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Entscheidungen

Gebühren/Kosten/Auslagen

Verwerfungsurteil, Aufhebung, Zurückverweisung, Kosten- und Auslagenentscheidung, Verfahrensgebühr, Verhältnis zur Termingebühr

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Magdeburg, Beschl. v. 14.02.2024 - 26 Qs 6/24

Eigener Leitsatz:

1. Zur Auslegung der Formulierung: „Die Kosten des Termins vom ….. und des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die insoweit notwendigen Auslagen des Betroffenen“ in einer Kosten- und Auslagenentscheidung nach Aufhebung eines Verwerfungsurteils durch das OLG und Zurückweisung der Sache an das verwerfende Gericht.
2. Die Verfahrensgebühr entsteht unabhängig von der Durchführung eines Hauptverhandlungstermins und ist daher nicht untrennbar mit einem solchen verbunden.


Landgericht Magdeburg

26 Qs 6/24

Beschluss

In der Bußgeldsache
gegen pp.

– Verteidiger:

wegen Überschreitung der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften

hat die 6. Strafkammer – Beschwerdekammer – des Landgerichts Magdeburg durch die unterzeichnenden Richterinnen und Richter am 14. Februar 2024 beschlossen:

1. Der Nichtabhilfebeschluss der Rechtspflegerin des Amtsgerichts Wernigerode vom 10.01.2024 wird aufgehoben.
2. Auf die sofortige Beschwerde der Landeskasse, vertreten durch die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Magdeburg, werden unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Wernigerode vom 22.11.2023 die dem Betroffenen aus der Landeskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 837,66 Euro festgesetzt.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beschwerdegegner zu tragen. Seine insoweit entstandenen notwendigen Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Polizei Sachsen-Anhalt – Zentrale Bußgeldstelle Magdeburg – hat gegen den Betroffenen am 28.05.2021 einen Bußgeldbescheid wegen einer am 10.03.2021 in Ilsenburg, Faktoreistraße, begangenen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 54 km/h mit einer Geldbuße in Höhe von 350,00 Euro nebst Gebühren und Auslagen in Höhe von zusammen 28,50 Euro und einem Fahrverbot von zwei Monaten erlassen.

Hiergegen hat der Betroffene mit anwaltlichem Schreiben vom 04.06.2021 fristgemäß Einspruch eingelegt. Die Bußgeldstelle hat die Sache mit Verfügung vom 19.10.2021 an die Staatsanwaltschaft Magdeburg – Zweigstelle Halberstadt – abgegeben, welche das Verfahren wiederum mit Verfügung vom 23.12.2021 dem Amtsgericht Wernigerode zur Durchführung des gerichtlichen Bußgeldverfahrens vorgelegt hat. Die Akte ist dort am 03.01.2022 eingegangen.

Im Hauptverhandlungstermin am 15.08.2022 hat das Amtsgericht Wernigerode den Einspruch des Betroffenen verworfen, weil dieser trotz ordnungsgemäßer Ladung der Hauptverhandlung ohne Entschuldigung ferngeblieben sei, obwohl eine Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen nicht vorgelegen habe.

Auf die durch den Betroffenen erhobene Rechtsbeschwerde hat das Oberlandesgericht Naumburg das Urteil mit Beschluss vom 06.03.2023 aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Wernigerode zurückverwiesen.

Das Amtsgericht Wernigerode hat den Betroffenen mit Urteil vom 04.09.2023 wegen fahrlässiger Überschreitung der innerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 350,00 Euro verurteilt. Die Kostenentscheidung lautete wie folgt:

„Die Kosten des Termins vom 15.08.2022 und des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die insoweit notwendigen Auslagen des Betroffenen fallen der Staatskasse zur Last. Im Übrigen trägt der Betroffene die Kosten des Verfahrens.”

Das Urteil ist seit dem 04.10.2023 rechtskräftig.

Mit Schriftsatz vom 11.09.2023 hat der Verteidiger beantragt, die von der Staatskasse zu erstattenden Auslagen des Betroffenen wie folgt festzusetzen:

Verhandlung 15.08.2022
Verfahrensgebühr, VV RVG 5109 176,00 Euro
Terminsgebühr, VV RVG 5110 280,50 Euro
51 km, VV RVG 21,42 Euro
Abwesenheitsgeld, VV RVG 7005 30,00 Euro
Postpauschale, VV RVG 7002 20,00 Euro
Verfahrensgebühr, VV RVG 5113 352,00 Euro
Postpauschale, VV RVG 7002 20,00 Euro
Zwischensumme: 900,42 Euro
19 % Umsatzsteuer, VV RVG 7008 171,08 Euro
Summe: 1.071,50 Euro

