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Entscheidungen

Haftfragen

Haftbefehl, Haftgrund Wiederholungsgefahr, Zeugnisverweigerung eines Zeugen

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 18.11.2022 - 3 Ws 300/22121 AR 235/22

Leitsatz des Gerichts:

Die Wiederholungsgefahr im Sinne von § 112a Abs. 1 StPO kann nicht auf die Aussage eines Zeugen gestützt werden, der von seinem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO Gebrauch gemacht hat.


3 Ws 300/22121 AR 235/22

In dem Strafverfahren
gegen pp.

wegen Vergewaltigung u.a.

hat der 3. Strafsenat des Kammergerichts am 18. November 2022 beschlossen:

Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Berlin gegen den Haftverschonungsbeschluss des Landgerichts Berlin vom 14. Oktober 2022 wird verworfen.
Die Landeskasse hat die Kosten des Rechtsmittels einschließlich der dem Angeklagten erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

I.

Der Angeklagte wurde in diesem Verfahren am 26. April 2022 vorläufig festgenommen. Am 27. April 2022 erließ das Amtsgericht Tiergarten (381 Gs 116/22) gegen den Angeklagten einen auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützten Haftbefehl wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung gemäß §§ 177 Abs. 1 Abs. 5 Nr. 1 und 2, Abs. 6 Satz 1 und 2 Nr. 1, Abs. 8 Nr. 1, 223 Abs. 1, 52 StGB. Seit diesem Tag befand sich der Angeklagte bis zum 14. Oktober 2022 ununterbrochen in Untersuchungshaft.

Dem Angeklagten ist in dem Haftbefehl vorgeworfen worden, seine Ehefrau, die Geschädigte A., der er unterstellt habe, sexuellen Kontakt zu einem anderen Mann zu haben, am 26. April 2022 unter Vorhalt eines Messers aufgefordert zu haben, zuzugeben, dass sie fremdgeht. Da sich die Zeugin dem verweigert habe, habe er diese vollständig entkleidet und seine Finger in den Genital- und Analbereich eingeführt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Haftbefehl des Amtsgerichts Bezug genommen.

Mit Zuschrift vom 3. Juni 2022, bei dem Landgericht Berlin am 10. Juni 2022 eingegangen, hat die Staatsanwaltschaft Berlin wegen des aus dem Haftbefehl des Amtsgerichts Tiergarten ersichtlichen Tatvorwurfs Anklage erhoben. Hinsichtlich der Einzelheiten des Anklagevorwurfs wird Bezug auf den Anklagesatz nebst dem wesentlichem Ermittlungsergebnis genommen. Mit Beschluss vom 1. Juli 2022 hat das Landgericht die Anklage unter Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem Landgericht - große Strafkammer - zur Hauptverhandlung zugelassen, das Hauptverfahren eröffnet und die Untersuchungshaft aus den Gründen ihrer Anordnung fortdauern lassen. Zugleich beraumte die Kammervorsitzende Termin zur Hauptverhandlung für den 13. September 2022 und Termine zur Fortsetzung derselben für den 20., 23., 27. und 30. September, 7., 11. und 14. Oktober 2022 an.

Mit Beschluss vom 17. August 2022 hat das Landgericht den Haftbefehl des Amtsgerichts neu gefasst und den Haftbefehlsvorwurf neben dem Vorwurf der Vergewaltigung auf die tateinheitliche Begehung einer gefährlichen Körperverletzung sowie einer Freiheitsberaubung erweitert.

In der Hauptverhandlung vom 14. Oktober 2022 hat das Landgericht den Tatvorwurf der Freiheitsberaubung nach § 154a StPO von der Verfolgung ausgenommen und den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Zugleich hat es den Angeklagten vom Vollzug der Untersuchungshaft verschont und ihm die Auflage erteilt, sich dreimal pro Woche bei dem für seinen Wohnsitz zuständigen Polizeiabschnitt zu melden. Die schriftlichen Gründe des Urteils liegen noch nicht vor.

Gegen diesen Haftverschonungsbeschluss wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Beschwerde vom 14. Oktober 2022, in der sie beantragt, den Haftbefehl wieder in Vollzug zu setzen. Zur Begründung trägt sie vor, neben dem Haftgrund der Fluchtgefahr bestehe auch Wiederholungsgefahr im Sinne von § 112a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 StPO, da gegen den Angeklagten bereits mehrere - allesamt eingestellte - Ermittlungsverfahren geführt worden seien, in denen die Geschädigte des hiesigen Verfahrens den Angeklagten als von ständiger Eifersucht getrieben bezeichnet habe. Mit Blick auf die bereits langanhaltenden Gewalttätigkeiten vor der Inhaftierung und das Verhalten des Angeklagten unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln müsse davon ausgegangen werden, dass dieser nach seiner Entlassung bei Gelegenheit eines Konflikts erneut eine gleichartige Tat begehen werde. Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Staatsanwaltschaft wird auf die Beschwerdeschrift vom 20. Oktober 2022 Bezug genommen.

