsverfahren.
3. Das Rechtsschutzbedürfnis für einen im Tatbestandsberichtigungsverfahren gestellten Ablehnungsantrag fehlt, wenn der Antragsteller sämtliche Mitglieder des Spruchkörpers ablehnt, weil dann kein Richter für die Durchführung des Berichtigungsverfahrens mehr zur Verfügung stünde.


In pp.

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 23.11.2021 - 12 K 188/21 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betrieb in den Streitjahren 2009 und 2010 ein von ihm im Jahr 1999 eröffnetes Restaurant. Er bot Speisen und Getränke sowohl im Restaurant als auch über verschiedene Lieferdienste an. Seinen Gewinn ermittelte er durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung.

Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Nachschau sowie eine Außen- und Fahndungsprüfung, die jeweils die Veranlagungszeiträume 2009 bis 2014 betrafen, nahm der Beklagte und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) erhebliche Hinzuschätzungen zu den vom Kläger erklärten Erlösen vor. Während des anschließenden Klageverfahrens 12 K 93/18 kam es zu einer --auf die nunmehrigen Streitjahre 2009 und 2010 beschränkten-- tatsächlichen Verständigung zwischen den Beteiligten. Am 10.03.2020 erließ das FA entsprechende Änderungsbescheide. Anschließend erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache für erledigt. Mit Beschluss vom 21.03.2020 trennte das Finanzgericht (FG) das Verfahren hinsichtlich der Streitjahre 2009 und 2010 ab und entschied über die Kosten dieses Verfahrens.

Hinsichtlich der Veranlagungszeiträume 2011 bis 2014 führte das FG das Klageverfahren fort und erhob Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens hinsichtlich der vom Kläger genutzten Registrierkasse. Am 27.01.2021 legte der Sachverständige sein schriftliches Gutachten vor, das dem Kläger am 08.02.2021 übersandt wurde.

Ferner erteilte das FG den Beteiligten des Verfahrens 12 K 93/18 am 24.03.2021 einen rechtlichen Hinweis hinsichtlich einer Rechnung der Fa. B vom 15.12.2010. Insoweit hatte das FA den Betriebsausgaben- und Vorsteuerabzug versagt, weil es wegen Nichtexistenz der B eine Scheinrechnung angenommen hatte. Die Beteiligten hatten bisher angenommen, der Kläger habe diese Rechnung erst im Jahr 2011 bezahlt, so dass der Streit über ihre Eigenschaft als Scheinrechnung im --nicht von der tatsächlichen Verständigung umfassten-- Verfahren gegen die Steuerbescheide für 2011 auszutragen sei. Das FG wies nunmehr darauf hin, dass die Rechnung ausweislich einer vom Kläger ausgestellten Quittung bereits am 16.10.2010 bezahlt worden sei, so dass sie schon aus diesem Grund nicht im Veranlagungszeitraum 2011 zu berücksichtigen sei.

Am 25.03.2021 focht der Kläger die für die Streitjahre 2009 und 2010 geschlossene tatsächliche Verständigung in einem an das FA gerichteten Schreiben "aus allen denkbaren Gründen" an und berief sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage. Das FA habe ausweislich dessen Schriftsatzes vom "22.03.2021" (gemeint wohl: 18.03.2021) von der Existenz des --im Sachverständigengutachten untersuchten-- Grand-Total-Speichers der Registrierkasse gewusst. Wäre dieses Wissen dem Kläger offengelegt worden, hätte er auf dem Auslesen des Speichers bestanden. Dies hätte belegt, dass eine Erlöshinzuschätzung in der mit der tatsächlichen Verständigung bestätigten Höhe "unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt" möglich gewesen wäre. Damit sei die tatsächliche Verständigung gegenstandslos; die Bescheide für die Streitjahre 2009 und 2010 seien nach § 173 der Abgabenordnung (AO) zu ändern.

Am 13.04.2021 fand die mündliche Verhandlung im Verfahren 12 K 93/18 (betreffend die Veranlagungszeiträume 2011 bis 2014) statt, in der der Sachverständige sein Gutachten umfangreich erläuterte und ergänzte. Mit Schreiben vom 19.04.2021 begründete der Kläger die von ihm erklärte Anfechtung der tatsächlichen Verständigung für die Streitjahre 2009 und 2010 ergänzend dahingehend, die Verständigung sei Folge einer arglistigen Täuschung durch die Außen- bzw. Fahndungsprüfer. Hinsichtlich der Rechnung der B seien die für das Jahr 2010 ergangenen Bescheide zudem "nach § 174 AO" zu ändern.

