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Entscheidungen

StPO

Verwendung des sog. Z-Symbols, Strafbarkeit, Zuständigkeit, Bedeutung des Falles

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamburg, Beschl. v. 31.01.2023 – 5 Ws 5-6/23

Leitsatz des Gerichts:

1. Die Frage, ob sich eine auf Symbole zurückgreifende Äußerung als "Billigung einer Straftat“ i.S.d. § 140 Nr. 2 StGB darstellt (hier: Verwendung des "Z“-Symbols als Billigung des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine), ist keine der höchstrichterlichen Klärung zugängliche und damit ggf. die "besondere Bedeutung des Falles“ i.S.d. § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GVG begründende Rechtsfrage, sondern eine Frage der tatrichterlichen Würdigung im Einzelfall, bei der sowohl der jeweilige Äußerungskontext als auch etwaige weitere, innerhalb der Äußerung liegende Umstände in den Blick zu nehmen sind.
2. Die in § 140 Nr. 2 StGB vorausgesetzte Eignung der billigenden Äußerung zur Störung des öffentlichen Friedens liegt in Fällen, in denen die gebilligte Katalogtat im Ausland begangen wurde, nicht nur dann vor, wenn die billigende Äußerung geeignet ist, die allgemeine Bereitschaft zur Begehung ähnlicher Delikte im Inland zu fördern ("kriminogene Inlandswirkung“); jedenfalls bei Katalogtaten, die ein kollektives und supranationales Rechtsgut schützen (hier: Aggressionsverbrechen, § 13 VStGB), kann es ausreichen, wenn die kriminogene Wirkung im Ausland eintritt oder die Billigung der Tat in der Bevölkerung die Besorgnis begründen kann, dass in Zukunft vermehrt mit der Begehung entsprechender Auslandstaten zu rechnen ist (Abgrenzung zu BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2016 - 3 StR 435/16).


In pp.

1. Auf die Beschwerde der Generalstaatsanwaltschaft wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg, Große Strafkammer 29, vom 14.12.2022 hinsichtlich der Ziffern 2 und 3 der Entscheidungsformel aufgehoben.
3. Das Hauptverfahren wird vor einer anderen Großen Strafkammer des Landgerichts Hamburg eröffnet.
2. Der Haftbefehl des Amtsgerichts Hamburg vom 3.8.2022 in der Fassung vom 31.8.2022 wird nach Maßgabe eines separaten Beschlusses vom heutigen Tage ergänzt und neugefasst.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Hamburg – Ermittlungsrichter – erließ am 3.8.2022 Haftbefehl gegen den Angeklagten zu 1), mit dem ihm zehn Fälle der öffentlichen Billigung von Straftaten (§ 140 Nr. 2 StGB) vorgeworfen wurden. Danach bestehe der dringende Verdacht, dass der Angeklagte zu 1) in zehn Postings in sozialen Medien das „Z“-Symbol verwendet und dadurch, wie sich aus dem jeweiligen Kontext ergebe, eine rechtswidrige Tat in Gestalt des Angriffskriegs der Russischen Föderation gegen die Ukraine (§ 13 VStGB) befürwortet habe. Der Angeklagte zu 1) wurde aufgrund dieses Haftbefehls am 4.8.2022 festgenommen und in Untersuchungshaft genommen.

Mit Beschluss vom 31.8.2022 erweiterte das Amtsgericht Hamburg den Haftbefehl dahingehend, dass der Angeklagte zu 1) zusätzlich dringend verdächtig sei, am 4.8.2022 in seiner Wohnung zwei nach dem WaffG verbotene Einhandmesser verwahrt zu haben (§ 52 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 WaffG).

Unter dem 22.9.2022 erhob der Angeklagte zu 1) Haftbeschwerde, mit der er unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Amtsgerichts Bautzen geltend machte, das „Z“-Symbol habe eine vielschichtige Bedeutung und sei infolgedessen nicht eindeutig als Befürwortung des russischen Angriffskriegs zu verstehen. Das Landgericht Hamburg, Große Strafkammer 19, verwarf die Haftbeschwerde mit Beschluss vom 10.10.2022 als unbegründet.

Nach Verbindung mit dem Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten zu 2) erhob die Generalstaatsanwaltschaft am 3.11.2022 Anklage gegen die Angeklagten zu 1) und 2). Gegenstand der Anklage sind die haftbefehlsgegenständlichen Tatvorwürfe gegen den Angeklagten zu 1) einschließlich des Verstoßes gegen das Waffengesetz, sowie 34 weitere als Billigen von Straftaten (§ 140 Nr. 2 StGB) gewertete Fälle der Verwendung des „Z“-Symbols in verschiedenen Kanälen der sozialen Medien. Dem Angeklagten zu 2) wird vorgeworfen, in drei Fällen zu den Taten des Angeklagten Beihilfe geleistet zu haben, indem er dem Angeklagten zu 1) jeweils Grafikdateien zur Verfügung stellte, die das „Z“-Symbol zeigen, damit dieser die Dateien für seine Postings verwenden kann. Zugleich beantragte die Generalstaatsanwaltschaft die Eröffnung des Verfahrens vor der Großen Strafkammer des Landgerichts sowie die Aufrechterhaltung des Haftbefehls nach Maßgabe der Anklageschrift. Die Eröffnung vor der Großen Strafkammer des Landgerichts sei im Hinblick auf die besondere Bedeutung des Falles (§ 24 Nr. 3, 3. Var. i.V.m. § 74 Abs. 1 S. 2 GVG) geboten, weil die Frage, ob die Verwendung des „Z“-Symbols auch ohne einen damit verbundenen ausdrücklichen Hinweis auf den russischen Angriffskrieg als dessen „Billigung“ im Sinne des § 140 Nr. 2 StGB gewertet werden könne, höchstrichterlich ungeklärt sei, so dass es angesichts der Vielzahl ähnlich gelagerter Ermittlungsverfahren zu öffentlichen Verwendungen des „Z“-Symbols ein Bedürfnis nach rascher höchstrichterlicher Klärung gebe.

