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Entscheidungen

Gebühren

Gutachten RAK, Erstattungsfähigkeit, Kosten

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Brandenburg, Beschl. v. 26.06.2023 – 1 Ws 12/23 (S)

Eigener Leitsatz:

Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 14 Abs. 3 Satz 1 RVG und dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf zur Einführung des RVG – BT-Drucks 15/1971, Seite 234) beschränkt sich die Anwendbarkeit der vorgenannten Vorschrift auf die Fälle der Einholung eines Gutachtens der Rechtsanwaltskammer durch das Gericht in einem Rechtsstreit über die Höhe der Rahmengebühr zwischen Rechtsanwalt und Mandant. Damit sind die Anwendungsfälle auf Zivilstreitigkeiten zwischen Rechtsanwalt und Mandanten beschränkt. Fälle der Heranziehung durch die Staatsanwaltschaft oder durch die Strafgerichte sind unabhängig von § 73 Abs. 2 Nr. 8 BRAO davon nicht erfasst.


In pp.

Die Beschwerde der Bezirksrevisorin des Landgerichts („Ort 01“) gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 7. kleinen Strafkammer des Landgerichts („Ort 01“) wird als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Im vorliegenden Strafverfahren, das gegen den ehemaligen Angeklagten wegen versuchter Gebührenüberhöhung u.a. geführt worden war, bat die Staatsanwaltschaft Potsdam noch vor Anklageerhebung die Rechtsanwaltskammer des Landes B. um eine gutachterliche Stellungnahme zu folgenden Fragen:

„Den Vortrag des Beschuldigten im zivilrechtlichen Verfahren als zutreffend unterstellt: Wie ist die Leistung des Beschuldigten einzustufen (Beratungstätigkeit i.S.v. § 34 Abs. 1 RVG)? Oder?

Können anhand des zeitl. Ablaufs bzw. des feststehenden Sachverhalts Anknüpfungstatsachen benannt werden, anhand derer dem Beschuldigten nachzuweisen ist, dass er wusste, dass es sich bei der Beratung zur Scheidungsfolgevereinbarung um dieselbe Angelegenheit i.S.v. § 16 Ziff. 4 RVG gehandelt hat und er diese nicht als neue Angelegenheit i.S.v. § 17 RVG werten konnte?

Unter Annahme, der Beschuldigte sei irrtümlich davon ausgegangen, es habe sich bei der Beratung um eine neue Angelegenheit i.S.v. § 17 RVG gehandelt: Hat der Beschuldigte die von ihm erbrachte Leistung in der Kostennote vom 10.11.2018 (BI. 24 d.A.) – insbesondere hinsichtlich der in Rechnung gestellten Geschäftsgebühr VV RVG 2400 – 1,0 – insoweit zutreffend in Rechnung gestellt? Auf die diesbezüglichen Ausführungen im zivilrechtlichen Urteil wird ausdrücklich verwiesen.“

Als Vorstandsmitglied der Rechtsanwaltskammer des Landes B. erstattete die Rechtsanwältin („Name 01“) unter dem 03. März 2020 eine Stellungnahme gemäß § 73 Abs. 2 Ziffer 8 BRAO.

In Folge beantragte die Staatsanwaltschaft Potsdam unter dem 25. Mai 2021 beim Amtsgericht („Ort 02“) den Erlass eines Strafbefehls gegen den ehemaligen Angeklagten wegen versuchter Gebührenüberhöhung und Beleidigung, der am 15. Juni 2020 erlassen wurde. Als Sachverständige wurde Rechtsanwältin („Name 01“) benannt.

Nachdem der ehemalige Angeklagte fristgerecht Einspruch eingelegt hatte, beraumte das Amtsgericht Hauptverhandlung an und lud die Rechtsanwältin als Sachverständige. Im Hauptverhandlungstermin erstattete diese vor dem Amtsgericht am 07. Juli 2021 ihr Gutachten, wobei sich die Rechtsanwältin nicht nur zur Höhe der geforderten Vergütung, sondern auch unter Würdigung der Zeugenaussagen zum Zustandekommen eines Beratungsvertrages äußerte.

Der ehemalige Angeklagte wurde schließlich zu einer Geldstrafe verurteilt. Für ihre Teilnahme an der Hauptverhandlung wurde die Rechtsanwältin mit 736,68 Euro entschädigt.

Nachdem der ehemalige Angeklagte gegen das Urteil Berufung eingelegt hatte, wurde die Rechtsanwältin zur Berufungshauptverhandlung am 07. April 2022 ebenfalls als Sachverständige geladen. Der ehemalige Angeklagte wurde im Ergebnis der Hauptverhandlung freigesprochen. Die Rechtsanwältin macht hier ein Honorar und Fahrtkosten in Höhe von insgesamt 947,76 Euro geltend (acht Stunden zu je 105,- Euro sowie Fahrtkosten in Höhe von insgesamt 107,76 Euro). Der Beleg über die Auszahlung von Sachverständigen-, Dolmetscher- u. Übersetzungsvergütung wurde von der Vorsitzenden mit dem Vermerk unterzeichnet, dass die Sachverständige bestimmungsgemäß zu vergüten sei und die getätigten Angaben zuträfen.

Die Anweisungsbeamtin des Landgerichts („Ort 01“) hat die Sache zwecks Prüfung eines Erstattungsanspruchs an die Bezirksrevisorin übersandt. Diese erachtet eine Erstattungsfähigkeit als nicht gegeben, weil die Rechtsanwaltskammer kraft Gesetzes verpflichtet sei, (Gebühren-) Gutachten bzw. Stellungnahmen zu erstellen (§ 73 Abs. 2 Nr. 8, § 177 Abs. 2 Nr. 5 BRAO). Diese Gutachten/Stellungnahmen (im Rahmen von § 3a RVG bzw. § 14 RVG) stellten keine Heranziehung zu Beweiszwecken dar und seien daher nicht nach dem JVEG zu entschädigen.

