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Entscheidungen

Zivilrecht

Winter, Verkehrssicherungspflicht, Eisfläche, Glätte, voraussehbare Gefahr

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Dessau-Roßlau, Urt. v. 11.08.2023 – 4 O 477/22

Leitsatz des Gerichts:

Wird ein Unfallgeschehen durch eine Eisfläche verursacht, welche von einer der Dachentwässerung dienenden Regenrinne stammt, liegt dann eine außergewöhnliche, nicht voraussehbare Gefahr vor, wenn die Bildung des Wassers nicht auf dem Einsetzen von Tauwetter sondern auf der individuellen Heizsituation des Hauses beruht. Ohne weitere, auf das entsprechende Risiko weisende Anhaltspunkte kommt eine Haftung wegen einer Verkehrssicherungspflichtverletzung nicht in Betracht.


In pp.

1. Die Kläger wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar;

und beschlossen:
Der Streitwert wird auf 16.849,72 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung des Landes S.-A. aus übergegangenem Recht nach einem Unfallereignis am 09.02.2021 auf Schadensersatz in Anspruch.

Infolge eines Sturzes zog sich der Bedienstete der Klägerin, Herr G. K. eine Fußgelenksverletzung links zu, welche ausweislich der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Anlage K 4 Bl. 19 der Akten) zu einer Arbeits- bzw. Dienstunfähigkeit vom 10.02.2021 bis 16.04.2021 führte. Für die Zeit der Dienstunfähigkeit leistete die Klägerin an Herrn K. Zahlungen in Höhe von 16.849,72 €. Wegen der Zusammensetzung im Einzelnen wird auf Bl. 3 der Klageschrift nebst den dort in Bezug genommenen Anlagen verwiesen. Mit Schreiben vom 30.11.2021 (Anlage K 13; Bl. 39 der Akten) forderte die Klägerin den Beklagten zum Ausgleich auf. Der Beklagte ließ den Anspruch zurückweisen. Die Klägerin trägt vor, am 09.02.2021 gegen 19:00 Uhr sei der bei der Klägerin tätige Angestellte G. K. auf dem linksseitigen Gehweg der E.-W.-Straße in D.-R. in Richtung Sportplatz J.-S.-Straße gelaufen. In Höhe der Hausnummer # sei er auf Glatteis mit dem linken Fuß ausgerutscht und gestürzt. Das Glatteis sei von einer dünnen Schneeschicht verdeckt und deshalb nicht erkennbar gewesen. Die Eisfläche habe sich auf Höhe einer auf den Gehweg einmündenden Dachentwässerung befunden und sich trichterförmig über die gesamte Breite des Gehweges erstreckt. Am Rande des Gehweges zur Straße hin habe sich hoch aufgetürmter Schnee befunden. Streumaterial sei im gesamten Bereich des Gehweges des Hausgrundstückes Nr. # zum Unfallzeitpunkt nicht vorhanden gewesen. Wegen der Unfallörtlichkeit wird auf die Anlage K 1 (Bl. 5-7 der Akten) Bezug genommen. Ausweislich des Gutachtens des Deutschen Wetterdienstes vom 08.06.2021 (Anlage K 2; Bl. 8 der Akten) hätten zum Unfallzeitpunkt an der Unfallstelle die meteorologischen Voraussetzungen für das Auftreten von Schnee- und Eisglätte vorgelegen. Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte sei den in der Satzung über den Winterdienst in der Stadt D.-R. (Anlage K 12; Bl. 29 d.A.) geregelten Räum- und Streupflichten nicht nachgekommen. Das Dach des Hauses Nr. # sei aufgrund der vorhergehenden Schneefälle mit Schnee bedeckt gewesen. Durch die vom Dach ausgehende Wärme könne Schmelzwasser gebildet worden sein, das durch das Regenrinnenfallrohr auf den Gehweg geflossen und dort aufgrund der herrschenden Minustemperaturen gefroren sei. Insoweit hätte der Beklagte im Rahmen des Winterdienstes die Bildung einer Eisschicht in Ausübung gesteigerter Kontroll- und Beseitigungspflichtigen zu unterbinden gehabt. Auch könne sich der Beklagte nicht auf die Übertragung seiner Winterdienstpflichten berufen, weil die hierfür in § 4 Abs. 4 Winterdienstsatzung geregelten Voraussetzungen nicht gegeben seien.