Mit Beschluss vom 14.12.2022 ließ das Landgericht Hamburg, Große Strafkammer 29, die Anklage zur Hauptverhandlung zu, eröffnete die Hauptverfahren jedoch in Abweichung vom Antrag der Generalstaatsanwaltschaft vor dem Amtsgericht – Strafrichter –, weil die begehrte Klärung der aufgeworfenen Frage keine besondere Bedeutung des Falles i.S.d. § 24 Nr. 3 i.V.m. § 74 Abs. 1 S. 2 GVG begründe; auch die Straferwartung begründe keine Zuständigkeit des Landgerichts. Zugleich hob es den Haftbefehl gegen den Angeklagten zu 1) auf, weil die Fortdauer der Untersuchungshaft mit Blick auf die Rechtsfolgenerwartung nicht mehr verhältnismäßig sei.

Der Angeklagte ist unmittelbar nach Entlassung aus der Untersuchungshaft in dieser Sache erneut verhaftet worden, und zwar auf der Grundlage eines Haftbefehls des Amtsgerichts Tiergarten vom 30.11.2022, mit dem dem Angeklagten zu 1) die gemeinschaftliche Begehung eines räuberischen Diebstahls vorgeworfen wird (Az. 350 Gs 231 Js 906/22 (2540/22), Bl. 450 ff d.A.); danach soll der Angeklagte am 4.12.2021 im Anschluss an das Verbot einer dort geplanten Demonstration der sog. „Querdenker-Bewegung“ einem Journalisten das Mobiltelefon entrissen und sich gegen dessen Versuche zur Wiedererlangung des Mobiltelefons mit körperlichen Angriffen gewehrt haben.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg am 19.12.2022 Beschwerde eingelegt, mit der sie die Eröffnung des Verfahrens beim Landgericht – Große Strafkammer – sowie die Inkraftsetzung des Haftbefehls und dessen Ergänzung nach Maßgabe der Anklage begehrt. Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 12.1.2023 nicht abgeholfen. Die Verteidigung des Angeklagten zu 1) hat beantragt, die Beschwerde aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses zu verwerfen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Generalstaatsanwaltschaft hat in der Sache sowohl hinsichtlich der Haftentscheidung als auch hinsichtlich der Eröffnungsentscheidung Erfolg. Sie führt zur Aufrechterhaltung des amtsgerichtlichen Haftbefehls gegen den Angeklagten zu 1) und zu dessen Ergänzung nach Maßgabe der Anklage (1.), sowie zur Eröffnung des Hauptverfahrens vor einer anderen Großen Strafkammer des Landgerichts (2.).

1. Die Voraussetzungen für den Fortbestand des Haftbefehls und dessen Erweiterung nach Maßgabe der Anklageschrift vom 3.11.2022 liegen vor.

a) Gegen den Angeklagten zu 1) besteht der dringende Verdacht, in 44 Fällen öffentlich und durch Verbreiten von Inhalten sowie in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, eine rechtswidrige Tat i.S.d. § 140 Nr. 2 i.V.m. § 138 Abs. 1 Nr. 5, letzte Alternative StGB gebilligt zu haben, indem er in 44 Fällen im Zusammenhang mit Postings auf verschiedenen Profilen in den sozialen Medien das „Z“-Symbol verwendete, wodurch er – wie durch den jeweiligen Äußerungskontext klar erkennbar ist – jeweils seine Befürwortung des als Aggressionsverbrechen i.S.d. § 13 VStGB zu wertenden Angriffskriegs der russischen Staatsführung auf die Ukraine zum Ausdruck brachte.

aa) Bei dem Straftatbestand des Aggressionsverbrechens (§ 13 VStGB) handelt es sich um eine Katalogtat i.S.d. § 140 i.V.m. § 138 Abs. 1 Nr. 5 StGB. Dieser Tatbestand ist durch die russische Invasion in der Ukraine verwirklicht worden:

(1) Die am 24.2.2022 begonnene und bis heute andauernde, von der russischen Staatsführung offiziell als „Militärische Spezialoperation“ bezeichnete militärische Invasion in die Ukraine stellt sich als Angriffskrieg i.S.d. § 13 Abs. 1 und 3 VStGB dar, denn es handelt sich um eine gegen die Souveränität der Ukraine, ihre territoriale Unversehrtheit und ihre politische Unabhängigkeit gerichtete, mit der Charta der Vereinten Nationen unvereinbare Anwendung von Waffengewalt durch staatliche Militäreinheiten der Russischen Föderation. Gegen die Souveränität und die politische Unabhängigkeit der Ukraine war der Angriff gerichtet, weil es ausweislich der am 24.2.2022 abgegebenen offiziellen Erklärungen des Staatspräsidenten der Russischen Föderation erklärtes Ziel des Einmarschs war, die als „Nazis“ bezeichnete ukrainische Staatsführung zu beseitigen und durch ein der Russischen Föderation wohlgesonnenes Regime zu ersetzen. Zudem richtete sich der Angriff gegen die territoriale Unversehrtheit, weil Staatspräsident Putin der Ukraine in der vorbenannten Erklärung in historisch verbrämter Weise ein eigenes Existenzrecht absprach und im Verlauf der Militäroperation das Ziel verfolgte, die Regionen Cherson, Saporischija, Donjezk und Luhansk zu annektieren bzw. die bereits 2014 erfolgte Annexion der Halbinsel Krim faktisch zu festigen.

(2) Der Angriff stellt sich zudem – wie in § 13 Abs. 1 VStGB weiter vorausgesetzt – als eine nach Art, Umfang und Schwere offenkundige Verletzung des in Art. 2 Abs. 4 UN-Charta normierten Gewaltverbots dar.

Hinsichtlich des Umfangs und der Schwere liegt dies auf der Hand, denn die militärische Intervention erfolgte praktisch mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln der konventionellen Streitkräfte einschließlich der russischen Luftstreitkräfte, der Marine und der schweren Artillerie bis hin zum Einsatz von Langstreckenraketen.

