Gericht / Entscheidungsdatum: LG Trier, Beschl. v. 05.07.2023 - 5 Qs 69/23
Eigener Leitsatz:
Zur Auferlegung der notwendigen Auslagen des Betroffenen auf die Staatskasse, wenn das Bußgeldverfahren wegen Verjährung eingestellt wird.
Beschluss
In dem Bußgeldverfahren
gegen pp.
wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb
geschlossener Ortschaften um 62 km/h
hier: sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung
hat die 5. Strafkammer des Landgerichts Trier am 05.07.2023 beschlossen:
1. Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen vom 22.05.2023 wird der Beschluss des Amtsgerichts Prüm vom 10.05.2023 in Ziffer 2 dahingehend abgeändert, dass die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen zu tragen hat.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit
entstandenen notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt ebenfalls die Staatskasse.
Gründe:
I.
Durch Bußgeldbescheid vom 08.09.2021 (Az.: 15.8508393.0) setzte die Zentrale Bußgeldstelle beim Polizeipräsidium Rheinpfalz gegen den Betroffen wegen der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 62 km/h am 23.07.2021 um 00.18 Uhr auf der Bundesautobahn 60 in der Gemarkung von Winterspelt in Fahrtrichtung Prüm eine Geldbuße in Höhe von 97Q¬€ nebst Gebühren und Auslagen fest. Zudem ordnete sie ein Fahrverbot von zwei Monaten an.
Nach dem der Betroffene hiergegen am 21.09.2021 Einspruch einlegte und die Bußgeldstelle die Akte mit Schreiben vom 11.11.2021 an die Staatsanwaltschaft Trier abgab, legte letztere mit Verfügung vom 29.11.2021 die Akte dem zuständigen Amtsgericht Prüm vor.
Das Amtsgericht stellte das Verfahren mit Beschluss vom 10.05.2023 wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Verfolgungsverjährung als Verfahrenshindernis ein, legte die Kosten des Verfahrens der Staatskasse, die notwendigen Auslagen des Betroffenen jedoch diesem selbst auf.
Der Beschluss wurde dem Betroffenen am 16.05.2023 zugestellt; ein Zustellnachweis an seinen Verteidiger gelangte nicht zur Akte.
Der Einstellung gingen die Aufhebung mehrerer zuvor bestimmter Termine aus unterschiedlichen Gründen als auch das Erheben von Einwänden des Betroffenen über seinen Verteidiger unter anderem gegen die Ordnungsgemäßheit der Messung voraus, wobei er seine Fahrereigenschaft einräumte.
Der Betroffene wendet sich mit der von ihm über seinen Verteidiger erhobenen sofortigen Beschwerde vom 22.05.2023, welche am selben Tag beim Amtsgericht eingegangen ist, gegen die für ihn nachteilige Kostenentscheidung in Bezug auf seine notwendigen Auslagen.
Mit Verfügung vom 01.06.2023 legte das Amtsgericht die Akte der Kammer durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft, die der sofortigen Beschwerde entgegentritt, zur Entscheidung über diese vor. Die Akten sind am 29.06.2023 bei der Kammer eingegangen.
II.
Die statthafte (vgl. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 464 Abs. 3 StPO) sofortige Beschwerde des Betroffenen ist zulässig; sie wahrt insbesondere die Wochenfrist des § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 311 Abs. 2 Hs. 1 StPO.
Sie hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Abänderung des Beschlusses im angegriffenen Umfang. Das Amtsgericht hat dem Betroffenen seine notwendigen Auslagen zu Unrecht auferlegt.
Dies widerspricht dem Grundsatz des § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 467 Abs. 1 StPO, wonach die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse zur Last fallen, soweit das Verfahren gegen ihn eingestellt wird.
Als Ausnahme hiervon kann das Gericht nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO zwar davon absehen, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er wegen einer Ordnungswidrigkeit nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht. Bei Hinwegdenken dieses Verfahrenshindernisses - hier der eingetretenen Verfolgungsverjährung - muss feststehen, dass es mit Sicherheit zu einer Verurteilung gekommen wäre (BGH, NStZ 1995, 406, 407). Als Ausnahmevorschrift ist diese jedoch eng auszulegen (OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.11.2014 - 2 Ss 142/14, BeckRS 2015, 337 Rn. 4 m.w.N.).
Eine solche Schuldspruchreife kann allerdings nur nach vollständig durchgeführter Hauptverhandlung und dem letzten Wort des Betroffenen eintreten (BGH, NJW 1992, 1612, 1613; dem folgend Niesler, in: BeckOK StPO, 47. Edition, Stand: 01.04.2023, StPO § 467 Rn. 11; siehe auch BGH, Beschl. v. 19.06.2008 3 StR 545/07, Rn. 17 juris; LG Neuruppin, Beschl. v. 18.12.2020 - 11 Qs 95/20, Rn. 7 juris).
Selbst wenn man der Gegenansicht folgt, wonach von der Auslagenerstattung durch die Staatskasse bereits zu einem früheren Zeitpunkt abgesehen werden kann, wenn nämlich ein auf die bisherige Beweisaufnahme gestützter erheblicher Tatverdacht besteht und keine Umstände erkennbar sind, die bei Fortführung der Hauptverhandlung die Verdichtung des Tatverdachts zur prozessordnungsgemäßen Feststellung der Tatschuld in Frage stellen würden (so etwa BGH, NStZ 2000, 330, 331; siehe auch die insoweit kritische Anmerkung von Hilger, a.a.O.), führt dies im vorliegenden Fall zu keiner anderen Beurteilung, da eine Hauptverhandlung nebst Beweisaufnahme vorliegend noch nicht einmal begonnen wurde.
Im Ergebnis hat daher die Staatskasse nach beiden Ansichten neben den Kosten des Verfahrens auch die notwendigen Auslagen des Betroffenen zu tragen.
Die Kostenentscheidung folgt aus der analogen Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.
Einsender: RA D. Anger, Bergisch-Gladbach
Anmerkung:
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