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Entscheidungen

Corona

Corona, Coronaimpfung, Gefährdungshaftung des Herstellers, Schadensansprüche, Schmerzensgeldansprüche, Comirnaty, Pfizer, BionTech

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Koblenz, Urt. v. 10.07.2024 - 5 U 1375/23

Eigener Leitsatz:

Zu Schadens- und Schmerzensgeldansprüchen wegen einer Coronaimpfung.


In pp.

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 14.11.2023, 9 O 37/23, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten abwenden gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags geleistet hat.
4. Die Revision wird zugelassen.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 130.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche infolge eines von der Klägerin behaupteten Impfschadens.

Die Klägerin erhielt am pp.08.2021 ihre erste und am pp.09.2021 ihre zweite Corona-Schutzimpfung mit dem Impfstoff Comirnaty. Dieser Impfstoff hatte am 21.12.2020 von der Europäischen Kommission die bedingte zentrale arzneimittelrechtliche Zulassung erhalten und mit Durchführungsbeschluss vom 10.10.2022 die Standardzulassung, die nicht jährlich erneuert werden muss. Die Beklagte ist Herstellerin des Impfstoffs und Inhaberin der Zulassung. Im Kindesalter war bei der Klägerin ein kombinierter Entwicklungsrückstand mit Tiefpunkt in der motorischen Entwicklung festgestellt worden.