Nach Ablehnung der Änderungsanträge durch das FA präzisierte der Kläger seine Anfechtungserklärung im Einspruchsverfahren dahingehend, dass es sich hinsichtlich der Rechnung der B um eine Anfechtung wegen Irrtums über das Jahr der steuerlichen Auswirkung handele und hinsichtlich der Höhe der Hinzuschätzung um eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung.

Der Einspruch und die anschließend erhobene Verpflichtungsklage auf Änderung der für die Streitjahre 2009 und 2010 ergangenen Bescheide blieben ohne Erfolg. Das FG führte aus, einer Änderung stehe bereits der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegen. Anzuwenden sei die vierjährige Festsetzungsfrist, da keine Anhaltspunkte für eine Steuerhinterziehung gegeben seien. Auf --hier vom Kläger behauptete-- Täuschungen durch das FA sei die Zehn-Jahres-Frist des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO nicht analog anzuwenden, weil es an einer Regelungslücke fehle. Der Ablauf der Festsetzungsfrist sei infolge der Außenprüfung zunächst bis zur Unanfechtbarkeit der aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide gehemmt gewesen (§ 171 Abs. 4 AO), ebenso bis zur unanfechtbaren Entscheidung über die gegen diese Bescheide eingelegten Rechtsbehelfe (§ 171 Abs. 3a AO). Die für 2009 und 2010 infolge der tatsächlichen Verständigung ergangenen Änderungsbescheide vom 10.03.2020 seien mit Ablauf der Einspruchsfrist am 14.04.2020 unanfechtbar geworden, so dass zu diesem Zeitpunkt Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Hinsichtlich der Rechnung der B seien die Voraussetzungen des § 174 Abs. 1, 3 oder 4 AO jeweils nicht erfüllt.

Die tatsächliche Verständigung sei bindend. In Bezug auf eine Irrtumsanfechtung sei bereits die Anfechtungsfrist des § 121 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) nicht eingehalten worden. Danach müsse die Anfechtung unverzüglich nach Kenntnis vom Anfechtungsgrund erklärt werden; hierfür gelte im Allgemeinen eine Zwei-Wochen-Frist, die vom Kläger nicht gewahrt worden sei. Im Übrigen fehle es auch an einem durchgreifenden Anfechtungsgrund, da der Kläger sich nicht über die Bedeutung oder Tragweite seiner hinsichtlich der tatsächlichen Verständigung abgegebenen Erklärung geirrt habe, sondern einem unbeachtlichen Motivirrtum unterlegen sei.

Auch eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung sei ausgeschlossen. Der Kläger behaupte zwar, das FA habe ihn darüber getäuscht, dass er Kassenmanipulationen vorgenommen habe. Jedoch könne der Kläger, der als einziger die Kasse bedient habe, nicht darüber getäuscht worden sein, ob er die Kasse manipuliert habe, da er dies aus eigener Wahrnehmung wisse. Zudem erfordere § 123 Abs. 1 BGB eine Täuschung über Tatsachen; bloße Werturteile, Rechtsauffassungen oder Meinungsäußerungen seien hingegen nicht ausreichend. Hier habe das FA jedoch lediglich eine Meinungsäußerung abgegeben bzw. eine Verhandlungsposition geäußert. Darüber hinaus seien die Außen- und Fahndungsprüfer, denen der Kläger die Täuschung vorwerfe, nicht an der tatsächlichen Verständigung beteiligt gewesen; Anhaltspunkte dafür, dass die besonderen Voraussetzungen des § 123 Abs. 2 BGB für eine Anfechtbarkeit in Fällen der Täuschung durch Dritte erfüllt seien, bestünden nicht.

Der Kläger begehrt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und Verfahrensmängeln.

Das FA tritt der Beschwerde entgegen.

Gründe

II.

Die Beschwerde ist unbegründet.

Keiner der vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe ist tatsächlich gegeben.

1. Als Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) rügt der Kläger zunächst, seine Prozessgrundrechte aus Art. 101, 103 des Grundgesetzes seien dadurch verletzt worden, dass er während der mündlichen Verhandlung am 23.11.2021, auf dem Höhepunkt der "Delta-Welle" der Covid-19-Pandemie, nach Ablehnung seiner Anträge, den Termin zu verlegen oder im Wege der Videokonferenz durchzuführen, gezwungen worden sei, sich mit dem Vorsitzenden des FG-Senats, bei dem es sich um einen "Impf- und Testskeptiker" ohne Maske handele, über längere Zeit in einem Raum aufzuhalten.