Mit Beschluss vom 20. Dezember 2022 entschied der Vorsitzende der Berufungskammer des Landgerichts („Ort 01“), dass die Rechtsanwältin antragsgemäß zu vergüten sei.

Die Rechtsanwältin habe diesen Vergütungs- und Entschädigungsanspruch, weil sie als Sachverständige in einem Strafverfahren zu Beweiszwecken herangezogen worden sei (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 JVEG). Sie verliere diesen Anspruch nicht deshalb, weil sie Vorstandsmitglied der Rechtsanwaltskammer des Landes B. sei. Zwar würden § 14 Abs. 3 RVG und § 12 Abs. 2 BRAGebO regeln, dass bei Rechtsstreiten über Rahmengebühren Gutachten von der Rechtsanwaltskammer kostenlos zu erstatten seien, doch handele es sich hier um einen anderen Sachverhalt. Gegenstand der Beweisaufnahme, bei der die Rechtsanwältin offenbar als Sachverständige für anwaltliches Gebührenrecht herangezogen worden sei, sei im Wesentlichen die Frage gewesen, ob Rechtsanwaltsgebühren dem Grunde nach entstanden waren.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Bezirksrevisorin vom 09. Januar 2023, der der Vorsitzende der Berufungskammer mit Beschluss vom 17. Januar 2023 nicht abgeholfen hat.

II.

Die Beschwerde der Bezirksrevisorin erweist sich als unbegründet.

Bei der Heranziehung der Rechtsanwältin („Name 01“) im Termin der Hauptverhandlung des Landgerichts („Ort 01“) vom 07. April 2022 handelt es sich nicht um eine gutachtliche Leistung der Rechtsanwaltskammer im Sinne von § 14 Abs. 3 RVG, denn nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes (§ 14 Abs. 3 Satz 1 RVG) und dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf zur Einführung des RVG – BT-Drucks 15/1971, Seite 234) beschränkt sich die Anwendbarkeit der vorgenannten Vorschrift auf die Fälle der Einholung eines Gutachtens der Rechtsanwaltskammer durch das Gericht in einem Rechtsstreit über die Höhe der Rahmengebühr zwischen Rechtsanwalt und Mandant. Damit sind die Anwendungsfälle auf Zivilstreitigkeiten zwischen Rechtsanwalt und Mandanten beschränkt. Fälle der Heranziehung durch die Staatsanwaltschaft oder durch die Strafgerichte sind unabhängig von § 73 Abs. 2 Nr. 8 BRAO davon nicht erfasst.

Da Kostenrecht einer Auslegung nicht zugänglich ist, scheidet eine entsprechende Anwendung der Vorschrift des § 14 Abs. 3 RVG und insbesondere des dortigen Satzes 2 auf gutachterliche Leistungen, die durch die Heranziehung der Staatsanwaltschaft oder der Strafgerichte erfolgen, aus.

Darüber hinaus kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass im Hauptverhandlungstermin des Berufungsgerichts von der Rechtsanwältin (nur) ein Gebührengutachten im materiell rechtlichen Sinne von § 14 Abs. 3 RVG erstattet wurde.

Zwar lässt sich den Urteilsgründen des freisprechenden Urteils lediglich entnehmen, dass die Rechtsanwältin die vom ehemaligen Angeklagten erstellte Kostennote geprüft und als nicht zu beanstanden bewertet habe. Zum Zeitpunkt der Ladung der Rechtsanwältin als Sachverständige durch die Vorsitzende der Berufungskammer stand aber das gesamte erstinstanzliche Urteil zur Überprüfung an, mithin auch die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang ein kostenpflichtiger Vertrag dem Grunde nach zustande gekommen war. Denn diese Frage war auch Gegenstand der schriftlichen gutachterlichen Stellungnahme vom 03. März 2020. Vorliegend diente das Gutachten hiernach auch der Klärung streitiger Tatsachen und ging über eine amtliche Äußerung der Rechtsanwaltskammer zur Gebührenhöhe deutlich hinaus.

Eine Beschränkung des Beweisthemas allein auf die Höhe der geltend gemachten und ggf. berechtigten Gebühren hat die Vorsitzende bei der Verfügung der Ladung der Rechtsanwältin als Sachverständige nicht vorgenommen und folgerichtig auf dem Beleg über die Auszahlung von Sachverständigen-, Dolmetscher- und Übersetzungsvergütung angeordnet, dass die Sachverständige bestimmungsgemäß zu vergüten sei.

Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem, der dem Beschluss des LG Baden-Baden vom 12. Januar 20002 -1 AR 24/00 – zugrunde lag, bei dem es ausschließlich um die Erstattung eines von der Staatsanwaltschaft beauftragten schriftlichen Gebührengutachtens und nicht um eine Beweisaufnahme im Rahmen einer gerichtlichen Hauptverhandlung ging.

Die von der Rechtsanwältin erbrachte „sonstige“ gutachtliche Leistung ist mithin vergütungsfähig nach den Vorschriften des JVEG, denn erfolgt die Gutachtenerstellung nach der Allgemeinvorschrift des § 73 Abs. 2 Nr. 8 BRAO, ist die Kostenfreiheit nicht gewährleistet (vgl. N. Schneider in: Schneider/Volpert, AnwK RVG, § 14 Rahmengebühren, Rn. 151)

Die Höhe der geltend gemachten Gebühren ist nicht zu beanstanden.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil das Verfahren gebührenfrei ist und Kosten nicht erstattet werden (§ 4 Abs. 8 JVEG).


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Anmerkung:


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