Die Bezirksrevisorin beim Landgericht Magdeburg hat Einwendungen gegen die Geltendmachung der Verfahrensgebühr gemäß Nr. 5109 VV RVG sowie der Pauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG für das erstinstanzliche Verfahren erhoben. Zur Begründung hat sie mit Stellungname vom 18.10.2023 wie folgt ausgeführt:

„Neben den notwendigen Auslagen des Betroffenen für das Rechtsbeschwerdeverfahren wurden der Staatskasse nur noch die notwendigen Auslagen für den Termin am 15.08.2022 auferlegt. Die Verfahrensgebühr und auch die o.g. Pauschale entstehen jedoch nicht für den Termin selbst, sondern für das „übrige” Verfahren. Diese Auslagen wurden nicht überbürdet, sind nicht ausscheidbar und daher nicht zu erstatten.”

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 13.11.2023 hat der Betroffene dahingehend Stellung genommen, dass die Verfahrensgebühr Nr. 5109 zu erstatten sei, da diese nach der Zurückverweisung gemäß § 21 Abs. 1 RVG erneut entstanden sei. Die Verfahrensgebühr sei integraler Bestandteil des Rechtszugs und somit, da hinsichtlich des Termins vom 15.08.2022 keine weiteren Folgetermine erfolgt seien, nur für diesen Termin angefallen. Gleiches gelte für die Postpauschale.

Mit Beschluss vom 22.11.2023 hat das Amtsgericht – Rechtspflegerin – Wernigerode die von der Landeskasse dem Betroffenen zu erstattenden notwendigen Auslagen auf einen Betrag von 1.070,90 Euro festgesetzt. Das Amtsgericht ist damit unter Korrektur eines Rechenfehlers dem Kostenfestsetzungsantrag des Betroffenen umfassend gefolgt. Den Zuspruch der Gebühr Nr. 5109 VV RVG und der Postpauschale hat es damit begründet, dass das Verfahren vom Oberlandesgericht Naumburg durch Beschluss vom 06.03.2023 an das Amtsgericht Wernigerode zurückverwiesen worden sei. Damit sei § 21 Abs.1 RVG einschlägig. Die Entscheidung wurde der Bezirksrevisorin am 29.11.2023 zugestellt.

Mit Verfügung vom 04.12.2023, eingegangen bei dem Amtsgericht Wernigerode am selben Tage, hat die Bezirksrevisorin sofortige Beschwerde eingelegt und diese wie folgt begründet:

„...Mit der Kostenentscheidung im rechtskräftigen Urteil vom 04.09.2023 wurden der Landeskasse ausdrücklich neben den notwendigen Auslagen des Betroffenen für das Rechtsbeschwerdeverfahren nur noch die notwendigen Auslagen für den Termin am 15.08.2022 auferlegt.

Eine erstinstanzliche Verfahrensgebühr (nebst Postpauschale) ist von dieser Kostenentscheidung nicht erfasst, unabhängig davon, ob sie aufgrund der Zurückverweisung erneut angefallen ist. Die Verfahrensgebühr entsteht für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information (Vorbemerkung 5 Abs. 2 VV RVG). Für die Teilnahme an gerichtlichen Terminen entsteht die Terminsgebühr (Vorbemerkung 5 Abs. 3 S. 1 VV RVG).

Mit der Verfahrensgebühr wird die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts abgegolten, ausgenommen der Tätigkeiten, für die besondere Gebühren wie die Terminsgebühr vorgesehen sind (vgl. Burhoff in Gerold/Schmidt, RVG Kommentar, 25. Auflage, VV 5107-5112, Rn. 4). Tätigkeiten, die durch die Verfahrensgebühr entgolten werden, sind z.B. Beratung des Auftraggebers, schriftlicher und mündlicher Verkehr mit dem Auftraggeber, Verkehr mit dem Gericht und Einlegung von Rechtsmitteln (§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 RVG). Auch eine Vorbereitung der Hauptverhandlung kann unter die Verfahrensgebühr fallen. Dieser Teil ist aber von den anderen zur Verfahrensgebühr gehörenden Tätigkeiten nicht ausscheidbar, somit auch nicht getrennt zu beziffern.

Die notwendigen Auslagen des Termins vom 15.08.2022 sind daher nur die Terminsgebühr sowie die Reisekosten für diesen Termin. Die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 5109 VV RVG in Höhe von 176,00 Euro und die Pauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG für ein erstinstanzliches Verfahren in Höhe von 20,00 Euro sind keine notwendigen Auslagen des Termins vom 15.08.2022 und auch nicht des Rechtsbeschwerdeverfahrens und daher nicht zuzusprechen.”

