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Entscheidungen

Haftfragen

gemeinsame Haft, Jugendlicher, Erwachsener. Trennungsgebot, U-Haft

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Oldenburg, Beschl. v. 29.11.2022 - 6 Qs 60/22

Eigener Leitsatz:

Zur Rechtswidrigkeit der Unterbringung eines jugendlichen U-Haft-Gefangenen zusammen mit Erwachsenen.


Landgericht Oldenburg

Beschluss

6 Qs 60/22

In der Beschwerdesache pp.

Verteidiger:

wegen gefährlicher Körperverletzung

hier Beschwerde gegen Beschluss des Amtsgerichts Cloppenburg vom 12.10.2022 hat das Landgericht - 1. Große Jugendkammer - Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht, den Richter und den Richter am Landgericht am 29.11.2022 beschlossen:

1. Es wird festgestellt, dass der Transport des Beschwerdeführers und seine Inhaftierung in ständiger Umgebung von erwachsenen Inhaftierten im Zeitraum bis zum 05.09.2022 rechtswidrig waren.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Beschwerdeführer insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe:

I.

Die Staatsanwaltschaft Oldenburg hat den Beschwerdeführer sowie die Mitangeklagten pp. mit Anklageschrift vom 21.07.2022 wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung vor dem Amtsgericht Cloppenburg —Jugendschöffengericht- angeklagt.

Sie wirft den Angeklagten vor, dass diese am 12.07.2022 gegen 22:20 Uhr im Stadtpark in Cloppenburg aufgrund eines gemeinsamen Tatplans den Zeugen pp. zunächst provoziert und später körperlich angegriffen haben. Der Angeklagte pp. soll dem Zeugen einen Faustschlag in das Gesicht, auf die Nase versetzt haben. Als der Angegriffene und der Mitangeklagte pp. dann zu Boden gingen, soll der Beschwerdeführer und der weitere Angeklagte mit Faustschlägen und Fußtritten auf den pp. gemeinschaftlich eingewirkt haben. Dieser soll stark geblutet und einen Nasenbeinbruch sowie zahlreiche Prellungen erlitten haben. Das Amtsgericht Cloppenburg hat am 02.08.2022 einen Haftbefehl gegen den Beschwerdeführer wegen Flucht- und Wiederholungsgefahr erlassen. Wegen des Inhalts wird auf diesen Bezug genommen (vgl. BI. 40f. Bd. I d.A.).

Der Beschwerdeführer wurde am 10.08.2022 in Cloppenburg festgenommen. Ihm wurde am 11.08.2022 durch das Amtsgericht Cloppenburg der Haftbefehl verkündet.

Auf Antrag des Beschwerdeführers fand am 29.08.2022 eine mündliche Haftprüfung vor dem Amtsgericht Cloppenburg statt, die am 01.09.2022 fortgesetzt wurde. Im Rahmen des Haftprüfungstermins hat das Amtsgericht Cloppenburg entschieden, dass der Haftbefehl aus den vor-bestehenden Gründen seines Erlasses aufrechterhalten bleibe. Wegen des Inhalts wird auf den Beschluss vom 01.09.2022 Bezug genommen (vgl. BI. 187 Bd. I d.A.).

Mit Beschluss vom 01.09.2022 (BI. 198f. Bd. I d.A.) hat das Amtsgericht Cloppenburg zudem die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft zugelassen und das Hauptverfahren vor dem Jugendschöffengericht eröffnet.

Nach Verkündung des Haftbefehls wurde der 16-jährige Beschwerdeführer von der JVA Vechta über das Hafttransportsystem mit Zwischenhalt in Hannover in die JA Hameln verbracht. Auf diesem Transport fand die gemeinsame Unterbringung mit erwachsenen Insassen statt.

Mit Verfügung vom 22.08.2022 (BI. 107 Bd. I d.A.) verfügte das Amtsgericht Cloppenburg durch die zuständige Richterin am Amtsgericht, den 16-jährigen Beschwerdeführer zum Haftprüfungs-termin am 29.08.2022 vorzuführen. Mit Verfügung vom 29.08.2022 wurde eine weitere Vorführung zur Fortsetzung des Haftprüfungstermins am 01.09.2022 angeordnet.

Zur Durchführung der Haftprüfungstermine wurde der Beschwerdeführer von der JA Hameln per Sammeltransport über die JVA Vechta dem AG Cloppenburg zugeführt. Während des Transportes und der Unterbringung fand eine gemeinsame Unterbringung des Beschwerdeführers auch mit erwachsenen Gefangenen statt.

Mit Schreiben vom 01.09.2022 legte der Verteidiger des Angeklagten Beschwerde gegen den Haftfortdauerbeschluss ein. Das Amtsgericht Cloppenburg half der Beschwerde mit Beschluss vom 05.09.2022 nicht ab, die Staatsanwaltschaft ist gehört worden. Mit Beschluss vom 04.10.2022 wies das Landgericht Oldenburg unter dem Aktenzeichen 6 Qs 48/22 die Beschwerde zurück. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den Inhalt dieses Beschlusses Bezug genommen.