Diese Rüge bleibt im Ergebnis ohne Erfolg. Denn der Kläger setzt sich nicht damit auseinander, dass aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung hervorgeht, sämtliche Mitglieder des FG-Senats hätten erklärt, die Voraussetzungen der "3G-Regelung" zu erfüllen. Damit war eine neue Sachlage eingetreten. Die vom Kläger mit seiner Verfahrensrüge beanstandeten Äußerungen und Verhaltensweisen des Senatsvorsitzenden im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie betrafen sämtlich Vorgänge im Vorfeld der mündlichen Verhandlung.

2. Als Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs beanstandet der Kläger, das FG habe sein Vorbringen zur arglistigen Täuschung fehlerhaft dahingehend wiedergegeben, dass er behauptet habe, Gegenstand der Täuschung durch das FA sei die Vornahme von Kassenmanipulationen durch den Kläger gewesen. Tatsächlich habe der Kläger jedoch vorgetragen, die Betriebs- und Fahndungsprüfer hätten über den Umstand, dass die Kasse einen nicht löschbaren Speicher habe, dieser ausgelesen werden könne und die erklärten Umsätze den gespeicherten entsprochen hätten, getäuscht.

a) Daran ist richtig, dass der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs --in Gestalt der sogenannten Beachtungspflicht-- auch dann verletzt ist, wenn das FG Äußerungen eines Verfahrensbeteiligten zu entscheidungserheblichen Fragen nicht zur Kenntnis nimmt bzw. bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung zieht (näher s. Senatsbeschluss vom 13.08.2020 - X B 26/20, BFH/NV 2021, 201, Rz 19, m.w.N.).

Entgegen der Darstellung des FG in den Gründen des angefochtenen Urteils hatte der Kläger tatsächlich nicht behauptet, das FA habe ihn hinsichtlich der Vornahme von Kassenmanipulationen getäuscht. Vielmehr hatte der Kläger diverse andere Tatsachen als Gegenstand der --nach seiner Auffassung-- arglistig täuschenden Erklärungen von Bediensteten der Finanzverwaltung bezeichnet.

b) Einem Erfolg der Verfahrensrüge steht jedoch entgegen, dass das FG sein Urteil hinsichtlich des von ihm verneinten Durchgreifens der vom Kläger erklärten Anfechtung wegen arglistiger Täuschung auf gleich drei jeweils selbständig tragende Gründe gestützt hat. Die Verfahrensrüge betrifft lediglich den Begründungsstrang, wonach der Kläger --was tatsächlich nicht zutrifft-- behauptet habe, das FA habe ihn darüber getäuscht, dass er Kassenmanipulationen vorgenommen habe.

Daneben enthält das angefochtene Urteil an dieser Stelle jedoch zwei weitere Begründungsstränge. So hat das FG zum einen ausgeführt, § 123 Abs. 1 BGB erfordere eine Täuschung über Tatsachen; bloße Werturteile, Rechtsauffassungen oder Meinungsäußerungen seien hingegen nicht ausreichend. Hier habe das FA lediglich eine Meinungsäußerung abgegeben bzw. eine Verhandlungsposition geäußert. Eine weitere selbständig tragende Begründung liegt in der --wenn auch äußerst knappen und nicht näher ausgeführten-- Formulierung, es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die besonderen Voraussetzungen des § 123 Abs. 2 BGB für eine Anfechtbarkeit in Fällen der Täuschung durch Dritte erfüllt seien.

Zu diesen beiden Begründungssträngen enthält die Beschwerdebegründung keine Ausführungen, so dass die Entscheidungserheblichkeit eines etwaigen Verfahrensfehlers des FG hinsichtlich des ersten Begründungsstrangs nicht dargelegt worden ist.

3. Die Rüge, das FG sei fehlerhaft besetzt gewesen, weil der in der Klageschrift gestellte Ablehnungsantrag gegen den Vorsitzenden des FG-Senats von der Vorinstanz nicht nur rechtswidrig, sondern willkürlich zurückgewiesen worden sei, greift ebenfalls nicht durch.

a) Der Kläger hatte seinen Ablehnungsantrag zum einen darauf gestützt, dass der Vorsitzende in der mündlichen Verhandlung im Parallelverfahren wegen der Veranlagungszeiträume 2011 bis 2014 erklärt habe, er glaube dem Kläger nicht, keine Umsatzlöschungen vorgenommen zu haben. Zum anderen habe der Vorsitzende in jener mündlichen Verhandlung erklärt, dass aus seiner Sicht das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht überraschend gewesen sei und daher kein Raum für die vom Kläger beantragte Gewährung einer Schriftsatzfrist sei.