Die Klägerin hat erstinstanzlich zur Begründung ihrer auf die Zahlung von Schmerzensgeld und der Feststellung der künftigen Einstandspflicht der Beklagten für weitere Schäden gerichteten Klage vorgetragen, sie habe sich nicht aus freien Stücken, sondern lediglich aus einem gesellschaftlichen Druck heraus impfen lassen, insbesondere um ihre schwangere Schwester besuchen zu können und nicht aus dem alltäglichen Leben ausgeschlossen zu werden. Drei Tage nach der ersten Impfung seien starke Kopfschmerzen und ein Schwindelgefühl (Drehschwindel) aufgetreten. Fünf Tage nach der ersten Impfung sei es ihr so schlecht gegangen, dass sie von ihrem Praktikumsplatz habe abgeholt werden müssen. Nach der zweiten Impfung hätten sich die Beschwerden erheblich verschlimmert. Das rezidivierende Schwindelgefühl sei so stark geworden, dass sie sich kaum noch auf den Beinen habe halten können. Ihr Gangbild sei unsicherer geworden, sie sei fallgeneigt gewesen und habe oft gestützt werden müssen. Das Schwindelgefühl halte bis heute an. Sie sei seit der Impfung immer sehr müde und habe auf Grund der weitreichenden Beeinträchtigungen kaum noch Bewegung, was dazu führe, dass inzwischen mit jeder Belastung ein sehr starker Anstieg der Herzfrequenz einhergehe. Im Mai 2022 sei es zu einer Verschlechterung des Stuhlgangs und dem Auftreten verschiedener Hautausschläge gekommen. Außerdem sei eine Gangstörung diagnostiziert worden. Sie leide fast durchgängig an Muskelschmerzen, Gliederschmerzen, einem allgemeinen Krankheitsgefühl, Gesichtsschmerzen, Nackenschmerzen und Erschöpfung. Sämtliche der vorgetragenen Beschwerden seien durch die Impfung mit dem Impfstoff Comirnaty verursacht worden und gingen weit über eine übliche Impfreaktion hinaus. Insbesondere sei im Rahmen einer psychotherapeutischen Behandlung ausgeschlossen worden, dass sich die Beschwerden auf psychosomatische Faktoren zurückführen ließen. Nach der Rechtsprechung des EuGH und des Bundesgerichtshofs bestehe vorliegend ein Anscheinsbeweis für einen Ursachenzusammenhang. Insbesondere sei dabei der nahe zeitliche Zusammenhang zu berücksichtigen. Außerdem greife zu ihren Gunsten auch die Kausalitätsvermutung des § 84 Abs. 2 S. 1 AMG. Die Beklagte hafte daher nach § 84 Abs. 1 AMG. Der Impfstoff Comirnaty habe kein positives Nutzen-Risiko-Profil. Da keine Langzeitstudien durchgeführt worden seien, fehle es bereits an verlässlichen Daten hierzu. Der Impfstoff weise lediglich einen geringen Grad der Wirksamkeit auf und habe daher keinen bzw. nur einen geringen therapeutischen Nutzen. Er schütze weder vor einer Infektion mit dem Coronavirus noch vor einer Weiterverbreitung des Virus. Auch die von Politik und Impfstoffhersteller vertretene Auffassung, dass die Impfung zumindest vor einem schweren Verlauf schütze, entbehre jeder wissenschaftlichen Grundlage. Demgegenüber berge der Impfstoff erhebliche Risiken. Er sei nach den praktischen Erkenntnissen dazu geeignet, Herzmuskelentzündungen, Thrombosen, Autoimmunerkrankungen, koronare Herzkrankheiten, Ischämien, Lähmungen und viele weitere Krankheitsbilder hervorzurufen. Nach Veröffentlichungen der Europäischen Arzneimittelagentur (im Folgenden: EMA) sei es bereits in 980.105 Fällen zu Nebenwirkungen gekommen. Die Frage, ob der Impfstoff ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis aufweise, müsse nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden. Jedenfalls bei ihr, der Klägerin, stelle sich das Nutzen-Risiko-Verhältnis nicht als positiv dar. Der Umstand, dass der Bundesgesundheitsminister, der die Impfung noch im Sommer 2021 als nebenwirkungsfrei bezeichnet habe, nunmehr seine Meinung geändert habe und der Auffassung sei, die Impfgeschädigten sollten durch den Staat unterstützt werden, bezeuge ebenfalls eindeutig die Gefährlichkeit des Impfstoffs. Auch Kennzeichnung, Fachinformation und Gebrauchsinformation des Impfstoffs hätten nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprochen. Bereits zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens hätten die Impfstoffhersteller um die Gefährlichkeit der Impfstoffe gewusst, was insbesondere die Haftungsfreizeichnung in den mit der EU ausgehandelten Verträgen sowie die Regelung in § 3 Abs. 4 MedBVSV belege. Der Beklagten sei von Tag zu Tag immer bekannter geworden, dass Geimpfte vermehrt über Autoimmunerkrankungen, das Post-Vakzin-Syndrom, Nervenerkrankungen, Thrombosen, das Fatigue-Syndrom und viele weitere Krankheitsbilder in zeitlichem Zusammenhang mit der Corona-Schutzimpfung berichtet hätten. Spätestens hier hätte eine öffentliche Stellungnahme und Berichtigung dieser Verharmlosung des Impfstoffs erfolgen müssen. Wäre über die Möglichkeit der mittlerweile bekannten erheblichen Nebenwirkungen des Impfstoffs aufgeklärt worden, insbesondere auch darüber, dass es sich hierbei um dauerhafte und nicht lediglich vorübergehende Phänomene handele, hätte sie, die Klägerin, sich bewusst gegen die Corona-Schutzimpfung entschieden. Außerdem hafte die Beklagte auch nach § 823 Abs. 1 BGB und § 826 BGB. Denn die Beklagte hätte sie, die Klägerin, im Rahmen der ihr obliegenden Produktbeobachtungspflicht über die bekannten Nebenwirkungen des Impfstoffs aufklären und der offensichtlichen Verharmlosung der Corona-Schutzimpfung in den Medien und der Politik entgegentreten müssen. Die unterlassene Aufklärung der Beklagten sei als sittenwidrig anzusehen. Der in § 3 Abs. 4 MedBVSV vorgesehene Haftungsausschluss sei verfassungswidrig. Die Lebensqualität der Klägerin sei durch ihre Beeinträchtigungen stark eingeschränkt; wie sich der weitere Krankheitsverlauf entwickele, sei vollkommen ungewiss. Es sei daher ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 100.000 € angemessen.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Der Vortrag der Klägerin sei unsubstantiiert, weil sie keine vollständigen Krankenunterlagen, insbesondere von ihrem Hausarzt und für die Zeit vor der Imfung, vorlege. Es sei auch schon nicht nachgewiesen, dass sie an den behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen leide. Diese seien in weiten Teilen nur unzureichend durch entsprechende Behandlungsunterlagen belegt. Überdies sei auch ein kausaler Zusammenhang zwischen den behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen und der Corona-Schutzimpfung weder nachgewiesen noch aus den vorliegenden - unvollständigen - Informationen und Unterlagen ableitbar. Insofern gelte kein Anscheinsbeweis zugunsten der Klägerin. Die in § 84 Abs. 2 AMG vorgesehene Beweislastumkehr verstoße gegen Art. 4 der europäischen Produkthaftungsrichtlinie (RL 85/374 EWG) und müsse deshalb nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 21.06.2017 – C-621/15 sowie Urteil vom 20.11.2014 – C-310/13) unangewendet bleiben. Allerdings lägen auch die Voraussetzungen des § 84 Abs. 2 AMG nicht vor und es gebe keine belastbaren Anhaltspunkte oder Indizien für einen Kausalzusammenhang. Insbesondere sei der zeitliche Zusammenhang gerade nicht belegt, da ein Großteil der Symptome erstmals mehrere Monate nach der zweiten Impfung der Klägerin diagnostiziert worden sei. Es sei auch durchaus naheliegend, dass die behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin durch andere Umstände hervorgerufen worden seien. Unabhängig davon scheide eine Haftung nach § 84 AMG bereits deshalb aus, weil der Impfstoff Comirnaty weder ein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis aufweise noch die Impfentscheidung der Klägerin auf einer unzutreffenden Fach- und Gebrauchsinformation beruht habe. Maßgeblich sei insofern eine abstrakte Betrachtung und nicht die Betrachtung eines konkreten Einzelfalls. Zwischenzeitlich seien – insoweit unstreitig – weltweit deutlich über 2,6 Milliarden Dosen Comirnaty verimpft worden. Bei den von Klägerseite genannten 980.105 von der Europäischen Arzneimittelagentur veröffentlichten Fällen zu Nebenwirkungen handele es sich unstreitig um reine Verdachtsfallmeldungen, bei denen ein kausaler Zusammenhang gerade nicht feststehe und die von jedermann (also auch von medizinischen Laien) auf Grund einer nicht nachprüfbaren subjektiven Behauptung gemeldet werden könnten. Maßgeblich für die Frage der in § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AMG geforderten Unvertretbarkeit seien jedoch allein gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse und nicht reine Spekulationen. Ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis sei auch Voraussetzung für die Erteilung der Zulassung. Der Impfstoff werde außerdem – wiederum unstreitig – kontinuierlich und engmaschig von den zuständigen Aufsichtsbehörden überwacht; dies sei Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der Zulassung. Die Fach- und Gebrauchsinformationen zu dem Impfstoff Comirnaty hätten stets dem jeweils aktuellen Stand der Wissenschaft entsprochen. Abgesehen davon sei jedenfalls nicht ersichtlich, dass die Angaben in den Fach- und Gebrauchsinformationen ursächlich für die Impfentscheidung der Klägerin gewesen seien. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Klägerin sich auch dann hätte impfen lassen, wenn die von ihr behaupteten Symptome als mögliche Nebenwirkungen in der Fach- und Gebrauchsinformation genannt worden wären. Denn dort seien schließlich ähnlich starke Nebenwirkungen bis hin zu einem potenziell lebensbedrohlichen allergischen Schock genannt, was die Klägerin offenbar ebenfalls nicht von ihrer Impfentscheidung abgebracht habe. Für eine Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB fehle es sowohl an einem Kausalzusammenhang als auch an einem Verschulden, da der Impfstoff fortwährend und sorgfältig überwacht worden sei. Auch eine Instruktionspflicht sei nicht verletzt worden, da die Fach- und Gebrauchsinformationen stets dem jeweils aktuellen Stand der Wissenschaft entsprochen hätten. Jedenfalls aber wäre eine Verletzung der Instruktionspflicht aus den genannten Gründen nicht kausal für die behauptete Gesundheitsbeeinträchtigung der Klägerin geworden. Der Vorwurf einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB sei entschieden zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf die angefochtene Entscheidung vom 14.11.2023, Bl. 231 ff. eGA LG, verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage nach Anhörung der Klägerin abgewiesen. Der geltend gemachte Schadensersatz- bzw. Schmerzensgeldanspruch stehe der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Ein solcher Anspruch ergebe sich nicht aus § 84 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 AMG. Es sei nicht ersichtlich, dass der streitgegenständliche Impfstoff eine negative Nutzen-Risiko-Bilanz aufweise. In diesem Zusammenhang sei entgegen der Auffassung der Klägerin eine abstrakte Betrachtung bezogen auf die Gesamtheit der Patienten vorzunehmen. In Einzelfällen auftretende – auch schwerwiegende – Nebenwirkungen führten daher nicht per se zu einer negativen Nutzen-Risiko-Bilanz, sondern seien dem Nutzen des Impfstoffs für die Gesamtbevölkerung gegenüberzustellen. Hiernach sei nicht ersichtlich, dass die Risiken des Impfstoffs seinen Nutzen in einem unvertretbaren Maße übersteigen würden. Eine positive Nutzen-Risiko-Bilanz sei Voraussetzung für die Erteilung der Zulassung durch die Europäische Kommission, die der streitgegenständliche Impfstoff – nach fachlicher Beurteilung durch die Europäische Arzneimittelagentur als hierfür zuständiger Behörde auf Grundlage der hierzu durchgeführten wissenschaftlichen Studien – unstreitig erhalten habe. Der Impfstoff werde zudem kontinuierlich und engmaschig von den zuständigen Aufsichtsbehörden überwacht. Der Ausschuss für Humanarzneimittel bei der Europäischen Arzneimittelagentur habe in seinem Bewertungsbericht vom 16.09.2022 (Anlage B3) die positive Nutzen-Risiko-Bilanz des Impfstoffs nochmals bestätigt und die Umwandlung der diesem erteilten bedingten Zulassung in eine Standardzulassung empfohlen. Außerdem habe die EU-Kommission am 31.08.2023 eine auf eine weitere Subvariante des Virus angepasste Variante des streitgegenständlichen Impfstoffs zugelassen und hierdurch nochmals bestätigt, dass sie unverändert von einer positiven Nutzen-Risiko-Bilanz ausgehe. Vor diesem Hintergrund habe die Klägerin nicht ausreichend konkret dargelegt, aus welchen Gründen die von der Europäischen Arzneimittelagentur bzw. der Europäischen Kommission auf der Grundlage der verfügbaren medizinischen Forschungslage und Studienergebnisse getroffene Bewertung nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechen sollte. Die Wirksamkeit des Impfstoffs sei durch die im Rahmen des Zulassungsverfahrens und im Anschluss hieran durchgeführten wissenschaftlichen Studien belegt. Die Behauptung der Klägerin, die von Politik und Impfstoffhersteller vertretene Auffassung, dass die Impfung zumindest vor einem schweren Verlauf einer Corona-Infektion schütze, entbehre jeder wissenschaftlichen Grundlage, sei vor diesem Hintergrund nicht verständlich. Insbesondere lasse sich die Wirksamkeit des Impfstoffs nicht allein mit einem Verweis auf mögliche "Dunkelziffern" in Zweifel ziehen. Ebenso wenig genügten etwaige abweichende Einzelmeinungen, um einen wissenschaftlichen Konsens in Frage zu stellen. Demgegenüber seien die mit dem Impfstoff verbundenen Risiken bzw. Nebenwirkungen in der Gesamtbilanz nicht als unvertretbar hoch anzusehen. Die von der Klägerin in Bezug genommenen 980.105 von der Europäischen Arzneimittelagentur veröffentlichen Fälle zu – ohnehin teilweise vergleichsweise geringfügigen – Nebenwirkungen seien im Verhältnis zu weltweit deutlich über 2,6 Milliarden verabreichter Impfdosen schon als sehr gering anzusehen; abgesehen davon handele es sich um reine Verdachtsmeldungen, bei denen ein kausaler Zusammenhang nicht feststehe und die auch von medizinischen Laien auf Grund einer nicht nachprüfbaren subjektiven Behauptung gemeldet werden könnten. Eine negative Nutzen-Risiko-Bilanz des Impfstoffs lasse sich daraus nicht ableiten. Die 116 Todesfälle, bei denen das Paul-Ehrlich-Institut einen ursächlichen Zusammenhang mit der Impfung überhaupt als "konsistent" bewertet habe, seien im Vergleich zur Gesamtzahl der Impfungen nicht als unvertretbar hoch anzusehen. Auch im Übrigen zeige die Klägerin keine konkreten Anhaltspunkte auf, die Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Bewertung der Nutzen-Risiko-Bilanz des streitgegenständlichen Impfstoffs durch die Europäische Arzneimittelagentur bzw. die Europäische Kommission begründen würden. Maßgeblich seien insofern die allgemein anerkannten Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft und nicht etwaige hiervon abweichende Einzelstimmen, die sich teilweise lediglich zu Einzelaspekten verhielten. Allein der Umstand, dass bislang keine Langzeitstudien vorlägen, lasse erkennbar ebenfalls nicht den Rückschluss auf eine negative Nutzen-Risiko-Bilanz zu und liege außerdem bei einem neu entwickelten Impfstoff in der Natur der Sache. Nicht weiterführend sei ferner das ohnehin unsubstantiierte Vorbringen der Klägerin, wonach sich das Risiko von Nebenwirkungen des streitgegenständlichen Impfstoffs von Charge zu Charge unterscheide. Denn es sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die der Klägerin verabreichte Impfdosis konkret aus einer besonders risikobehafteten Charge gestammt habe. Weshalb sich aus der behaupteten Abhängigkeit des Risikos für Nebenwirkungen von der jeweiligen Impfstoff-Charge eine Beweislastumkehr zu Lasten der Beklagten ergeben solle, erschließe sich nicht. Insgesamt seien daher keine greifbaren Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der streitgegenständliche Impfstoff entgegen der auf Grundlage der hierzu durchgeführten wissenschaftlichen Studien getroffenen Bewertung der Europäischen Arzneimittelagentur bzw. der Europäischen Kommission eine negative Nutzen-Risiko-Bilanz aufweisen sollte. Deshalb bestehe keine Veranlassung für die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dieser Fragestellung. Darüber hinaus trage die Klägerin keine ernsthaften Anhaltspunkte vor für ihre Behauptung, die Europäische Arzneimittelagentur fungiere als verlängerter Arm einer interessengeleiteten Politik. Weshalb der Umstand, dass der Bundesgesundheitsminister die Auffassung geäußert habe, die Impfgeschädigten sollten durch den Staat unterstützt werden, eine angebliche Gefährlichkeit des Impfstoffs bezeuge, erschließe sich nicht. Auf der Grundlage des Klagevorbringens sei auch nicht ersichtlich, dass der von der Klägerin behauptete Schaden infolge einer nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation eingetreten sei. Die Klägerin trage schon nicht substantiiert vor, inwiefern die Beklagte vor der hier streitgegenständlichen Impfung hinreichend gesicherte Erkenntnisse darüber gehabt haben soll, dass die Impfung zu den bei der Klägerin aufgetretenen Nebenwirkungen führen könne. Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang genannten Nebenwirkungen entsprächen nicht den Nebenwirkungen, die angeblich bei ihr aufgetreten sein sollen; zudem erfolge keine zeitliche Einordnung, wann die Beklagte jeweils Kenntnisse von diesen Nebenwirkungen erlangt haben soll. Darüber hinaus erscheine es unglaubhaft, dass die Klägerin – wie von ihr geltend gemacht – von der Impfung Abstand genommen hätte, wenn sie im Rahmen der Aufklärung auf unbestätigte Berichte über Autoimmunerkrankungen, das Post-Vakzin-Syndrom, Nervenerkrankungen, Thrombosen oder das Fatigue-Syndrom hingewiesen worden wäre. Eine Haftung der Beklagten wegen einer angeblichen "Verharmlosung" der Impfung durch die Politik und die öffentliche Berichterstattung bestehe nicht. Die Argumentation der Klägerin, dass angesichts fehlender gesicherter Daten eine korrekte ärztliche Aufklärung über die Risiken der Impfung überhaupt nicht möglich gewesen sei, verfange nicht. Eine Haftung der Beklagten nach § 84 Abs. 1 AMG bestehe somit nicht. Auch ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 823 Abs. 1 BGB sei mangels Verschuldens der Beklagten nicht gegeben. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergebe sich aus der in den zwischen der Beklagten und der EU-Kommission über die Bereitstellung des Impfstoffs geschlossenen Verträgen enthaltenen Haftungsfreizeichnung oder der Regelung in § 3 Abs. 4 MedBVSV nicht, dass die Beklagte um eine angebliche Gefährlichkeit der Impfstoffe gewusst habe. Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nach § 826 BGB lägen ebenfalls nicht vor, da der Beklagten schon kein Fahrlässigkeitsvorwurf zu machen sei. Das Produkthaftungsgesetz sei gemäß § 15 Prod-HaftG auf Arzneimittel nicht anwendbar, so dass eine Haftung nach diesem Gesetz ebenfalls ausscheide. Der mit der Klage geltend gemachte Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch bestehe daher nicht, so dass es auf die Frage des – von der Klägerin zu erbringenden – Kausalitätsnachweises oder die Frage der Verfassungswidrigkeit von § 3 Abs. 4 MedBVSV nicht ankomme. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf das angegriffene Urteil vom 14.11.2023, Bl. 231 eGA LG, Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt und klageerweiternd einen Auskunftsanspruch geltend macht. Die positiven Voraussetzungen eines Auskunftsanspruchs nach § 84a AMG seien unter Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Vortrag gegeben und die Auskunft sei für die Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses im Rahmen eines Anspruchs aus § 84 Abs. 1 AMG erforderlich. Den Anspruch aus § 84 Abs. 1 AMG habe das Landgericht fehlerhaft verneint, weil es wesentlichen Vortrag der Klägerin, insbesondere zu dem Bewertungsbericht der Europäischen Arzneimittelagentur vom 16.09.2022, außer Acht gelassen habe. Des Weiteren könne aus der erteilten Standardzulassung des Impfstoffs nicht auf ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis geschlossen werden, da der einzelne Bürger mangels Rechtsschutzbedürfnisses gegen die Zulassungsentscheidung nicht habe gerichtlich vorgehen können. Vor diesem Hintergrund sei es mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht vereinbar, wenn die Standardzulassung per se Einwände nachträglich ausschließen würde und die Klägerin die damalige Entscheidung der Behörde vor den hiesigen Gerichten nicht mehr überprüfen lassen könne; dies würde die Vorschrift des § 84 Abs. 1 AMG aushebeln. Ferner sei eine eigene Sachkunde des Erstrichters zur Beurteilung der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft nicht ersichtlich, sondern es hätte ein Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen. Das Landgericht hätte auch nicht – wie aber geschehen – ohne Bezugnahme auf medizinische und klinische Daten oder Erhebung eines Sachverständigenbeweises feststellen dürfen, dass der Impfstoff entscheidend dazu beigetragen habe, die Corona-Pandemie einzudämmen. Die Klägerin bekräftigt des Weiteren ihre Ansicht, dass die Europäische Arzneimittelagentur sich in einem Interessenkonflikt befinde und die Verpflichtungen aus dem Abkommen zwischen der Kommission und dem Hersteller (Anlage K24) belege, dass der Impfstoff mit erheblichen Risiken und Unsicherheiten verbunden sei. Der Umstand, dass es sich um einen neuartigen Impfstoff gehandelt habe, zu dem Landzeitstudien fehlten, führe zu keinem anderen Ergebnis, sondern gerade dazu, dass die Risiken besonders hoch gewesen seien und den Nutzen (aufgrund des begrenzten Schutzes vor Ansteckung) überwiegen würden. Die bei der Klägerin zutage getretenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen zählten gerade zu den typischen Langzeitfolgen, die das Nutzen-Risiko-Verhältnis negativ gestalteten. Es bestehe des Weiteren ein begründeter Verdacht einer systematischen Verunreinigung des Impfstoffs der Beklagten mit Fremd-DNA über das hinnehmbare Maß hinaus. Ob die im vorliegenden Fall verwendete Charge ebenfalls verunreinigt gewesen sei und welche Auswirkungen hierdurch erwüchsen, könne klägerseits nicht festgestellt werden. Für die Chargenfreigabe sei das Paul-Ehrlich-Institut verantwortlich, das aber nicht einmal stichprobenartig die Chargen des Impfstoffs der Beklagten überprüft und erst recht nicht auf Verunreinigung mit Fremd-DNA untersucht habe. Eine systematische Verunreinigung der Chargen erwecke begründete Zweifel an einem positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis, da durch das Einschleusen der Fremd-DNA in den Zellkern die Gefahr unkalkulierbarer schädlicher Ereignisse bestehe. Des Weiteren werde der für die breite Masse bestimmte Impfstoff der Beklagten im Wege eines anderen Verfahrens ("Prozess 2") hergestellt, als jener, der im Rahmen der klinischen Studien angewendet werde ("Prozess 1"). Dies betrachte die EMA als "bedenklich". Da die Art und Weise der Herstellung des Impfstoffs jedoch für die Bewertung des Nutzens des Impfstoffs von Relevanz sei, habe die Klägerin ein Interesse an der Überprüfung des Herstellungsprozesses und der diesbezüglich vorliegenden Unterlagen und Dokumentationen, das den Anspruch aus § 84a AMG begründe. Das Landgericht lehne fehlerhaft einen Anspruch aus § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG mit der Begründung ab, die Klägerin habe nicht substantiiert vorgetragen, inwiefern die Beklagte vor der hier streitgegenständlichen Impfung hinreichend gesicherte Erkenntnisse darüber gehabt habe, dass die Impfung zu den bei der Klägerin aufgetretenen Nebenwirkungen führen könne. Soweit das Landgericht darauf abstelle, dass Berichte von Geimpften nicht an die Beklagte, sondern an das Robert Koch Institut (RKI) erfolgt seien, und die Beklagte nicht über weitergehende Informationen als das RKI verfüge, sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte als Herstellerin selbst verpflichtet gewesen sei, alle bekannten Nebenwirkungen an das Paul-Ehrlich-Institut bzw. die Europäische Arzneimittelagentur weiterzuleiten. Aus dem "Safety Update" der EMA vom 14.07.2021 könne der Schluss gezogen werden, dass die Merkmale eines Fatigue-Syndroms bereits im Juni 2021 in die Produktinformationen von Comirnaty hätten aufgenommen werden können. Das Versäumnis, dass es nicht zur Aufnahme in die Gebrauchsinformation gekommen sei, sei der EMA und der Beklagten anzulasten. Die Gebrauchsinformation hätte vor der Impfung der Klägerin aktualisiert werden können. Der bei der Klägerin diagnostizierte Drehschwindel sei in den "Safety Updates" zwar nicht aufgeführt, was aber nicht bedeute, dass dies der Beklagten vor der streitgegenständlichen Impfung nicht als potentielle Nebenwirkungen hätte aufgefallen sein müssen. Im Hinblick auf die vom Landgericht verneinte Kausalität bedeute der Umstand, dass die Klägerin weiterhin ihre damals schwangere Schwester habe besuchen wollen, jedoch nicht, dass sie sich unter allen Umständen hätte impfen lassen, wenn zusätzliche Risikohinweise auf Autoimmunerkrankungen, das Post-Vac-Syndrom, Nervenerkrankungen, Thrombosen oder das Fatigue-Syndrom in den Produktinformationen enthalten gewesen wären. Tatsächlich hätte sich die Klägerin nach Alternativen umgesehen, die es auch gegeben habe, unter anderen mit dem Impfstoff Vaxzevria des Herstellers Astra Zeneca oder dem mRNA-Impfstoff Moderna. Da die Klägerin vorgetragen habe, sie hätte sich bei Kenntnis der tatsächlichen Gefahren nicht mit dem Impfstoff der Beklagten impfen lassen, habe das Landgericht den Anspruch aus § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG zu Unrecht verneint. Es bestehe auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 und § 826 BGB sowie § 823 Abs. 2 BGB iVm § 5 AMG, da ein Verschulden der Beklagten in Form von unzulänglichen Daten über Nutzen und Risiken des Impfstoffs sowie über Langzeitfolgen vorliege. Bei sorgfältiger Untersuchung im Vorfeld hätten der Beklagten die eingetretenen Nebenwirkungen bekannt sein müssen und bei sorgfaltspflichtgemäßer und umfassender Datenerhebung hätten vor dem Inverkehrbringen des Arzneimittels die aufgetretenen Nebenwirkungen zutage gefördert und in den Produktinformationen aufgeführt werden können. Fehlerhaft unterlasse das Landgericht eine Prüfung der Europarechtskonformität von § 15 ProdHaftG und lehne den Anspruch daher zu Unrecht ab. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 13.02.2024 und die Schriftsätze vom 14.02.2024, Bl. 9 ff. eGA, und vom 14.05.2024, Bl. 104 ff. eGA, verwiesen.