Der Verteidiger hat mit Schriftsatz vom 19.12.2023 nochmals dahingehend Stellung genommen, dass die Verfahrensgebühr zu erstatten sei, da diese nach der Zurückverweisung erneut entstanden sei. Zwischen den Kosten des Termins und der Verfahrensgebühr bestehe eine untrennbare Verbindung. Bei richtiger Sachbehandlung durch das Gericht hätte sich das gerichtliche Verfahren in dieser Instanz nicht nur in dem einen Termin erschöpft, die Verfahrensgebühr wäre auch in Bezug auf andere gerichtliche Termine angefallen. Vorliegend habe sich das gerichtliche Verfahren auf diesen einen Termin beschränkt. Insoweit teile die Verfahrensgebühr untrennbar das Schicksal der Terminsgebühr, sämtliche Tätigkeiten hätten sich auf diesen Termin bezogen, wobei das gleiche auch für die Postpauschale gelte.
Mit Beschluss vom 10.01.2024 hat das Amtsgericht der sofortigen Beschwerde der Bezirksrevisorin nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht Magdeburg zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Soweit die Rechtspflegerin bei dem Amtsgericht Wernigerode mit Beschluss vom 10.01.2024 der sofortigen Beschwerde der Bezirksrevisorin nicht abgeholfen hat, ist dieser Beschluss (deklaratorisch) aufzuheben (vgl. hierzu KK-StPO/Gieg, 8. Auflage 2019, § 464b Rz. 4 m.w.N.), da eine Abhilfemöglichkeit im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht existiert. Aus § 464b Satz 3 StPO in Verbindung mit § 572 Abs. 1 ZPO ergibt sich nicht, dass eine Abhilfemöglichkeit in strafprozessualen Kostenfestsetzungsverfahren besteht. Nach dieser Bestimmung sind auf das Verfahren und auf die Vollstreckung der Entscheidung die Vorschriften der Zivilprozessordnung (nur) entsprechend anzuwenden. Deshalb finden auf das Verfahren (§§ 103 ff. ZPO) und die Vollstreckung (§§ 794 ff. ZPO) der Kostenfestsetzung die Vorschriften der ZPO lediglich insoweit Anwendung, als sie strafprozessualen Prinzipien nicht widersprechen. Demgemäß sind für das Beschwerdeverfahren die §§ 304 ff. StPO – also auch § 311 Abs. 3 StPO – und nicht die entsprechenden Vorschriften der ZPO anwendbar (BGHSt 48, 106; KG Berlin, Beschluss vom 8. Juni 2011 – 1 Ws 9/11 –, juris).


Die sofortige Beschwerde der Landeskasse, vertreten durch die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Magdeburg, ist zulässig, insbesondere fristgemäß erhoben. Gegen die Entscheidung des Rechtspflegers über die Kostenfestsetzung ist gemäß § 464b StPO, § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG die sofortige Beschwerde statthaft. Das Beschwerdeverfahren richtet sich nach den Grundsätzen der Strafprozessordnung (Meyer-Goßner, StPO, 66. Auflage, Rz. 6 zu § 464b). Die sofortige Beschwerde ist fristgemäß gemäß § 464b Satz 4 StPO erhoben worden und der Beschwerdewert von 200,00 Euro ist erreicht (§ 304 Abs. 3 StPO).

Die sofortige Beschwerde der Landeskasse hat auch in der Sache Erfolg. Das Amtsgericht hat zu Unrecht die Festsetzung der dem Betroffenen aufgrund der Kostengrundentscheidung des Urteils des Amtsgerichts Wernigerode vom 04.09.2023 zu erstattenden notwendigen Auslagen auch auf die beantragte Verfahrensgebühr Nr. 5109 VV RVG sowie die Postpauschale, jeweils nebst 19 % Umsatzsteuer, erstreckt. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen der Bezirksrevisorin in ihrer Stellungnahme vom 18.10.2023 sowie in ihrer Beschwerdebegründung vom 04.12.2023, denen sich die Kammer nach kritischer Prüfung vollinhaltlich anschließt, Bezug genommen. Die Verfahrensgebühr Nr. 5109 VV RVG entsteht unabhängig von der Durchführung eines Hauptverhandlungstermins und kann daher nicht – wie die Verteidigung meint – untrennbar mit einem solchen verbunden sein. Ebenso wenig ergibt sich vorliegend aus der Regelung des § 21 Abs. 1 RVG eine Erstattungsfähigkeit der Verfahrensgebühr Nr. 5109 und der Postpauschale im Wege der Festsetzung der dem Betroffenen zu erstattenden notwendigen Auslagen. Es mag nach dieser Vorschrift eine weitere Verfahrensgebühr angefallen sein, allerdings ist diese nach der Kostengrundentscheidung des Urteils vom 04.09.2023 nicht von der Landeskasse, sondern vom Betroffenen zu tragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 46 Abs. 1 OWiG, § 473 Abs. 1 StPO.


Einsender: RA F. Schneider, Bad Harzburg

Anmerkung:


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