Gericht / Entscheidungsdatum: OVG Hamburg, Beschl. v. 02.11.2022 - 5 Bf 184/21.Z
Leitsatz des Gerichts:
1. Zur Anrechnung der Corona-Sonderzahlung auf die Unterhaltsbeihilfe eines hamburgischen Rechtsreferendars.
2. Die Corona-Sonderzahlung ist als Gegenleistung im Sinne des § 3 Abs 1 S 2 RRefUBV HA anzusehen.
In pp.
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 11. Mai 2021 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 750,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Anrechnung der sog. Corona-Sonderzahlung auf seine Unterhaltsbeihilfe.
Der Kläger befand sich seit dem 2. Juni 2020 als Rechtsreferendar bei der Beklagten in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis und erhielt hierfür eine monatliche Unterhaltsbeihilfe. Neben dem Referendariat arbeitete er unter anderem für eine Anwaltskanzlei als juristischer Mitarbeiter. Für diese Tätigkeit erhielt er seit Juni 2020 ein Bruttogehalt in Höhe von 700,- Euro und zusätzlich hierzu im Juli 2020 eine einmalige Sonderzahlung in Höhe von 1.500,- Euro (im Folgenden: Corona-Sonderzahlung). Mit Schreiben der geschäftsführenden Gesellschafter der Anwaltskanzlei vom 14. Juli 2020 wurde ihm mitgeteilt, dass es sich bei der Zahlung um eine steuerfreie Unterstützung zur Abmilderung der zusätzlichen Belastung durch die Corona-Krise gemäß den Voraussetzungen des BMF-Schreibens vom 9. April 2020 handele.
Die Beklagte rechnete die Corona-Sonderzahlung auf die Unterhaltsbeihilfe in der nach § 3 der Verordnung über die Unterhaltsbeihilfe für Rechtsreferendare vom 30. Juli 2002 (HmbGVBl. S. 216, zuletzt geändert am 25.11.2019, HmbGVBl. S. 399, UnterhaltsbeihilfeVO) vorgegebenen Weise an. Das hiergegen vom Kläger durchgeführte Widerspruchsverfahren blieb erfolglos.
Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 11. Mai 2021 im schriftlichen Verfahren zurückgewiesen. Die dem Kläger im Juli 2020 ausgezahlte Corona-Sonderzahlung stelle eine Vergütung für eine Nebentätigkeit i.S.d. § 3 Abs. 1 UnterhaltsbeihilfeVO dar. Die Vorschrift sei weit auszulegen und umfasse in Bezug auf nichtselbstständige Tätigkeiten alle Leistungen, die vom Nebentätigkeits-Arbeitgeber an den Referendar in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer geleistet würden. Entscheidend sei nicht, ob die Leistung in einem strengen Synallagma zu den vom Referendar erbrachten Arbeitsleistungen stehe, sondern ob sie in einer Verbindung zum Arbeitsverhältnis im Allgemeinen stehe. Nicht entscheidend sei die steuerrechtliche Einordnung der Leistungen.
Hiergegen wendet der Kläger sich mit seinem am 7. Juni 2021 erhobenen und unter dem 5. Juli 2021 begründeten Antrag auf Zulassung der Berufung.
II.
Der zulässige Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Aus den Darlegungen des Klägers im Zulassungsantrag, auf die die Prüfung im Zulassungsverfahren grundsätzlich beschränkt ist (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO), ergeben sich weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (hierzu unter 1.) noch eine Abweichung des Urteils von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (hierzu unter 2.). Auch der vom Kläger im Ansatz allerdings zutreffend geltend gemachte Verfahrensfehler gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO führt nicht zur Zulassung der Berufung (hierzu unter 3.).
