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Entscheidungen

OWi

Fahrverbot, Absehen vom Fahrverbot, unbillige Härte, Voreintragungen

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Landstuhl, Urt. v. 09.02.2024 - 3 OWi 4211 Js 11910/23

Eigener Leitsatz:

Ein Kraftfahrzeugführer, der ein Fahrverbot durch mangelnde Verkehrsdisziplin riskiert, kann nicht geltend machen, auf den Führerschein angewiesen zu sein.


3 OWi 4211 Js 11910/23

AG Landstuhl

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil

In dem Bußgeldverfahren
gegen pp.

Verteidiger:

wegen OWi StVO

hat das Amtsgericht Landstuhl aufgrund der Hauptverhandlung vom 09.02.2024, an der teilgenommen haben:

pp.

für Recht erkannt:

1. Der Betroffene wird wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 1160 EUR verurteilt. Dem Betroffenen wird für die Dauer von 1 Monat verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von 4 Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

2. Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.

Angewendete Vorschriften:
§§ 24, 25, 25 Abs. 2a StVG, 41, 49 StVO, 4 BKatV, 11.3.8 BKat, 17 OWiG

Gründe:

I.

Der von der Erscheinenspflicht entbundene Betroffene hat sich über den vertretungsberechtigten in der Hauptverhandlung anwesenden Verteidiger zur Person wie folgt eingelassen: angestellter Bauleiter bei der Firma pp. Der Zeuge pp. hat ergänzt: Bruttogehalt 5600 EUR monatlich, 30 Tage Urlaubsanspruch, Arbeitsbeginn 2.11.2023, noch in der Probezeit.

Der Betroffene ist verkehrsrechtlich bislang wie folgt in Erscheinung getreten:
Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis 21.12.2013
Verurteilung nach § 316 StGB am 9.1.2014, Geldstrafe, Maßregel §§ 69, 69a StGB
Abstandsverstoß 22.2.2022, Geldbuße 220 EUR, Rechtskraft 13.5.2022
Geräteverstoß 1.6.2023, Geldbuße 120 EUR, Rechtskraft 6.7.2023

II.

Nach Durchführung der Hauptverhandlung hat das Gericht folgende Feststellungen treffen können:

Der Betroffene war am 3.6.2023 Führer des PKW mit dem Kennzeichen pp. und befuhr um 08:49 Uhr die BAB62, Fahrtrichtung Trier. Auf Höhe des km 206,0, Gemarkung Niedermohr, fuhr der Betroffene statt der durch Verkehrszeichen angeordneten zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h mit einer Geschwindigkeit von 133 km/h. Gemessen wurde mit dem Messsystem PoliScan Speed FM1. Die gemessene Geschwindigkeit betrug zunächst 138 km/h, wobei anschließend als Toleranz 5 km/h abgezogen worden sind. Das Messgerät wurde in einem so genannten Enforcement Trailer und damit gemäß der zugrundeliegenden Baumusterprüfbescheinigung genutzt. Das Messgerät war zum Zeitpunkt der Messung geeicht, ausweislich des Eichscheins auch konformitätsbewertet, und wurde gemäß der Gebrauchsanweisung von geschultem Messpersonal bedient. Die aufgestellten Verkehrszeichen (Trichter 100-80 km/h laut Messprotokoll) waren beidseitig aufgestellt und erkennbar.

III.

Der Betroffene hat sich zur Sache über seinen Verteidiger wie folgt eingelassen:

Er könnte die einmalige Beschilderung nicht wahrgenommen haben (vgl. Bl. 76 d.A.).

Bei einem Fahrverbot drohe ihm die Kündigung.

Die Messung wurde nicht angegriffen.

IV.

Die getroffenen Feststellungen beruhen, soweit sich der Betroffene nicht geständig eingelassen hat, auf der Durchführung der Beweisaufnahme. Das Gericht hat das zur Messung gehörende Messbild in Augenschein genommen und hinsichtlich der Datenleiste verlesen. Auf das Messbild, Bl. 9 d.A., sowie den auf derselben Aktenseite befindlichen vergrößerten Ausschnitt aus dem Messbild, der zur Identifikation des Betroffenen als Fahrer des Fahrzeugs dient, wird jeweils im Sinne des § 267 Abs. 1 S. 3 StPO verwiesen und Bezug genommen. Das Gericht hat den Eichschein, Bl. 12-13 d.A., sowie das Messprotokoll, Bl. 11 d.A., gemäß § 256 StPO verlesen. Das Gericht hat den Schulungsnachweis des eingesetzten Messbeamten, Bl. 14 d.A., verlesen.