Die Klägerin beantragt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 16.849,72 € zzgl. 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 17. 06. 2022 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 1.214,99 € zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bestreitet das Unfallereignis mit Nichtwissen. Auch treffe nicht zu, dass zum Unfallzeitpunkt Glatteis mit einer dünnen Schneeschicht vorhanden gewesen sei. Streumaterial sei verwendet worden. Der Beklagte habe Frau M. K. mit dem Winterdienst, insbesondere mit dem Schneeräumen und der Abstumpfung des Gehweges beauftragt. Frau K. und ihr Ehemann seien am 07., 08. und 09 02. 2021 zur Durchführung des Winterdienstes vor Ort gewesen. Der Gehweg sei mit einer Breite von mindestens 1,5 m von Schnee und Eis geräumt und durchgängig mit Split abgestumpft worden. In dem entsprechenden Bereich habe sich daher zum Unfallzeitpunkt weder Schnee, noch Eis noch eine dünne Schneeschicht auf Eis befunden. Den ganzen Tag habe es in M. nur noch in geringen Mengen geschneit. Die Eheleute K. seien schon seit mehreren Jahren von dem Beklagten mit Arbeiten am Haus und dem Winterdienst beauftragt. Sie hätten sich stets als zuverlässig erwiesen. Der Beklagte habe die Arbeiten während des Wintereinbruch auch im Februar 2021 mehrfach kontrolliert; Beanstandungen hätten sich nicht ergeben. Am Unfalltag seien Temperaturen von -7,8° nicht überschritten worden; Tauwasser sei somit nicht zu befürchten gewesen.

Wegen der gegenteiligen Behauptungen der Parteien hat das Gericht Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen E. K., M. K. und G. K.. Wegen der Einzelheiten der Vernehmung wird auf die Protokolle über die mündliche Verhandlung vom 10.03.2023 und vom 07.07.2023 Bl. 87 ff. und Bl. 109 ff. der Akten Bezug genommen. Wegen des Parteienvorbringens im Übrigen wird auf die gegenseitig gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

Ein schadensersatzbegründender Verstoß gegen die dem Beklagten als Eigentümer des Grundstückes E.-W.-Straße # obliegende Verkehrssicherungspflicht nach § 823 Abs.1 BGB in Verbindung mit der Winterdienstsatzung der Stadt-D. R. kann nicht festgestellt werden.

Die Räum- und Streupflicht beruht auf der Verantwortlichkeit durch die Verkehrseröffnung und setzt deutliche Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahrenlage voraus. Bei öffentlichen Wegen obliegt die Pflicht regelmäßig der Gemeinde im Zusammenhang mit der Wegebaupflicht. Anlieger haften nur, soweit die Pflicht auf sie übertragen wurde oder sie eine eigenständige Gefahrenquelle geschaffen haben. Inhalt und Umfang der Verkehrssicherungspflicht richten sich nach den Umständen des Einzelfalles. Maßgebend ist, was zur Sicherung des Verkehrs, dem die jeweilige Einrichtung dient, erforderlich und bezogen auf die einzelnen Maßnahmen dem Pflichtigen unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse, etwa der Gefährlichkeit des Weges, dessen Art und Wichtigkeit, Stärke des Verkehrs, Art der Nutzer, und der Leistungsfähigkeit des Pflichtigen zumutbar ist (Grüneberg, BGB, 82.A. 2023, § 823 Rn. 209 ff.). Im vorliegenden Falle ergibt sich der Inhalt der Verkehrssicherungspflicht aus der Winterdienstsatzung der Stadt D.-R. (Anlage K 12, Bl. 29 d.A.). Danach war der Winterdienst im Unfallbereich E.-W.-Straße # gemäß § 4 Abs.1 für Gehwege auf die Eigentümer der anliegenden Grundstücke übertragen. Nach § 2 Abs. 1 der Winterdienstsatzung umfasst der Winterdienst die Räumung von Schnee und das Bestreuen der Gehwege bei Winterglätte. Dabei genügt es, auf Gehwegen einen ca. 1,5 m breiten Streifen freizuhalten. Bei Auftreten der Winterglätte sind für Gehwege abstumpfende Mittel zu verwenden. Nach § 2 Abs. 2 der Satzung ist der in der Zeit von 7:00 Uhr bis 20:00 Uhr gefallene Schnee und entstandene Glätte unverzüglich nach Beendigung des Schneefalls bzw. nach dem Entstehen der Glätte zu beseitigen. Nach 20:00 Uhr gefallener Schnee und entstandene Glätte sind werktags bis 7:00 Uhr zu beseitigen. Im vorliegenden Falle hat der Beklagte geltend gemacht, seine Winterdienst-Pflichten auf das Ehepaar K. übertragen zu haben. Eine wirksame Übertragung in diesem Sinne scheitert zunächst nicht an dem Umstand, dass nach § 4 Abs. 4 der Winterdienstsatzung ein Dritter die Winterdienstpflichten nur durch schriftliche Erklärung gegenüber der Stadt und mit deren Zustimmung übernehmen kann. Eine derartige Konstellation hätte lediglich zur Folge, dass der übernehmende Dritte dem Geschädigten unmittelbar haftet. Sofern - wie im vorliegenden Falle - die Verantwortlichkeit für den Winterdienst bei dem Beklagten verbleibt, hat er die Möglichkeit, die Ausübung des Dienstes auf Hilfspersonen zu übertragen. Eine derartige Übertragung bedarf klarer Absprachen, welche die zuverlässige Sicherung der Gefahrenquelle zum Gegenstand hat. Der Übertragende muss sich vergewissern, dass der Übernehmende bereit und in der Lage ist, die Pflichten zu erfüllen, welche nach Art und Umfang der Gefahrenquelle auftreten können. Die Verkehrssicherungspflicht des Abgebenden bzw. Delegierenden verengt sich in diesem Falle nunmehr auf Kontroll- und Überwachungspflichten (vgl. Grüneberg, BGB 82. Aufl. 2023 § 823 Rn. 50).