1. Aus der Antragsbegründung ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind regelmäßig dann begründet, wenn gegen dessen Richtigkeit angesichts der Begründung des Zulassungsantrags nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen, wovon etwa auszugehen ist, wenn durch die Begründung des Zulassungsantrags ein einzelner tragender Rechtssatz, eine konkrete Subsumtion oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 22.7.2020, 1 BvR 561/19, NVwZ 2020, 1661, juris Rn. 16; Beschl. v. 23.6.2000, 1 BvR 830/00, NVwZ 2000, 1163, juris Rn. 15; BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004, 7 AV 4/03, Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 33, juris Rn. 9 f.; Seibert in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 206). So liegt es hier nicht.
a) Der Kläger macht geltend (S. 4 ff. der Antragsbegründung, unter II. 1.), dass das Verwaltungsgericht bei der Auslegung der Vorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 1 UnterhaltsbeihilfeVO die Wortlautgrenze überschritten habe.
Unter einer Gegenleistung verstehe man eine Leistung, die als Ausgleich für eine erbrachte oder erwartete Leistung erwartet werde. Von dem Begriff der Gegenleistung nicht erfasst seien damit Vorteile, die der Referendar nicht als Kompensation für die von ihm erbrachte Arbeitsleistung erhalte. Die zusätzliche Klarstellung, dass eine Vergütung im Sinne der Verordnung auch vorliegen könne, wenn kein Rechtsanspruch auf sie bestehe, knüpfe an den Begriff der Gegenleistung an und setze das Vorliegen einer solchen voraus. Der Zusatz solle den Begriff der Gegenleistung nicht aushebeln oder relativieren, sondern ihn lediglich näher bestimmen. Als Vergütung im Verordnungssinne sei daher nicht nur derjenige Vorteil anzusehen, welchen der Nebentätigkeits-Arbeitgeber rechtlich aus dem Arbeitsverhältnis zu leisten verpflichtet sei. Auch freiwillig erbrachte Vorteile, auf die kein Rechtsanspruch bestehe, seien dann Vergütung im Verordnungssinne, wenn sie der Kompensation der von dem Referendar erbrachten Arbeitsleistung dienten. Nicht als Vergütung anzusehen seien solche Vorteile, die der Arbeitgeber zwar im Rahmen des bestehenden Arbeitsverhältnisses, nicht aber als Gegenleistung gewähre, d.h. Vorteile, die nicht als Kompensation für die konkrete Arbeitsleistung dienten. Diese Auslegung ergebe sich unmittelbar aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 2 UnterhaltsbeihilfeVO. Bei der Auslegung einer Vorschrift sei die Wortlautgrenze zu beachten, diese dürfe nicht überschritten werden, da es sich anderenfalls um Rechtsfortbildung handeln würde, die eigenen Regeln folge und an zusätzliche Zulässigkeitsvoraussetzungen gebunden sei. Das Verwaltungsgericht habe aus dem Umstand, dass das Bestehen eines Rechtsanspruchs auf die Leistung unerheblich für die Anrechnung sei, nicht nur geschlossen, dass keine synallagmatische Verknüpfung vorliegen müsse, sondern weiter auch, dass es für die Anrechnung ausreichen solle, wenn der erlangte Vorteil irgendwie in einer Verbindung zum Arbeitsverhältnis im Allgemeinen steht. Diese Auslegung überschreite die Wortlautgrenze. Denn wenn bereits eine beliebige Verbindung des Vorteils mit dem Arbeitsverhältnis ausreiche, werde der Sinngehalt des in der Vorschrift verwendeten Begriffs der Gegenleistung vollständig entleert und der Begriff im Wege der Auslegung aus der Vorschrift entfernt.
Hiermit vermag der Kläger die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht in Zweifel zu ziehen.
Zwar findet die Auslegung einer Norm dort ihre Grenzen, wo sie zu dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28.7.2015, 2 BvR 2558/14, 2 BvR 2573/14, NJW 2015, 2949, juris Rn. 46 m.w.N.; BVerwG, Urt. v. 27.3.2014, 2 C/13, NVwZ-RR 2014, 689, juris Rn. 15 m.w.N.). Das Berufungsgericht vermag indes nicht zu erkennen, dass das durch das Verwaltungsgericht für richtig befundene Auslegungsergebnis sich in Widerspruch setzen würde zu dem Wortlaut von § 3 Abs. 1 der UnterhaltsbeihilfeVO.