Die Klägerin beantragt zuletzt, das Urteils des Landgerichts Mainz vom 22.11.2023, 9 O 37/23, abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch 100.000,00 € nicht unterschreiten soll, nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf den zuerkannten Betrag seit Rechtshängigkeit zu bezahlen,
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche Schäden, die ihr in Zukunft aus den Corona-Schutzimpfungen vom pp.08.2021 und vom pp.09.2021 mit dem Impfstoff Comirnaty des Herstellers BioNTech/Pfizer entstehen, zu ersetzen soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen,

sowie klageerweiternd,

die Beklagte zu verurteilen, Auskunft zu erteilen über die im Zeitraum vom 20.12.2020 bis zum 12.06.2024 bei ihr bekannten Wirkungen und Nebenwirkungen sowie sämtliche weiteren Erkenntnisse, die für die Bewertung der Vertretbarkeit schädlicher Wirkungen des Impfstoffs Comirnaty der Beklagten von Bedeutung sein können, soweit sie Fatigue-Syndrom, starke Kopfschmerzen, persistierender Drehschwindel, ständige Müdigkeit, Antriebslosigkeit, starker Anstieg der Herzfrequenz bei jeder Belastung, Fallneigung beim Gehen, Muskelschmerzen, Gliederschmerzen, allgemeines Krankheitsgefühl, Gesichtsschmerzen, Nackenschmerzen, Hautausschläge, Verschlechterung des Stuhlgangs betreffen.

Hilfsweise beantragt die Klägerin
die Aufhebung des Urteils des Landgerichts Mainz vom 14.11.2023 (9 O 37/23) und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Mainz zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Das Landgericht habe zu Recht keine Zweifel an dem positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis des Impfstoffs gehabt und auf die arzneimittelrechtliche Zulassung des Impfstoffs durch die EU-Kommission abgestellt. Diese Zulassung entfalte insbesondere hinsichtlich des positiven Nutzen-Risiko-Verhältnisses Tatbestandswirkung, an die die Zivilgerichte gebunden seien. Auch im Übrigen seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, die gegen ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis sprächen. Die von der Klägerin herangezogenen Verdachtsmeldungen begründeten ebenso wenig eine Schadenseignung des Impfstoffs wie die Sicherheitsberichte des Paul-Ehrlich-Instituts oder der Vertriebsvertrag für den Impfstoff. Der klägerische Vortrag zu den unterschiedlichen Herstellungsprozessen des Impfstoffs sei neu in der Berufungsinstanz und zudem hinsichtlich der behaupteten "bedenklichen" Kontamination mit Fremd-DNA unzutreffend. Die für diese Behauptungen herangezogenen Quellen seien nach wissenschaftlichen Standards unhaltbar. Ein Anspruch bestehe auch nicht wegen fehlerhafter Fach- oder Gebrauchsinformationen. Die EMA, die final über eine Änderung der Fach- oder Gebrauchsinformationen entscheide, habe hierfür nach der Zulassung des Impfstoffs keine Veranlassung gesehen. Das Landgericht habe darüber hinaus zutreffend festgestellt, dass die Klägerin einen Entscheidungskonflikt nicht plausibel dargelegt habe. Es sei nicht ersichtlich, aus welchem Grund ein Risikohinweis – unterstellt, ein solcher wäre notwendig gewesen – auf eine Autoimmunerkrankung, Nervenerkrankungen, Thrombosen oder das Fatigue-Syndrom die Klägerin von einer Impfung abgehalten hätte, zumal sie selbst nicht einmal behaupte, an diesen Erkrankungen zu leiden. Die Beklagte bestreitet weiter einen Kausalzusammenhang zwischen der Impfung und den gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin und insbesondere, dass es sich bei den Beeinträchtigungen der Klägerin um typische Langzeitfolgen der Impfung handele. Ohnehin leide die Klägerin nicht an einem medizinisch noch nicht klar definierten "Post-Vac-Syndrom". Die geschilderten gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin seien wahrscheinlich durch die bei der Klägerin diagnostizierte dissoziative Störung und Konversionsstörung verursacht worden. Weitere deliktische Ansprüche kämen nicht in Betracht. Der Klägerin stehe kein Anspruch aus § 84a AMG zu, weil der dadurch vorbereitete Anspruch aus § 84 Abs. 1 AMG schon aus Gründen, die vom vorliegenden Einzelfall unabhängig seien, nicht bestehe. Die Klägerin lege die Behandlungsunterlagen nicht vollständig vor, was einer Plausibilitätsprüfung im Weg stehe. Zudem sei der Anspruch wegen fehlender Erforderlichkeit ausgeschlossen, weil vorliegend die diagnostizierte dissoziative Störung und Konversionsstörung als Alternativursache bestehe, welche die Erbringung des Vollbeweises einer Kausalität des Arzneimittels im Schadensersatzprozess als nahezu ausgeschlossen erscheinen lasse. Schließlich seien ohnehin nicht alle Fragen der Klägerin von dem Auskunftsanspruch gedeckt, weil dieser nicht zu Ausforschungszwecken ausgenutzt werden dürfe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung vom 08.04.2024, Bl. 53 ff. eGA, und den Schriftsatz vom 18.06.2024, Bl. 127 ff. eGA, Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Klägerin steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Schmerzensgeld und die Feststellung der Einstandspflicht für Zukunftsschäden gegen die Beklagte zu (dazu 1. bis 5.). Auch ein Anspruch auf Auskunft besteht nicht (dazu 6.).

1. Der Klägerin steht kein Anspruch aus § 84 Abs. 1 AMG zu. Die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG (dazu a.) und von § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG (dazu b.) sind nicht erfüllt. Darüber hinaus kann die Ursächlichkeit der Impfung für den bei der Klägerin eingetretenen Gesundheitsschaden im Rahmen eines Anspruchs aus § 84 Abs.1 Satz 2 Nr. 2 AMG nicht angenommen werden (dazu c.).

Die in § 84 Abs. 1 Satz 1 AMG normierten Voraussetzungen des Vorliegens eines zulassungspflichtigen Humanarzneimittels, das von einem pharmazeutischen Unternehmer im Inland in den Verkehr gebracht und an einen Verbraucher abgegeben wurde, liegen bei dem von der Beklagten entwickelten und in Deutschland in den Verkehr gebrachten Impfstoff, der später unter dem Namen Comirnaty vertrieben und auch der Klägerin verabreicht wurde, unstreitig vor. Weitere Ausführungen sind insoweit entbehrlich. Im Streit stehen allein die besonderen Voraussetzungen des Anspruchs nach § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 AMG.

a) Die Schadensersatzpflicht des pharmazeutischen Unternehmers besteht nach § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG unter den vorgenannten Voraussetzungen nur, wenn "das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen". Der Anspruch eines Geschädigten ist mithin begründet, wenn ein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis festgestellt wird.

Der Haftungsgrund in § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG steht in engem Zusammenhang zu § 5 AMG, der es im nationalen Recht verbietet, bedenkliche Arzneimittel in den Verkehr zu bringen oder bei einem anderen Menschen anzuwenden. Die Bedenklichkeit eines Arzneimittels, die in § 5 Abs. 2 AMG definiert wird, liegt vor, wenn "nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse der begründete Verdacht besteht, dass sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen haben, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen"; sie knüpft an sehr ähnliche Voraussetzungen an wie § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG. Maßgeblich ist in beiden Fällen die wissenschaftlich belegte Unvertretbarkeit der schädlichen Wirkungen des Arzneimittels bei dessen Einsatz.

Die (Un-)Vertretbarkeit der schädlichen Wirkungen eines Arzneimittels ist durch eine auf die jeweilige Indikation des Medikaments bezogene Nutzen-Risiko-Abwägung zu ermitteln (BGH, Urteil vom 19.03.1991 – VI ZR 248/90, juris Rn. 12, 15; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 20.12.2013 – 4 U 121/11, juris Rn. 45; Rehmann, 5. Aufl. 2020, AMG § 84 Rn. 5; BeckOGK/Franzki, 01.06.2024, AMG § 84 Rn. 83; Kügel/Müller/Hofmann/Brock, 3. Aufl. 2022, AMG § 84 Rn. 68). Damit trägt die Vorschrift dem Umstand Rechnung, dass es sich bei Arzneimitteln um Produkte handelt, die unvermeidbar neben ihren therapeutischen Wirkungen auch Risiken mit sich bringen (Kügel/Müller/Hofmann/Brock, 3. Aufl. 2022, AMG § 84 Rn. 68).

aa) Die Nutzen-Risiko-Abwägung hat abstrakt-generellen Charakter und findet unter Berücksichtigung sämtlicher schädlichen Wirkungen für die vollständige durch die Indikationsangabe des pharmazeutischen Unternehmers anvisierte Patientengruppe statt; sie wird hingegen nicht bezogen auf den individuell Geschädigten oder bezogen auf Untergruppen innerhalb der durch die Indikation angesprochenen Patientengruppe vorgenommen (Kügel/Müller/Hofmann/Brock, 3. Aufl. 2022, AMG § 84 Rn. 82; BeckOGK/Franzki, 01.06.2024, AMG § 84 Rn. 83; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 20.12.2013 – 4 U 121/11, juris Rn. 46 mwN). Das entspricht - soweit für den Senat ersichtlich - einhelliger Ansicht und erklärt sich daraus, dass im Zulassungsverfahren stets auf anonymisierte Studien zurückgegriffen und die Gesamtheit der Ergebnisse bewertet wird. Demgegenüber liegen Daten zu den jeweils individuellen Risiken nicht vor. Die Spezifika des konkreten Einzelfalls können dagegen (nur) von dem das Arzneimittel einsetzenden Arzt beurteilt und beachtet werden. Erfahrungen aus Einzelfällen fließen wiederum in Form der Art, Schwere und statistischen Häufigkeit von unerwünschten Nebenwirkungen in die Gesamtabwägung ein. Meldepflichten sichern, dass solche Erfahrungen aus Einzelfällen auch tatsächlich Berücksichtigung finden können. Aus diesem Verständnis heraus hat die Nutzen-Risiko-Abwägung nicht anhand der "Einzelumstände" bei der konkret zu impfenden Person zu erfolgen, wie die Klägerin meint. Auch die Ständige Impfkommission (STIKO) stellt – entgegen der Ansicht der Klägerin – nicht auf die Einzelumstände ab. Die Geschäftsordnung der STIKO (https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/STIKO/Rechtl_Grundlagen/Geschaeftsordnung/geschaeftsordnung_inhalt.html#doc2388912bodyText2) und auch die von der Klägerin zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 27.04.2022 – 1 BvR 2649/21, BVerfGE 161, 299-412) besagen nichts Gegenteiliges.

Die ermittelten Risiken und der nachgewiesene Nutzen müssen gegeneinander abgewogen werden. Nach § 4 Abs. 28 AMG umfasst das Nutzen-Risiko-Verhältnis "eine Bewertung der positiven therapeutischen Wirkungen des Arzneimittels im Verhältnis zu dem Risiko nach Absatz 27 Buchstabe a" , welches sich definiert als "jedes Risiko im Zusammenhang mit der Qualität, Sicherheit oder Wirksamkeit des Arzneimittels für die Gesundheit der Patienten oder die öffentliche Gesundheit" . Dabei gilt: Je besser der therapeutische Nutzen und je schwerwiegender die Erkrankung ohne Impfung, desto eher können auch gravierende schädliche Wirkungen akzeptiert werden (statt vieler: BeckOGK/Franzki, 01.06.2024, AMG § 84 Rn. 88). Risiken für den Einzelnen lassen sich also nicht gänzlich ausschließen und werden hingenommen, wenn der Nutzen bezogen auf die Gesamtheit der potentiellen Anwender in der Verhältnismäßigkeitsabwägung höher ausfällt. Dieser Sichtweise tritt der Senat bei.