Der Haftbeschwerde hat die Kammer ausweislich eines unter dem 17. Oktober 2022 gefertigten Vermerks der Vorsitzenden nicht abgeholfen und dazu ausgeführt, der nicht vorbestrafte Angeklagte, der ein Teilgeständnis abgelegt und sich bei der Geschädigten entschuldigt habe, sei Erstverbüßer und durch die vollzogene Untersuchungshaft beeindruckt. Zudem habe die Geschädigte dem Angeklagten im August 2022 einen Brief geschrieben, in dem sie ihm ihrer Liebe versichert habe. In der Hauptverhandlung habe die Geschädigte, die mit dem Angeklagten drei gemeinsame Kinder habe, von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.

Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat sich dem Antrag der Staatsanwaltschaft angeschlossen. Die Verteidigung hat beantragt, die Beschwerde zu verwerfen.

II.

Die zulässige Beschwerde gegen den Haftverschonungsbeschluss der Strafkammer vom 14. Oktober 2022 ist unbegründet.

1. Durch die Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist der Senat nicht nur zur Prüfung der Frage veranlasst, ob das Landgericht die Voraussetzungen einer Haftverschonung nach § 116 StPO zu Recht bejaht hat. Er hat auch den Haftbefehl selbst zu prüfen, weil die von der Staatsanwaltschaft erstrebte Wiederinvollzugsetzung des Haftbefehls nur zulässig ist, wenn die Voraussetzungen der Anordnung der Untersuchungshaft gegeben sind (vgl. BGH StV 2008, 84; OLG Stuttgart NJW 1982, 516; Lind in Löwe-Rosenberg, StPO 27. Aufl., § 116 Rdn. 32; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 65. Aufl., § 116 Rdn. 29).

2. Die Voraussetzungen für einen Haftbefehl nach § 112 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 StPO liegen weiterhin vor.

a) Der Angeklagte ist der im Haftbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 27. April 2022 in der Fassung des landgerichtlichen Beschlusses vom 27. April 2022 bezeichneten Tat nach Maßgabe des landgerichtlichen Urteils weiterhin dringend verdächtig. Das folgt bereits aus seiner erstinstanzlichen Verurteilung. Denn Haftentscheidungen, die während einer Hauptverhandlung oder nach einer tatgerichtlichen Verurteilung erfolgen, unterliegen im Beschwerdeverfahren hinsichtlich des Vorliegens dringenden Tatverdachts lediglich eingeschränkter Überprüfung durch das Beschwerdegericht, da allein das Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattfindet bzw. stattgefunden hat, in der Lage ist, deren Ergebnisse aus eigener Anschauung festzustellen und zu würdigen sowie auf dieser Grundlage zu bewerten, ob der dringende Tatverdacht nach dem erreichten Verfahrensstand fortbesteht. Eine Beweisaufnahme über eine durch das erkennende Tatgericht bereits durchgeführte oder noch laufende Beweisaufnahme im Sinne eines „Schattenverfahrens“ findet im Haftbeschwerdeverfahren nicht statt (vgl. Senat, Beschluss vom 3. April 2020 - 3 Ws 300/22 -; KG, Beschlüsse vom 1. März 2018 - 4 Ws 25/18 - und 29. Juli 2013 - 4 Ws 92/13 -; Hans. OLG Hamburg, Beschluss vom 16. Oktober 2015 - 2 Ws 236/15 -; alle juris). Ist ein Angeklagter nach abgeschlossener Beweisaufnahme verurteilt worden, ist der dringende Tatverdacht in der Regel durch das verurteilende Erkenntnis hinreichend belegt (vgl. BGH NStZ 2006, 297; Senat und hans. OLG Hamburg a.a.O.). Damit ist es dem Beschwerdegericht prinzipiell verwehrt, den dringenden Tatverdacht allein aus dem Aktenstudium zu verneinen und den Haftbefehl aus diesem Grund aufzuheben, weil ein Schuldspruch aufgrund einer Hauptverhandlung regelmäßig eine höhere Richtigkeitsgewähr bietet als eine anhand der Akten angestellte Prognose (vgl. Senat a.a.O.; KG, Beschlüsse vom 7. März 2014 - 4 Ws 21/14 - und 17. Dezember 2010 - 4 Ws 93/10 - ; OLG Rostock, Beschluss vom 28. Januar 2004 - 1 Ws 20/04 -; alle juris). Die Nachprüfung durch das Beschwerdegericht hat sich darauf zu beschränken, ob die Entscheidung auf die in der Hauptverhandlung gewonnenen wesentlichen Tatsachen gestützt ist und auf einer vertretbaren Bewertung des Beweisergebnisses beruht (vgl. BGH NStZ-RR 2017, 18; StV 1991, 525; OLG Brandenburg, Beschluss vom 21. Januar 2019 - 1 Ws 204/18 -, juris ; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2018, 114 und Justiz 2003, 457 m.w.N.; OLG Hamm, Beschluss vom 18. Dezember 2017 - 3 Ws 498/17 -). Dazu kann der Senat, da die schriftlichen Urteilsgründe noch nicht vorliegen, auf Ausführungen des erkennenden Gerichts in der Haftfortdauerentscheidung, in der Nichtabhilfeentscheidung oder in einer gesonderten Stellungnahme des erkennenden Gerichts zurückgreifen (vgl. BGH NStZ 2006, 297 und Senat a.a.O.).