Auch hinsichtlich der Art des Angriffs liegt eine offenkundige Verletzung des Gewaltverbots des Art. 2 Abs. 4 UN-Charta vor. Soweit sich Staatspräsident Putin in seiner Ansprache vom 24.2.2022 zu Rechtfertigungszwecken implizit darauf berufen hat, dass die Russische Föderation von ihrem durch Art. 51 UN-Charta gewährleisteten Selbstverteidigungsrecht Gebrauch mache, liegen dessen Voraussetzungen offenkundig nicht vor. Ein bewaffneter Angriff der Ukraine auf das Staatsgebiet der Russischen Föderation hat vorangehend nicht stattgefunden. Es kann für die vorliegende Entscheidung auch dahinstehen, inwieweit Art. 51 der UN-Charta den Nationen das Recht gibt, angesichts etwaiger Angriffsdrohungen, Aufrüstungsaktivitäten oder Mobilisierungsbestrebungen eines Nachbarstaats einen „präventiven Selbstverteidigungsschlag“ auszuführen. Denn auch eine solche Bedrohungslage war offenkundig nicht gegeben; nicht die Ukraine, sondern die Russische Föderation hatte in den russischen und belarussischen Grenzgebieten zur Ukraine zuvor massiv Truppen und Militärausrüstung zusammengezogen und ein entsprechendes Drohszenario aufgebaut.

Die militärische Invasion war und ist auch nicht etwa deswegen völkerrechtlich gerechtfertigt, weil es sich um eine „humanitäre Intervention“ – etwa zur Rettung russischer Staatsbürger im Donbass – handelte (vgl. MüKo-Farthofer, 4. Aufl., Rn. 30 zu § 13 VStGB; Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht, 5. Aufl., Rn 1581 m.w.N.). Insoweit kann es dahinstehen, ob und ggf. in welchem Umfang es in der Donbass-Region zu Diskriminierungen oder Übergriffen auf russische Staatsbürger gekommen ist. Denn die militärische Intervention geht über das etwaige Ziel eines Schutzes der dort ansässigen eigenen Staatsbürger objektiv und subjektiv weit hinaus, zumal sich die russischen Angriffe auch auf Regionen und Großstädte beziehen, die – wie etwa Charkiw und Kiew – nicht im Donbass liegen und die selbst nach russischer Darstellung nicht zu den Gebieten zählen, in denen es zu Übergriffen auf die russischstämmige Bevölkerung gekommen sein soll. Auch die Annexion weiterer Gebiete insbesondere im Süden der Ukraine sowie das Ziel des Austausches der Ukrainischen Staatsführung gehen offenkundig weit über das vorgebliche Ziel hinaus, die russische Bevölkerungsminderheit vor Übergriffen zu schützen. Dass die die russische Militärintervention nicht durch die Völkermordkonvention gerechtfertigt ist, hat der IGH in einer Eilentscheidung vom 16.3.2022 festgestellt (vgl. Order vom 16.3.2022, Ukraine vs. Russian Federation, General List No. 182).

(3) Nach der sog. „Führungsklausel“ des § 13 Abs. 4 VStGB ist tauglicher Täter oder Teilnehmer eines Aggressionsverbrechens nur, wer tatsächlich in der Lage ist, das politische oder militärische Handeln zu kontrollieren oder zu lenken. Diese Voraussetzungen treffen jedenfalls auf den Staatspräsidenten der Russischen Föderation Wladimir Putin zu; ob daneben weitere Personen, etwa aus der russischen Militärführung, als mögliche Täter in Betracht kommen (vgl. dazu Coracini, ZIStW 2022, 651 (653 f.)), kann für die vorliegende Entscheidung dahinstehen.

Die vorstehende rechtliche Bewertung des russischen Einmarschs in die Ukraine als Verwirklichung des Aggressionsverbrechens i.S.d. § 13 VStGB bzw. Art. 8bis IStGHSt wird in Rechtsprechung und Literatur auf breiter Ebene geteilt (vgl. nur OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 27.4.2022 – 3 M 45/22, juris Rn. 8; VG Köln, Beschluss vom 6.5.2022 – 20 L 771/22, juris Rn. 16; AG Hamburg, Urteil vom 25.10.2022 – 240 Cs 121/22, juris Rn. 10; Stein, LTO vom 16.3.2022; Safferling, GA 2022, 261; Coracini, ZIStW 2022, 651; Hartig, ZIStW 2022, 642; Tomuschat, ZIStW 2022, 648; Open Society Justice Initiative, Model Indictment for the Crime of Aggression against Ukraine, Mai 2022, abrufbar unter www.justiceinitiative.org). Sie entspricht zudem der Wertung der UN-Vollversammlung (Resolution vom 2.3.2022, A/RES/ES-11/1).

(4) Nach zutreffender, vom Senat geteilter Auffassung spielt es für die Frage der Eignung der Vortat als „rechtswidrige Tat“ i.S.d. § 140 Nr. 2 StGB auch keine Rolle, ob die Tat nach Maßgabe des deutschen Rechtsanwendungsrechts im Inland strafrechtlich verfolgbar wäre. Dies ist allerdings nicht der Fall. Nach § 1 S. 2 VStGB gilt § 13 VStGB für Taten, die – wie hier – im Ausland begangen wurden, unabhängig vom Recht des Tatorts nämlich nur dann, wenn der Täter Deutscher ist oder die Tat sich gegen die Bundesrepublik Deutschland richtet. Beides ist vorliegend nicht der Fall; insbesondere richtet sich die Tat nicht schon deswegen gegen die Bundesrepublik Deutschland, weil der Angriffskrieg hier mittelbar negative Auswirkungen entfaltet, etwa wirtschaftlicher oder politischer Art.