§ 84 AMG begründet danach keine Haftung des Arzneimittelherstellers oder des das Medikament vertreibenden Unternehmers für solche Nebenwirkungen, die bereits bei der Zulassung bekannt und im Hinblick auf den Nutzen des Arzneimittels im Zulassungsverfahren hingenommen wurden, soweit in der Fachinformation und der Packungsbeilage darauf hingewiesen ist (OLG Karlsruhe, Urteil vom 08.10.2008 – 7 U 200/07, juris Rn. 6 ff.). Dies versetzt nämlich den behandelnden - impfenden - Arzt im Einzelfall in die Lage, Besonderheiten zu berücksichtigen. Anders kann es sein bei im Rahmen der umfangreichen Prüfung der Arzneimittelzulassung als vertretbar eingestuften schädlichen Wirkungen, wenn die Schwere oder Häufigkeit der schädlichen Wirkungen sich im Vergleich zum Zeitpunkt der Zulassung verändert haben (BeckOGK/Franzki, 01.06.2024, AMG § 84 Rn. 67). Solche nachträglichen Erkenntnisse sind - bezogen auf den Zeitpunkt der Impfung (siehe nachfolgend) - dann bei der (Neu-)Bewertung zu berücksichtigen und belasten gegebenenfalls den Hersteller.

bb) § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG trifft – anders als etwa die Vorschrift des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 5 ProdHaftG, in der ausdrücklich auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens abgestellt wird – keine Aussage über den Zeitpunkt, auf den die Nutzen-Risiko-Abwägung zu beziehen ist.

(1) Die Rechtsprechung – auch diejenigen Entscheidungen zu Haftungsfragen nach Corona-Schutzimpfungen – stellt für den Haftungsprozess auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab (OLG Stuttgart, Urteil vom 23.02.1989 – 14 U 19/86, juris Rn. 173; wohl auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 08.10.2008 – 7 U 200/07, juris Rn. 11; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 20.12.2013 – 4 U 121/11, juris Rn. 45; LG Hof, Urteil vom 03.01.2023 – 15 O 22/21, juris Rn. 22, und dem nachfolgend OLG Bamberg, Beschluss vom 14.08.2023 – 4 U 15/23, juris Rn. 15 ff.; LG Rottweil, Urteil vom 08.01.2024 – 2 O 153/23, juris Rn. 30; LG Arnsberg, Urteil vom 21.12.2023 – I-1 O 39/23, juris Rn. 68; offen gelassen: LG Saarbrücken, Urteil vom 21.12.2023 – 16 O 33/23, juris Rn. 61), wobei teilweise der Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Impfstoffs zurückprojiziert wird (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 20.12.2013 – 4 U 121/11, juris Rn. 45; LG Frankfurt, Urteil vom 14.02.2024 – 2-12 O 264/22, juris Rn. 157; LG Detmold, Urteil vom 13.02.2024 – 2 O 85/23, juris Rn. 64; LG Hannover, Urteil vom 04.12.2023 – 2 O 76/23 –, Rn. 41, juris). Zur Begründung für diesen Zeitpunkt wird angeführt, dass als gefährlich erkannte Arzneimittel sonst weiter vertrieben werden könnten (OLG Stuttgart, Urteil vom 23.02.1989 – 14 U 19/86, juris Rn. 173) bzw. dass anderenfalls eine Verschuldens- und keine Gefährdungshaftung vorläge, was vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen sei (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 20.12.2013 – 4 U 121/11, juris Rn. 45).

(2) Auch die überwiegende Meinung in der Literatur sieht den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als maßgeblich an und bezieht die bis zur mündlichen Verhandlung gewonnenen Erkenntnisse zurück auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Arzneimittels (BeckOGK/Franzki, 01.06.2024, AMG § 84 Rn. 92; Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, Arzneimittelrecht, § 27 Haftung für Arzneimittelschäden Rn. 53; Rehmann, 5. Aufl. 2020, AMG § 84 Rn. 5; Kügel/Müller/Hofmann/Brock, 3. Aufl. 2022, AMG § 84 Rn. 88; Spickhoff/Spickhoff, 4. Aufl. 2022, AMG § 84 Rn. 19; ohne Rückprojizierung abstellend auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung: Meier/von Czettritz/Gabriel/Kaufmann, Pharmarecht, § 4 Inverkehrbringen, Überwachung und Schutz von Arzneimitteln Rn. 59). Zur Begründung wird angeführt, die Regelung des § 84 Abs. 3 AMG zeige, dass (auch) für Entwicklungsfehler gehaftet werden soll, die wegen des zwangsläufig begrenzten Erkenntnisstandes im Zeitpunkt des Inverkehrbringens objektiv (noch) nicht vorhersehbar gewesen seien. So sei es auch die erklärte Absicht des Gesetzgebers gewesen, Schäden vergleichbar der Contergan-Katastrophe künftig nicht entschädigungslos zu lassen. Angesichts dessen könne für die maßgeblichen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft nicht allein auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Arzneimittels abgestellt werden. Andererseits könne bei der Bewertung der Unvertretbarkeit der Zeitpunkt des Inverkehrbringens des konkreten Arzneimittels nicht gänzlich außer Betracht bleiben, da die Anordnung einer Gefährdungshaftung des pharmazeutischen Unternehmers durch das Inverkehrbringen eines potenziell gefährlichen Produkts gerechtfertigt sei. Allerdings sei dieser neueste Erkenntnisstand insofern auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens zurückzuprojizieren, als gefragt werden müsse, ob bei den nunmehr bestehenden wissenschaftlichen Erkenntnissen, wenn sie damals bereits bekannt gewesen wären, ein Inverkehrbringen des Arzneimittels unter Berücksichtigung des sonstigen damaligen Arzneimittelangebots bzw. der damals zur Verfügung stehenden Behandlungsalternativen hätte in Kauf genommen werden müssen. Zu prüfen sei also, ob das Arzneimittel angesichts der nunmehr vorliegenden Erkenntnisse hätte zugelassen werden dürfen. Wenn es demgegenüber bereits seinerzeit Alternativen mit gleichem therapeutischem Nutzen, indes mit geringeren schädlichen Wirkungen gegeben habe, sei das zu beurteilende Arzneimittel fehlerhaft (Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, Arzneimittelrecht, § 27 Haftung für Arzneimittelschäden Rn. 53). Eine Rückbeziehung auf den Zeitpunkt der Anwendung des Arzneimittels würde hingegen die Haftung des Herstellers überspannen, wenn ein Arzneimittel erst wesentlich später, wenn auch ohne Überschreitung des Verfallsdatums, tatsächlich angewendet werde (Spickhoff/Spickhoff, 4. Aufl. 2022, AMG § 84 Rn. 19).

Eine andere Ansicht legt ebenfalls die Erkenntnisse zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung zugrunde, hält für die Rückprojektion aber den Zeitpunkt der Anwendung des Arzneimittels für vorzugswürdig (Koyuncu in: Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler, Produzentenhaftung Handbuch, Loseblatt, Stand: 2023, Bd. 2, EL 2/23 – VII/23, Kz. 3825, S. 40 ff.). Diese Rückprojektion gewährleiste, dass der pharmazeutische Unternehmer nicht aus § 84 AMG dafür hafte, dass später ein "besseres" Arzneimittel zugelassen werde und er sein Arzneimittel weiter vertreibe. Ferner werde die Rückprojektion auf den Zeitpunkt der Arzneimittelanwendung dem Charakter des § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG als Gefährdungshaftung eher gerecht. Erst die Anwendung des Arzneimittels setze die Interaktion des Produkts mit dem Körper des Patienten in Gang und ermögliche die Realisierung des produkttypischen Risikos, das den Anknüpfungspunkt für die Gefährdungshaftung darstelle. Bis zu diesem Zeitpunkt könne die Risikoverwirklichung noch verhindert werden, z.B. durch einen Produktrückruf oder eine Warnung. Daher werde gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 AMG die für die Haftungsauslösung maßgebliche "Gefährdung" nicht schon durch das Inverkehrbringen induziert, sondern erst durch die Anwendung des Arzneimittels. Entsprechend stelle § 84 Abs. 1 Satz 1 AMG explizit darauf ab, dass durch "die Anwendung" eines Arzneimittels (und nicht durch die Inverkehrgabe) ein Mensch verletzt werde. Für die Auslegung sei ferner bedeutsam, dass ein Inverkehrbringen im Sinne des AMG schon zu einem sehr weit vorgelagerten Zeitpunkt angenommen werde, nämlich gemäß § 4 Abs. 17 AMG bereits durch das Vorrätighalten zum Verkauf im Lager des pharmazeutischen Unternehmers. Zwischen diesem Zeitpunkt und der schadenskausalen Anwendung des Arzneimittels könne erhebliche Zeit vergehen. Wenn sich in diesem Zeitraum etwa das pharmazeutische Umfeld des Arzneimittels ändere, entspreche es den Grundsätzen einer den Entwicklungsfehler einschließenden Gefährdungshaftung, dass diese Veränderung in die Risikosphäre des pharmazeutischen Unternehmers falle. Des Weiteren sei zu berücksichtigen, dass die Rechtsprechung in einem anderen, hier aber dennoch relevanten Kontext, nämlich zu Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB, ebenfalls auf den Zeitpunkt des Eintritts der Rechtsgutverletzung abstellt, weil § 84 AMG eine Gefährdungshaftung anordne und der Eintritt der Rechtsgutverletzung erst die Haftung auslöse (BGH, Urteil vom 16.03.2010 – VI ZR 64/09, juris Rn. 6) bzw. dem Patienten kaum der Nachweis möglich sei, aus welcher Charge ein Arzneimittel stamme und wann es an die jeweilige Apotheke ausgeliefert worden sei (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 30.05.2012 – 13 U 73/07, juris Rn. 18). Schließlich spreche eine Wertung des allgemeinen Produkthaftungsrechts für eine Rückprojektion auf den Zeitpunkt der Anwendung (oder des Schadenseintritts) und gegen eine Rückbeziehung auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens: Nach dem ProdHaftG und der EG-Produkthaftungsrichtlinie müsse der Verbraucher bei einer Verletzung nur beweisen, dass der Fehler des Produkts im Zeitpunkt der Schädigung vorgelegen habe. Das spreche umso mehr für die Rückprojektion auf den Zeitpunkt der Anwendung, als § 84 AMG – anders als das ProdHaftG – auch die Haftung für Entwicklungsfehler vorsehe und auch keine mit § 1 Abs. 2 Nr. 2 ProdHaftG inhaltsgleiche Regelung enthalte (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 ProdHaftG: "Die Ersatzpflicht des Herstellers ist ausgeschlossen, wenn (pp.) 2. nach den Umständen davon auszugehen ist, dass das Produkt den Fehler, der den Schaden verursacht hat, noch nicht hatte, als der Hersteller es in den Verkehr brachte."). Gerade die Tatsache, dass § 84 Abs. 3 AMG für den Haftungsausschluss anders als § 1 Abs. 2 Nr. 2 ProdHaftG nicht auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens abstelle, führe dazu, dass bei § 84 AMG der pharmazeutische Unternehmer auch für "Fehler" des Arzneimittels hafte, wenn diese zwar beim Inverkehrbringen noch nicht vorgelegen hätten, ihre Ursache aber dennoch in dem Bereich der Entwicklung und Herstellung gehabt hätten. Auch deshalb entspreche eine Rückprojektion auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens nicht dem Normzweck des § 84 AMG. Vielmehr ergebe die Rückprojektion der Schädlichkeit auf den Zeitpunkt der Anwendung des Arzneimittels sachgerechte Ergebnisse.

(3) Der Senat ist mit der dargestellten weit überwiegenden Ansicht in Literatur und Rechtsprechung der Ansicht, dass einer Entscheidung die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die schädlichen Wirkungen des hier in Rede stehenden Impfstoffs im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zugrunde zu legen sind. Als Zeitpunkt der Rückprojektion ist der Zeitpunkt der Anwendung des Arzneimittels heranzuziehen; dies wird dem Charakter der Vorschrift als Gefährdungshaftung am besten gerecht. Der Senat macht sich die Begründung der zuletzt genannten Literaturansicht zu eigen.

cc) Die vorgenannten Maßstäbe zugrunde gelegt, ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis für den Impfstoff der Beklagten im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung als positiv zu bewerten.

(1) Dies steht zunächst fest aufgrund der Tatbestandswirkung des Durchführungsbeschlusses der Europäischen Kommission vom 10.10.2022 zur unbedingten Zulassung des Impfstoffs (Anlage B2), der den Beschluss vom 21.12.2020 über die bedingte (außerordentliche) Zulassung bestätigt.

(1.1) Im Unionsrecht gilt der Grundsatz der Vermutung der Rechtmäßigkeit von Gemeinschaftsakten. Dieser Grundsatz besagt, dass die Rechtsakte einer europäischen Behörde – hier der Europäischen Kommission – Rechtswirkungen entfalten, solange sie nicht zurückgenommen, im Rahmen einer Nichtigkeitsklage für nichtig erklärt oder infolge eines Vorabentscheidungsersuchens oder einer Rechtswidrigkeitseinrede für ungültig erklärt worden sind (EuGH, Urteil vom 12.02.2008 – C-199/06, juris Rn. 60). Dieser Grundsatz betrifft die Rechtsbeständigkeit von Gemeinschaftsakten und enthält – ähnlich wie die § 43 Abs. 1, § 44 Abs. 1 VwVfG im nationalen Recht – das Prinzip der Rechtswirksamkeit auch fehlerhafter Gemeinschaftsakte. Er gestattet es insbesondere anderen europäischen und nationalen Behörden sowie Gerichten in nachfolgenden Verfahren von der Tatbestandswirkung dieses europäischen Rechtsakts auszugehen, das heißt in nachfolgenden Verfahren bei der Rechtsprüfung das tatbestandliche Vorliegen einer rechtswirksamen Zulassung festzustellen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.07.2022 – 1 WB 2/22, BVerwGE 176, 138-211, Rn. 205 - 206).

Mit der Feststellung der rechtswirksamen Zulassung wird inzident das Vorliegen eines positiven Nutzen-Risiko-Verhältnisses festgestellt, da ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis Tatbestandsvoraussetzung der Zulassung eines Arzneimittels ist, gleichgültig, ob auf nationaler oder europäischer Ebene.