Eine weitere Beweiserhebung war nicht erforderlich. Es handelt sich bei dem eingesetzten Messgerät um ein so genanntes standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung des BGH (BGHSt 39, 291 BGHSt 43, 277), das durch die obergerichtliche Rechtsprechung in ständiger Rechtsprechung als solches Verfahren bestätigt wird (vgl. OLG Zweibrücken Beschl. v. 23.7.2019 – 1 OWi 2 Ss Rs 68/19, BeckRS 2019, 20220).

V.

Der Betroffene hat sich deshalb wegen der vorsätzlichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften zu verantworten, §§ 24 StVG, 41, 49 StVO. Gegen den Betroffenen spricht die Vermutung der hohen Überschreitung der Geschwindigkeit, hier in Form einer Überschreitung von 53 km/h bzw. mehr als 50%, die einen Rückschluss auf das Wollenselement des wenigstens bedingten Vorsatzes erlaubt, sowie die sichtbar aufgestellten Verkehrszeichen, die von einem Verkehrsteilnehmer gesehen werden müssen und so einen Rückschluss auf das Wissenselement des wenigstens bedingten Vorsatzes ermöglichen (Vgl. BeckOK/Krenberger, § 3 StVO, Rn. 221 m.w.N.). Eine dies widerlegende konkrete Einlassung erfolgte nicht. Dass der Betroffene die Verkehrszeichen übersehen haben könnte, muss das Gericht als reine Hypothese nicht weiter berücksichtigen. Eine Einlassung zur Fahrt selbst erfolgte nicht.

VI.

Durch den genannten Verstoß hat der Betroffene zunächst eine Geldbuße zu tragen. Diese ergibt sich zunächst als Regelsatz in Höhe von 480 EUR gemäß Ziffer 11.3.8 des Anhangs zur BKatV, die für das Gericht in Regelfällen einen Orientierungsrahmen bildet (BeckOK StVR/Krenberger, § 1 BKatV, Rn. 1). Von diesem kann das Gericht bei Vorliegen von Besonderheiten nach oben oder unten abweichen. Vorliegend bestehen keine Umstände, die ein Abweichen vom Regelsatz nach unten bedingen würden. Angesichts der vorsätzlichen Begehensweise ist die Regelgeldbuße auf 960 EUR zu verdoppeln, § 3 Abs. 4a BKatV.

Zudem sind hier Umstände gegeben, die eine Erhöhung der Geldbuße nach sich ziehen, § 17 Abs. 3 OWiG. Der Betroffene ist, wie unter I. festgestellt, bereits verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten. Der zeitliche und auch inhaltliche Zusammenhang der geahndeten Verstöße mit der jetzigen Handlung gebietet eine moderate Erhöhung der Regelgeldbuße um 100 EUR (Abstand) sowie 100 EUR (Geräteverstoß) auf 1160 EUR.

Die Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen haben ergeben, dass der Betroffene die ausgeurteilte Geldbuße wirtschaftlich verkraftet.