Richtig ist zwar, dass der Begriff der Gegenleistung in § 3 Abs. 1 Satz 2 UnterhaltsbeihilfeVO, isoliert betrachtet, eine synallagmatische Verknüpfung der Leistung mit der durch den Referendar im Rahmen der Nebentätigkeit erbrachten Arbeitsleistung nahelegt. Allerdings spricht, worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat, die Klarstellung des § 3 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 UnterhaltsbeihilfeVO, wonach die Vergütung jede Gegenleistung in Geld oder geldwerten Vorteile umfasst, auch wenn kein Rechtsanspruch auf sie besteht, auch aus Sicht des Berufungsgerichts für eine weite Auslegung des Begriffs der Vergütung bzw. der Gegenleistung und gegen die Annahme eines strengen synallagmatischen Verhältnisses im Sinne eines do ut des. Denn mit dem Zusatz, dass auf die Gegenleistung kein Rechtsanspruch bestehen muss, dürfte der Verordnungsgeber gerade bezweckt haben, auch solche Leistungen und geldwerten Vorteile des Arbeitgebers von der Anrechnungsregel zu erfassen, zu denen dieser sich vertraglich nicht verpflichtet hat, die aber gleichwohl in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis stehen und damit im weiteren Sinne eine Gegenleistung für die geleistete Arbeit darstellen. Entgegen der Rechtsansicht des Klägers dürfte der Zusatz den Begriff der Gegenleistung auch nicht aushebeln, ihn aber doch relativieren wollen. Denn eine bloße nähere Bestimmung des Begriffs der Gegenleistung, wie der Kläger meint, liegt hierin nicht; dies wird schon durch die Verwendung der Subjunktion auch wenn deutlich, mit der ein Konzessivsatz eingeleitet wird, d.h. ein Umstand (hier das Nichtbestehen eines Rechtsanspruchs) benannt wird, der nicht die eigentlich zu erwartende Folge (Nichtannahme des Vorliegens einer Gegenleistung) verursacht. Hierin liegt eine Relativierung bzw. Erweiterung des Begriffs der Gegenleistung. Für diese weite begriffliche Auslegung spricht auch, dass nach § 3 Abs. 1 Satz 2 UnterhaltsbeihilfeVO jede (...) geldwerten Vorteile, auch wenn kein Rechtsanspruch auf sie besteht vom Vergütungsbegriff nach § 3 Abs. 1 Satz 1 UnterhaltsbeihilfeVO umfasst sein sollen. Hier fehlt der Begriff der Gegenleistung bzw. der synallagmatischen Verknüpfung. Es sollen vielmehr sämtliche geldwerten Vorteile, die dem Referendar im Zusammenhang mit seiner Nebentätigkeit zugutekommen, erfasst werden.
Der Wortlaut der Vorschrift spricht damit auch aus Sicht des Berufungsgerichts nicht gegen das vom Verwaltungsgericht maßgeblich aus teleologischen Erwägungen hergeleitete [vgl. zu den diesbezüglichen Einwendungen des Klägers sogleich unter 1.b)] weite Begriffsverständnis, unter das die streitgegenständliche Corona-Sonderzahlung ohne weiteres zu subsumieren ist. Denn es handelt sich bei ihr um eine Geldleistung des Nebentätigkeits-Arbeitgebers, die dem Kläger in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer und damit im o.g. weiten Sinne als Gegenleistung für seine im Rahmen der Nebentätigkeit geleistete Arbeit gezahlt worden ist.
