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Entscheidungen

StPO

Terminsverlegung, Urlaub des Verteidigers, Ermessensfehlgebrauch

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Nürnberg, Beschl. v. 26.09.2023 - Ws 846/23

Leitsatz des Gerichts:

1. Die Anfechtung einer Terminsbestimmung ist ausnahmsweise statthaft, wenn eine in rechtsfehlerhafter Ermessenausübung getroffene Entscheidung für Verfahrensbeteiligte eine besondere selbständige Beschwer bewirkt, was der Fall ist, wenn der Angeklagten durch die Ablehnung der Terminsverlegung ohne nachvollziehbaren Grund der Verteidiger ihres Vertrauens entzogen wird.
2. Dabei kann nur überprüft werden, ob die Vorsitzende die rechtlichen Grenzen des eingeräumten Ermessens eingehalten und das Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt hat.
3. Lehnt die Vorsitzende den vom Verteidiger mehr als drei Monate vor dem Termin gestellten und mit seinem Urlaub begründeten Verlegungsantrag ab, da es sich nur um einen eintägigen Urlaub handle und eine Verteidigung der Angeklagten in der auf den Vormittag anberaumten Sitzung mit der für seinen Urlaubstag geplanten Geburtstagsfeier des Verteidigers vereinbar sein dürfte, wird dem Recht der Angeklagten, durch den Verteidiger ihres Vertrauens vertreten zu werden, nicht genügend Rechnung getragen. Dies gilt erst recht, wenn nicht ersichtlich ist, dass einer alternativen Terminsfindung außergewöhnliche Schwierigkeiten entgegenstehen.


In pp.

1. Auf die Beschwerde der Angeklagten vom 11.08.2023 wird die Verfügung der Vorsitzenden der 2. Strafkammer des Landgerichts Ansbach vom 27.07.2023 aufgehoben.
2. Der mit Verfügung der Vorsitzenden der 2. Strafkammer des Landgerichts Ansbach vom 06.07.2023 anberaumte Hauptverhandlungstermin vom 24.10.2023 wird aufgehoben.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

I.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Weißenburg i. Bay. vom 05.12.2022 wurde Rechtsanwalt Dr. G., der sich mit Schreiben vom 08.11.2022 unter Vollmachtsvorlage als Verteidiger angezeigt hatte, der Angeklagten im vorliegenden Strafverfahren wegen Beleidigung u.a. als Pflichtverteidiger bestellt.

Das Amtsgericht Weißenburg i. Bay. verurteilte die Angeklagte am 18.04.2023 wegen Beleidigung in Tatmehrheit mit Beleidigung in zwei Fällen und Beleidigung mit tätlicher Beleidigung mit Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten.

Mit Schreiben vom 18.04.2023, eingegangen beim Amtsgericht Weißenburg i. Bay. am 19.04.2023, legte der Verteidiger gegen das Urteil vom 18.04.2023 Rechtsmittel ein. Die Staatsanwaltschaft A. legte mit Schreiben vom 20.04.2023, eingegangen beim Amtsgericht Weißenburg i. Bay. am 21.04.2023, Berufung ein.

Die Vorsitzende der Berufungskammer bestimmte am 22.06.2023 Termin zur Hauptverhandlung auf den 26.09.2023.

Der Gerichtsärztliche Dienst bei dem Oberlandesgericht Nürnberg teilte mit Schreiben vom 06.07.2023 mit, dass der Sachverständige Dr. S. am 26.09.2023 im Urlaub sei und bat um vorherige Terminabsprache.

Nach Absprache mit dem Sachverständigen Dr. S. verlegte die Vorsitzende der Berufungskammer mit Verfügung vom 06.07.2023 den Termin auf den 24.10.2023.

Mit Schreiben vom 17.07.2023 bat der Verteidiger um Terminsverlegung. Er habe an diesem Tag bereits Urlaub eingetragen, da er gerne seinen Geburtstag feiern möchte. Er bestätigte auf telefonische Rückfrage der Geschäftsstelle vom 18.07.2023, dass er am 24.10. unter keinen Umständen zum Termin kommen könne.

Die Staatsanwaltschaft A. verwies zum Terminsverlegungsantrag mit Verfügung vom 24.07.2023 auf die Kommentierung zu § 213 StPO in Meyer-Goßner/Schmitt unter Randnummer 7.