Soweit in der Literatur vereinzelt vertreten wird, dass eine „rechtswidrige Tat“ i.S.d. § 140 StGB nur dann vorliege, wenn das Tatgeschehen nach Maßgabe des deutschen Rechtsanwendungsrechts in Deutschland verfolgbar ist (vgl. BeckOK-StGB v. Heintschel-Heinegg/Heuchemer, 55. Ed., Rn. 9 zu § 140; Blei, Strafrecht BT, § 74 II 1), folgt der Senat dem nicht. Da es in § 140 Nr. 2 StGB nicht um die Ahndung der Katalogtat als solcher geht, kommt es auf deren Verfolgbarkeit nicht an; taugliches Objekt der „Billigung“ ist daher auch eine nicht dem Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts unterfallende Katalogtat, sofern ihre Billigung – was in § 140 StGB ohnehin separat vorausgesetzt wird – zur Störung des öffentlichen Friedens geeignet ist (BGH, Beschluss vom 20.12.2016 – 3 StR 435/16; Fischer, StGB, 70. Aufl, Rn. 4 zu § 140; ähnlich, mit konkretem Bezug zu §§ 1, 13 VStGB: Safferling, GA 2022, 361 (369); zur Frage, ob vorliegend eine Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens gegeben ist, siehe noch unter lit. cc)). Aus den gleichen Gründen spielt es aus Sicht des Senats im Rahmen des § 140 Nr. 2 StGB keine Rolle, ob der Täter der Vortat z.B. infolge seiner Stellung als gegenwärtiges Staatsoberhaupt Immunität genießt und daher nach den im Völkerrecht geltenden Grundsätzen auch außerhalb der Bundesrepublik Deutschland strafrechtlich nicht verfolgt werden kann.

bb) Der Angeklagte zu 1) hat diese Vortat auch i.S.d. § 140 Nr. 2 StGB gebilligt. Ein Billigen im Sinne dieser Norm liegt in jeder ausdrücklichen oder konkludenten Erklärung, die erkennbar auf eine konkrete Tat bezogen ist und mit der diese Tat für andere wahrnehmbar gutgeheißen oder befürwortet wird (BGHSt 28, 312 ff). Allerdings muss diese Bedeutung aus der Kundgebung selbst heraus verständlich sein, also unmittelbar und „ohne Deuteln“ als Befürwortung einer konkreten Straftat erkennbar sein; nicht erfasst sind daher indifferente oder gar anderslautende Kundgebungen, die erst durch außerhalb der Erklärung liegende Umstände im Wege des Rückschlusses als zustimmende Kundgebung gewertet werden können (BGHSt 22, 282; BGH NJW 1995, 3395 m.w.N.). Ob eine Äußerung diesen Inhalt hat, hängt dabei weder von der wirklichen inneren Einstellung des Äußernden ab, noch davon, wie er seine Äußerung tatsächlich gemeint hat, und auch nicht davon, wie sie tatsächlich aufgefasst worden ist; maßgeblich ist vielmehr allein, wie die Adressaten die Äußerung voraussichtlich verstehen werden, wobei insoweit von Erklärungsempfängern mit normalem Durchschnittsempfinden auszugehen ist (vgl. BGHSt 22, 282; SK-Stein, Rn. 15 zu § 140 StGB m.w.N.)

Nach diesen Maßstäben liegt sowohl in den zehn Äußerungen des Angeklagten zu 1), die Gegenstand des bisherigen Haftbefehls sind, als auch in den weiteren 34 Verwendungen des „Z“-Symbols, die darüber hinaus Gegenstand der Anklage vom 3.11.2022 sind, jeweils eine Billigung des durch die russische Staatsführung begangenen Aggressionsverbrechens nach § 13 VStGB:

Der Buchstabe „Z“ war im Tatzeitraum ein allgemein bekanntes Symbol für die Unterstützung des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Diese Bedeutung rührt daher, dass die russischen Militärfahrzeuge, die für die Invasion in die Ukraine eingesetzt wurden, regelmäßig mit einem großen, pinselstrichartig aufgetragenen weißen „Z“ versehen waren, wobei die russischen Stellen die Bedeutung dieses Zeichens wenige Tage nach Beginn der russischen Invasion öffentlich dahingehend erläuterten, dass damit der Slogan „Za Pobedu“ – Deutsch: „Für den Sieg“ – abgekürzt werde. Das Zeichen und die so erläuterte Bedeutung sind nachfolgend Gegenstand einer breiten medialen Berichterstattung in Deutschland gewesen, so dass seit dem auch der Durchschnittsempfänger in Deutschland mit der Bedeutung des Zeichens vertraut war. Richtig ist zwar, dass das Buchstabensymbol „Z“ auch in anderer Bedeutung verwendet wurde und wird, z.B. als Bestandteil des Logos bekannter Firmen wie der Zürich-Versicherung oder der Wochenzeitschrift „Die Zeit“. Bei den Verwendungen des „Z“-Symbols, die Gegenstand der Anklage sind, folgt jedoch aus dem Kontext der jeweiligen Äußerung, dass das Zeichen eindeutig in der zuvor genannten, den russischen Angriffskrieg befürwortenden Bedeutung zu verstehen ist. Denn in allen 44 Fällen wird durch weitere Text-, Flaggen- und Bildelemente, die Bestandteil des jeweiligen Postings sind, ein konkreter Bezug zu Russland, zur nationalbolschewistischen Ideologie oder zur Ukraine bzw. den sie unterstützenden Staaten hergestellt, so dass für den Durchschnittsbetrachter nicht zweifelhaft sein konnte, welche Aussage durch die Verwendung des Symbols transportiert werden sollte. Insoweit wird wegen der Einzelheiten zu den jeweiligen Postings auf die zutreffenden Ausführungen der Anklageschrift vom 3.11.2022 unter Ziff. B.II.2.1) b) des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen (AS S. 41 ff.) Bezug genommen.

Soweit die Verteidigung des Angeklagten zu 1) unter Berufung auf die (nicht rechtskräftig gewordene) Nichteröffnungsentscheidung des Amtsgerichts Bautzen vom 10.6.2022 (41 Ds 220 Js 10638/22) geltend macht, das „Z“-Symbol sei jedenfalls nicht in der Weise zu verstehen, dass damit zwingend und eindeutig der russische Angriffskrieg gebilligt werde, weil daneben andere Bedeutungen möglich erschienen, insbesondere im Sinne eines Zeichens für eine „allgemeine Solidarität mit Russland in der Auseinandersetzung mit den westeuropäischen Staaten und den USA“, ist dem in dieser Allgemeinheit nicht zu folgen. Welchen Inhalt eine Äußerung hat, kann nur im Einzelfall unter Würdigung aller Äußerungselemente und des jeweiligen Kontextes bestimmt werden. Dabei darf vorliegend nicht außer Acht gelassen werden, dass das „Z“-Symbol gerade deswegen besondere Aufmerksamkeit in der medialen Öffentlichkeit erfahren hat, weil es massenhaft auf russischen Militärfahrzeugen angebracht war, die von der Russischen Föderation für die Invasion in der Ukraine eingesetzt wurden, und von offiziellen russischen Stellen gerade mit Bezug auf den (militärischen) Sieg erläutert wurde. Vor diesem Hintergrund besteht offenkundig ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem – zuvor in dieser Weise offenbar nicht verwendeten – „Z“-Symbol und der russischen Invasion in die Ukraine, der jedenfalls dann, wenn die Äußerung einen Bezug zu Russland oder der Ukraine aufweist, regelmäßig bedeutungsprägend sein wird. Das schließt nicht aus, dass einer Verwendung des Symbols im Einzelfall eine abweichende Bedeutung beizumessen ist – etwa im Sinne einer allgemeinen Solidarität mit Russland, bei der der russische Angriffskrieg ausgeklammert wird. Für diese Annahme bedarf es angesichts der oben aufgezeigten Genese der Symbolbedeutung aber gewichtiger Umstände, für die vorliegend nichts ersichtlich ist.