Bei dem vom Kläger für richtig gehaltenen engen Begriffsverständnis bliebe überdies unklar, welche Leistungen des Nebentätigkeits-Arbeitgebers, zu denen dieser sich vertraglich gegenüber dem Referendar nicht verpflichtet hat, noch vom Vergütungsbegriff umfasst wären. Bei den vom Kläger benannten Vorteile(n), die nicht als Kompensation für die konkrete Arbeitsleistung dienen, dürfte es sich gerade um diejenigen handeln, die der Verordnungsgeber mit dem Zusatz des Abs. 1 Satz 2 erfassen wollte. Denn Kompensation für die konkrete Arbeitsleistung im Sinne eines strengen Synallagmas dürften grundsätzlich nur diejenigen Leistungen sein, zu denen sich der Arbeitgeber vertraglich verpflichtet hat, auf die also ein Rechtsanspruch besteht. Sollten aber nur diese Leistungen vom Vergütungsbegriff umfasst sein, hätte es des Zusatzes in § 3 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung nicht bedurft bzw. wäre dieser sinnentleert.
b) Der Kläger macht weiter geltend (S. 6 ff. der Antragsbegründung, unter II.2.), dass die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur teleologischen Auslegung der Vorschrift nicht zu überzeugen vermöchten und überdies von der Rechtsprechung des Berufungsgerichts abwichen.
Den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zufolge solle es entscheidend darauf ankommen, ob die Höhe der Leistungen zu einem die Ausbildungsziele gefährdenden Verpflichtungsgefühl führen könne. Danach würde es allein darauf ankommen, ob durch den gewährten Vorteil die Leistungen insgesamt erhöht würden. Bei einer solch pauschalierenden Betrachtung bleibe ausgeblendet, ob durch den Vorteil tatsächlich Anreize dafür gesetzt würden, die Ausbildungsziele im Rahmen des Referendariats zu vernachlässigen. Dies werde aber nur dann anzunehmen sein, wenn die von dem Nebentätigkeits-Arbeitgeber ausgelobten Vorteile in absehbarer und naheliegender Weise eine Anreizstruktur etablierten, die den Referendar dazu verleite, mehr Zeit in das Nebentätigkeits-Arbeitsverhältnis zu investieren, als es dies ohne die Gewährung der Vorteile täte. Es müsse sich um Vorteile handeln, die der Referendar nur auf Kosten spürbarer Eingriffe in sein Zeitbudget realisieren könne. Es bestehe kein Erfahrungsgesetz dahingehend, dass allein die Höhe der Vergütung maßgeblich für die Loyalität dem Arbeitgeber gegenüber sei. Entsprechend bestehe kein Erfahrungssatz dahingehend, dass jeder zusätzliche geldwerte Vorteil zu einer gefährlichen Erhöhung der empfundenen Loyalität dem Arbeitgeber gegenüber führe. Nicht jeder Loyalitätsgewinn zugunsten des Nebentätigkeits-Arbeitgebers müsse zudem bei dem Referendar spiegelbildlich zu einem die Ausbildungsziele gefährdenden Verpflichtungsgefühl führen. Insofern sei zu berücksichtigen, dass jeder Referendar um die Bedeutung der Noten in den Stationszeugnissen sowie insbesondere der Noten in der 2. juristischen Staatsprüfung für seine späteren Chancen auf dem juristischen Arbeitsmarkt wissen dürfte.
Auch diese Ausführungen vermögen die Annahme des Verwaltungsgerichts, wonach Sinn und Zweck der Vorschrift für ein weites Begriffsverständnis stritten, nicht durchgreifend in Zweifel zu ziehen.
Zum einen könnte mit den vom Kläger angestellten Erwägungen zur Bedeutung der Noten in den Stationszeugnissen sowie insbesondere in der 2. juristischen Staatsprüfung, um die jeder Referendar wisse, streng genommen auf die gesamte Anrechnungsregel nach § 3 UnterhaltsbeihilfeVO verzichtet werden, da aus einer in welcher Höhe auch immer geleisteten Vergütung ohnehin keine Fehlanreize für die Ausbildung herrühren könnten. Dies dürfte aber nicht dem im Verordnungstext klar zum Ausdruck kommenden Willen des Verordnungsgebers entsprechen.