Mit Verfügung vom 27.07.2023 lehnte die Vorsitzende der Berufungskammer die vom Verteidiger beantragte Terminsverlegung ab. Die Verfügung wurde dem Verteidiger mit Schreiben der Geschäftsstelle vom 28.07.2023 mitgeteilt.

Dagegen wendete sich der Verteidiger mit Beschwerde vom 11.08.2023 mit dem Antrag, die Verfügung vom 28.07.2023 (gemeint wohl 27.07.2023) aufzuheben und dem Terminsverlegungsantrag vom 17.07.2023 zu entsprechen. Die Ablehnung der Terminsverlegung sei ermessensfehlerhaft. Er vertrete die Angeklagte seit mehreren Jahren, es bestehe ein tief verwurzeltes Vertrauensverhältnis. Das Verfahren unterliege nicht dem besonderen Beschleunigungsgebot. Bei Verhinderung des Sachverständigen habe ohne Probleme eine Verlegung erfolgen können. Es sei nicht ersichtlich, dass bei einer Verlegung die Sache nicht später kurzfristig hätte neu terminiert werden können. Die vorliegende Verfahrensweise entziehe der Angeklagten ohne nachvollziehbaren Grund den Verteidiger ihres Vertrauens.

Mit Beschluss vom 21.08.2023 half das Landgericht Ansbach der Beschwerde nicht ab. Zur Begründung führte das Landgericht aus, dass es sich offenbar nur um einen eintägigen Urlaub handle, wobei eine Vertretung der Angeklagten in der lediglich für den Vormittag anberaumten Sitzung ohne größere Probleme mit einer Geburtstagsfeier vereinbar sein dürfte.

Mit Schreiben vom 28.08.2023 legte der Verteidiger auch gegen den Nichtabhilfebeschluss Beschwerde ein. Er erläuterte, dass er zwar nicht verreist sei und seinen Geburtstag zu Hause feiern werde, Gäste würden aber ganzen Tag über zum Gratulieren vorbeikommen. Er bezog sich außerdem auf seine Begründung aus der Beschwerde vom 11.08.2023.

Die Generalstaatsanwaltschaft legte mit Schreiben vom 31.08.2023 die Beschwerde des Verteidigers zur Entscheidung vor.

Der Verteidiger hatte Gelegenheit zur Stellungnahme und wies mit Schreiben vom 18.09.2023 nochmals darauf hin, dass er bewusst für den ganzen Tag Urlaub eingetragen habe. Auch wenn nicht mit einer längeren Verhandlung zu rechnen sei, müsse er aus Gunzenhausen anreisen, den Termin mit der Mandantin vor- und nachbesprechen und könne nicht abschätzen, wie lange die Beratung der Strafkammer dauern werde.

II.

1. Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Terminsverlegung ist zulässig.

a) Grundsätzlich handelt es sich bei der Terminsbestimmung (§ 213 StPO) und der Entscheidung, ob ein anberaumter Hauptverhandlungstermin aufgehoben beziehungsweise verlegt wird, zwar um der Urteilsfällung vorausgehende Entscheidungen, die gemäß § 305 S. 1 StPO der Anfechtung entzogen sind. Die Anfechtung ist jedoch ausnahmsweise dann statthaft, wenn eine in rechtsfehlerhafter Ermessenausübung getroffene Entscheidung für Verfahrensbeteiligte eine besondere selbständige Beschwer bewirkt (OLG Nürnberg, Beschluss vom 05.04.2005, 1 Ws 361/05; OLG Dresden, Beschluss vom 28.06.2004, 1 Ws 121/04).

b) Damit ist die Beschwerde, die geltend macht, dass der Angeklagten durch die Ablehnung der Terminsverlegung ohne nachvollziehbaren Grund der Verteidiger ihres Vertrauens entzogen wird, vorliegend statthaft und zulässig.

2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung der Verfügung der Vorsitzenden der Strafkammer vom 27.07.2023 und des Hauptverhandlungstermins vom 24.10.2023.

