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Entscheidungen

Gebühren/Kosten/Auslagen

Strafverfahren, Rahmengebühr, Mittelgebühr, Pflichtverteidiger

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Magdeburg, Beschl. v. 24.08.2023 – 25 Qs 273 Js 5753/22 (49/23)

Eigener Leitsatz:

Das Vorliegen der Voraussetzungen der notwendigen Verteidigung und der Beiordnung als Pflichtverteidiger begründen im Erstattungsfall nicht die Festsetzung der Gebühren mindestens in Höhe der Mittelgebühr.


In pp.

Die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts A. vom 23. Februar 2023 – Az.: 2 Ds 273 Js 5753/22 (5753/22) –, mit dem der Vergütungsantrag des Rechtsanwalts P. M2. vom 22. Dezember 2022 zurückgewiesen worden ist, wird als unbegründet auf seine Kosten verworfen.

Gründe

I.

Dem Beschwerdeführer wurde mit der zum Strafrichter des Amtsgerichts A. erhobenen Anklageschrift der Staatsanwaltschaft M. vom 8. Juni 2022 vorgeworfen, im Juni 2021 in E. einen Betrug zum Nachteil der G. GmbH in W. in Höhe von 420,85 Euro begangen zu haben. In der Hauptverhandlung wurde Rechtsanwalt M2. als Pflichtverteidiger beigeordnet. Der konkrete Beiordnungsgrund lässt sich jedoch den Akten nicht entnehmen. Von dem Betrugsvorwurf wurde der Angeklagte mit Urteil des Amtsgerichts A. vom 8. September 2022 freigesprochen. Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten wurden der Landeskasse auferlegt.

Unter Beifügung einer Abtretungserklärung beantragte der Verteidiger des Beschwerdeführers, seine Gebühren und Auslagen abzüglich bereits erhaltener Pflichtverteidigergebühren in Höhe von 283,22 Euro gegen die Landeskasse festzusetzen. Er machte hierbei eine Grundgebühr für Verteidiger gemäß Nr. 4100 VV RVG in Höhe von 220,00 Euro, eine Verfahrensgebühr für das Ermittlungsverfahren gemäß Nr. 4104 VV RVG in Höhe von 181,50 Euro, eine Verfahrensgebühr für den 1. Rechtszug vor dem Amtsgericht gemäß Nr. 4106 VV RVG in Höhe von 181,50 Euro, eine Terminsgebühr für Hauptverhandlungen vor dem Amtsgericht am 18. August 2022 und 8. September 2022 jeweils in Höhe von 302,50 Euro gemäß Nr. 4108 VV RVG, Reisekosten in Höhe von 26,04 Euro, Tage- und Abwesenheitsgelder in Höhe von 30,00 Euro und 21,84 Euro, die Pauschale für Post und Telekommunikation in Höhe von 40,00 Euro, eine weitere Dokumentenpauschale für Kopien in Höhe von 31,30 Euro sowie die entrichtete Pauschale für Akteneinsicht in Höhe von 12,00 Euro geltend. Zzgl. Mehrwertsteuer ergab sich hieraus ein Betrag von 1.638,94 Euro von dem er bereits erhaltene Pflichtverteidigergebühren in Höhe von 1.355,72 Euro abzog, sodass ein zu erstattender Betrag von 283,22 Euro verblieb.

Am 23. Januar 2023 nahm die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht zu dem Kostenfestsetzungsantrag vom 22. Dezember 2022 Stellung.

Hinsichtlich der Grundgebühr in Höhe von 220,00 Euro, der Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4106 VV RVG in Höhe von 181,50 Euro und der Reisekosten in Höhe von 26,04 Euro, der Abwesenheitsgelder in Höhe von zweimal 30,00 Euro und 21,84 Euro und der geltend gemachten Pauschalen für Kopien und Akteneinsicht in Höhe von 31,30 Euro und 12,00 Euro wurden Einwendungen nicht erhoben. Einwände wurden jedoch gegen die Geltendmachung der Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4104 VV RVG in Höhe von 181,50 Euro und gegen die beiden geltend gemachten Terminsgebühren in Höhe von zweimal 302,50 Euro erhoben.