Zum anderen teilt das Berufungsgericht die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass eine hohe Vergütung für die Nebentätigkeit dazu führen kann, dass Referendarinnen und Referendare aufgrund eines gesteigerten Loyalitätsgefühls zu ihrem Nebentätigkeits-Arbeitgeber Zeit und Arbeitskraft in die Nebentätigkeit in einem Maße investieren, das die Erreichung der Ausbildungsziele des Vorbereitungsdienstes gefährdet (vgl. S. 7 UA). Ohne dass es hierfür der vom Kläger benannten spiegelbildlichen Erhöhung des Loyalitätsgefühls bedürfte, dürfte es allgemeiner Lebenserfahrung entsprechen, dass eine höhere Vergütung bzw. jede Gegenleistung in Geld und jeder geldwerte Vorteil, den ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber erhält jedenfalls tendenziell zu einer Erhöhung der Motivation und des Loyalitätsgefühls des Arbeitnehmers und damit zu einer Erhöhung seiner Bereitschaft, das Arbeitsverhältnis einzugehen bzw. fortzusetzen und hierin Zeit und Arbeitskraft zu investieren, führt. Eben dies dürfte mit der Vereinbarung von vergleichsweise hohen Vergütungen, Gehaltserhöhungen bzw. der Zahlung von Leistungsprämien und Lohnzusatzleistungen oder der Gewährung sonstiger geldwerter Vorteile gegenüber Arbeitnehmern bezweckt werden, die es sonst in der Praxis kaum geben würde. Diese Überlegungen gelten auch für die hier in Streit stehende Corona-Sonderzahlung. Auch wenn es sich bei ihr um eine Zahlung handelt, die nicht im strengen Synallagma zu der vom Arbeitnehmer erbrachten Arbeitsleistung steht, ist sie dazu geeignet (und arbeitgeberseits wohl auch dazu bestimmt), dessen Loyalität, Motivation und Leistungsbereitschaft zu steigern. Hieran orientiert sich die Anrechnungsregelung des § 3 Abs. 1 der UnterhaltsbeihilfeVO. Sie hält Referendare zwar nicht von jedweder Nebentätigkeit ab, vermindert aber jenseits des Freibetrages von 510,- Euro die Attraktivität entgeltlicher Nebentätigkeiten (vgl. auch OVG Hamburg, Beschl. v. 4.1.2006, 1 Bf 92/05, juris Rn. 6) und damit den Anreiz, die Ausbildung zugunsten von Nebentätigkeiten zu vernachlässigen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 8.12.2009, 2 B 43/09, juris Rn. 8).
Auch die vom Kläger in diesem Zusammenhang geltend gemachte (S. 8 ff. der Antragsbegründung) Abweichung zu den Ausführungen des Berufungsgerichts im Beschluss vom 4. Januar 2006 (1 Bf 92/05, juris Rn. 6 f.) vermag der Senat nicht zu erkennen. Das Berufungsgericht hat in dem zitierten Beschluss ausgeführt, dass angesichts des Umstandes, dass sonstige Einkünfte, die mit einer Tätigkeit des Referendars nicht verbunden sind, wie z.B. Einkünfte aus Vermögen, sein Zeitbudget in der Regel nicht oder nur geringfügig beanspruchen, es auch dem Sinn und Zweck der Verordnungsermächtigung entspreche, wenn die Verordnung zur Regelung der Unterhaltsbeihilfe für Rechtsreferendare eine Anrechnung derartiger Einkünfte auf den Unterhaltsbeitrag nicht vorsehe, da derartige Einkünfte die Ausbildung und deren Erfolg nicht berührten. Bei dem Erhalt der Corona-Sonderzahlung handelt es sich jedoch nicht um Einkünfte, die wie die vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Einkünften aus Vermögen (a.a.O., juris Rn. 7) mit einer Tätigkeit des Klägers nicht verbunden sind. Vielmehr ist die Tätigkeit des Klägers in der Anwaltskanzlei, wie die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren zutreffend hervorgehoben hat, conditio sine qua non für ihre Zahlung und damit untrennbar mit der Tätigkeit des Klägers in der Anwaltskanzlei verbunden.
c) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils ergeben sich auch nicht daraus, weil das Verwaltungsgericht, wie der Kläger weiter rügt (S. 9 ff. der Antragsbegründung, unter II.3.), ohne weitere Prüfung von der formellen Rechtmäßigkeit der UnterhaltsbeihilfeVO ausgegangen ist, obwohl es an einer Begründung insgesamt und insbesondere an einer Begründung zu § 3 UnterhaltsbeihilfeVO fehlte.
Zwar trifft es zu, dass es an einer Begründung für die streitgegenständliche Verordnung sowohl für ihre Ursprungsfassung als auch für die jeweiligen Änderungsverordnungen fehlt und dass es in der rechtswissenschaftlichen Literatur umstritten ist, ob Rechtsverordnungen einer verfassungsrechtlichen Begründungspflicht unterliegen (vgl. zum Meinungsstand die Nachweise bei Remmert, in Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz-Kommentar, 97. EL 2022, Art. 80 GG, Rn. 131, Fn. 6). Ein solches Erfordernis lässt sich indes weder Art. 80 GG noch Art. 53 der Verfassung der Freien und H. H. vom 6. Juni 1952 (HmbBl I 100-a, zuletzt geändert am 3.11.2020, HmbGVBl. S. 559) noch den möglicherweise sonst in Betracht kommenden Normen des Grundgesetzes (Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 20 Abs. 3 GG) bzw. der hamburgischen Verfassung ausdrücklich entnehmen. Aus Sicht des Berufungsgerichts erscheint es zudem problematisch, aus vergleichsweise abstrakten verfassungsrechtlichen Prinzipien wie dem Rechtsstaatsprinzip konkrete formelle Rechtspflichten bestimmter Adressaten abzuleiten, zumal eine Begründungspflicht hinsichtlich ihrer Dichte, Art und Form sowie möglicher Ausnahmetatbestände weiterer Konturierung bedürfte, was zu Folgefragen führt (vgl. auch Remmert, a.a.O., Art. 80 GG, Rn. 131 m.w.N.). Auch dass bereits Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG dafür sorgt, dass jede Rechtsverordnung jedenfalls einen Begründungssplitter enthält (vgl. die Nachweise bei Remmert, a.a.O.), und die Verordnungsgebung zudem verwaltungsintern diszipliniert und verwaltungsextern transparent und überprüfbar macht (vgl. Bauer, in Dreier, Grundgesetz Kommentar, 3. Aufl. 2015, Art. 80 Rn. 44), spricht aus Sicht des Senats gegen eine darüberhinausgehende, übergreifende verfassungsrechtliche Begründungspflicht für alle Rechtsverordnungen. Soweit das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung eine Obliegenheit des Normgebers (und keine formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung) angenommen hat, Gesetze nachvollziehbar zu begründen (BVerfG, Urt. v. 9.2.2010, 1 BvL 1/09, BVerfGE 125, 175, juris Rn. 171), bezog sich dies auf den parlamentarischen Gesetzgeber und nicht den Verordnungsgeber und zudem auf dessen wertende (nicht aus dem Gesetzestext hervorgehende) Entscheidung, welche Ausgaben er zum Existenzminimum zählen wollte. Allein in diesem Kontext hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass zur Ermöglichung einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle (...) für den Gesetzgeber die Obliegenheit (bestehe), die zur Bestimmung des Existenzminimums im Gesetzgebungsverfahren eingesetzten Methoden und Berechnungsschritte nachvollziehbar offenzulegen (BVerfG, a.a.O., juris Rn. 144). Um einen vergleichbaren Fall handelt es sich vorliegend nicht. Weder steht eine wertende Entscheidung über die Höhe des Existenzminimums im Raum noch ist die vorliegende Verordnung gerade mit Blick auf § 3 nicht aus sich heraus verständlich bzw. einer (verfassungs-)gerichtlichen Kontrolle unzugänglich. Nicht ausgeschlossen ist dadurch selbstverständlich die einfachgesetzliche Statuierung einer verordnungsspezifischen Begründungspflicht (vgl. etwa § 28a Abs. 5 Satz 1 IfSG), für die es in vielen Fällen durchaus gute Gründe geben mag, die aber ebenfalls gegen die Annahme einer bereits aus Verfassungsrecht herzuleitenden Begründungspflicht spricht. Eine solche einfachgesetzliche Begründungspflicht ist für die vorliegend in Rede stehende Vorschrift nicht vorgesehen (vgl. § 37 Abs. 2 Satz 4 HmbJAG).