Dieser Ablehnungsantrag ist vom FG --ohne Mitwirkung des abgelehnten Senatsvorsitzenden-- hinsichtlich des erstgenannten Ablehnungsgrundes mit der Begründung zurückgewiesen worden, die vom Kläger behauptete Äußerung sei zum einen weder dem Sitzungsprotokoll zu entnehmen noch den --sowohl an der damaligen mündlichen Verhandlung als auch an der Entscheidung über den Ablehnungsantrag mitwirkenden-- beisitzenden Richterinnen erinnerlich. Jedenfalls würde es sich um die zulässige Kundgabe der vorläufigen Einschätzung des Vorsitzenden zum Verfahrensausgang handeln.

Hinsichtlich des zweiten Ablehnungsgrundes hätten der Vorsitzende und das Gericht andere Tatsachen als der Kläger für entscheidungserheblich gehalten. Aus einzelnen Verfahrenshandlungen eines Richters --hier: der verweigerten Schriftsatzfrist-- könne grundsätzlich keine Besorgnis der Befangenheit abgeleitet werden. Im Übrigen habe es sich bei der Ablehnung der Schriftsatzfrist um eine Kollegialentscheidung des Senats gehandelt, so dass sich aufgrund des Beratungsgeheimnisses nicht feststellen lasse, inwieweit sie überhaupt auf der persönlichen Auffassung des abgelehnten Senatsvorsitzenden beruhe.

b) Diese Ausführungen im Beschluss des FG über die Zurückweisung des Ablehnungsantrags --mit denen der Kläger sich nicht im Detail auseinandersetzt-- lassen keine Willkür erkennen. Sie erweisen sich vielmehr als zumindest vertretbar.

Soweit der Kläger in der Beschwerdebegründung anführt, auch aus dem angegriffenen Urteil gehe die Befangenheit des abgelehnten Senatsvorsitzenden hervor, da er sich gegen den klaren Wortlaut des Vorbringens des Klägers einen Tatbestand "geschnitzt" habe, der es erlaubt habe, sich nicht mit den Täuschungen des FA auseinandersetzen zu müssen, brauchte und konnte sich das FG im --zeitlich deutlich vorgelagerten-- Beschluss über das Ablehnungsgesuch hiermit nicht auseinanderzusetzen.

Welche entscheidungserheblichen ergänzenden Begründungserwägungen mit der Bezugnahme des Klägers auf Blatt 12 bis 27 seiner im Verfahren X B 56/21 eingereichten Beschwerdebegründung verbunden sein sollen, wird nicht deutlich. Prüfungsgegenstand der hier zu beurteilenden Verfahrensrüge ist allein die Frage, ob die Bescheidung der in der Klageschrift vom 30.08.2021 vorgebrachten Ablehnungsgründe durch den FG-Beschluss vom 14.10.2021 willkürlich war. Hierauf konnte die bereits am 28.06.2021 eingereichte Beschwerdebegründung im Verfahren X B 56/21 schon aufgrund des zeitlichen Ablaufs nicht eingehen.

c) Im Ausgangspunkt zu Recht rügt der Kläger allerdings, die dienstliche Erklärung des abgelehnten Senatsvorsitzenden, die nur aus dem Satz "Ich fühle mich nicht befangen" besteht, sei unzureichend.

aa) Eine solche Bekundung ist zum einen überflüssig (Zöller/Vollkommer, ZPO, 34. Aufl., § 44 Rz 9), weil Maßstab für die Beurteilung, ob eine Besorgnis der Befangenheit vorliegt, nicht die eigene subjektive Einschätzung des abgelehnten Richters ist, sondern der Standpunkt eines Verfahrensbeteiligten, der eine objektive, vernünftige Würdigung aller Umstände vornimmt (Senatsbeschluss vom 12.09.2013 - X S 30, 31/13, BFH/NV 2014, 51, Rz 5). Zum anderen wird eine auf die eigene subjektive Einschätzung beschränkte Erklärung des abgelehnten Richters dem Normzweck des § 44 Abs. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) nicht gerecht, eine Stellungnahme des abgelehnten Richters zu Tatsachenbehauptungen, die im Ablehnungsantrag aufgestellt worden sind, zu erhalten.

