Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Entscheidungen

Zivilrecht

Abwicklung eines Verkehrsunfalls, einfach gelagerter Fall, Selbstvertretung des Rechtsanwalts

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Berlin-Mitte, Urt. v. 15.03.2023 - 28 C 278/22

Eigener Leitsatz:

1. Die schadensrechtliche Abwicklung eines Verkehrsunfalls, an dem zwei Fahrzeuge beteiligt waren, stellt jedenfalls im Hinblick auf die Schadenshöhe regelmäßig keinen einfach gelagerten Fall dar.
2. Es gibt keinen rechtlichen Gesichtspunkt, der es vertretbar erscheinen ließe, dass der Geschädigte, der selbst Anwalt ist und seinen Schadensfall selbst bearbeitet, den Einsatz seiner beruflichen Arbeitskraft und Kenntnisse zugunsten des Schädigers umsonst leisten müsste.


Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit
pp.

hat das Amtsgericht Mitte durch die Richterin pp. am 15.03.2023 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht erkannt:

1. Das Versäumnisurteil vom 24.11.2022 wird aufrechterhalten.
2. Die Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

Auf die Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO verzichtet, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht statthaft ist.

Der zulässige Einspruch der Beklagten versetzt den Rechtsstreit gemäß § 342 in die Lage zurück, in der er sich vor Eintritt der Säumnis befand. Der Einspruch ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Zwar ist das Versäumnisurteil nicht in rechtmäßiger Weise ergangen, denn die Beklagte war nicht säumig. Dennoch ist das Urteil in der Sache richtig, denn die Beklagte vermag mit ihren Einwänden gegen die Erforderlichkeit der Rechtsanwaltskosten nicht durchzudringen.

Die beklagte Partei hat die Frist zur schriftlichen Klageerwiderung nicht versäumt. Die Klage sowie die Verfügung, mit der das Gericht das vereinfachte Verfahren gemäß § 495a ZPO anordnete und der beklagten Partei eine Frist von zwei Wochen ab Zustellung der Verfügung zur Einreichung einer schriftlichen Klageerwiderung setzte, ist der Beklagten am 8. November 2022 zugegangen. Die Zweiwochenfrist endete mithin am 22. November 2022. An diesem Tage hat die Beklagte einen Antrag Fristverlängerung gestellt, der am gleichen Tage bei Gericht eingegangen ist.
In der Sache hat der Kläger jedoch einen Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 Nr. 1 WG.

Der dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch umfasst grundsätzlich auch den Ersatz der durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen Rechtsverfolgungskosten, § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (NJW 2017, 3588; NJW 2006, 1065; NJW 2005, 1112; BGHZ 127, 348) hat der Schädiger allerdings nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Auch dabei ist gemäß dem Grundsatz der subjektbezogenen Schadensbetrachtung Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten zu nehmen (vgl. NJW 2017, 3527; NJW 2012, 2194; NJW-RR 2007, 856, jew. mwN). An die Voraussetzungen des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs sind keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Es kommt darauf an, wie sich die voraussichtliche Abwicklung des Schadensfalls aus der Sicht des Geschädigten darstellt. Ist die Verantwortlichkeit für den Schaden und damit die Haftung von vornherein nach Grund und Höhe derart klar, dass aus Sicht des Geschädigten kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass der Schädiger (oder dessen Haftpflichtversicherer) ohne Weiteres seiner Ersatzpflicht nachkommen werde, so wird es grundsätzlich nicht erforderlich sein, schon für die erstmalige Geltendmachung des Schadens gegenüber dem Schädiger oder dessen Versicherer einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen (vgl. NJW-RR 2007, 856; NJW 2005, 1112; BGHZ 127, 348). In derart einfach gelagerten Fällen kann der Geschädigte grundsätzlich den Schaden selbst geltend machen, so dass sich die sofortige Einschaltung eines Rechtsanwalts nur unter besonderen Voraussetzungen als erforderlich erweisen kann, etwa wenn der Geschädigte aus Mangel an geschäftlicher Gewandtheit oder sonstigen Gründen wie Krankheit oder Abwesenheit nicht in der Lage ist, den Schaden selbst anzumelden.