Überdies legt der Kläger entgegen § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht dar, welche Konsequenzen sich nach seiner Rechtsauffassung aus diesem Verstoß gegen die Begründungspflicht ergeben sollen bzw. inwieweit dies für die Begründung des von ihm geltend gemachten Anspruchs günstig wäre. Da nach seiner Rechtsauffassung die gesamte Verordnung von diesem Mangel betroffen wäre, wäre auch § 1 UnterhaltsbeihilfeVO erfasst, aus dem sich der Anspruch auf Gewährung einer Unterhaltsbeihilfe in der von ihm beanspruchten ungekürzten Höhe erst ergibt. Hierzu führt der Kläger in seiner Antragsbegründung nichts aus.
2. Der Kläger legt mit der Begründung des Zulassungsantrags (vgl. dort unter III.) auch keine die Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO eröffnende Divergenz i.S.v. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO hinreichend dar. Dazu wäre erforderlich gewesen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.8.1997, 7 B 261.97, NJW 1997, 3328, juris Rn. 3, dort zur Revisionszulassung nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), dass er einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts tragenden abstrakten Rechtssatz benennt und einen ebensolchen in der Rechtsprechung eines Divergenzgerichts aufgestellten, dessen Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift bezeichnet, dem das Verwaltungsgericht widersprochen hat. Mit seinen in Bezug genommenen Ausführungen unter B.II.2 des Schriftsatzes vom 5. Juli 2021 (dort S. 7 ff.) benennt der Kläger indes schon keine inhaltlich bestimmten, die verwaltungsgerichtliche Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssätze, die im Widerspruch zu den Ausführungen des Berufungsgerichts in der vom Kläger angegebenen Entscheidung ob hiermit ein abstrakter die Entscheidung tragender Rechtssatz benannt worden ist, dürfte ebenfalls zweifelhaft sein stehen sollen. Zudem ist eine solche Abweichung, wie ausgeführt [vgl. hierzu unter 1.b)], auch nicht zu erkennen.
3. Im Ansatz zutreffend macht der Kläger allerdings einen Verfahrensmangel geltend. Denn das Verwaltungsgericht hat ihm das rechtliche Gehör zum Vortrag der Beklagten in deren Schriftsatz vom 4. Mai 2021 und den diesem Schriftsatz beigefügten Unterlagen zur Entstehungsgeschichte der streitgegenständlichen Vorschrift versagt, § 124 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO. Diese Unterlagen sind dem Kläger aufgrund einer richterlichen Verfügung vom 7. Mai 2021 (an Kl. z.K., Bl. 47 R d.A.) unter dem 10. Mai 2021 postalisch übersandt worden (Bl. 57 R, 65 d.A.). Kenntnis konnte er damit frühestens am 11. Mai 2021 nehmen; an diesem Tag hat das Gericht jedoch bereits sein Urteil im schriftlichen Verfahren gefällt.
