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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

günstige Sozialprognose, Bewährung, Urteilsgründe

Gericht / Entscheidungsdatum: BayObLG, Urt. v. 19.02.2024 - 203 StRR 571/23

Leitsatz des Gerichts:

Im Rahmen der Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung kann eine Therapie nur dann eine positive Prognose rechtfertigen, wenn eine solche erfolgreich abgeschlossen wurde, nicht aber, wenn der Eintritt des erhofften Behandlungserfolgs im maßgeblichen Zeitpunkt des Endes der Hauptverhandlung noch völlig ungewiss ist; dies gilt auch dann, wenn aus der Sicht des Tatrichters gute Gründe dafür sprechen, dass die Therapie zukünftig eine positive Veränderung bei dem Angeklagten bewirken könnte.


In pp.

I. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Amberg vom 16. August 2023 mit den Feststellungen aufgehoben.
II. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Amberg zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Amberg hat den Angeklagten am 2. August 2022 wegen Diebstahls und anderer Taten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt. Auf die jeweils auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Amberg mit dem angegriffenen Urteil vom 16. August 2023 das erstinstanzliche Urteil dahin abgeändert, dass gegen den Angeklagten eine Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten verhängt und die Vollstreckung der festgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision, die sich ihrem Inhalt nach ausschließlich gegen die Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung richtet. Die Generalstaatsanwaltschaft München vertritt die Revision der Staatsanwaltschaft und beantragt die Aufhebung des Urteils und die Zurückverweisung. Sie ist der Rechtsauffassung, dass die Beschränkung der Revision nicht wirksam ist.

II.

Die Revision der Staatsanwaltschaft ist zulässig. Sie ist gemäß § 333 StPO statthaft und entsprechend §§ 341, 344, 345 StPO form- und fristgerecht bei Gericht angebracht worden. Sie ist auch begründet. Das Rechtsmittel umfasst den gesamten Rechtsfolgenausspruch des Landgerichts und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit seinen Feststellungen.

1. Grundsätzlich kann die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung isoliert angefochten werden (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 3. Juni 1971 – 1 StR 189/71 –, BGHSt 24, 164-166 Rn. 2; Gericke in KK-StPO, 9. Aufl., § 344 Rn. 12 m.w.N.). Voraussetzung ist, dass die erstinstanzlichen Feststellungen derart vollständig und widerspruchsfrei sind, dass sie eine ausreichende Grundlage für die Prognoseentscheidung nach § 56 Abs. 1 StGB bieten (st. Rspr., vgl. BayObLG, Urteil vom 15. Juli 2004 – 5St RR 182/04 –, juris Rn. 12 f., BGH, Urteil vom 30. November 2017 – 3 StR 385/17 –, juris Rn. 12 m.w.N.; KG Berlin, Beschluss vom 19. Oktober 2015 – (3) 161 Ss 195/15 (107/15) –, juris Rn. 6).

Dies ist hier nicht der Fall. Die Strafkammer hat, obgleich die Feststellungen des Amtsgerichts zur Alkoholisierung und zur Alkoholabhängigkeit des Angeklagten dies geboten hätten (vgl. Urteil Amtsgericht Amberg S. 14 und 15), eine sucht- oder rauschbedingte erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit nicht erörtert. Eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit nach § 21 StGB wäre jedoch ein Umstand, der nicht nur für die Strafzumessung, sondern auch für die Frage der Bewährung eine Rolle spielen kann. Denn als besondere Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB gelten auch Milderungsgründe von besonderem Gewicht, die eine Strafaussetzung trotz des Unrechts- und Schuldgehalts, der sich in der Strafhöhe widerspiegelt, als nicht unangebracht erscheinen lassen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 5. Juli 2023 – 202 StRR 49/23 –, juris). Danach erweist sich die Beschränkung der Revision auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung hier als unwirksam. Um eine widerspruchsfreie Entscheidung zu ermöglichen, ist es geboten, den auf lückenhaften Erwägungen beruhenden Rechtsfolgenausspruch insgesamt aufzuheben (vgl. auch KG Berlin, Beschluss vom 8. November 2018 – (5) 121 Ss 167/18 (75/18) –, juris Rn. 26).