Des Weiteren ist vorliegend auch ein Regelfahrverbot anzuordnen, § 4 Abs. 1 BKatV. Durch die oben festgestellte Handlung hat der Betroffene eine objektiv so gefährliche und subjektiv so vorwerfbare Verhaltensweise im Straßenverkehr an den Tag gelegt, dass im Sinne des § 25 StVG ein Fahrverbot anzuordnen ist. Es bestand vorliegend kein Grund, wegen abweichender Umstände vom Regelfall das Fahrverbot zu erhöhen. Vorliegend bestand kein Grund, vom Wegfall des Fahrverbots ausgehen zu müssen. Soweit der Betroffene vorgetragen hat, seinen Arbeitsplatz zu verlieren und für die Berufstätigkeit auf die Fahrerlaubnis angewiesen zu sein, führt dies zu keiner anderen Bewertung. Insbesondere trifft die Anordnung des Fahrverbots den Betroffenen nicht mit einer unzumutbaren Härte. Gewöhnliche Belastungen, die ein Verzicht auf den PKW für die Dauer des Fahrverbots mit sich bringt, sind hinzunehmen. Die Konsequenz der Anordnung des Fahrverbots ist selbstverschuldet (OLG Celle Beschl. v. 26.1.2015 – 321 SsBs 176, 177/14, BeckRS 2015, 16403). Die Gleichbehandlung mit anderen Verkehrsteilnehmern, die ein Regelfahrverbot verwirkt haben, muss gewährleistet sein (BVerfG NZV 1996, 284), sodass nur unzumutbare Härten aus rechtlicher Sicht relevant sein können, nicht das persönliche Befinden des Betroffenen (BeckOK StVR/Krenberger, § 25 StVG, Rn. 90). Solche sind hier nicht gegeben. Zwar kann der Verlust des Arbeitsplatzes eine unzumutbare Härte darstellen. Ausweichmöglichkeiten im Betrieb sind, so der Zeuge …, nicht gegeben und auch eine unbezahlte Urlaubnahme kann angesichts der Spezialisierung des Betroffenen vom Unternehmen nicht aufgefangen werden. Der Betroffene befindet sich noch in der Probezeit und kann deshalb unter erleichterten Bedingungen gekündigt werden. Jedoch ist hier zu beachten: Zum einen stammt der Bußgeldbescheid vom 16.8.2023, sodass der Betroffene das Fahrverbot noch vor Antritt der Arbeitsstelle bei der Firma … sozialkonform hätte ableisten können, wozu er auch verpflichtet gewesen wäre (OLG Hamm NZV 2005, 495; AG Landstuhl DAR 2015, 415). Er hätte, wenn es ihm nur um die Geldbußenhöhe und den Schuldvorwurf gegangen wäre, den Einspruch auf die Höhe der Geldbuße bei gleichzeitiger Akzeptanz des Fahrverbots beschränken können (AG Dortmund NZV 2022, 540), um den neuen Arbeitsplatz nicht zu gefährden. Und schließlich kann der Grundsatz der Unverhältnismäßigkeit nicht für den Betroffenen streiten, der in Kenntnis der Notwendigkeit der Fahrerlaubnis und des Führerscheins für seine Berufstätigkeit durch verkehrswidriges Verhalten seine Berufstätigkeit gefährdet: Ein Kraftfahrzeugführer, der ein Fahrverbot durch mangelnde Verkehrsdisziplin riskiert, kann nicht geltend machen, auf den Führerschein angewiesen zu sein (KG SVR 2015, 427). Könnte sich ein Betroffener bei vorhandenen Vorahndungen immer wieder aufs Neue auf eine drohende Existenzgefährdung berufen, wären die für ihn unzumutbaren Folgen eines Fahrverbots ein Freibrief für wiederholtes Fehlverhalten (OLG Frankfurt a. M. BeckRS 2010, 26343; OLG Karlsruhe NZV 2004, 316). Hinzu kommt hier der Vorsatz des Vorwurfs bei erheblicher Geschwindigkeitsüberschreitung im Baustellenbereich (AG Zeitz BeckRS 2015, 18698). Schließlich müsste der Arbeitsplatzverlust auch zu einer existenzvernichtenden Härte führen (OLG Karlsruhe NZV 2006, 326). Dies ist nicht erkennbar. Denn der Betroffene ist als Bauleiter mit Asbestberechtigung hoch spezialisiert und dementsprechend begehrt auf dem Arbeitsmarkt, so der Zeuge pp. Wenn er also eine vorübergehende Zeit, in der er auch Anspruch auf staatliche Leistungen hat, nicht im Abhängigkeitsverhältnis beschäftigt ist, vernichtet dies nicht seine bürgerliche Existenz.

Das Gericht hat abschließend die Möglichkeit des § 4 Abs. 4 BKatV geprüft, aber vorliegend dessen Anwendung nicht für geboten erachtet. Es besteht hier vielmehr das Erfordernis, verkehrserzieherisch auf den Betroffenen einzuwirken. Hier liegt ein erheblicher Verkehrsverstoß vor, der Betroffene ist bereits verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten, eine Einsicht in das Verkehrsfehlverhalten wurde weder in Wort noch Tat bekundet. Auch die Gesamtschau möglicher Beeinträchtigungen des Betroffenen führt nicht zur Anwendung des § 4 Abs. 4 BKatV.

Die Viermonatsfrist nach § 25 Abs. 2a StVG war zu gewähren.

VII.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46, 71 OWiG, 465 StPO.


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