Bereits eine bedingte (außerordentliche) Zulassung, die für den streitgegenständlichen Impfstoff am 21.12.2020 erteilt worden war, darf nach Art. 14-a Abs. 3 Verordnung (EG) 726/2004 und nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 lit. a) Verordnung (EG) 507/2006 nur erfolgen, "wenn das Nutzen-Risiko-Verhältnis des Arzneimittels positiv ist".

Mit der bedingten Zulassung werden dem Arzneimittelhersteller gemäß Art. 14-a Abs. 4 Verordnung (EG) 726/2004 "besondere Verpflichtungen" auferlegt, die nach Abs. 5 darin bestehen, "laufende Studien abzuschließen oder neue Studien einzuleiten, um das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis zu bestätigen."

Das Vorliegen eines positiven Nutzen-Risiko-Verhältnisses ist nach des § 14-a Abs. 8 Verordnung (EG) 726/2004 erneut nachzuweisen, um eine ordentliche, fünf Jahre gültige Zulassung zu erhalten. In Erwägungsgrund Nr. 2 des Durchführungsbeschlusses für die unbedingte Zulassung des streitgegenständlichen Impfstoffs vom 10.10.2022 wird von der EU-Kommission festgestellt, dass die Beklagte die ihr im Rahmen der bedingten Zulassung gemäß Art. 14-a Abs. 4 Verordnung (EG) 726/2004 auferlegten besonderen Verpflichtungen erfüllt hat.

Die Prüfung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses war mithin wesentliche Voraussetzung sowohl für die bedingte Zulassung des Impfstoffs als auch für die Erteilung der unbedingten Zulassung, so dass mit der Zulassungsentscheidung zugleich das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis somit Bindungswirkung auch für die Zivilgerichte festgestellt wurde (zum Umfang der Tatbestandswirkung vgl. auch BGH, Urteil vom 26.06.2023 – VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245-280, Rn. 12; wie hier auch LG Frankfurt, Urteil vom 14.02.2024 – 2-12 O 264/22, juris Rn. 12; für die Verwaltungsgerichtsbarkeit allein in Bezug auf die Zulassungsentscheidung: BVerwG, Beschluss vom 07.07.2022 – 1 WB 2/22, BVerwGE 176, 138-211, juris Rn. 206 unter Bezugnahme auf BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15.10.2009 – 1 BvR 3522/08, juris Rn. 50).

Die am 10.10.2022 erteilte unbedingte Zulassung ist bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weder geändert noch ausgesetzt oder widerrufen worden (Art. 20a Verordnung (EG) 726/2004) und auch die Verwendung des Impfstoffs ist nicht durch die Kommission ausgesetzt worden (Art. 20 Abs. 4 Verordnung (EG) 726/2004), so dass die Bindungswirkung unverändert fortbesteht.

(1.2) Hiergegen kann die Klägerin nicht mit Erfolg einwenden, es sei mit Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbar, wenn die behördliche Zulassungsentscheidung nicht mehr vor den (nationalen) Zivilgerichten angegriffen werden könne. Zur Begründung verweist die Klägerin auf den Beschluss vom 9. November 2021 (T-96/21) - der von dem Europäischen Gericht erster Instanz (EuG) erlassen wurde und nicht vom EuGH, wie von der Klägerin vorgetragen - wonach dem Einzelnen das Rechtsschutzbedürfnis und auch die Klagebefugnis fehlten, um den Beschluss der Europäischen Kommission zur Zulassung des Impfstoffs mit der Nichtigkeitsklage gemäß Art. 263 AEUV anzufechten. Denn der Klägerin wird der Rechtsschutz dadurch nicht vollständig versagt. Die behördliche Zulassung eines Arzneimittels lässt - ungeachtet der Möglichkeit einer Vorlageentscheidung im Rechtszug - die zivil- und strafrechtliche Verantwortlichkeit des pharmazeutischen Unternehmers unberührt, § 25 Abs. 10 AMG iVm Art. 15 Verordnung (EG) 726/2004. Die durch die Europäische Kommission gemäß Artikel 3 Verordnung (EG) 726/2004 erteilte Zulassung (vgl. Durchführungsbeschluss vom 10.10.2022, Artikel 1) steht einer nationalen Zulassung gleich, § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG. Somit kann die Bindungswirkung der Zulassungsentscheidung im Zivilprozess in Frage gestellt werden, wenn substantiiert dargelegt wird, welche der Beklagten damals bereits bekannte Umstände bei der Zulassungsentscheidung nicht berücksichtigt worden sein sollen, bei deren Berücksichtigung eine andere Zulassungsentscheidung gerechtfertigt gewesen wäre, oder aber, wenn dargelegt wird, dass nach der Zulassung Nebenwirkungen des Impfstoffs bekannt geworden sind, deren Kenntnis im Zeitpunkt der Zulassung einer Zulassung entgegen gestanden hätten (so auch OLG Bamberg, Beschluss vom 14.08.2023 – 4 U 15/23 e, juris Rn. 15; vgl. auch BGH, Urteil vom 12.05.2015 – VI ZR 328/11, BGHZ 205, 270-287, Rn. 28). Gleiches dürfte gelten, wenn im Einzelnen begründet wird, dass ein Ermessensfehler bei der Nutzen-Risiko-Abwägung vorliegt, d.h. das Ermessen nicht ausgeübt oder überschritten wurde oder das Ermessen wider die gesetzlichen Bestimmungen erfolgte oder ein Verstoß gegen Denkgesetze und anerkannte Erfahrungssätze vorliegt.

Dazu hat die Klägerin jedoch nichts vorgetragen.

(1.3) Die Notwendigkeit einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 267 AEUV besteht nach Ansicht des Senats mangels Entscheidungserheblichkeit nicht. Die von der Klägerin formulierte "Vorlagefrage", "ob die Beurteilung des Nutzen-Risikos ermessensfehlerfrei ist und keine ermessensfremden Erwägungen miteinbezogen wurden" und "ob eine Vereinbarkeit mit der europäischen Verordnung (RG) 726/2004 und der Grundrechtecharta vorliegt", betrifft weder die Auslegung der Verträge (vgl. Art. 267 Abs. 1 lit. a AEUV) noch die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union (vgl. Art. 267 Abs. 1 lit. b AEUV). Die Gültigkeit der Zulassungsentscheidung besteht mangels Widerrufs (Art. 20a Verordnung (EG) 726/2004) unverändert fort (siehe oben). Letztlich kann dies aber auch deshalb dahin stehen, da der Senat aufgrund der Zulassung der Revision nicht letztinstanzlich entscheidet und daher zur Vorlage an den EuGH nicht verpflichtet ist, Art. 267 Abs. 3 AEUV.

(2) Wenn man – anders als soeben dargelegt – nicht von einer Bindungswirkung der Zulassungsentscheidung in Bezug auf das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis ausgeht, ergibt sich dennoch kein anderes Ergebnis. Der Senat gelangt auf der Grundlage der Bewertung der Expertengremien zu dem Ergebnis, dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis des streitgegenständlichen Impfstoffs nach den von den Parteien vorgetragenen Tatsachen zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung projiziert auf den Zeitpunkt der Impfung positiv ist.

(2.1) Aus der dem Durchführungsbeschluss der EU-Kommission vom 10.10.2022 zugrundeliegenden Empfehlung des Ausschusses für Humanarzneimittel, CHMP, vom 15.09.2022 (vorgelegt als Anlagen K43 und B3) geht hervor, dass der Beklagten seit der bedingten Marktzulassung des streitgegenständlichen Impfstoffs am 21.12.2020 verschiedene "Spezifische Verpflichtungen" (kurz: "SV") auferlegt worden waren (vgl. Art. 14-a Abs. 4 Verordnung (EG) 726/2004). Diese werden in dem Bericht des CHMP ausführlich dargestellt. Der Ausschuss hält dazu fest, dass zu sämtlichen Spezifischen Verpflichtungen neue Daten fristgerecht und als annehmbar zur Erfüllung der Verpflichtungen vorgelegt worden seien. Die allgemeine Schlussfolgerung zu den Spezifischen Verpflichtungen (Ziffer 2.3 des Berichts) lautet:

"(pp.) Das klinische Unbedenklichkeitsprofil sowie die Wirksamkeit dieses Produkts werden als umfassend charakterisiert und unterstützen ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis. (pp.)"

Unter Ziffer 6.2 führt der CHMP zum Nutzen-Risiko-Verhältnis aus, dass die neuen Daten keinen Einfluss auf das Nutzen-Risiko-Verhältnis des Impfstoffs in der zugelassenen Indikation hätten, sondern vielmehr das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis in der zugelassenen Indikation bestätigten. Weiter steht in dem Bericht:

"Unsicherheiten und Einschränkungen in Bezug auf ungünstige Auswirkungen:
Die Unsicherheiten und Einschränkungen ungünstiger Auswirkungen wurden bereits in weiteren Verfahren erörtert. Die Hauptunsicherheiten betreffen die langfristigen Auswirkungen und die Auswirkungen bei bestimmten Risikogruppen.
Nutzen-Risiko-Bewertung und Erörterung:
Die Vorteile von Comirnaty in Bezug auf den Schutz vor COVID-19 überwiegen eindeutig die ermittelten Risiken, und während dieses Verlängerungszeitraums wurden keine neuen Informationen bekannt, die das Verhältnis verändert hätten. Sämtliche qualitätsbezogenen SV gelten als erfüllt. (pp.)
Bedeutung von günstigen und ungünstigen Auswirkungen:
Nicht zutreffend.
Nutzen-Risiko-Verhältnis:
Auf der Grundlage des kumulativen Nachweises für günstige und ungünstige Auswirkungen bleibt das Nutzen-Risiko-Verhältnis von Comirnaty positiv."

Unter Ziffer 7 empfiehlt der CHMP sodann Folgendes:

"7. Empfehlung
Auf der Grundlage der Überprüfung der verfügbaren Informationen über den Stand der Erfüllung der spezifischen Verpflichtungen ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis für Comirnaty in der zugelassenen Indikation (siehe Zusammenfassung der Produktmerkmale) weiterhin günstig. Da sämtliche spezifischen Verpflichtungen entweder erfüllt oder in Studien der Kategorie 3 des RMP umgestuft wurden, liegen keine Gründe mehr vor, die Marktzulassung an Bedingungen zu knüpfen, und der CHMP empfiehlt daher die Erteilung einer Standardgenehmigung für die Marktzulassung von Comirnaty, die keinen spezifischen Verpflichtungen unterliegt."

Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hat in einer Stellungnahme vom 10.10.2022 (Anlage B1) mitgeteilt, dass der Ausschuss für Humanarzneimittel bei der EMA für den Impfstoff der Beklagten und einen weiteren mRNA-Impfstoff eines anderen Herstellers die Umwandlung der bedingten Zulassung in eine unbedingte Zulassung empfohlen habe. Aus den für beide Impfstoffe bestehenden Verpflichtungen, Ergebnisse aus den laufenden klinischen Prüfungen vorzulegen und zusätzliche Daten über die pharmazeutische Qualität des jeweiligen Impfstoffprodukts im Hinblick auf den geplanten enormen Produktionsanstieg zu liefern, seien umfangreiche Daten gewonnen worden. Zusätzliche Studien, einschließlich unabhängiger, von den EU-Behörden koordinierter Studien, hätten weitere Daten zu wichtigen Aspekten geliefert, z.B. dazu, wie gut die Impfstoffe schwere COVID-19-Erkrankungen verhinderten. Darüber hinaus hätten die Unternehmen alle angeforderten zusätzlichen Daten zur pharmazeutischen Qualität des jeweiligen Impfstoffprodukts vorgelegt. Insgesamt seien seit der Einführung dieser Impfstoffe mit Hunderten von Millionen verabreichten Dosen umfangreiche Daten gewonnen worden. In Anbetracht der Gesamtheit der verfügbaren Daten würden die spezifischen Verpflichtungen nicht mehr als ausschlaggebend für das Nutzen-Risiko-Verhältnis der Impfstoffprodukte angesehen werden. Damit sei der Weg frei für den Übergang von einer bedingten Zulassung zu einer Standardzulassung.

Der von der Klägerin selbst vorgelegten Stellungnahme des Paul-Ehrlich-Instituts über bis zum 31.10.2022 in Deutschland gemeldete "Verdachtsfälle von Nebenwirkungen oder Impfkomplikationen nach Impfung mit den Omikron-adaptierten bivalenten COVID- 19-Impfstoffen Comirnaty Original/Omicron BA.1, Comirnaty Original/Omicron BA.4-5 (pp.)" (Anlage K30) ist als Fazit zu entnehmen, dass bis 31.10.2022 auch für diese genannten Impfstoffe kein neues Risikosignal aufgrund der Meldungen zu Verdachtsfällen von Nebenwirkungen bzw. Impfkomplikationen aus Deutschland detektiert worden ist.

Somit gelangen sowohl der Ausschuss für Humanarzneimittel der EMA, CHMP, als auch das Paul-Ehrlich-Institut auf der Basis aller bis dahin bekannten und gemeldeten Nebenwirkungen und Impfkomplikationen auf sachverständiger Ebene (dazu nachfolgend) zu dem Ergebnis, dass im Zeitpunkt der Erteilung der Standardzulassung für den streitgegenständlichen Impfstoff am 10.10.2022 das Nutzen-Risiko-Verhältnis positiv war.

Durch die am 31.08.2023 erfolgte Zulassung des auf die COVID-19-Subvariante Omikron XBB.1.5 angepassten Impfstoffs der Beklagten durch die Europäische Kommission wurde das Nutzen-Risiko-Verhältnis erneut bestätigt. Über die Empfehlung des CHMP zur Zulassung berichtet die EMA in ihrer Meldung vom 30.08.2023 (Anlage BB5, deutsche Übersetzung eingereicht als Anlage BB1 mit Schriftsatz vom 08.04.2024).