Der dringende Tatverdacht ergibt sich aus der Mitteilung der Kammervorsitzenden vom 17. Oktober 2022. Offensichtliche Fehler, die einem Berufen auf dieses Urteil wegen eines Verstoßes gegen den Anspruch auf ein faires Verfahren aus Art. 6 EMRK entgegenstünden, sind ebenso wenig ersichtlich wie seit dem Zeitpunkt der erstinstanzlichen Verurteilung neu hinzugetretene Umstände, die eine andere Beurteilung des dringenden Tatverdachts rechtfertigen (vgl. BGH NStZ 2004, 276; OLG Koblenz, Beschluss vom 2. Januar 2014 - 2 Ws 724/13 -, juris). Der Angeklagte ist der Annahme eines dringenden Tatverdachts auch nicht entgegengetreten.

b) Der Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO ist aus den in den Beschlüssen des Amtsgerichts vom 27. April 2022 und des Landgerichts vom 17. August 2022 sowie in dem Nichtabhilfevermerk des Landgerichts vom 17. Oktober 2022 mitgeteilten Gründen weiterhin gegeben.

c) Zu Unrecht nimmt die Staatsanwaltschaft an, es liege zudem der (subsidiäre) Haftgrund der Wiederholungsgefahr nach § 112a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 StPO vor, denn die dafür erforderlichen tatbestandlichen Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

Zwar ist der Angeklagte auf der Grundlage des Urteils des Landgerichts - wie dargelegt - einer Katalogtat nach § 112a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO - hier § 177 StGB - dringend verdächtig. Weitere Voraussetzung ist jedoch in Fällen, die § 112a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO unterfallen, dass bestimmte Tatsachen die Gefahr begründen, der Beschuldigte werde vor rechtskräftiger Aburteilung weitere erhebliche Straftaten gleicher Art begehen oder die Straftat fortsetzen, und dass die Haft zur Abwendung dieser Gefahr erforderlich ist. Um die innere Neigung des Angeklagten zur Begehung weiterer - erheblicher - Straftaten feststellen zu können, bedarf es in aller Regel der (freibeweislichen) Feststellung äußerer Indiztatsachen, die einen entsprechenden Rückschluss mit der gebotenen Sicherheit zulassen (vgl. Lind a.a.O., § 112a Rdn. 55).

Es bedarf keiner Klärung durch den Senat, ob die von der Staatsanwaltschaft zitierten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (von denen keines zu einer Verurteilung des Angeklagten geführt hat) im Zusammenwirken mit der im hiesigen Verfahren abgeurteilten Tat den Schluss rechtfertigen, etwaig vom Angeklagten zu erwartende Straftaten überschritten die Erheblichkeitsgrenze des § 112a Abs. 1 Satz 1 StPO. Denn ohnehin lässt sich die Gefahr, der Angeklagte werde noch vor Rechtskraft des landgerichtlichen Urteils weitere (vergleichbare) Taten begehen, nicht auf der Grundlage bestimmter Tatsachen tragfähig begründen. Die im Rahmen dessen durchzuführende Gefahrenprognose erfordert eine hohe Wahrscheinlichkeit der Fortsetzung des strafbaren Verhaltens. Dabei sind auch Indiztatsachen zu berücksichtigen und zu würdigen, wie Vorstrafen des Angeklagten und die zeitlichen Abstände zwischen ihnen sowie seine Persönlichkeitsstruktur und Lebensumstände (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21.Januar 2020 - 2 Ws 1/20 -, juris m.w.N.; Hans. OLG Bremen, Beschluss vom 11. Mai 2020 - 1 Ws 44/20 -, juris m.w.N.; Thür. OLG StV 2013, 773; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O., § 112a Rdn. 14 m.w.N; Graf in KK-StPO 8. Aufl., § 112a Rdn. 19).