2. Die Entscheidung des Landgerichts, die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr wird gemäß § 56 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt, wenn zu erwarten ist, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lässt und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Nach Absatz 2 der Vorschrift kann das Gericht unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen.

b. Bei der insoweit anzustellenden Gesamtwürdigung, insbesondere der in § 56 Abs. 1 Satz 2 StGB genannten Umstände, kommt dem Tatgericht ein weiter Bewertungsspielraum zu; dessen Entscheidung ist daher vom Revisionsgericht bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen (st. Rspr., vgl. BGH, Urteile vom 28. März 2018 – 2 StR 516/17- und vom 12. Mai 2021 – 5 StR 120/20-, jeweils juris; BayObLG, Urteil vom 02. Dezember 2022 - 202 StRR 108/22-, juris Rn. 3). Auch ein Bewährungsbruch schließt eine günstige Kriminalprognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB nicht von vornherein aus (BGH, Urteil vom 14. April 2022 – 5 StR 313/21 –, juris Rn. 23 m.w.N.; BayObLG, Urteil vom 15. September 2023 – 202 StRR 47/23 –, juris Rn. 5; BayObLG, Urteil vom 02. Dezember 2022 - 202 StRR 108/22-, juris Rn. 6). Bei Straftätern, die in der Vergangenheit bereits eine längere Freiheitsstrafe verbüßt haben oder vorsätzliche Straftaten in der Bewährungszeit begehen, kommt es für die Annahme einer günstigen Legalprognose darauf an, ob sich in den Lebensverhältnissen des Angeklagten nach der Begehung der Taten Änderungen ergeben haben, die den Schluss zulassen, dass die Ursachen für die bisherige Delinquenz beseitigt sind (BayObLG, Urteil vom 15. September 2023 – 202 StRR 47/23 –, juris Rn. 5).

Die Ausführungen des Landgerichts für seine Erwartung, der nach den Feststellungen erheblich vorbestrafte, unter laufender Bewährung stehende und strafhafterfahrene Angeklagte werde sich nunmehr schon allein die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen (§ 56 Abs. 1 Satz 1 StGB), genügen den Anforderungen der Rechtsprechung nicht. Dass sich der Angeklagte am 28. Juni 2023, also knappe zwei Monate vor der anstehenden Berufungshauptverhandlung, auf eine von der Berufungskammer bezüglich ihrer Ausgestaltung nicht näher dargestellte stationäre Soziotherapie eingelassen hat, vermag eine günstige Legalprognose nicht zu stützen. Nach der gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung könnte eine Therapie nur dann eine positive Prognose rechtfertigen, wenn eine solche erfolgreich abgeschlossen wäre, nicht aber, wenn der Eintritt des erhofften Behandlungserfolgs im maßgeblichen Zeitpunkt des Endes der Hauptverhandlung noch völlig ungewiss ist; dies gilt auch dann, wenn aus der Sicht des Tatrichters gute Gründe dafür sprechen, dass die Therapie zukünftig eine positive Veränderung bei dem Angeklagten bewirken könnte (vgl. BayObLG, Urteil vom 2. Dezember 2022 – 202 StRR 108/22 –, juris Rn. 10; OLG Bamberg, Urteil vom 12. November 2013 – 3 Ss 106/13 –, juris; KG Berlin, Urteil vom 5. Oktober 2007 – (4) 1 Ss 307/07 (191/07) –, juris Rn. 6).

c) Da das angefochtene Urteil schon die Annahme einer günstigen Legalprognose nicht belegt, kommt es nicht mehr darauf an, dass sich die Kammer mit den Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 und 3 StGB rechtsfehlerhaft in ungenügender Weise auseinandergesetzt hat.

3. Das angefochtene Urteil unterliegt daher mit den Feststellungen der Aufhebung.


Einsender: 3. Strafsenat des BayObLG

Anmerkung:


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