Die vorliegend vom abgelehnten Richter erstellte dienstliche Erklärung kommt daher --wie der Bundesfinanzhof (BFH) bereits entschieden hat-- ihrem Inhalt nach einer Nichtäußerung gleich; die zwingende gesetzliche Vorgabe des § 44 Abs. 3 ZPO wird damit nicht erfüllt (BFH-Beschluss vom 29.03.1995 - II B 36/94, BFH/NV 1996, 45, unter II.4.a). Der Vertretersenat hätte den Vorsitzenden daher vor seiner Entscheidung über das Ablehnungsgesuch auffordern müssen, seiner Pflicht aus § 44 Abs. 3 ZPO in ordnungsmäßiger Weise nachzukommen, zumal der Kläger den Mangel der dienstlichen Äußerung rechtzeitig und zutreffend gerügt hatte.

bb) Das Fehlen einer ordnungsmäßigen dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters macht die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch im Streitfall aber nicht willkürlich.

(1) Zwar ist in einzelnen Entscheidungen eine dienstliche Äußerung, in der sich der abgelehnte Richter mit keinem Wort zu dem Tatsachenvortrag im Ablehnungsantrag äußert, als zusätzliches Indiz für das Vorliegen einer Besorgnis der Befangenheit angesehen worden (vgl. z.B. Oberlandesgericht Oldenburg, Beschluss vom 07.10.1991 - 3 WF 106/91, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht --FamRZ-- 1992, 192, unter 1.d).

(2) Vorliegend war dem FG aber auch ohne die dienstliche Äußerung eine willkürfreie Entscheidung über das Ablehnungsgesuch möglich.

Zwar konnte das Gericht aufgrund der fehlenden Äußerung des abgelehnten Senatsvorsitzenden zu der Behauptung des Klägers, der Vorsitzende habe in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass er dem Kläger nicht glaube, nicht feststellen, ob diese Äußerung tatsächlich so gefallen war. Das FG ist aber im zweiten Begründungsstrang seiner Entscheidung über diesen Gesichtspunkt des Ablehnungsgesuchs davon ausgegangen, dass der Vorsitzende die Äußerung getätigt hat, und hat sie --jedenfalls willkürfrei-- als zulässige Kundgabe einer vorläufigen Einschätzung gewertet.

Hinsichtlich der zweiten mit dem Ablehnungsantrag gerügten Äußerung des Vorsitzenden --der Erklärung zum Ergebnis der Beweisaufnahme und der Ablehnung der beantragten Schriftsatzfrist-- waren die mit dem Ablehnungsantrag vorgetragenen Tatsachen ohnehin unstreitig. Eine ordnungsmäßige dienstliche Äußerung hätte hier daher --ungeachtet dessen, dass der abgelehnte Richter gemäß § 44 Abs. 3 ZPO sowohl prozessual als auch dienstrechtlich zu ihrer Abgabe verpflichtet blieb-- zu keinem anderen Ergebnis der Entscheidung über den Ablehnungsantrag führen können, so dass diese jedenfalls willkürfrei ist.

d) Hinsichtlich der Behandlung des mit dem Tatbestandsberichtigungsantrag gestellten Ablehnungsantrags ist die Verfahrensweise des FG --anders als der Kläger meint-- nicht zu beanstanden.

aa) Der Kläger hatte mit seinem nach Zustellung des finanzgerichtlichen Urteils angebrachten Tatbestandsberichtigungsantrag sinngemäß alle an der Entscheidungsfassung mitwirkenden Berufsrichter des FG-Senats wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das FG verwarf den Ablehnungsantrag unter Mitwirkung der abgelehnten Richter wegen des Fehlens eines Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig. Die Instanz sei beendet; ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter wäre die angestrebte Tatbestandsberichtigung nicht möglich. Hierfür berief es sich u.a. auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 11.07.2007 - IV ZB 38/06 (FamRZ 2007, 1734). Anschließend lehnte es mit Beschluss vom 21.12.2021 den Tatbestandsberichtigungsantrag ab.

bb) Diese Handhabung war unter den besonderen Umständen des Streitfalls zutreffend. Zwar ergibt sich aus dem vom FG zitierten BGH-Beschluss in FamRZ 2007, 1734 (Rz 7), dass die Vorschriften über die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit grundsätzlich für alle Verfahrensabschnitte anzuwenden sind, in denen eine Ausübung des Richteramts in Betracht kommt, mithin auch für das Tatbestandsberichtigungsverfahren (ebenso bereits das BGH-Urteil vom 03.10.1962 - V ZR 212/60, Neue Juristische Wochenschrift 1963, 46, unter I.).