Die am 21.12.2020 erteilte bedingte Zulassung ist damit weder geändert noch ausgesetzt oder widerrufen worden (Art. 20a Verordnung (EG) 726/2004), sondern in eine unbedingte Zulassung umgewandelt worden. Auch danach ist die Verwendung des Impfstoffs nicht durch die Kommission ausgesetzt worden (Art. 20 Abs. 4 Verordnung (EG) 726/2004). Die unbedingte Zulassung vom 10.10.2022 ist bis zum heutigen Zeitpunkt ebenfalls weder geändert noch ausgesetzt oder widerrufen worden. Vielmehr hat die Europäische Kommission am 31.08.2023 auch den auf die COVID 19-Subvariante Omikron XBB.1.5. angepassten Corminaty-Impfstoff zugelassen.

(2.2) Die oben genannten Entscheidungen der Europäischen Kommission zur bedingten Zulassung des Impfstoffs am 21.12.2020 und zur unbedingten Zulassung am 10.10.2022 basieren auf Empfehlungen der EMA, die wiederum ein Gutachten zum Nutzen-Risiko-Verhältnis des Impfstoffs eingeholt hat (Art. 14-a Abs. 3, 4 und 8 Verordnung (EG) 726/2004). Die Europäische Arzneimittelagentur hat nach Art. 56 Verordnung (EG) 726/2004 verschiedene Organe. Zu diesen Organen gehören nach Art. 56 Abs. 1 lit. a) der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP), der die Gutachten der Agentur zu Fragen der Beurteilung von Humanarzneimitteln ausarbeitet, sowie nach Art. 56 Abs. 1 lit. a) aa) der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC), der für Empfehlungen an den CHMP und die Koordinierungsgruppe in allen Fragen, die Pharmakovigilanz-Tätigkeiten in Bezug auf Humanarzneimittel sowie Risikomanagement-Systeme betreffen, und für die Überwachung der Effektivität dieser Risikomanagement-Systeme zuständig ist.

Der PRAC, also der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz, setzt sich gemäß Art. 61a der Verordnung (EG) 726/2004 aus Vertretern aus allen Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR), wissenschaftlichen Experten, Vertretern der Heilberufe und Vertretern der Patientenorganisationen zusammen. Die Ernennung der Mitglieder und der stellvertretenden Mitglieder des Ausschusses für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz erfolgt gemäß Art. 61a Abs. 3 Satz 1 der Verordnung (EG) 726/2004

"auf der Grundlage ihres einschlägigen Fachwissens in Pharmakovigilanz-Angelegenheiten und in der Risikobeurteilung von Humanarzneimitteln, um höchste fachliche Qualifikationen und ein breites Spektrum an einschlägigem Fachwissen zu gewährleisten."

Im CHMP, dem Ausschuss für Humanarzneimittel, ist gemäß Art. 61 der Verordnung – wie auch im PRAC – jeder Mitgliedsstaat mit einem mit besonderem Fachwissen ausgestatteten Mitglied vertreten. Ferner können sich die Mitglieder des Ausschusses für Humanarzneimittel gemäß Art. 61 Abs. 3 der Verordnung 726/2004 von Sachverständigen aus speziellen Bereichen von Wissenschaft oder Technik begleiten lassen.

Das Pendant der EMA auf Bundesebene ist das Paul-Ehrlich-Institut (kurz: PEI; § 77 Abs. 2 AMG). Das Paul-Ehrlich-Institut ist die in Deutschland federführend zuständige Behörde im Zusammenhang mit der Entwicklung, Zulassung, Bewertung und Überwachung der Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit von Impfstoffen. Ihm obliegt insbesondere die Erfassung und Auswertung von impfinduzierten Risiken und die Koordination gegebenenfalls zu ergreifender Maßnahmen. Daneben ist das Paul-Ehrlich-Institut eine Forschungseinrichtung, um die Expertise zur Impfstoffbeurteilung einschließlich der Beurteilung von individuell auftretenden unerwünschten Impfreaktionen zu bündeln. Geforscht wird unter anderem auf den Gebieten der Immunologie, der Virologie und der Bakteriologie. Aufgrund dieser herausgehobenen Stellung ist das Paul-Ehrlich-Institut weltweit vernetzt und berät nationale, europäische und internationale Gremien im Zusammenhang mit Impfstoffen (BVerwG, Beschluss vom 07.07.2022 – 1 WB 2/22, BVerwGE 176, 138-211, Rn. 92; vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.04.2022 - 1 BvR 2649/21, juris Rn. 138).

Bei den genannten Institutionen und deren Arbeitsebenen handelt es sich mithin nicht um politische Gremien. Ihre Empfehlungen und Entscheidungen orientieren sich nicht an politischen Interessen, auch wenn Grundlage der Einrichtung der Europäischen Arzneimittelagentur und ihrer Organe selbstverständlich eine politische Entscheidung war – auf anderem Wege ließe sich jedoch eine in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union anerkannte und handlungsfähige Institution wie die EMA nicht einrichten. Dennoch handelt es sich bei den Organen der EMA und dem PEI um medizinisch-pharmazeutische und damit wissenschaftliche Fachgremien, nicht um im eigentlichen Sinne des Wortes politische Gremien.

(2.3) Die Einschätzungen zur Arzneimittelsicherheit des CHMP, des PRAC und des PEI stehen also - wovon offenbar auch schon das Landgericht zutreffend ausgegangen ist - einer sachverständigen Begutachtung gleich, da bereits die gesetzlichen Vorgaben für deren Besetzung sie als sachverständige Stellen qualifizieren. Die Institutionen vereinen die widerstreitenden wissenschaftlichen Erfahrungen, Erkenntnisse, Sichtweisen und Hypothesen in sich und lassen diese in eine umfassende Nutzen-Risiko-Bewertung einfließen.

Die Bewertung der Experten von CHMP und PRAC und PEI, die selbst nicht in einem hierarchischen Verhältnis zueinander stehen, bildet das größtmögliche Fachwissen für die hier zu entscheidende Frage des Nutzen-Risiko-Verhältnisses des streitgegenständlichen Impfstoffs ab. Sie vermögen dem Senat daher die notwendige Fachkenntnis zu vermitteln, um die Frage des Nutzen-Risiko-Verhältnisses des Impfstoffs der Beklagten zu beurteilen (so im Ergebnis auch BVerwG, Beschluss vom 07.07.2022 – 1 WB 2/22, BVerwGE 176, 138-211). Der Senat macht sich die zitierten Erkenntnisse der oben aufgeführten Expertengremien daher als Grundlage seiner Entscheidung zu eigen.

Vor dem erläuterten Hintergrund des maximalen Fachwissens in den Expertengremien ist auch nicht zu erwarten, dass die Begutachtung durch einen einzelnen Virologen oder Pharmakologen als Sachverständigen im hiesigen Einzelfall zu anderen Erkenntnissen führen würde. Es wäre lebensfremd anzunehmen, ein einzelner Sachverständiger könnte über weitere Quellen, eine größere Datengrundlage und umfangreicheres Wissen verfügen als die aus jeweils mindestens 27 Personen bestehenden genannten Expertengremien, so dass das von der Klägerin als verfahrensfehlerhaft gerügte Unterlassen einer Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht entscheidungserheblich war. Dass die genannten Expertengremien über die größtmögliche Datengrundlage verfügen, zeigte sich auch in dem vom Senat in einem Parallelverfahren (5 U 1139/23) beigezogenen Verfahren vor dem Landgericht Köln (3 O 143/22). Wie sich aus den beigezogenen Unterlagen ergibt, konnte sich der dort beauftragte Sachverständige gleichermaßen nur auf die vorgenannten Quellen (Erkenntnisse von CHMP, PRAC, PEI) beziehen, die auch dem Senat zur Verfügung stehen; ihm standen keine weitergehenden Daten oder Informationen zur Verfügung. Die Klägerin trägt auch nicht vor, über welches überlegene Wissen ein einzelner Sachverständiger verfügen könnte. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass sich dessen Bewertung eines positiven oder negativen Nutzen-Risiko-Verhältnisses nicht auf die Klägerin beziehen dürfte, sondern auf die Gesamtheit der potentiellen Patientengruppe innerhalb der Europäischen Union.

(2.4) Die vom Senat vorzunehmende Abwägung nach § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG ist zwar nicht mit der Abwägung zur Zulassungsentscheidung der EU-Kommission identisch. Die durchgängig gleichlautenden Entscheidungen der oben genannten Expertengremien in Bezug auf das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis stellen aber ein gewichtiges Indiz im Rahmen der gerichtlichen Entscheidung (§ 25 Abs. 10 AMG) dar, ob eine ermessensfehlerhafte Bewertung auf Europäischer Ebene bei der Zulassungsentscheidung vorlag, wenn man nicht schon von einer Tatbestandswirkung ausgehen will. Die dargestellte Historie des Impfstoffs von seiner erstmaligen bedingten Zulassung bis zur Erteilung der Standardzulassung in der EU sowie der Zulassung des Impfstoffs für eine Virusvariante, die - auf ständig ergänzter Datengrundlage - jeweils nicht geändert, aufgehoben oder widerrufen wurde, lässt den Schluss zu, dass die nach der bedingten Zulassung bekannt gewordenen Fälle von Nebenwirkungen, wie zum Beispiel Herzmuskel- oder Herzbeutelentzündung, Gesichtslähmung, allergische Sofortreaktionen (Anaphylaxie) oder möglicherweise zum Tod führende Lungenentzündungen, wie sie etwa in dem Aufklärungsmerkblatt mit Stand 19.08.2021 (Anlage K35) aufgelistet sind, an der positiven Nutzen-Risiko-Abwägung der Expertengruppen nichts geändert haben. Dies gilt bis heute und ergibt sich nicht zuletzt aus der Auflistung der eben genannten Nebenwirkungen sowie der Nennung von Thrombozytopenie und Gerinnungsstörungen unter Ziffer 4.4. der Zusammenfassung der Merkmale des streitgegenständlichen Arzneimittels mit Stand 24.03.2023 (Anlage K22).

(2.5) Relevante medizinische Anhaltspunkte, die von den genannten Expertengruppen vor der Empfehlung für die Zulassung nicht berücksichtigt worden sein sollen und die gegen ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis sprechen könnten, oder solche, die nach der Zulassung bekannt geworden sind und eine andere Zulassungsentscheidung begründet hätten, wären sie schon zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesen, werden von der Klägerin nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Im Einzelnen:
Ein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis ist nicht, wie die Klägerin meint, deshalb anzunehmen, weil keine verlässlichen Daten vorlägen, da es an Langzeitstudien fehle, welche etwa die langfristige Wirksamkeit des Impfstoffs untersuchten. Das Fehlen solcher Langzeitstudien war bekannt und ist in die Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses durch die Ausschüsse eingeflossen. Das ergibt sich aus dem Bewertungsbericht des CHMP vom 15.09.2022 (Anlage K43/B3) indirekt daraus, dass die Beurteilung für die unbedingte Zulassung nur rund 21 Monate nach der Erteilung der außerordentlichen (bedingten) Zulassung erfolgte.

Das Fehlen von Langzeitstudien ist der bedingten Zulassung eines Arzneimittels nach Art. 14-a Abs. 1 Verordnung 726/2004 zudem immanent, regelt die Norm doch, dass "in hinreichend begründeten Fällen (pp.) zur Schließung medizinischer Versorgungslücken für Arzneimittel, die zur Behandlung, Vorbeugung oder ärztlichen Diagnose von zu schwerer Invalidität führenden oder lebensbedrohenden Krankheiten bestimmt sind, eine Zulassung erteilt werden [kann], ehe umfassende klinische Daten vorliegen, sofern der Nutzen der sofortigen Verfügbarkeit des betreffenden Arzneimittels auf dem Markt das Risiko überwiegt, das sich daraus ergibt, dass nach wie vor zusätzliche Daten erforderlich sind ." In Satz 2 heißt es weiter: "In Krisensituationen kann eine Zulassung solcher Arzneimittel erteilt werden, selbst wenn noch keine vollständigen vorklinischen oder pharmazeutischen Daten vorgelegt wurden." Ergänzt wird diese Regelung durch Absatz 3, wonach Zulassungen nach Art. 14-a nur erteilt werden dürfen, wenn "das Nutzen-Risiko-Verhältnis positiv ist und der Antragsteller aller Wahrscheinlichkeit nach in der Lage ist, umfassende Daten bereitzustellen ." Die von der Beklagten vorgelegten Daten aus klinischen und nicht-klinischen Studien waren für den CHMP und die EMA offensichtlich bereits zur Erfüllung der dargelegten Zulassungsvoraussetzungen für die bedingte Zulassung ausreichend, ebenso wie die Studiendaten zu den Speziellen Verpflichtungen nach der bedingten Zulassung des Impfstoffs für den CHMP hinreichend aussagekräftig waren, um den Nutzen des Impfstoffs im Verhältnis zu den bis dahin erkennbaren Nebenwirkungen einzuschätzen (vgl. Anlage K43/B3).

Der Klägerin kann im Hinblick auf das von ihr gegen das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis angeführte Argument des Fehlens von Langzeitstudien zudem entgegengehalten werden, dass es bis heute (Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung) nur bedingte Erkenntnisse zu den Langzeitfolgen einer COVID-19-Infektion - insbesondere in Relation zur Schwere der Infektion - gibt. Es erscheint jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass die Langzeitfolgen einer Erkrankung an COVID-19 weit schwerwiegender sind als die Risiken einer Impfung. Vor diesem Hintergrund stellt das Fehlen von Langzeitstudien kein durchgreifendes Argument für ein den Nutzen überwiegendes Risiko des Impfstoffs dar.