Die Einwände hinsichtlich der Verfahrensgebühr begründete die Bezirksrevisorin im Wesentlichen damit, dass diese Gebühr die gesamte anwaltliche Tätigkeit im vorbereitenden Ermittlungsverfahren abdecke, soweit sie nicht durch die Grundgebühr und eine etwaige Terminsgebühr abgegolten würden. Zu den Tätigkeiten, die bereits durch die Grundgebühr abgedeckt seien, gehörten u.a. Vertretungsanzeige, Akteneinsicht und vermutetes Erstgespräch. Eine darüber hinaus entfaltete Tätigkeit des Verteidigers im Ermittlungsverfahren sei nicht ersichtlich, sodass die anwaltliche Tätigkeit für diesen Verfahrensabschnitt als weit unterdurchschnittlich anzusehen sei.

Hinsichtlich der Terminsgebühr führte die Bezirksrevisorin aus, dass hierfür vorrangig die Tätigkeit in der Hauptverhandlung maßgeblich sei. Somit bestimme insbesondere der Umfang der Hauptverhandlung die Höhe der Terminsgebühr. Der übrige Umfang des Verfahrens sei hingegen unbeachtlich. Umfang und Schwierigkeitsgrad seien für den Termin am 18. August 2022 bei einer Verhandlungsdauer von 25 Minuten ohne Vernehmung von Zeugen nur als unterdurchschnittlich und für den Termin am 8. September 2022 bei einer Verhandlungsdauer von 34 Minuten (davon 6 Minuten Wartezeit) sowie der Vernehmung von einem Zeugen nur als leicht unterdurchschnittlich anzusehen. Weitere Erhöhungsindizien seien nicht erkennbar.

Nach Abwägung der zu berücksichtigenden Umstände des § 14 RVG halte sie daher eine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4104 VV RVG in Höhe von 91,00 Euro, eine Terminsgebühr für den 18. August 2022 von 185,00 Euro und für den 8. September 2022 von 227,00 Euro für angemessen. Unter Anrechnung der gezahlten Pflichtverteidigervergütung von 1.355,72 Euro ergebe sich daher kein darüber hinaus zu erstattender Betrag.

Unter Bezugnahme auf die Stellungnahme der Bezirksrevisorin wies der Rechtspfleger des Amtsgerichts A. daher die Festsetzung weiterer Gebühren gegen die Landeskasse zurück.

Nach Erlass des Beschlusses ging eine Stellungnahme des Verteidigers des ehemals Angeklagten vom 27. Februar 2023 bei Gericht ein. Hierin berief sich der Verteidiger im Wesentlichen darauf, dass allein der Umstand, dass er als notwendiger Verteidiger beigeordnet worden sei, eine Festsetzung einer Vergütung mindestens in Höhe der Pflichtverteidigergebühren rechtfertige. Die von der Bezirksrevisorin in ihrem Schreiben nicht konkret begründeten darunterliegenden Beträge seien willkürlich bestimmt worden. Das Verfahren sei insgesamt als durchschnittlich anzusehen, sodass die Mittelgebühr berechtigt und begründet sei.

Der Beschluss wurde dem Verteidiger ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 6. März 2023 zugestellt. Hiergegen legte er mit Schriftsatz vom 15. März 2023, eingegangen bei Gericht am selben Tage, sofortige Beschwerde ein und bezog sich zur Begründung auf seine bereits vorliegende Stellungnahme vom 27. Februar 2023.

Die Bezirksrevisorin, die zur sofortigen Beschwerde vom 15. März 2023 angehört wurde, bezog sich vollumfänglich auf ihre bereits vorliegende Stellungnahme vom 23. Januar 2023 und führte hinsichtlich der Terminsgebühren ergänzend aus, dass für die Bemessung der Terminsgebühr vorrangig tatsächlich der Umfang der Hauptverhandlung maßgeblich sei. Nur wenn weitere Bemessungskriterien nach Nr. 14 RVG überdurchschnittlich seien und für die Hauptverhandlung ein überdurchschnittlicher Vorbereitungsaufwand erbracht worden sei, falle die Dauer weniger schwerwiegend ins Gewicht. Diesbezüglich sei jedoch nichts vorgetragen worden.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers ist unbegründet. Zu Recht hat das Amtsgericht A. mit dem angefochtenen Beschluss die weitere Festsetzung aus der Landeskasse zu erstattender Gebühren über die bereits gezahlte Pflichtverteidigergebühr hinaus zurückgewiesen. Die Kammer schließt sich insoweit nach eigener Würdigung den Stellungnahmen der Bezirksrevisorin vom 23. Januar 2023 und 30. März 2023 an.