Das Gericht teilt aber die Ansicht des BGH, dass die schadensrechtliche Abwicklung eines Verkehrsunfalls, an dem zwei Fahrzeuge beteiligt waren, jedenfalls im Hinblick auf die Schadenshöhe regelmäßig keinen einfach gelagerten Fall darstellt (BGH NJW 2020, 144 Rn. 24 mwN). Dabei wird zu Recht darauf abgestellt, dass bei einem Fahrzeugschaden die rechtliche Beurteilung nahezu jeder Schadensposition in Rechtsprechung und Lehre seit Jahren intensiv und kontrovers diskutiert wird, die umfangreiche, vielschichtige und teilweise uneinheitliche Rechtsprechung hierzu nach wie vor fortentwickelt wird und dementsprechend zwischen den Geschädigten und den in der Regel hoch spezialisierten Rechtsabteilungen der Haftpflichtversicherer nicht selten um einzelne Beträge bis in die letzte Gerichtsinstanz gestritten wird. Bei Unklarheiten im Hinblick jedenfalls auf die Höhe der Ersatzpflicht, wie sie typischerweise bei Fahrzeugschäden nach einem Verkehrsunfall bestehen, darf aber auch und gerade der mit der Schadensabwicklung von Verkehrsunfällen vertraute Geschädigte vernünftige Zweifel daran haben, dass der Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer ohne Weiteres seiner Ersatzpflicht nachkommen wird. Dass der erfahrene Geschädigte durchaus in der Lage sein wird, den Unfallhergang zu schildern und — gegebenenfalls unter Beifügung eines Sachverständigengutachtens — die aus seiner Sicht zu ersetzenden Schadenspositionen zu beziffern, macht den Fall selbst bei Eindeutigkeit des Haftungsgrundes nicht zu einem einfach gelagerten und schließt deshalb die Erforderlichkeit der Beauftragung eines Rechtsanwalts nicht aus. So liegt der Fall hier. Beim Unfall am 15. November 2019 beschädigte das bei der Beklagten versicherte Kfz das Fahrzeug des Klägers.

Dasselbe gilt vor dem Hintergrund, dass der Kläger die Kosten seiner eigenen Beauftragung als Rechtsanwalt geltend macht. § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO ist zwar auf den vorliegenden Fall - jedenfalls unmittelbar - nicht anwendbar. Er regelt einen speziellen Fall der Selbstvertretung des Anwalts, nämlich im Rechtsstreit nach der ZPO, während vorliegend die Geltendmachung von Ersatzansprüchen außerhalb des gerichtlichen Verfahrens in Frage steht. Allerdings ist § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens und könnte damit einer analogen Anwendung fähig sein (so z.B. AG Nürnberg, AnwBI. 71, 59 f.). Auf die Entscheidung dieser Frage kommt es jedoch nicht an, weil sich die Ersatzpflicht bereits aus den allgemeinen Grundsätzen der Schadensersatzpflicht nach §§ 249 ff. BGB ergibt. Es gibt keinen rechtlichen Gesichtspunkt, der es vertretbar erscheinen ließe, dass der Geschädigte, der selbst Anwalt ist und seinen Schadensfall selbst bearbeitet, den Einsatz seiner beruflichen Arbeitskraft und Kenntnisse zugunsten des Schädigers umsonst leisten müsste. Unzweifelhaft könnte er, mit der sicheren Folge der Ersatzpflicht, einen anderen Anwalt mit der Bearbeitung seines Schadensfalles betrauen. Es ist ein gesicherter Grundsatz des Schadensersatzrechtes, dass die besonderen persönlichen Verhältnisse, weder des zum Ersatz Verpflichteten, noch des Geschädigten einen Anspruch auf Ermäßigung des Schadens begründen. So kann der Geschädigte, der selbst in der Lage ist, sein unfallgeschädigtes Kraftfahrzeug selbst zu reparieren, oder der Arzt, der seine Unfallverletzung selbst versieht, gleichwohl Ersatz der Kosten verlangen, die erforderlich wären, um die Leistung durch einen Dritten erbringen zu lassen.

Dem Anspruch des Geschädigten auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ist im Verhältnis zum Schädiger grundsätzlich der Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht. Abzustellen ist dabei auf die letztlich unstreitige Schadenshöhe von 2.583,68 E. Der vom Kläger geltend gemachte Betrag ergibt sich aus einer 1,3-Geschäftsgebühr in Höhe von 261,30 € sowie der Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 E, wobei aufgrund des Zeitpunktes der Beauftragung in eigener Sache der Rechtsstand bis 2020 zugrunde zu legen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. § 344 ZPO war nicht anzuwenden, da das Versäumnisurteil nicht auf gesetzliche Weise ergangen ist und keine abändernde Entscheidung erlassen wird.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11 ZPO. § 709 S. 3 ZPO war nicht anzuwenden, da das aufrecht erhaltende Urteil unter § 708 fällt und es sich bei § 709 S. 3 ZPO um eine ungeschriebene Voraussetzung handelt, dass der Anwendungsbereich von § 709 ZPO eröffnet ist (Ulrici, in: BeckOK ZPO, 47. Edition, § 709 Rn. 11).


Einsender: RA G. Samimi, Berlin

Anmerkung:


zurück zur Übersicht

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".