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Entscheidungen

Gebühren

Strafbefehl, Absprache, zusätzliche Verfahrensgebühr, analoge Anwendung

Gericht / Entscheidungsdatum: AG München, Beschl. v. 20.10.2021 - 845 Ds 235 Ls 136362/21

Eigener Leitsatz:

Nr. 4141 VV ist nicht entsprechend anwendbar, wenn der Verteidiger auf den Erlass eines - vom Angeschuldigten akzeptierten - Strafbefehls hinwirkt und dadurch eine Hauptverhandlung vermieden wird.


Amtsgericht München

845 Ds 235 Js 136362/21

In dem Strafverfahren
gegen pp.

wegen gefährlicher Körperverletzung
erlässt das Amtsgericht München durch die Richterin am Amtsgericht pp. am 20. Oktober 2021 folgenden

Beschluss

Die Erinnerung des Verteidigers Rechtsanwalt pp. vom 03.10.2021 gegen den Festsetzungsbeschluss vom 01.10.2021 wird als unbegründet zurück gewiesen.

Gründe:

Die Voraussetzungen der Festsetzung der Gebühr nach Ziffer 4141 VV-RVG liegen nicht vor und für eine entsprechende Anwendung auf die vorliegende Konstellation ist kein Raum.

1. Unter dem 07.10.2019 erhob die Staatsanwaltschaft München I Anklage gegen den Angeklagten pp. u.a. Mit Beschluss vom 25.02.2020 wurde die Anklage unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen und das Verfahren vor dem Amtsgericht München - Strafrichter eröffnet. Mit Beschluss vom 20.11.2020 wurde dem Angeklagten pp. Rechtsanwalt pp. als Pflichtverteidiger beigeordnet. Am 03.02.2021 fand die Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht München - Strafrichter - statt, Das Verfahren gegen den Angeklagten pp. wurde mit Beschluss vom 03.02.2021 in der laufenden Hauptverhandlung abgetrennt und das Verfahren ausgesetzt. Am 30.05.2021 wurde zwischen Rechtsanwalt pp. und dem Gericht eine Verständigung dahingehend erzielt, dass der Angeklagte pp. einen Strafbefehl mit einer Freiheitsstrafe zu 12 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt werde, akzeptiere-

Daraufhin stellte die Staatsanwaltschaft München I Antrag auf Erlass eines Strafbefehls gegen den Angeklagten pp. gem. § 408a StPO. Am 05.07.2021 erließ das Amtsgericht München einen Strafbefehl gegen den Angeklagten pp.-Gegen den Angeklagten wurde eine Freiheitsstrafe von 11 Monaten verhängt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Der Angeklagte pp. legte keinen Einspruch gegen den Strafbefehl ein, der Strafbefehl ist seit 28.07.2021 rechtskräftig.

Mit Schriftsatz vom 05.08.2021 beantragte Rechtsanwalt lila die Kostenfestsetzung. Dabei machte Rechtsanwalts auch eine Verfahrensgebühr gern. Nr. 4141 VV RVG geltend für die Mitwirkung an einer nicht nur vorläufigen Einstellung des Verfahrens. Zur Begründung führt der Verteidiger aus, durch den Übergang in das Strafbefehlsverfahren habe ein weiterer Hauptverhandlungstermin vermieden werden können. Die Staatsanwaltschaft sei nur deswegen bereit gewesen, einen Strafbefehlsantrag zu stellen, weil der Verteidiger gegenüber dem Gericht zugesagt habe, einen entsprechenden Strafbefehl zu akzeptieren.

Mit Beschluss vom 01.10.2021 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die dem Pflichtverteidiger aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen fest auf 968,66 €. Folgende Absetzung ist erfolgt: die Gebühr Nummer 4141 VV RVG In Höhe von 132,00 €.

2. Der Wortlaut der Ziffer 4141 VV-RVG erfasst den Fall, dass durch die Mitwirkung des Verteidigers eine Hauptverhandlung entbehrlich wird, weil erst durch seine Mitwirkung ein Strafbefehlsantrag, der vom Beschuldigten akzeptiert wird, erwirkt wird, nicht. Entgegen der Auffassung des Verteidigers sind die Gebührentatbestände nach dem W-RVG als abschließend zu verstehen. hierfür spricht der Wortlaut - bei der Ziffer 4141 W-RVG handelt es sich ersichtlich nicht um eine beispielhafte Aufzählung -, sowie Systematik und Sinn und Zweck des Vergütungsverzeichnisses zum RVG. Die Entstehung der Gebühren soll im VV-RVG gerade klar und eindeutig geregelt werden, was sich in den sehr detaillierten Gebührentatbeständen auch zeigt.