Soweit die Klägerin den Bewertungsbericht der EMA vom 15.09.2022 (Anlage B3/K43: " Bewertungsbericht über die Verlängerung des Bewertungsberichts für die Marktzulassung", nachfolgend "Bewertungsbericht" oder "Bericht" genannt) mit dem Argument angreift, ihm lägen Daten aus dem Zeitraum vom 30.04.2021 bis 29.04.2022 zugrunde, so dass aufgrund des Datums des Berichts (15.09.2022) die Daten zwischen dem 30.04.2022 und dem 15.09.2022 komplett fehlten, verkennt sie, dass der Bericht lediglich den Zeitraum für die Verlängerung der Marktzulassung bewertet, der sich ausweislich Seite 4 des Berichts auf den genannten Zeitraum vom 30.04.2021 bis zum 29.04.2022 erstreckt. Darüber hinaus gehende Daten waren für diesen Verlängerungszeitraum mithin nicht relevant.

Dass in dem Bewertungsbericht vom 15.09.2022 hauptsächlich über die Risiken, nicht aber über den Nutzen des Impfstoffs berichtet wird, wie die Klägerin rügt, hat seinen Grund darin, dass es sich um den Bericht für die Verlängerung der Marktzulassung des Impfstoffs handelte. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis war bereits mit dem (ersten) "Bewertungsbericht EMA707383/2020 in der Korrekturfassung vom 19.02.2021" (Anlage K37), der vor der bedingten Zulassung des Impfstoffs am 21.12.2020 erstellt wurde, ausführlich erörtert und als positiv bewertet worden (vgl. Bewertungsbericht Anlage K37, S. 214 ff., 227). Ändert sich die Betrachtung und Bewertung des Nutzens im Hinblick auf die Gesamtheit der Betroffenen und im Hinblick auf einzelne betrachtete Risikogruppen im Ergebnis zum Ausgangsbericht nicht, bedarf es auch keiner weiteren Ausführungen. Zu betrachten sind dann nur neu hinzukommende Risiken und die Entwicklung zuvor bereits erkannter Risiken sowie das Verhältnis zwischen dem unverändert bewerteten Nutzen und den neu oder erstmals zu bewertenden Risiken. Dies führte im vorliegenden Fall zu der fortbestehen positiven Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses. Die von der Klägerin behauptete geänderte Betrachtung des Nutzens betreffend die Wirksamkeit des Impfstoffs wird teilweise nur behauptet, aber nicht begründet, an anderen Stellen nur auf Teilgruppen und nicht die Gesamtheit der Betroffenen bezogen und überzeugt den Senat nicht. Sie verallgemeinert hier unzulässig Aussagen zu einzelnen Risikogruppen, die als Risiko betrachtet werden und zu betrachten sind, jedoch den Nutzen für die Gesamtgruppe nicht in Frage stellen. Auch verkennt die Klägerin, dass der Nutzen nicht (ausschließlich) in der Verhinderung einer Reaktion auf das Virus gesehen wurde und gesehen wird, sondern in der nachhaltigen Abmilderung dieser Reaktion. Bei geringer Infektionsintensität vermeidet der Impfstoff so äußerlich die Infektion und bei einer schweren Infektion verhindert und mildert er schwere Verläufe bis hin zum Tod. Diese Nutzenbeschreibung hat bis zur mündlichen Verhandlung Bestand. Hinzu kommt der Umstand, dass während einer noch andauernden Pandemie mit tausenden Impfungen täglich die dabei zutage tretenden unerwünschten Nebenwirkungen in aller Regel schneller auftreten bzw. erkennbar werden - wie zum Beispiel bei Schmerzen an der Einstichstelle oder Kopfschmerzen innerhalb von Stunden oder spätestens weniger Tage -, der in einer Nichtreaktion bestehende Nutzen einer Impfung aber erst deutlich später untersucht werden kann. Daraus erklärt sich, dass das Hauptaugenmerk in dem Bewertungsbericht vom 15.09.2022 auf die – gegebenenfalls neu zutage getretenen – Risiken des Impfstoffs gelegt wurde.

Nicht durchgreifend ist des Weiteren die in der mündlichen Verhandlung angebrachte Argumentation, ein die Risiken überwiegender Nutzen des Impfstoffs könne nicht angenommen werden, da der Nutzen dadurch deutlich geringer als angenommen einzuschätzen gewesen sei, da sich das Virus auch abgeschwächt haben könnte, so dass nicht der Impfstoff dazu geführt habe, dass sich weniger Personen mit dem Virus ansteckten und die angesteckten Personen weniger schwer wiegende Krankheitsverläufe hatten, sondern das nicht mehr so aggressiv wirkende Virus. Diese Argumentation ist reine Spekulation und ohne jede sachliche und fachliche Grundlage. Die Klägerin legt zudem nicht dar, dass diese mögliche "Abnutzung" des Virus infolge einer zunehmenden Durchseuchung der Gesellschaft in dem Bewertungsbericht des CHMP außer Acht gelassen wurde. Hierzu reicht das Bestreiten der substantiierten Ausführungen der Beklagten nicht aus, vielmehr hat die Klägerin den Gegenbeweis zu dem durch die Beklagte mit u.a. dem vorgenannten Bewertungsbericht geführten Beweis eines positiven Nutzen-Risiko-Verhältnisses zu erbringen. Daran fehlt es. Hinzu kommt, dass auf unstreitige Mutationen (siehe dazu auch https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-19/FAQ-Liste.html#FAQId16765598) mit Anpassungen des Impfstoffes reagiert wurde. Die Mutation des Virus ist eine Folge der verbesserten Immunantwort auf das Virus, die auch auf die Vielzahl der Impfungen zurückzuführen ist. Bei Betrachtung zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung projiziert auf den Tag der Impfung begründet dies aber die Wirksamkeit und nicht die Unwirksamkeit des Impfstoffes. Diese Vorgehensweise ist allen Impfungen gemein. Die in den vorgelegten Unterlagen berücksichtigte statistische Lage zeigt, dass die Fallzahlen der Erkrankungen ohne Impfstoff stetig gestiegen sind - was auch allgemein und gerichtsbekannt ist -, während sie mit dem Impfstoff verhältnismäßig gesunken sind. Die Annahme der Klägerin, ein Virus verändere seine Vermehrungsstrategie ohne eine - hier impfgesteuerte - Abwehrreaktion, ist für ein Virus ohne tatsächliche medizinische Grundlage, wie dem Senat als Spezialsenat für Arzthaftungssachen auch aus anderen Verfahren bekannt ist.

Die weitere Rüge, die klinischen Studien seien nicht aussagekräftig, verfängt ebenfalls nicht. Da die Studien in dem Bewertungsbericht nicht in allen Einzelheiten wiedergegeben sind, sondern in dem Bewertungsbericht für die Verlängerung der Marktzulassung zwangsläufig nur eine Zusammenfassung der zahlreichen einzelnen Studien enthalten sein kann, vermögen die einzelnen Zitate in dem Bericht keine Auskunft über die Aussagekraft der Studien insgesamt zu geben. Wegen der zusammenfassenden Wiedergabe der Studien greift der von der Klägerin in zahlreichen Facetten erhobene Einwand der intransparenten Datenerhebung und -wiedergabe ebenso wenig durch wie die – ersichtlich – ins Blaue hinein erfolgten Behauptungen, für die klinischen Studien sei keine für die Bevölkerung repräsentative Teilnehmerauswahl erfolgt, die Studien seien nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden, es sei "entgegen den Prinzipien evidenzbasierter Medizin ein klinisch nur wenig relevanter primärer Endpunkt gewählt" worden und es fehlten Daten zu "den Impfeffekten in einzelnen Alters- und Risikogruppen". Das gleiche gilt für die von der Klägerin gezogene Schlussfolgerung aus den berichteten Medikationsfehlern. Dass zudem die Studien nicht beendet wurden und der Beobachtungszeitraum nach Ansicht der Klägerin zu kurz gewesen ist, spielt ebenfalls keine Rolle, wenn – wie offensichtlich hier – die bis zum Berichtszeitpunkt des Bewertungsberichts des CHMP vom 15.09.2022 (Anlage K43/B3) gewonnenen Erkenntnisse für die Bewertung durch den Ausschuss ausreichend sind und die Voraussetzungen des Art. 14-a Verordnung 726/2004 erfüllt werden. Dies gilt ebenso für den Einwand, dass der Berichtszeitraum für die "sicherheitsrelevanten Änderungen der RSI" (RSI = Hinweis auf Sicherheitsinformationen, vgl. Anlage K48 deutsch, Sicherheitsbericht Pfizer, S. 4: Liste der Abkürzungen) zu kurz gefasst sei. Die Klägerin stellt lediglich eine Reihe von Behauptungen auf, ohne diese mit greifbaren Anhaltspunkten zu unterlegen.

Der Argumentation der Klägerin ist entgegenzuhalten, dass die Beklagte nach Art. 14 Verordnung 726/2004 zahlreiche Verpflichtungen betreffend die Pharmakovigilanz auch nach Erteilung der unbedingten Zulassung zu erfüllen hat. Die nach Art. 14-a Abs. 8, Art. 14 Abs. 2 und 3 Verordnung 726/2004 auf fünf Jahre erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen kann etwa nur "auf der Grundlage einer von der Agentur vorgenommenen Neubeurteilung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses verlängert werden", Art. 14 Abs. 2 Satz 1 Verordnung 726/2004. Weiter wird der Beklagten durch Art. 14 Abs. 2 Satz 2 Verordnung 726/2004 aufgegeben: "Zu diesem Zweck legt der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen der Agentur spätestens neun Monate vor Ablauf der nach Absatz 1 vorgesehenen Gültigkeitsdauer der Genehmigung eine konsolidierte Fassung der Unterlagen in Bezug auf die Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit vor; darin sind Bewertungen von Daten aus den gemäß Kapitel 3 vorgelegten Berichten über vermutete Nebenwirkungen und den regelmäßigen aktualisierten Unbedenklichkeitsberichten sowie Informationen über alle seit der Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen vorgenommenen Änderungen enthalten." Damit geht der Vorwurf der Klägerin, der Impfstoff unterliege einer zu kurzen Nachbeobachtungszeit, an der gesetzlichen Wirklichkeit vorbei.

Schließlich spricht der Umstand, dass der aus 27 Mitgliedern – einem aus jedem Mitgliedsstaat der EU – bestehende Ausschuss für Humanarzneimittel (§ 61 Abs. 1 Verordnung (EG) 726/2004) zu einem offensichtlich einstimmigen Ergebnis hinsichtlich der Nutzen-Risiko-Abwägung gekommen ist, dafür, dass kein einziges Ausschussmitglied so erhebliche Bedenken gegen den Umfang der Daten, die Aussagekraft der Studien oder die Bewertbarkeit bzw. Verwertbarkeit der Ergebnisse hatte, dass in dem Gutachten ein begründetes Sondervotum aufgenommen werden musste (§ 61 Abs. 7 Satz 2 Verordnung (EG) 726/2004).

Dass einige Studien "von der Beklagten gesponsert und von Pfizer entwickelt" wurden und damit nicht "unabhängig" waren, wie die Klägerin bemängelt, war der EMA aufgrund der ausdrücklichen Hinweise in dem Bewertungsbericht bekannt. Diese Vorgehensweise ist zudem in der gesetzlichen Regelung des Zulassungsverfahrens angelegt. So postuliert § 14-a Abs. 5 Verordnung (EG) 726/2004 ausdrücklich:

"Als Teil der besonderen Verpflichtungen gemäß Absatz 4 ist der Inhaber einer gemäß diesem Artikel erteilten Zulassung verpflichtet, laufende Studien abzuschließen oder neue Studien einzuleiten, um das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis zu bestätigen ."

Den überwiegenden Nutzen des streitgegenständlichen Impfstoffs vermag die Klägerin auch nicht damit in Zweifel zu ziehen, dass sie auf den angeblich "nicht vollständigen" Schutz (sprich: nicht zu 100 %) geimpfter Personen vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 oder vor einem schweren Verlauf der Erkrankung COVID-19 verweist. Ihre dafür angebrachte Behauptung, es gebe keine wissenschaftliche Grundlage für die vom Landgericht angenommene hohe Wirksamkeit des Impfstoffs vor schweren Verläufen der Erkrankung, verfängt nicht. Der zur Begründung dieser in vielfältiger Weise erhobenen Behauptung beispielsweise angeführte Bericht des RKI vom 06.06.2023 stützt die klägerische Ansicht nicht, denn er bezieht sich – wie von der Klägerin bereits selbst zitiert – auf den Schutz "vor einer symptomlosen und milden Infektion mit der Omikron-Variante" – und damit nicht auf den streitgegenständlichen Impfstoff, der gerade nicht für die Virusvariante entwickelt worden ist, sondern für das Ausgangsvirus. Die Zulassung der an die Omikron-Variante angepassten Version des Impfstoffs erfolgte erst am 31.08.2023 (siehe oben). Die klägerische Behauptung bleibt auch deshalb erfolglos, weil die nicht absolute Wirksamkeit des Impfstoffs vor einer Ansteckung - und dementsprechend auch nicht vor einem schweren Verlauf - bereits vor der bedingten Zulassung durch die EU-Kommission bekannt war und von dieser hingenommen wurde. So wird in dem Bewertungsbericht des CHMP "EMA707383/2020" in der Korrekturfassung vom 19.02.2021 (Anlage K37), der sich für die bedingte Zulassung des Impfstoffs unter spezifischen Auflagen aussprach (vgl. S. 228 des Berichts, Anlage K37), als "Schlussfolgerung zur klinischen Wirksamkeit" zunächst ausgeführt, dass eine ausgezeichnete Wirksamkeit des Impfstoffs (Verhinderung von symptomatischem COVID-19) von 95 % bei Probanden ohne Hinweise auf eine frühere SARS-CoV2-Infektion nachgewiesen worden sei, was für alle relevanten Untergruppen gleich gewesen sei (S. 161 des Berichts). Danach wird (unter der Überschrift "Unsicherheiten und Einschränkungen in Bezug auf positive Auswirkungen") ausführlich erörtert, dass keine verlässliche Aussage über die Wirksamkeit des Impfstoffs gegen schwere Verläufe der Erkrankung an COVID-19 getroffen werden könne (S. 216 des Berichts), was ebenso gilt für die Frage der Wirksamkeit des Schutzes vor einer asymptomatischen Infektion oder für die Frage der Wirksamkeit gegen die Übertragung von SARS-CoV-2 bei Personen, die nach der Impfung infiziert sind, und auch für den Schutz für immungeschwächte und schwangere Personen sowie die Dauer des Schutzes durch die Impfung (S. 216 des Berichts). All diese Unwägbarkeiten waren mithin bereits vor Erteilung der bedingten Zulassung des Impfstoffs bekannt, führten dennoch nicht zu der Annahme eines negativen Nutzen-Risiko-Verhältnisses (S. 227, Anlage K37), vielmehr gab der CHMP übereinstimmend die Empfehlung für die bedingte Zulassung des Impfstoffs (S. 228, Anlage K37). Diese Gesichtspunkte können daher nicht im Nachhinein zu einer anderen Entscheidung in Bezug auf das Nutzen-Risiko-Verhältnis führen.