cc) Die in Fall 1 bis 44 der Anklage beschriebenen Äußerungen des Angeklagten zu 1) erfolgten auch öffentlich, da die Inhalte jeweils über Kanäle der sozialen Medien einer breiten Öffentlichkeit zugeführt wurden, und zudem durch Verbreiten von Inhalten i.S.d. § 11 Abs. 3 StGB.

dd) Die billigenden Äußerungen sind aus Sicht des Senats auch geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören. Allerdings wird die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Billigung im Ausland begangener Katalogtaten eine Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens aufweist, in Rechtsprechung und Literatur uneinheitlich beantwortet:

(1) Der BGH und Teile der Literatur bejahen eine Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens dann und nur dann, wenn die Billigung der im Ausland begangenen Vortat geeignet ist, den inländischen öffentlichen Frieden zu beeinträchtigen; dies sei der Fall, wenn dadurch in Deutschland die allgemeine Bereitschaft zur Begehung ähnlicher Delikte gefördert und das Vertrauen der Bevölkerung in die öffentliche Sicherheit erschüttert werden kann (sog. „kriminogene Inlandswirkung“). Eine Strafbarkeit nach § 140 Nr. 2 StGB soll demgegenüber ausscheiden, wenn eine solche Wirkung im Inland aufgrund rechtlicher oder tatsächlicher Besonderheiten der Auslandstat ausgeschlossen erscheint, der gebilligte Sachverhalt also „nicht transponibel“ ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20.12.2016 – 3 StR 435/16, dort unter Bezugnahme auf die – ähnlich argumentierende, die Frage aber offen lassende Entscheidung des BGH zu Widerstandstaten im Südtirol-Konflikt: BGHSt 22, 282; ebenso LK-Laufhütte, 12. Aufl., Rn. 10 zu § 140 StGB).

Nach dieser Auffassung wäre eine Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens vorliegend zu verneinen. Die billigenden Äußerungen des Angeklagten zu 1) sind offensichtlich nicht geeignet, in Deutschland die Bereitschaft zur Begehung ähnlicher Delikte zu fördern. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass es sich bei § 13 VStGB um ein Sonderdelikt handelt, das infolge der sog. „Führungsklausel“ in § 13 Abs. 4 VStGB nur durch eine Person begangen werden kann, die tatsächlich in der Lage ist, das politische oder militärische Handeln eines Staates zu kontrollieren oder zu lenken. Die Vorstellung, dass der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland oder das Führungspersonal der Bundeswehr infolge der Billigungshandlungen des Angeklagten zu 1) eher geneigt sein könnte, einen Angriffskrieg gegen einen anderen Staat (welchen?) zu entfachen, erscheint allerdings fernliegend. Dies hat seinen Grund darin, dass der vom Angeklagten zu 1) gebilligte Auslandssachverhalt rechtliche und tatsächliche Besonderheiten aufweist, die das Geschehen als nicht übertragbar erscheinen lassen; insbesondere sind weder die Ausgangssituation, noch die Ursachen und Motive, die für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ausschlaggebend waren sind, auf Deutschland übertragbar. Fehlt es danach an einer inländischen Nachahmungsgefahr, so ist auch nicht zu besorgen, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die inländische öffentliche Sicherheit erschüttert wird.

(2) Demgegenüber lehnt eine in der Literatur vertretene Auffassung die Beschränkung auf Störungen des inländischen öffentlichen Friedens generell ab: Der öffentliche Frieden sei ein Kollektivrechtsgut, das eine Vielzahl von Rechtsgütern – nämlich diejenigen, deren Schutz die Katalog-Straftatbestände schützen – begrifflich bündele. Deshalb umfasse der Begriff des öffentlichen Friedens entgegen der herrschenden Meinung auch nicht nur die objektive Lage im Inland; auch Taten, die lediglich den öffentlichen Frieden im Ausland tangieren, können nach § 140 Nr. 2 StGB strafbar sein, sofern die friedensstörende Eignung im Einzelfall festgestellt werden kann (SK-Stein, Rn. 5 und 11 zu § 140 StGB). Dies sei bei der Billigung des russischen Angriffskriegs durch eine darauf bezogene Verwendung des „Z“-Symbols der Fall, da hierdurch – objektiv – der russische Staat und möglicherweise auch andere Staaten ähnlicher politischer Ausrichtung bestärkt werden könnten, so dass in Zukunft stärker als bisher mit Angriffskriegen gerechnet werden müsse; zudem bestehe – subjektiv – die nicht nur fernliegende Möglichkeit, dass bei vielen Menschen in Deutschland die Befürchtung aufkomme, künftig in einer noch stärker durch Angriffskriege geprägten Welt leben zu müssen (vgl. Stein, LTO Gastbeitrag v. 16.3.2022 – „Billigung der Ukraine-Invasion: Wann das „Z“ als Symbol jetzt strafbar ist“). Nach dieser Auffassung wäre die Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens vorliegend folglich zu bejahen.