Nach Vernehmung des Zeugen G. K. ist zunächst davon auszugehen, dass das Unfallgeschehen am 09.02.2021 - wie von der Klägerin behauptet - stattgefunden hat.

Der Zeuge hat ausgeführt: „Wenn ich zum Unfallhergang befragt werde, so ist es so, dass ich selber Anlieger der E.-W.-Straße bin. Ich bin um ca. 19:00 Uhr von Zuhause aufgebrochen um von einem naheliegenden … Restaurant eine Pizza abzuholen. … Es war auch ein Winter, in dem es extrem viel Schnee gab. Es war dann auch so, dass wir alle den Schnee von den Fußwegen gar nicht mehr herunterbekommen haben und eigentlich konnte man auf der Schneedecke relativ gut laufen. Es muss dann so gewesen sein, dass sich auf dem Schnee eine Eisdecke gebildet hatte, durch die auf dem Haus befindliche Dachentwässerung. Diese war als solche nicht zu erkennen, da darauf wieder so eine Art Schneegriesel gefallen war, sodass die Eisfläche als solche nicht aufgefallen war. Es ist schon so, dass es um diese Tageszeit dunkel war, die Stelle war auch nicht direkt beleuchtet, vielmehr befand sich die Leuchte gegenüber. Allerdings war es so, dass durch den schneeweißen Belag alles relativ hell war. … Ich kam auf der Eisfläche zu Sturz. Es war ein sehr schwerer Sturz, an dessen Folgen ich heute noch zu leiden habe. Es ist einfach so, dass ich auf der Eisfläche weggerutscht bin, es gab auch keine Möglichkeit mich festzuhalten. Der Schnee war eigentlich nicht das Problem. … Ich denke, dass die völlig unvorhergesehene Eisfläche für den Sturz ursächlich war. Ich habe auch nicht gesehen, dass auf dem Fußweg abgestumpft gewesen wäre. Bei der Straße war so, sie war so graumehlig… Ich kann mich auch festlegen, dass er sich an dem Unfalltag um den 9. Februar gehandelt hat, weil da meine Tochter Geburtstag hat. Ich räume ein, dass ich des Öfteren auf dieser Strecke schon entlanggegangen bin, habe allerdings nie auf die Dachentwässerung geachtet. Dies ist mir erst bewusst geworden, als ich dann gestürzt war.“

Gleichwohl kommt eine Haftung des Beklagten für das Schadensereignis im vorliegenden Falle nicht in Betracht, weil ein Verstoß gegen die oben beschriebenen Verkehrssicherungspflichten nicht festgestellt werden kann. Im Ergebnis der Beweisaufnahme steht zudem fest, dass der Beklagte, die ihm obliegende Räum- und Streupflicht anforderungsgerecht übertragen und hinreichend überwacht hat.