Dennoch führt dieser Mangel nicht zur Berufungszulassung. Obwohl dies bei den in § 138 VwGO bezeichneten Verfahrensverstößen grundsätzlich unabhängig von ihrem konkreten Einfluss auf die getroffene Entscheidung anzunehmen ist, führen speziell Gehörsverstöße nicht zwangsläufig zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung bzw. zur Berufungszulassung. Denn hier auftretende Fehler können sich auch nur auf einzelne dem Urteil zugrundeliegende Feststellungen beziehen, die nicht notwendigerweise das Gesamtergebnis in Zweifel ziehen. Eine Berufungszulassung kommt deshalb in diesen Fällen nicht in Frage, wenn der Gehörsverstoß die Richtigkeit des Ergebnisses offensichtlich nicht in Frage stellt (OVG Lüneburg, Beschl. v. 5.9.2007, 7 LA 42/07, juris Rn. 14 m.w.N.). So liegt es hier.
Anders als der Kläger meint, bezieht sich der Gehörsverstoß nicht auf den gesamten Prozessstoff, sondern nur auf den o.g. Schriftsatz der Beklagten und die ihm beigefügten Anlagen. Das Verwaltungsgericht hat sein Urteil jedoch ersichtlich weder auf den in diesem Schriftsatz enthaltenen Vortrag der Beklagten, mit dem diese zum Hintergrund der streitgegenständlichen Anrechnungsregel ausgeführt hat, noch auf die mit diesem Schriftsatz übersandten Unterlagen aus dem Gesetzgebungsverfahren betreffend die streitgegenständliche Verordnung gestützt. Soweit es in den Entscheidungsgründen darauf abgehoben hat, dass eine hohe Vergütung für die Nebentätigkeit dazu führen könne, dass Referendarinnen und Referendare aufgrund eines gesteigerten Loyalitätsgefühls zu ihrem Nebentätigkeits-Arbeitgeber Zeit und Arbeitskraft in die Nebentätigkeit in einem Maße investierten, das die Erreichung der Ausbildungsziele des Vorbereitungsdienstes gefährdete, und hierfür neben einer Entscheidung des Berufungsgerichts die erst mit o.g. Schriftsatz durch die Beklagte übermittelte Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft vom 15. Juli 2014 (Drs. 20/12437) zitiert hat (S. 7 UA), kommt diesem Zitat keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Denn es handelt sich maßgeblich um eigene Erwägungen des Verwaltungsgerichts zum Sinn und Zweck der Anrechnungsregelung, was sich auch daran zeigt, dass die Ausführungen des Verwaltungsgerichts über die in der zitierten Drucksache erwähnten Erwägungen hinausgehen, wo es lediglich heißt (Bü-Drs. 20/12437, S. 3): Hierdurch wird der Anreiz überschaubar gehalten, den Ausbildungszweck zugunsten des Zuverdiensts in den Hintergrund treten zu lassen..
Im Übrigen trägt der Kläger auch nicht vor, was er nach Kenntnisnahme von den eingereichten Unterlagen bzw. dem Schriftsatz der Beklagten Entscheidungserhebliches vorgetragen hätte, das zu einer für ihn sachlich günstigeren Entscheidung hätte führen können (vgl. zu diesem Erfordernis: BVerwG, Beschl. v. 5.12.2019, 2 B 11.19, juris Rn. 20, VGH München, Beschl. v. 2.8.2022, 8 ZB 21.2339, juris Rn. 53 m.w.N.; Neumann/Korbmacher, in Sodan/Ziekow, VwGO. 5. Aufl. 2018, § 138 Rn. 127, 129 m.w.N.). Dass, wie der Kläger vorträgt, nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine weitere schriftsätzliche Stellungnahme seinerseits den Prozess der richterlichen Überzeugungsbildung maßgeblich beeinflusst und zu einem anderen Urteilstenor geführt hätte, reicht hierzu nicht aus, da, wie ausgeführt, der Gehörsverstoß nicht den gesamten Prozessstoff erfasst.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren beruht auf §§ 47, 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
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