Der Beschwerdeführer begehrte mit anwaltlichem Schreiben vom 05.09.2022 (BI. 8ff. Bd. II d.A.) u.a. die Feststellung, dass seine Inhaftierung und sein Transport in ständiger Umgebung von erwachsenen Inhaftierten im Zeitraum von Inhaftierung bis zum 05.09.2022 rechtswidrig waren. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die weiteren Ausführungen (BI. 8ff. Bd. II d.A.) verwiesen.

Das Amtsgericht Cloppenburg hat mit Beschluss vom 12.10.2022 (BI. 102 Bd. II d.A.) die Anträge des Beschwerdeführers auf Feststellung der Rechtswidrigkeit als unbegründet zurückgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den Inhalt des Beschlusses Bezug genommen. Hiergegen hat der Beschwerdeführer mit Schreiben seines Verteidigers vom 27.10.2022 (BI.146 R Bd. II d.A.) Beschwerde eingelegt. Auf den Inhalt dieses Schreibens wird verwiesen.

Mit Schreiben vom 28.10.2022 (BI. 124 Bd. I Beschwerdeband) äußerte sich die JVA Vechta insbesondere zum Trennungsgrundsatz. Auf den Inhalt dieses Schreibens wird Bezug genommen.

Am 03.11.2022 (BI. 159 Bd. II d.A.) erklärte die zuständige Richterin am Amtsgericht Cloppenburg gegenüber der JVA Vechta, dass sie einer Ausnahme vom Trennungsgrundsatz für den Beschwerdeführer im Hinblick auf den gemeinsamen Aufschluss und die Freistunde mit anderen erwachsenen Untersuchungsgefangenen zustimme. Darüber hinaus übersandte die JVA am 03.11.2022 (BI. 167 Bd. II d.A.) auch eine Zustimmungserklärung des Beschwerdeführers, dass dieser u.a. für den gemeinsamen Aufschluss einer Abweichung des Trennungsgrundsatzes zustimme.

Mit Beschluss vom 03.11.2022 (BI. 204 Bd. II d.A.) hat das Amtsgericht Cloppenburg der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die gemäß § 167 NJVolIzG i.V.m. mit § 304 StPO zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Cloppenburg vom 12.10.2022 (BI. 102 Bd. II d.A.) ist begründet. Das für die Zulässigkeit eines Feststellungsantrags erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse liegt vor. Der Beschwerdeführer befindet sich weiterhin in Untersuchungshaft, sodass im Falle einer erneuten Vorführung über die JVA Vechta eine mögliche Wiederholung des Verstoßes gegen den Trennungsgrundsatz droht.

Die gemeinsame Unterbringung mit erwachsenen Insassen ohne gerichtliche Zustimmung war rechtswidrig.

Die Ausgestaltung des Untersuchungshaftvollzugs für junge Gefangene ist in Niedersachsen im NJVoIIzG insbesondere in den §§ 157 ff. geregelt.

Gemäß § 170 Abs. 2 NJVollzG sind für die einzelnen Vollzugsarten (Freiheitsstrafe, Jugend-strafe, Untersuchungshaft an jungen Gefangenen und Untersuchungshaft an sonstigen Untersuchungsgefangenen), für den Vollzug an Frauen und Männern sowie für den Vollzug der Freiheitsstrafe an jungen Verurteilten jeweils gesonderte Anstalten oder Abteilungen einzurichten. Gemäß § 171 Abs. 2 S.1 NJVollzG sind die einzelnen Vollzugsarten jeweils in den dafür bestimmten gesonderten Anstalten oder Abteilungen zu vollziehen.

Der Vollzug einer Vollzugsart kann jedoch gemäß § 171 Abs. 2 S. 3 NJVollzG unter bestimmten Voraussetzungen in einer für eine andere Vollzugsart bestimmten Anstalt oder Abteilung erfolgen. Dies ist insbesondere dann möglich, wenn es dringende Gründe der Vollzugsorganisation erfordern oder eine Zustimmung des Gefangenen vorliegt. Jedenfalls ist jedoch im Falle einer Abweichung vom Trennungsgrundsatz im Falle der Untersuchungshaft auch die Zustimmung des zuständigen Gerichts nach § 171 Abs. 2 S. 4 NJVollzG einzuholen.

Eine solche vorher erforderliche Zustimmung wurde erst mit Schreiben vom 03.11.2022 erteilt, sodass bereits aus formellen Gründen, die vorherige Aufhebung des Trennungsgrundsatzes rechtswidrig war.

Darüber hinaus sind auch der vorliegenden Stellungnahme der JVA Vechta keine dringenden Gründe der Vollzugsorganisation zu entnehmen, welche eine Abweichung vom Grundsatz des Trennungsgrundsatzes rechtfertigten.

Da es bereits gemäß den obigen Ausführungen an der im Vorhinein erklärten gerichtlichen Zustimmung zur Abweichung vom Trennungsgrundsatz mangelt, konnte davon abgesehen werden, eine weitere Stellungnahme der JA Hameln zur fehlenden Trennung auf dem Sammeltransport einzuholen, da auch für diesen eine vorherige Zustimmung des zuständigen Gerichts erforderlich gewesen wäre.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 467 Abs. 1 StPO analog.


Einsender: RA J. Sürig, Bremen

Anmerkung:


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