Der Zeuge E. K. hat insoweit ausgeführt:

„es ist so, dass der Beklagte mein Hausarzt war und er mich einmal ansprach, ob ich mich etwas um das Haus mit Hausmeisterdiensten kümmern könnte. Ich habe das zugesagt und bin jetzt auch schon ca. 15-20 Jahre dort tätig und zwar auch immer noch, als die Nachfolgerin des Beklagten dann in dem Haus als Ärztin praktiziert hat. Meine Tätigkeiten waren Gartenarbeit …, Reinigungsarbeiten … Und auch Winterdienst habe ich gemacht. Ich habe den Schnee beiseite geräumt, schon bereits in der Frühe morgens, um die Patienten, die dann zur Praxiseröffnung kamen, gefahrlos passieren zu lassen. Auch habe ich den entsprechenden Fußweg freigeräumt und auch den Parkplatz. Wenn es dann geschneit hat, bin ich auch öfter zum Schneeschieben gekommen, ich habe in etwa 200 m Entfernung gewohnt. Wann ich es dann für nötig gehalten habe, erneut zukommen, das kann ich jetzt nicht mehr genau sagen, ich habe dann eben versucht einzuschätzen, wenn es zu viel Schnee wird. Wenn ich auf die Regenrinne angesprochen werde, so ist dies zutreffend, dass diese auf den Fußweg führt. Diese Regenrinne ist, wenn sie bei Tauwetter Wasser führt, sehr gefährlich. Ich habe an dieser Stelle immer besonders viel Sand gestreut. Ich habe also nicht nur Schnee geräumt, sondern auch gestreut. Es war so, dass im Keller ein Sandberg war, ich habe dann mit einem Eimer Sand geholt und mit der Hand den Sand auf die beräumten Flächen aufgestreut. Das Eis habe ich gegebenenfalls mit einer Schippe runtergekratzt. Wenn ich angesprochen werde, wie es im Februar 2021 war, so muss ich sagen das ich mich an die einzelnen Tage nicht mehr erinnern kann. … Auf die Frage ob am 09.02.2021 Winterdienst ausgeführt wurde erklärt der Zeuge: „…eine konkrete Erinnerung habe ich zwar nicht, es ist aber so, dass ich mir meine Einsätze in ein Notizbuch eingetragen habe und aus dem Notizbuch ergibt sich auch, dass ich am 09.02.2021 Winterdienst gemacht habe. …Aus diesem Notizbuch ergibt sich auch, dass ich an diesem Tage 3 Stunden Winterdienst gemacht habe. Es war so, dass ich auch dreimal dort war, nämlich morgens in der Frühe ca. 6:00 Uhr, da hat es sehr lange gedauert ca. eineinhalb Stunden, dann war ich kurz vor 12:00 Uhr noch mal da und einmal kurz vorm Dunkelwerden….“

Die Angaben des Zeugen werden bestätigt durch die Angaben der Zeugin M. K.. die Zeugin hat ausgeführt:

„es ist so, dass am Vorabend des Unfalltages, das war der 08.02. es zu einem außerordentlich großen Schneefall gekommen war. Ich hatte dann das Blumengeschäft um 18:00 Uhr geschlossen und habe meinen Mann begleitet, um ihn beim Schneeräumen des Hauses von Dr. S. zu unterstützen. Wenn ich gefragt werde, weshalb ich denn noch weiß, dass es sich bei dem Schneeeinbruch um den 8. Februar gehandelt hat, so ist es so, dass ich in meinem Bestellbuch, das ich für das Blumengeschäft führe, täglich das Wetter dazu schreibe. Deswegen habe ich auch diesen außerordentlich großen Schneefall mit aufgezeichnet. Ich habe dann also meinem Mann geholfen den Schnee wegzukehren, es waren so große Schneemengen, mit denen man gar nicht mehr wusste wo man sie denn hin räumen sollte. Am kommenden Morgen, den 9. Februar habe ich ihn dann mit dem Auto hingefahren und dort abgesetzt, weil es durch diese großen Schneemengen keine Parkmöglichkeit gab. … Am Nachmittag ist er dann erneut zum Haus von Dr. S. gegangen allerdings zu Fuß, um nochmals den Winterdienst zu versehen. Auf jeden Fall war er an diesem Tage zweimal dort. Ich weiß auch, dass Herr Dr. S. in seinem Keller Streumaterialien hat, so dass ich davon ausgehe, dass mein Mann darauf zugegriffen hat, um den Gehweg abzustumpfen.