Auch die Ausführungen des Verteidigers in seinem Schriftsatz vom 27. Februar 2023, die er zum Gegenstand seiner Beschwerdebegründung gemacht hat, entkräften nicht die zutreffenden Ausführungen der Bezirksrevisorin, auf denen der angefochtene Beschluss beruht. Der Einwand des Verteidigers, dass das Vorliegen eines Falles der notwendigen Verteidigung und seine Beiordnung als Pflichtverteidiger die Festsetzung einer Mittelgebühr begründeten, geht fehl.

Aus der gesetzgeberischen Regelung, die unterschiedliche Festsetzungsgrundlagen hinsichtlich der Pflichtverteidigergebühren und der Wahlverteidigergebühr vorsieht, lässt sich nicht entnehmen, dass jegliche Beiordnung eines Pflichtverteidigers pauschal und ohne Prüfung im Einzelfall die Festsetzung einer Mittelgebühr bei allen Gebührentatbeständen für Wahlverteidiger begründet. Die entsprechende Anlage zum RVG sieht zum einen die Rahmengebühren für Wahlverteidigergebühren unabhängig neben dem jeweiligen Festbetrag für Pflichtverteidigergebühren vor. Eine gesetzgeberische Intention, dass die Pflichtverteidigergebühr, die 80% der Mittelgebühr für Wahlverteidiger beträgt, einen generellen Maßstab für die Festsetzung von Wahlverteidigergebühren darstellt, lässt sich den Regelungen des RVG daher gerade nicht entnehmen.

Darüber hinaus sind die gesetzlichen Kriterien, die zur Beiordnung von Pflichtverteidigern führen, nicht pauschal gleichzusetzen mit den in § 14 RVG zu berücksichtigen Kriterien im Rahmen der Festsetzung von Wahlverteidigergebühren. Neben der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sind unter anderem der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Angelegenheit für den Mandanten sowie seine finanziellen Verhältnisse zu berücksichtigen. Zwischen diesen Kriterien und den Beiordnungsgründen gemäß § 140 Abs.1 und Abs. 2 StPO besteht jedoch weitestgehend keine Identität. So besagt etwa der Beiordnungsgrund der Inhaftierung (§ 140 Abs.1 Ziffer 5 StPO) des Mandanten nichts zum Schwierigkeitsgrad der anwaltlichen Tätigkeit und auch der Beiordnungsgrund der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage kann lediglich neben anderen Kriterien gegebenenfalls im Einzelfall indizielle Bedeutung bei der Bemessung haben. Die finanziellen Verhältnisse des Mandanten hingegen sind für die Prüfung der Beiordnungsgründe gemäß § 140 StPO nicht relevant, sie sind aber gemäß § 14 RVG bei der Bemessung innerhalb der Rahmengebühr zu berücksichtigen.

§ 52 Abs. 2 RVG, der eine Regelung hinsichtlich der Geltendmachung von Wahlverteidigergebühren neben Pflichtverteidigergebühren enthält, zeigt ebenfalls, dass der Gesetzgeber in der Beiordnung eines Pflichtverteidigers keinen Grund sieht, hinsichtlich aller Rahmengebühren für den Wahlverteidiger generell ohne Prüfung des Einzelfalls von der Angemessenheit der Mittelgebühr auszugehen. Prinzipiell ist danach die zusätzliche Geltendmachung von Wahlverteidigergebühren auf den Umfang des Anspruches des Beschuldigten/Betroffenen gegen die Staatskasse beschränkt. Eine Regelung, dass bei Bestellung eines Pflichtverteidigers, der freigesprochene Angeklagte/Betroffene mindestens einen Erstattungsanspruch in Höhe der Mittelgebühr gegen die Staatskasse hat, enthält diese Vorschrift gerade nicht.

Darüber hinaus ist festzustellen, dass der Anwalt jedenfalls nicht schlechter gestellt wurde als ein Pflichtverteidiger, da ihm die vollständigen Pflichtverteidigergebühren erhalten geblieben sind und lediglich eine darüber hinaus gehende Festsetzung abgelehnt worden ist. Insofern geht der Hinweis darauf, dass mindestens die Pflichtverteidigergebühren festzusetzen seien, ins Leere.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 StPO.


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