a) Aus dem Grundsatz der Terminshoheit der Vorsitzenden nach § 213 StPO ergibt sich nur eine eingeschränkte Überprüfbarkeit der angefochtenen Verfügung. Die Überprüfung ist nur dahingehend zulässig, ob die Vorsitzende bei der Terminierung die rechtlichen Grenzen des eingeräumten Ermessens eingehalten hat oder das Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt wurde. Bei der gegenständlichen Entscheidung war das staatliche Interesse an der reibungslosen und beschleunigten Durchführung des Strafverfahrens und das Interesse der Angeklagten, sich in der Hauptverhandlung des Beistands gerade eines von ihr gewählten und ihr besonderes Vertrauen genießenden Verteidigers bedienen zu können, in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. Demnach hat das Beschwerdegericht bei der Nachprüfung der Ermessensausübung sich darauf zu beschränken, ob die Vorsitzende sämtliche relevanten Gesichtspunkte in ihre Entscheidung eingestellt und rechtsfehlerfrei gegeneinander abgewogen hat. Die Zweckmäßigkeit der Verfügung unterliegt dagegen nicht der Nachprüfbarkeit (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 28.06.2004, 1 Ws 121/04, juris Rn. 8).

b) Die Ablehnung der begehrten Terminsverlegung erweist sich vorliegend als ermessensfehlerhaft.

Zutreffend hat der Verteidiger bereits selbst darauf hingewiesen, dass er zwar als Verteidiger kein Recht auf vorherige Terminsabsprache hat, dass aber eine Terminsverfügung dann prozessordnungswidrig sein kann, wenn das Recht des Angeklagten auf freie Wahl des Verteidigers dadurch eingeschränkt wird, dass dieser die Termine wegen anderer Verteidigungen oder Verhinderung durch Urlaub nicht wahrnehmen kann, ohne dass er Einfluss auf die Terminsanberaumung hätte nehmen können (s.a. OLG Dresden a.a.O., Rn. 10). Dies ist vorliegend der Fall. Während die Verlegung des ursprünglich anberaumten, mit den Verfahrensbeteiligten zuvor nicht abgestimmten Termins vom 26.09.2023 wegen vorgetragenen Urlaubs des Sachverständigen ohne Weiteres vorgenommen wurde, lehnte die Vorsitzende den bereits frühzeitig vom Verteidiger gestellten und mit seinem Urlaub begründeten Antrag vom 17.07.2023 auf Verlegung des (nicht mit ihm abgestimmten) Termins vom 24.10.2023 mit Verfügung vom 27.07.2023 ohne weitere Begründung ab. Auch die Begründung in der Nichtabhilfeentscheidung trägt dem Recht der Angeklagten, durch den Verteidiger ihres Vertrauens, der sie schon seit mehreren Jahren vertritt, in der Hauptverhandlung vertreten zu werden, nicht genügend Rechnung. Das Verfahren unterliegt nicht dem besonderen Beschleunigungsgebot. Es ist nicht erkennbar und auch nicht in der Nichtabhilfeentscheidung dargetan, dass einer erneuten Terminsfindung nach dem 24.10.2023 außergewöhnliche Schwierigkeiten entgegenstehen würden. Der Verteidiger hatte bereits zum Zeitpunkt seines Terminsverlegungsantrags für den 24.10.2023 einen vollständigen Tag Urlaub geplant und in der Kanzlei eingetragen. Die Nichtabhilfeentscheidung lässt keinen nachvollziehbaren Grund erkennen, der einen Verzicht des Verteidigers auf zumindest einen halben Urlaubstag gebietet. Dabei muss es grundsätzlich zunächst dem Verteidiger überlassen bleiben, wie er seinen lange geplanten Urlaubstag verbringt und wann er mit der Feier seines Geburtstags und dem Empfang von Gratulanten beginnt.

c) Die angefochtene Verfügung ist nach alledem aufzuheben. Weil nach dem Vorstehenden nur eine ermessensfehlerfreie Entscheidung, nämlich die Aufhebung des für den 24.10.2023 anberaumten Termins in Betracht kommt, kann der Senat als Beschwerdegericht diese Entscheidung auch selbst treffen (OLG Dresden a.a.O. Rn. 13).

3. Über die Beschwerde vom 28.08.2023 gegen die Nichtabhilfeentscheidung ist nicht gesondert zu entscheiden. Die Nichtabhilfeentscheidung bildet mit der angefochtenen Entscheidung verfahrensrechtlich eine Einheit (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl. § 306 Rn. 8) und wird im Beschwerdeverfahren mit der angefochtenen Entscheidung geprüft. Ihrem Inhalt nach richtet sich auch die Beschwerde vom 28.08.2023 ebenso wie die Beschwerde vom 11.08.2023 gegen die mit Beschluss vom 21.08.2023 nicht geänderte, sondern lediglich bekräftigte Entscheidung vom 27.07.2023, nämlich die Ablehnung der Terminsverlegung.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 467 Abs. 1 StPO.


Einsender: Strafsenat des OLG Nürnberg

Anmerkung:


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