In der Ausnahmekonstellation, dass der Antragsteller sämtliche an der vorangegangenen Entscheidung beteiligte Richter ablehnt, hat der BGH jedoch das Rechtsschutzbedürfnis für die Richterablehnung verneint, da die angestrebte Tatbestandsberichtigung nicht möglich wäre, wenn kein Richter für die Durchführung des Berichtigungsverfahrens zur Verfügung stünde. Eine solche Situation wäre auch im Streitfall eingetreten, wenn der Ablehnungsantrag Erfolg gehabt hätte.

4. Die Gehörsrüge hinsichtlich der vermeintlichen Nichtberücksichtigung von Vorbringen des Klägers im Rahmen der Irrtumsanfechtung hinsichtlich der Rechnung der B ist bereits nicht in schlüssiger Weise vorgetragen.

Der Kläger behauptet nunmehr, das FG habe erst in der mündlichen Verhandlung am 13.04.2021 auf den Zeitpunkt der Zahlung der Rechnung der B hingewiesen; die am 19.04.2021 erklärte Irrtumsanfechtung sei daher noch unverzüglich i.S. des § 121 BGB gewesen.

Tatsächlich hatte das FG auf diesen Sachverhalt jedoch bereits mit Schreiben vom 24.03.2021 hingewiesen, wie es im angefochtenen Urteil zutreffend festgestellt hat. Der Kläger geht daher im Rahmen seiner Gehörsrüge von einem falschen Sachverhalt aus.

5. Auch die Voraussetzungen einer Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) sind nicht in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise dargelegt worden.

a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des BFH zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein (Senatsbeschluss vom 12.02.2019 - X B 90/18, BFH/NV 2019, 513, Rz 10, und vom 05.11.2020 - X B 50/20, BFH/NV 2021, 290, Rz 7).

Die Darlegung dieses Zulassungsgrundes setzt voraus, dass der Beschwerdeführer zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellt. Dafür ist erforderlich, dass er die entscheidungserhebliche Rechtsfrage hinreichend konkretisiert; nicht ausreichend ist eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Des Weiteren muss die Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen darlegen, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. Dazu muss ausgeführt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchem Grunde die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist (vgl. zum Ganzen Senatsbeschluss vom 24.06.2014 - X B 216/13, BFH/NV 2014, 1888, Rz 12, m.w.N.).

b) Diese Anforderungen werden von der Beschwerdebegründung nicht erfüllt. Sie leidet in Bezug auf die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache insgesamt daran, dass zu keiner der vom Kläger aufgeworfenen zahlreichen Rechtsfragen die insoweit etwa bereits vorhandene Rechtsprechung und Literatur ausgewertet wird. Die Begründung bewegt sich daher nicht --was erforderlich gewesen wäre-- auf der Grundsatzebene, sondern ausschließlich auf der Einzelfallebene.

Sollte es --was dem Senat denkbar erscheint-- zu einigen der vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen keine Äußerungen in Rechtsprechung und Literatur geben, wäre auch dies in der Beschwerdebegründung festzustellen gewesen. Dies hätte vom Kläger erst recht zum Anlass genommen werden müssen, zu begründen, ob eine Rechtsfrage, die sich bisher niemandem gestellt hat, überhaupt grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Gesetzes haben kann.

6. Dem am 02.03.2022 gestellten Antrag des Klägers auf Verbindung des vorliegenden Verfahrens mit dem Verfahren X B 56/21 war nicht nachzukommen. Im Verfahren X B 56/21 ist bereits mit Beschluss vom 17.02.2022 --also vor Stellung des Verbindungsantrags-- die Revision zugelassen worden. Außerdem geht es in den beiden Verfahren um jeweils unterschiedliche Rechtsfragen.

7. Auch der Antrag des Klägers auf Beiziehung der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft zu den vom Kläger gegen den Außen- und Fahndungsprüfer gestellten Strafanzeigen war abzulehnen. Diese Akten haben dem FG nicht vorgelegen. Eine eigene Sachverhaltsermittlung durch das Rechtsmittelgericht ist --abgesehen von Tatsachen, die die Sachentscheidungsvoraussetzungen betreffen-- ausgeschlossen.

8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

9. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.


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