(3) Eine dritte Auffassung will die Frage, in welchen Fällen Auslandstaten dazu geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu stören, schließlich davon abhängig machen, ob die Auslandstat ein Rechtsgut verletzt, das (auch) im Inland Schutz durch eine der Katalogtaten erfährt; maßgeblich sei danach, ob es sich bei der befürworteten Tat um eine solche handelt, die auch zur Störung des inländischen öffentlichen Friedens geeignet ist, weil die Tat Gefahren im Inland begründet, indem sie auch hier begangen werden kann. Dementsprechend soll eine friedensstörende Eignung im Falle nicht übertragbarer Sachverhalte ausgeschlossen sein (MüKo-Hohmann, Rn. 12 zu § 140 StGB).

Wie nach dieser Auffassung im vorliegenden Fall zu entscheiden wäre, muss offen bleiben. Denn sie ist jedenfalls dann, wenn es sich bei der Auslandsvortat um ein Aggressionsverbrechen nach § 13 VStGB handelt, nicht in konsistenter Weise anwendbar. Durch die hier in Rede stehende Auslandstat wird zwar ein Schutzgut verletzt, das auch im Inland Schutz durch eine Katalogtat erfährt, denn die staatliche Souveränität auch der Ukraine und die Wahrung des völkerrechtlichen Gewaltverbots aus Art. 2 Abs. 4 UN-Charta werden durch § 13 VStGB inländisch geschützt. Wie oben ausgeführt, handelt es sich bei dem russischen Angriffskrieg aber um einen Sachverhalt, der aufgrund rechtlicher und tatsächlicher Besonderheiten nicht übertragbar erscheint, so dass eine Nachahmungsgefahr im Inland – trotz des vorhandenen inländischen Schutzes des betroffenen Rechtsguts – gerade nicht begründet wird.

(4) Aus Sicht des Senats ist die Streitfrage wie folgt zu beantworten: Ausgangspunkt für die Beantwortung der Frage, wie der in § 140 Nr. 2 StGB verwendete Begriff des „öffentlichen Friedens“ in Konstellationen auszulegen ist, in denen die gebilligte Vortat im Ausland begangen wurde, muss der Schutzzweck des § 140 Nr. 2 StGB sein. Dieser Zweck ist abgeleiteter Natur. Denn nach allgemeiner, aus Sicht des Senats zutreffender Auffassung bezweckt § 140 Nr. 2 StGB, den durch die Katalogtaten jeweils gewährten Schutz zu erweitern, indem die durch sie jeweils geschützten Rechtsgüter bereits im Vorfeld ihrer Verletzung geschützt werden (vgl. MüKo-Hohmann, Rn. 12 zu § 140 StGB). Dementsprechend kann die Reichweite des § 140 StGB gewährten Schutzes nur in Abhängigkeit davon bestimmt werden, welches Rechtsgut durch die jeweilige Katalogvortat betroffen ist. Dies muss konsequenter Weise Folgen für die räumliche Dimension der Friedensordnung haben, deren potentielle Störung § 140 Nr. 2 StGB voraussetzt. Jedenfalls soweit die Schutzgüter der Katalogtaten eine kollektive und internationale Dimension besitzen, wie es etwa bei Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§§ 6 bis 12 VStGB) der Fall ist, kann es nicht darauf ankommen, dass die nachteiligen Wirkungen der Billigung der Tat gerade im Inland eintreten; denn die Eigenart dieser Delikte und ihre gesetzgeberische Ratio besteht gerade darin, dass ihre Begehung die Menschheit als Ganzes betrifft. Infolgedessen ist auch die Befürchtung, sich durch eine strafrechtliche Ahndung ihrer inländischen Billigung untunlich in innere Angelegenheiten fremder Staaten einzumischen (vgl. BGHSt 22, 282 und LK-Laufhütte, Rn. 9 zu § 140 StGB), jedenfalls nach Aufnahme der §§ 6-12 VStGB in den Katalog des § 140 Nr. 2 StGB per se fehl am Platze, soweit diese Taten als Vortaten in Rede stehen. Ähnlich verhält es sich auch bei dem Aggressionsverbrechen nach § 13 VStGB. Das Schutzgut dieser Norm besteht in der Wahrung des Gewaltverbots in Art. 2 Abs. 4 der UN-Charta; sie schützt damit die Souveränität, die territoriale Integrität und die politische Unabhängigkeit der Staaten, und zwar nicht nur der Bundesrepublik Deutschland, sondern aller potentiell von einem Angriffskrieg betroffener Staaten. Vor diesem Hintergrund kann es im Falle der Billigung von Auslandstaten gemäß § 13 VStGB nicht darauf ankommen, ob hierdurch die Gefahr von Nachahmungstaten gerade im Inland erhöht wird. Vielmehr muss es ausreichen, dass durch die Billigung eines Aggressionsverbrechens i.S.d. § 13 VStGB allgemein, also u.U. auch außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zur Schaffung eines Klimas beigetragen wird, in dem das Gewaltverbot des Art. 2 Abs. 4 UN-Charta zunehmend als „leere Hülse“ erscheint, so dass Führungspersonen beliebiger Staaten – einschließlich des Täters der gebilligten Vortat – ermutigt werden könnten, von Angriffskriegen als einem vermeintlich probaten Mittel zur Durchsetzung der eigenen nationalen Interessen in Zukunft häufiger Gebrauch zu machen. Gleiches gilt für den Schutz des subjektiven öffentlichen Friedens. Auch insoweit ist es aus Sicht des Senats angesichts des internationalen Charakters des durch § 13 VStGB geschützten Schutzguts nicht erforderlich, dass das Vertrauen der Bevölkerung gerade in den Schutz vor Inlandstaten erschüttert wird; ausreichend ist vielmehr, dass das Vertrauen in die Unverbrüchlichkeit der durch Art. 2 Abs. 4 UN-Charta geschützten internationalen Friedensordnung beeinträchtigt wird, indem durch die Billigung der Tat die Befürchtung genährt wird, künftig in einer Welt leben zu müssen, in der häufiger als bisher Angriffskriege entfacht werden, deren unmittelbare Auswirkungen sich – sei es direkt oder als Folge internationaler Bündnisverpflichtungen – früher oder später auch auf das deutsche Staatsgebiet erstrecken könnten. In diesem Sinne weisen auch die Billigungshandlungen des Angeklagten eine Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens auf.

dd) Nach dem Ergebnis der bisherigen Ermittlungen ist es auch hochwahrscheinlich, dass der der Angeklagte zu 1) vorsätzlich gehandelt hat.