Bei Ziff4141 VV-RVG handelt es sich grundsätzlich um eine eng auszulegende Ausnahme (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18.4.2013, 2 Ws 327/12). Die anwaltliche Tätigkeit zur Beratung seines Mandanten, wie er sich - auch prozessual - im Strafverfahren verhalten soll, ist grundsätzlich durch die Grund- und Verfahrensgebühr nach Ziffer 4100 sowie 4106 (für das amtsgerichtliche Verfahren) abgegolten, nur für die Wahrnehmung von Terminen fallen weiter Gebühren an.

Eine analoge Anwendung der Vorschrift auf die vorliegende Konstellation kommt auch nicht in Betracht. Eine planwidrige Regelunglücke besteht nicht (OLG Nürnberg, Beschl. v. 20.05.2009 - 2 Ws 132/09, BeckRS 2009, 20314; LG Kempten, Beschl. v. 02.07.2018 - 3 Qs 99/18, BeckRS 2018, 19303; LG Mannheim, Beschl. v. 07.04.2017 - 6 Qs 9/16, BeckRS 2017, 107375; Stollenwerk in: Schneider/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl. 2021, VV RVG Nr. 4141-4147 Rn. 22, 23; aA Gerold/Schmidt/Burhoff, 25. Aufl. 2021, RVG W 4141 Rn. 22, 23).

Dies zeigt zum einen ein Vergleich mit der für das Ordnungswidrigkeitsverfahren getroffenen Regelung der Mitwirkungshandlung in Nr. 5115 VV RVG. Denn nach Abs. 1 Nr. 5 der Anmerkung zu Nr. 5115 VV RVG werden abweichend zur Abs. 1 Nr. 3 der Anmerkung zu Nummer 4141 VV RVG und abweichend zu der vergleichbaren Regelung in Abs. 1 Nr. 4 der Anmerkung zu Nr. 5115 VV RVG, die jeweils auf eine "endgültige Verfahrensbeendigung abstellen, eine zusätzliche Gebühr auch dann gewährt, wenn der Verteidiger unter Verzicht auf eine Hauptverhandlung eine Entscheidung im Beschlusswege nach § 72 Abs.1 S. 1 OWiG ermöglicht, er also lediglich zu einer Verfahrensvereinfachung beitrage. Hinzu kommt, dass nach Abs. 1 Nr. 3 zu Anmerkung Nr, 5115 VV RVG eine zusätzliche Gebühr dann in Betracht kommt, wenn ein Bußgeldbescheid nach Einspruch von der Verwaltungsbehörde zurückgenommen und gegen einen neuen Bußgeldbescheid kein Einspruch eingelegt wird. Von solchen weiteren Möglichkeiten der Zubilligung einer Gebührenerhöhung bei Verfahrenserleichterung hat der Gesetzgeber für das Strafverfahren jedoch gerade keinen Gebrauch gemacht, obwohl eine vergleichbare Regelung dahingehend, dass eine zusätzliche Gebühr auch dann entsteht, wenn der Angeklagte nach Eröffnung des Hauptverfahrens unter Vermeidung einer (weiteren) Hauptverhandlung einen Strafbefehl dadurch akzeptiert wird, dass er gegen diesen kein Einspruch einlegt, durchaus möglich gewesen wäre (OLG Nürnberg a.a.O.).

Dass der Gesetzgeber nicht beabsichtigte, entsprechende faktische Verständigungen mit der Staatsanwaltschaft über die Beantragung eines Strafbefehls mit einer zusätzlichen Gebühr zu honorieren, zeigt sich auch darin, dass das Vergütungsverzeichnis zum RVG auch ansonsten keinerlei zusätzliche Gebühren für den Verteidiger vorsieht, der an einer Verständigung mitwirkt, obwohl dies gleichfalls für ihn sehr zeitaufwändig sein kann und im Einzelfall - gerade im Hinblick auf die dadurch bedingte Verfahrensverkürzung - gar unbillig erscheinen mag. Auch hier wirkt der Verteidiger bereits im Vorfeld mit, dass eine gerichtliche Entscheidung (wahrscheinlich) akzeptiert und nicht mit einem Rechtsmittel angegriffen wird, ohne dass er dafür eine zusätzliche Gebühr erhält (LG Mannheim a.a.O.).

Die Beschwerde gegen diese Entscheidung wird wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung zugelassen. Dem Gericht ist keine Entscheidung des LG oder OLG zu der vorliegenden Fallkonstellation aus dem hiesigen Gerichtsbezirk bekannt.


Einsender: RA N. Schneider, Neunkirchen

Anmerkung:


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