Eine hohe Wahrscheinlichkeit, der Angeklagte werde sein strafbares Verhalten fortsetzen, ist auf der Grundlage der vorliegenden Indiztatsachen nicht zu belegen.

aa) Der Angeklagte wurde in dem hiesigen Verfahren erstmalig verurteilt. Die von der Staatsanwaltschaft in ihrer Beschwerdeschrift zum Beleg seiner Gefährlichkeit zitierten Verfahren wurden sämtlich eingestellt, die Verfahren zu den Geschäftszeichen 252 Js 1739/19, 3021 Js 6130/21 und 252 Js 1739/19 mangels hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 StPO, das Verfahren zu 252 Js 4436/22 nach § 154 StPO im Hinblick auf das hiesige Verfahren. Aus ihnen lassen sich deshalb keine hinreichend sicheren Schlüsse ziehen, die künftige (vergleichbare) Straftaten des Angeklagten zu belegen geeignet sind. Unerheblich ist dabei, ob die Verfahren eingestellt worden sind, weil Tatzeugen von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO Gebrauch gemacht haben, der Tatnachweis aus anderen Gründen nicht geführt werden konnte oder dies aus Gründen der Prozessökonomie geschehen ist.

bb) Soweit die Staatsanwaltschaft auf Verfahren Bezug nimmt, in denen die Geschädigte von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht aus § 52 Abs. 1 Nr. 2 StPO Gebrauch gemacht hat, tritt hinzu, dass ein Rückgriff auf polizeiliche oder staatsanwaltliche Vernehmungen von Zeugen, die hernach von ihrem Recht aus § 52 StPO Gebrauch gemacht haben, zur Folge hätte, dass der Schutzzweck des Zeugnisverweigerungsrechts, dem Zeugen einen Gewissenskonflikt zu ersparen und die Familienbande, die den Angeklagten mit dem Zeugen verknüpft, zu schonen (vgl. Bertheau/Ignor in Löwe-Rosenberg a.a.O., § 52 Rdn. 53 m.w.N.; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O., § 52 Rdn. 1 m.w.N.), und das daraus resultierende Verwertungsverbot (vgl. Bader in KK-StPO 8. Aufl., § 52 Rdn. 43a m.w.N.) ins Leere liefen. Das wäre nicht nur bei einer - anerkannt unzulässigen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. Rdn. 23; Percic in MüKo-StPO, § 52 Rdn. 43a; Bader a.a.O.; alle m.w.N.) - Verwertung von vorangegangenen nicht richterlichen Vernehmungen im strengbeweislichen Verfahren in der Hauptverhandlung der Fall, sondern auch dann, wenn die Erkenntnisse aus einer solchen Vernehmung zur Begründung eines Haftbefehls freibeweislich herangezogen würden; das aus der Ausübung des Zeugnisverweigerungsrecht resultierende Verwertungsverbot wäre in beiden Fällen gleichermaßen ausgehöhlt.

cc) Auch die dem Senat verfügbaren Erkenntnisse zu den persönlichen Lebensumständen des Angeklagten lassen keine hinreichend präzisen Schlüsse auf künftige vergleichbare Straftaten des Angeklagten zu, der ein Teilgeständnis abgelegt und sich ausweislich des Nichtabhilfevermerks bei der Geschädigten entschuldigt hat. Zugleich hat die Geschädigte in einem an den Angeklagten gerichteten Brief vom 7. August 2022 mitgeteilt, dass sie ihm verzeihe. Dies spricht gegen die Begehung künftiger Taten vergleichbarer Schwere. Ob und inwieweit das Verhalten des Angeklagten und der Geschädigten lediglich prozesstaktischer Natur gewesen ist, vermag der Senat nicht zu beurteilen.

d) Der Senat teilt die Einschätzung der Kammer, dass der Fluchtgefahr auch bei Außervollzugsetzung des Haftbefehls nach § 116 Abs. 1 StPO durch Erteilung der vom Landgericht angeordneten Meldeauflage nach § 116 Abs. 1 Nr. 1 StPO begegnet werden kann. Hierfür spricht, worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat, dass sich der Angeklagte erstmalig - für etwa sechseinhalb Monate - in Untersuchungshaft befunden hat, sich das Verhältnis zu seiner Ehefrau - zumindest vordergründig - entspannt hat und die Eheleute gemeinsame Kinder zu versorgen haben. Zudem sind dem Senat keine Erkenntnisse über Unregelmäßigkeiten hinsichtlich der vom Angeklagten zu erfüllenden Meldeauflage bekannt geworden.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 StPO. Etwaig der Nebenklägerin entstandene Auslagen hat diese selbst zu tragen; sie dürfen der Staatskasse nicht überbürdet werden. (vgl. Gieg in KK-StPO 8. Aufl., § 473 Rdn. 11; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O., § 472 Rdn. 3; jeweils m.w.N.).


Einsender: RiKG U. Sandherr, Berlin

Anmerkung:


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