(1) Der Angeklagte zu 1) war sich über die allgemeine Bedeutung des von ihm verwendeten „Z“-Symbols bewusst; er wusste dementsprechend und nahm zumindest billigend in Kauf, in dieser Weise verstanden zu werden. Dies ergibt sich bereits aus dem unter Ziff. I.1. angeklagten Posting des Angeklagten zu 1) vom 28.3.2022, in dessen Textteil es u.a. heißt: „Im Westen wird derzeit ein Kreuzzug geführt, welcher sich gegen Russland richtet. Daraufhin steht nun der Buchstabe ‚Z‘ unter Strafe, welchen das Regime als Unterstützung eines ‚völkerrechtswidrigen Angriffskrieges‘ bewertet. Sei’s drum, wir nehmen die Haftstrafe! …“.

(2) Erforderlich ist im Rahmen des § 140 Nr. 2 StGB zudem, dass sich der Vorsatz des Täters auf die Vortat erstreckt, wobei der Vorsatz die Rechtswidrigkeit der Vortat jedenfalls insoweit einschließen muss, als ihr materieller Unrechtsgehalt im Wesentlichen erfasst wird (SK-Stein, Rn. 19 zu § 140 StGB; ähnlich LK-Laufhütte, a.a.O., Rn. 34 zu § 140 StGB und MüKo-Hohmann, Rn. 21 zu § 140 StGB).

Durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte zu 1) irrtümlich von einem Sachverhalt ausging, bei dessen Vorliegen die Tatbestandsmäßigkeit oder die Rechtswidrigkeit der Vortat entfiele, sind nicht ersichtlich. Entsprechendes ergibt sich auch nicht aus dem unter Ziff. I.7. angeklagten, vom Angeklagten zu 1) unter seinem Profil weitergeleiteten Posting vom 27.3.2022, das der Sache nach eine an der russischen Propaganda orientierte Rechtfertigung der „Militärischen Spezialoperation“ Russlands enthält, indem die Ukraine als „Terrorstaat“ bezeichnet wird, dessen Streitkräfte und paramilitärische Gruppierungen für die Verfolgung, Entführung und Ermordung tausender Zivilisten verantwortlich seien, der Massenvernichtungswaffen einsetze und Terroranschläge auf russische Ziele vorbereitet habe. Insoweit kann es dahinstehen, ob sich der Angeklagte zu 1) diese – von ihm lediglich weitergeleitete – Darstellung zueigen gemacht hat. Denn selbst wenn der Angeklagte von der Richtigkeit dieser Darstellung ausgegangen sein sollte, stellte sich die Militärintervention Russlands in der Ukraine auch nach seiner Vorstellung als strafbarer Angriffskrieg i.S.d. § 13 VStGB dar, zumal sich der Einmarsch Russlands – wie der Angeklagte zu 1) hochwahrscheinlich wusste – nicht darauf beschränkte, russische Staatsbürger vor etwaigen Übergriffen durch den Ukrainischen Staat zu retten, sondern wie bereits oben unter Ziff. II.1.a) aa) (2) näher ausgeführt, darüber hinaus zum Ziel hatte, die Staatsführung der Ukraine durch ein russlandfreundliches Regime zu ersetzen, und zudem weite Teile des Landes auch über den Donbass hinaus faktisch unter russische Herrschaft zu bringen, um sie nachfolgend zu annektieren. Dies mag der Angeklagte zu 1) zwar auch als „politisch gerechtfertigt“ angesehen haben. Der im Rahmen des § 140 Nr. 2 StGB erforderliche Vorsatz bezüglich der Rechtswidrigkeit der Vortat wird jedoch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Täter Rechtfertigungsgründe als erfüllt ansieht, die tatsächlich nicht existieren und von denen er weiß, dass die Rechtsordnung sie nicht anerkennt (vgl. Fischer, StGB, 70. Aufl., Rn. 9 zu § 140 StGB; LK-Laufhütte, 12. Aufl., Rn. 34 zu § 140 StGB).

b) Zudem besteht der dringende Verdacht, dass der Angeklagte zu 1) von September 2021 bis zum 3.8.2022 zwei Einhandmesser in seiner Wohnung verwahrt und damit gegen § 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG verstoßen hat (Fall I.45 der Anklage). Die Messer sind bei der Durchsuchung am 3.8.2022 in seiner Wohnung aufgefunden und sichergestellt worden.

c) Es besteht auch Fluchtgefahr, § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO. Es ist nicht zu erwarten, dass sich der Angeklagte zu 1) dem Strafverfahren freiwillig stellen wird. Dies gilt unabhängig von der Straferwartung und dem daraus folgenden Fluchtanreiz bereits deswegen, weil der Angeklagte zu 1) vor seiner Festnahme konkrete Vorbereitungen für eine Ausreise nach Belarus und Russland getroffen hatte, indem er sich u.a. ein Visum für Belarus beschafft und seine „Abschiedsfeier“ geplant hatte. Insoweit kann wegen der Einzelheiten auf die Ausführungen des amtsgerichtlichen Haftbefehls in der Fassung vom 31.8.2022 Bezug genommen werden. Aus einem Chat des Angeklagten zu 1) mit einem „Sch.“ vom 14.7.2022 ergibt sich zudem, dass sich der Angeklagte zu 1) im Anschluss an die geplanten Aufenthalte in Minsk und Moskau in die Region Donezk begeben wollte, um sich dort einer bewaffneten Einheit – mutmaßlich einer prorussischen Rebellengruppierung – anzuschließen.

Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Angeklagte zu 1) während der Untersuchungshaft von seinen Plänen verabschiedet haben könnte. Der Angeklagte ist nach wie vor hoch radikalisiert. Ausweislich eines Vermerks des LKA vom 1.11.2022 teilte der Angeklagte dem ihn in Haft besuchenden Herrn G. mit, dass er die Haftzeit nutze, um ein Buch mit dem Titel „Mein Weg – Vom Nationalbolschewisten zum Staatsfeind“ zu schreiben. Im Übrigen wünsche er allen, die infolge der russischen Mobilmachung an die Front müssten, alles Gute; er werde alles tun, was in seiner Macht stehe, um sie zu unterstützen. Er werde keinen Zentimeter von seiner Meinung und seinem Standpunkt abweichen, egal was passiere. Er werde „bis zu seinem letzten Atemzug für eine russische Welt einstehen“. Zudem werde er „seinen Kampf für ein starkes Russland fortführen, welches eines Tages hoffentlich nochmal Deutschland vom Faschismus befreit.“

d) Die Aufrechterhaltung des Haftbefehls ist auch nicht unverhältnismäßig, denn die Haft, die vom 4.8.2022 bis zur Aufhebung des Haftbefehls mit Beschluss vom 14.12.2022 andauerte und damit bislang für eine Dauer von gut 4 Monaten vollzogen wurde, steht nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe. Der Strafrahmen des § 140 Nr. 2 StGB sieht – ebenso wie derjenige des § 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG – eine Ahndung mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren vor. Angesichts der erheblichen Vorstrafen des Angeklagten zu 1), gegen den v.a. wegen Körperverletzungs-, Beleidigungs- und Widerstandsdelikten bereits mehrfach Freiheitsstrafen verhängt werden mussten, die zum Teil auch vollstreckt worden sind, hat der Angeklagte mit einer empfindlichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Bei deren Bemessung wird auch zu berücksichtigen sein wird, dass sich die zuletzt mit Urteil des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 20.4.2017 verhängte Freiheitsstrafe bereits auf 1 Jahr und 3 Monate belief. Angesichts des oben aufgezeigten Radikalisierungsgrades des Angeklagten zu 1) erscheint es auch unwahrscheinlich, dass das Tatgericht zu einer die Strafaussetzung zur Bewährung rechtfertigenden Legalprognose gelangen wird. Im Übrigen ist nicht mit einer langwierigen Hauptverhandlung zu rechnen, da die Beweisaufnahme voraussichtlich ganz überwiegend durch Verlesung von Urkunden bzw. Inaugenscheinnahme von Text- und Bildmaterial aus den Postings des Angeklagten zu 1) wird erfolgen können.

2. Soweit sich die Beschwerde der Generalstaatsanwaltschaft gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens zum Amtsgericht – Strafrichter – richtet, ist sie ebenfalls begründet.

Im Ergebnis zutreffend ist die Generalstaatsanwaltschaft davon ausgegangen, dass der Sache eine besondere Bedeutung i.S.d. § 24 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 74 Abs. 1 S. 2 GVG zukommt, weil sie eine Rechtsfrage aufwirft, für die angesichts einer Vielzahl ähnlich gelagerter Verfahren ein Bedürfnis nach rascher obergerichtlicher Klärung besteht (vgl. BGHSt 43, 55; BGH NJW 1960, 542; LG Nürnberg-Fürth, NJW 1988, 2311).

a) Allerdings ergibt sich die besondere Bedeutung der Sache, anders als von der Generalstaatsanwaltschaft angenommen, nicht daraus, dass obergerichtlich zu klären wäre, ob die öffentliche Verwendung des „Z“-Symbols ohne ausdrücklichen Hinweis auf die Ukraineinvasion der Russischen Föderation als Billigung derselben i.S.d. § 140 Nr. 2 StGB zu verstehen ist.

Ob eine konkrete Verwendung des „Z“-Symbols in dieser Weise zu verstehen ist, ist – ausgehend von den oben aufgezeigten, durch die BGH-Rechtsprechung hinreichend geklärten rechtlichen Maßstäben – keine Rechtsfrage, sondern eine Frage der vom Tatgericht vorzunehmenden tatsächlichen Würdigung, bei der die jeweiligen Umstände des Einzelfalles in den Blick zu nehmen sind. So geht im Übrigen auch die Anklage vor, indem sie bei jeder einzelnen Verwendung des „Z“-Symbols den Äußerungskontext sowie die weiteren, innerhalb der Äußerung selbst liegenden Umstände in tatsächlicher Hinsicht würdigt und jeweils der Frage nachgeht, in welcher Weise das „Z“-Symbol mit anderen Darstellungselementen – namentlich Begleittexte, Bilder, Flaggen, Symbole oder Logos verbunden oder in diese eingebettet ist, und die der konkreten Verwendung des „Z“-Symbols ggf. einen eindeutigen Erklärungsinhalt verleihen können.

b) Die besondere Bedeutung der Sache i.S.d. § 24 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 74 Abs. 1 S. 2 GVG ergibt sich jedoch daraus, dass der vorliegende Fall die oben unter Ziff. II.1.a) dd) erörterte und obergerichtlich bislang nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, unter welchen Voraussetzungen eine billigende Äußerung i.S.d. § 140 Nr. 2 StGB zur Störung des öffentlichen Friedens geeignet ist bzw. wie der öffentliche Frieden zu bestimmen ist, wenn es sich bei der Vortat um eine Auslandstat handelt, die kein Individualrechtsgut verletzt, sondern – wie hier im Falle des Aggressionsverbrechens gemäß § 13 VStGB – einen Katalogtatbestand erfüllt, der ausschließlich ein kollektives und zudem supranationales Rechtsgut schützt.

Insoweit besteht auch ein Bedürfnis nach rascher obergerichtlicher Klärung, da die Staatsanwaltschaften bundesweit mit einer Vielzahl von Verfahren befasst sind, in denen es um die Billigung des russischen Angriffskrieges geht, insbesondere durch Verwendung des „Z“-Symbols. Ausweislich der in der Beschwerdeschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 19.12.2022 zitierten Presseberichte waren im Bundesgebiet bereits Ende April 2022 über 160 Ermittlungsverfahren anhängig.

Der Senat macht von dem in § 210 Abs. 3 S. 1 StPO eingeräumten Ermessen in der Weise Gebrauch, dass die Sache vor einer anderen Großen Strafkammer des Landgerichts eröffnet wird, zumal die Ausführungen der Kammer zur Verhältnismäßigkeit der Haftfortdauer unter Ziff. 3 der Gründe des angefochtenen Beschlusses nahelegen, dass sich die Kammer hinsichtlich der Straferwartung für den Angeklagten zu 1) bereits weitgehend festgelegt hat, zumindest aber Zweifel daran aufkommen lassen, dass sich die Kammer die davon abweichende Auffassung des Senats innerlich voll zu eigen machen wird.


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