Nach den Angaben der beiden Zeugen K. geht das Gericht davon aus, dass betreffend den zum Grundstück des Beklagten gehörenden Gehweg der Winterdienst am Unfalltage, dem 09.02.2021 den Anforderungen der Winterdienstsatzung entsprechend versehen wurde. Insoweit ergab sich aus den Aufzeichnungen des Zeugen, dass am 09.02.2021 der Zeitaufwand für den Winterdienst eine Stunde betrug, während die Folgen eines größeren Schneeeinbruches am 08.02.2021 bereits am Vorabend des Unfalltages – ausweislich der Aufzeichnungen - einen zweistündigen Zeitaufwand erfordert haben. Die vom Zeugen K. beschriebenen Winterdienstmaßnahmen Schneeberäumung und Abstumpfung des Gehweges entsprachen den Anforderungen des § 2 der Winterdienstsatzung. Auch geht das Gericht davon aus, dass sich der Beklagte in hinreichender Weise von der Geeignetheit und Zuverlässigkeit des mit dem Winterdienst beauftragten Zeugen K. überzeugt hatte. Der Zeuge K. versah seit vielen Jahren den Winterdienst auf dem Grundstück des Beklagten, auf welchem dieser ein Arzt-Praxis betrieben hatte. Der Zeuge K. war angewiesen, den Winterdienst derart auszuführen, dass zu Praxisbeginn sowohl die mit dem PKW anfahrenden Patienten risikolos parken können und die zu Fuß kommenden Patienten nicht gefährdet würden. Als praktizierender Arzt und Auftraggeber hatte der Beklagte somit Gelegenheit, sich über einen mehrjährigen Zeitraum in repräsentativer Weise von der verlässlichen Ausführung des Winterdienstes zu überzeugen. Letztlich führt auch der Umstand, dass das Unfallgeschehen – nach den Angaben des Zeugen K. – durch eine von einer Dachentwässerung stammenden Eisfläche, welche – da durch Schneegriesel bedeckt und für den Zeugen K. als Gefahrenquelle nicht wahrnehmbar – verursacht wurde. Die Bildung dieser Eisfläche ist nicht auf eine dem Beklagten zuzurechnende Pflichtverletzung zurückzuführen. Es handelt sich insoweit um eine außergewöhnliche Gefahrensituation. Den Angaben des Zeugen K. ist zu entnehmen, dass er sich den von der Regenrinne drohenden Gefahren durchaus bewusst war. Er hat ausgeführt, dass diese Regenrinne, wenn sie bei Tauwetter Wasser führe, sehr gefährlich sei und er an dieser Stelle immer besonders viel Sand gestreut habe. Ausweislich des Gutachtens des Deutschen Wetterdienstes (Anlage K 2, Bl. 11 d.A.) verblieb die Temperatur in Erdbodennähe am 08.02.2021 und am 09.02.2021 im Dauerfrostbereich bei Tiefstwerten bis ca. - 22°C. Zum Unfallzeitpunkt am 09.02.2021 um 19.00 Uhr betrug die Lufttemperatur an der Station Köthen – 10,1°C und die Temperatur in Erdbodennähe – 10,5 ° C. Demnach war mit einem durch Tauwetter eintretenden Risiko einer Dachrinnenentleerung nicht zu rechnen. Sofern der Tauvorgang im vorliegenden Falle durch die individuelle Heizsituation des Hauses ausgelöst wurde, bestehen allerdings keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte bzw. der mit dem Winterdienst Beauftrage Zeuge K. insbesondere im Hinblick auf seine langjährige auf den konkreten Ort bezogene Winterdienst-Zeit ein derartiges Risiko hätte voraussehen können. Entsprechend ergibt sich auch aus § 2 Abs. 4 der Winterdienstsatzung (betreffend Hydranten), dass bei eintretendem Tauwetter der Abfluss des Schmelzwassers zu gewährleisten sei. Sofern somit im vorliegenden Falle der Tauvorgang nicht durch regelmäßig voraussehbare wetterbedingte Ursachen ausgelöst wurde, handelt es sich um eine außergewöhnliche Gefahrensituation. Sofern diese nicht – wie im vorliegenden Falle anzunehmen -, erkenn- und voraussehbar war, ist für die Annahme einer regelgerechten Ausübung der Verkehrssicherungspflicht der Einsatz der vorhandenen, üblicherweise verwendeten Ressourcen ausreichend (vgl. Grüneberg, a.a.O., § 823 Rn. 211). Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, nicht erreichbar ist (vgl. Grüneberg, a.a.O., § 823 Rn. 51 unter Hinweis auf BGH NJW 13, 48 Tz.7). Es geht vielmehr um die Risikoverteilung zwischen dem Sicherungspflichtigen und der gefährdeten Person. Der Pflichtige muss nicht für alle denkbaren entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge treffen. Es genügen diejenigen Vorkehrungen, die nach den konkreten Umständen vorausschauend zur Beseitigung der Gefahr erforderlich und zumutbar sind. Im vorliegenden Falle musste der den Winterdienst versehende Zeuge K. angesichts der starken Minusgrade nicht mit Risiken durch Tauwetter rechnen.

Eine dem Beklagten zuzurechnende Verkehrssicherungspflichtverletzung kann daher nicht festgestellt werden. Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches sind nicht gegeben. Die Klage war daher abzuweisen.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.



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