In dem späteren Bewertungsbericht des CHMP vom 15.09.2022 (Anlage K43/B3) über die Verlängerung der Marktzulassung ist ausgeführt, dass die "verbleibenden Unsicherheiten" sich hauptsächlich auf die Anwendung bei immungeschwächten Personen, die langfristige Wirksamkeit und Unbedenklichkeit und z.B. die Wirksamkeit gegen die Übertragung bezögen (S. 33 der Anlage K43/B3). Dementsprechend hat der CHMP in dem Bewertungsbericht festgehalten:

"Die Vorteile von Comirnaty in Bezug auf den Schutz vor COVID-19 überwiegen eindeutig die ermittelten Risiken, und während dieses Verlängerungszeitraums wurden keine neuen Informationen bekannt, die das Verhältnis verändert hätten. Sämtliche qualitätsbezogenen SV gelten als erfüllt." (S. 34, Anlage K43/B3).

Danach ist der nicht absolute Schutz und die nicht in jedem Aspekt bekannte Wirksamkeit des Impfstoffs in die Abwägung des Nutzens zu den Risiken des Impfstoffs eingeflossen und ist hingenommen worden. Dieser Aspekt kann daher im Nachhinein eine andere Entscheidung nicht rechtfertigen.

Der weiter von der Klägerin angeführte Umstand, dass vor der Zulassung weder Genotoxizitätsnoch Karzinogenitätsstudien durchgeführt wurden, führt ebenfalls nicht zu einem negativen Nutzen-Risiko-Verhältnis. Das Fehlen derartiger Studien war vor der Zulassung des Impfstoffs ebenfalls bekannt, was sich nicht nur aus dem Umkehrschluss aus der vom CHMP als qualitativ und quantitativ ausreichend bewerteten Datenlage vor der Zulassungsempfehlung vom 15.09.2022 ergibt (Anlage K43/B3), sondern ausdrücklich bereits aus dem ersten Bewertungsbericht "EMA707383/2020" in der Korrekturfassung vom 19.02.2021 (Anlage K37). Dort wird auf Seite 88 das Fehlen von Studien zur Genotoxizität ausdrücklich als "akzeptabel" beschrieben, da es sich bei den Bestandteilen der Impfstoffformulierung um Lipide und RNA handele, bei denen kein genotoxisches Potenzial zu erwarten sei. Das gilt ausweislich des Berichts auch für fehlende Studien zur Karzinogenität (S. 98, 100, Anlage K37). Dies führte dennoch nicht zur einer negativen Nutzen-Risiko-Bewertung, sondern gleichwohl zur Empfehlung der bedingten Zulassung (S. 228, Anlage K37).

Die Klägerin vermag auch mit der behaupteten Verunreinigung des Impfstoffs mit Fremd-DNA das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis nicht in Zweifel zu ziehen. Die Klägerin legt nicht dar, welche Auswirkungen ("unkalkulierbare schädliche Ereignisse") die angebliche Verunreinigung des Impfstoffs mit Fremd-DNA auf die Gesundheit der Impflinge gehabt haben soll. Ob der in Zusammenhang mit der Verunreinigung des Impfstoffs gehaltene Vortrag, die in den Impfstoffen enthaltenen Spikeproteine könnten Gefäßschäden verursachen, eine weitere Verunreinigung darlegen soll, bleibt unklar. Allerdings behauptet die Klägerin ohnehin nicht, einen Gefäßschaden durch die Impfung erlitten zu haben. Für die Annahme, dass "die im vorliegenden Fall verwendete Charge des Impfstoffs" mit Fremd-DNA verunreinigt gewesen ist, fehlt jeder Anhaltspunkt. Ob die ausdrücklich "privaten Untersuchungen" der die Verunreinigung beschreibenden Frau Prof. Dr. König überhaupt den notwendigen wissenschaftlichen Standards entsprachen, auf die das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) mit Schreiben vom 22.12.2023 hinwies (Anlage BB12), legt die Klägerin nicht dar, so dass ihre pauschale Behauptung die behördliche Entscheidung im Sinne eines positiven Nutzen-Risiko-Verhältnisses nicht infrage zu stellen vermag. Auch der mangels Einhaltung journalistischer Standards aus der Mediathek des Senders MDR gelöschte Beitrag vom 12.12.2023 liefert einen solchen Anhaltspunkt nicht. Der Sender hat mit einem Beitrag vom 08.01.2024 erläutert, dass und aus welchem Grund Gerüchte zu Verunreinigungen von Impfstoffchargen mit DNA falsch sind (Anlage BB13). Demnach fehlen auch Anhaltspunkte für die Behauptung, dass gerade der der Klägerin verabreichte Impfstoff von einer mit Fremd-DNA verunreinigten Charge stammte. Des Weiteren gibt es keine Grundlage für die Ansicht, dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis des Impfstoffs chargenabhängig unterschiedlich zu bewerten ist. Die klägerische Behauptung, dass "auch in Dänemark das Risiko der Impfung mit BNT162b2 von Pfizer/BioNTech wesentlich von der zufällig erhaltenen Charge abhängig" sei, wird durch die von der Klägerin in Bezug genommene Studie einer Gruppe von Wissenschaftlern der Universität Kopenhagen nicht gestützt. Vielmehr ist der Studie zu entnehmen, dass die – ohnehin nur vorläufigen Ergebnisse – "im Lichte mehrerer Einschränkungen interpretiert werden" müssen (z.B. dass die Meldungen wiederum auch reine Verdachtsmeldungen umfassen) und aufgrund dieser Einschränkungen etwaige Signale, die sich aus solchen Meldesystemen wie dem der dänischen Arzneimittelbehörde ergeben, gerade nicht zur Feststellung einer etwaigen Kausalität des Impfstoffs für die unerwünschten Nebenwirkungen verwendet werden können (S. 3, Anlage K41). Folglich kann mit dieser Studie das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis des Impfstoffs nicht infrage gestellt werden.

Soweit die Klägerin erstmals mit der Berufungsbegründung behauptet, der Impfstoff werde in zwei unterschiedlichen Verfahren hergestellt, je nach dem, ob er für die klinische Prüfung ("process 1") oder den Verkauf ("process 2") produziert werde, es gebe zwischen beiden Prozessen einen wesentlichen Unterschied in der Herkunft der DNA, die als Vorlage für die enzymatische In-vitro-Herstellung der mRNA diene, und die Bevölkerung werde ausschließlich mit Impfstoff des "process 2" geimpft, obwohl lediglich der Impfstoff des "process 1" durch die Europäische Arzneimittelagentur geprüft werde, stellt dies ebenfalls kein Argument gegen eine positive Nutzen-Risiko-Bilanz des Impfstoffs dar. Selbst wenn die EMA, wie von der Klägerin behauptet (S. 17 Berufungsbegründung), in dem "Assessment Report vom 19.02.2020" die Umstellung des Herstellungsprozesses von "process 1" auf "process 2" als "bedenklich" eingestuft haben sollte – was mangels Vorlage des Reports durch die Klägerin und mangels Auffindbarkeit im Internet nicht überprüft werden kann –, wäre diese Aussage jedenfalls überholt durch den späteren Bewertungsbericht des Ausschusses für Humanarzneimittel der EMA, CHMP, "EMA707383/2020" in der Korrekturfassung vom 19.02.2021 (Anlage K37). Aus diesem Bewertungsbericht geht gerade nicht hervor, dass die beiden unterschiedlichen Herstellungsprozesse als bedenklich angesehen werden. Vielmehr wird beschrieben, dass die beiden unterschiedlichen Herstellungsprozesse, wie von der Klägerin beschrieben, bekannt sind (vgl. S. 27 des Bewertungsberichts "Entwicklung von Herstellungsverfahren", Anlage K37), und dass die Erklärung der Beklagten, woraus sich die Unterschiede zwischen Chargen aus den beiden Prozessen ergeben, als "angemessen" betrachtet wird (vgl. S. 29). Weiter stellt die EMA fest:

"Es wurde eine Sicherheitsrisikobewertung für potenzielle prozessbedingte Verunreinigungen im Wirkstoffprozess im Hinblick auf die Patientensicherheit durchgeführt. Die Quellen der Verunreinigungen werden ausreichend berücksichtigt. Die Strategie zur Bewertung des Sicherheitsrisikos umfasst den Vergleich der theoretisch ungünstigsten Konzentration von Verunreinigungen - unter der Annahme, dass diese nicht entfernt werden - mit den berechneten Schwellenwerten für Sicherheitsbedenken. Die Worst-Case-Werte der Restrohstoffe und Reagenzien aus dem Herstellungsprozess des BNT162b2-Wirkstoffs wurden so berechnet, dass sie deutlich unter den vorgegebenen Sicherheitsgrenzen liegen. Dies wird als akzeptabel angesehen" (S. 30, 31 des Bewertungsberichts "Entwicklung von Herstellungsverfahren", Anlage K37).

Trotz der bekannten unterschiedlichen Herstellungsprozesse und der Verunreinigungen kam der CHMP zu dem Ergebnis, die bedingte Zulassung des streitgegenständlichen Impfstoffs wegen seines positiven Nutzen-Risiko-Verhältnisses zu empfehlen, wie oben bereits ausgeführt. Diese Schlussfolgerung vermag die Klägerin mit dem Verweis auf einen als Anlage K59 vorgelegten Artikel von McKernan et al. über die hohe Konzentration von DNA in einigen Impfdosen nicht in Zweifel zu ziehen. Die Autoren selbst schränken die Aussagekraft ihrer Studie ein, weil die Herkunft der untersuchten Impfstofffläschchen unbekannt ist, da diese Fläschchen ihnen anonym per Post zugesandt worden seien; die Fläschchen seien auch ohne Kühlakkus angekommen, es sei aber bekannt, dass RNA schneller abgebaut werde als DNA, und es sei möglich, dass eine schlechte Lagerung zu einem schnelleren Abbau von RNA als DNA führe; außerdem sei bei allen Impfstoffen das auf dem Fläschchen angegebene Verfallsdatum überschritten gewesen, "was darauf hindeutet, dass weitere Arbeiten erforderlich sind, um die DNA-zu-RNA-Verhältnisse in frischen Chargen zu verstehen" (S. 14 des Artikels, Anlage K59). Dementsprechend weist das PEI in einer "Information für medizinische Fachkreise" vom 22.12.2023 (Anlage BB12) auf Folgendes hin: "In den häufig zitierten Preprint-Veröffentlichungen von McKernan et al. (April 2023) und Speicher et al. (Oktober 2023) fehlen ausreichende Angaben, ob die genannten Bedingungen eingehalten wurden, sowie Angaben zur Nachvollziehbarkeit der gewählten Methodik." Auf die Frage der Zulässigkeit dieses neuen Vortrags (§§ 531 Abs. 2, 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 ZPO) kommt es daher nicht mehr an.

Unergiebig ist des Weiteren der Versuch der Klägerin, die positive Nutzen-Risiko-Bilanz des Impfstoffs mit der Zahl der gemeldeten Verdachtsfälle von Nebenwirkungen zu begründen, unabhängig davon, welche Quelle die Klägerin für die gemeldeten Verdachtsfälle heranzieht: die "Kumulative Analyse der Berichte über unerwünschte Ereignisse nach der Zulassung von PF-07302048 (BNT162B2), die bis zum 28. Februar 2021 eingegangen sind" (Anlage K48), das "Update zur Sicherheit des COVID-19-Impfstoffs Comirnaty" der EMA vom 11.08.2021 (Anlage C4), den "Bewertungsbericht über die Verlängerung des Bewertungsberichts für die Marktzulassung" der EMA vom 15.09.2022 (Anlage K43) oder den "Corminaty Risk Management Plan" mit Stand Oktober 2023 (Anlage C21). Allen Quellen ist gemein, dass sie lediglich von Verdachtsfällen berichten und gesicherte Aussagen über die Kausalität der Impfung für die genannten Nebenwirkungen nicht getroffen werden. Der Bewertung des Landgerichts, dass die 980.105 von der EMA (im Bewertungsbericht über die Verlängerung der Marktzulassung) veröffentlichen Fälle zu Nebenwirkungen im Vergleich zur Gesamtzahl der verabreichten Impfungen von 2,6 Milliarden bereits als sehr gering anzusehen ist (ca. 0,0377 %), schließt sich der Senat deshalb ebenso an wie der Begründung, dass ein kausaler Zusammenhang mit der Impfung nicht feststeht. Denn einem solchen Zusammenhang wird bei den freiwilligen Meldungen schlicht nicht nachgegangen – und ihm kann auch nicht nachgegangen werden, wenn die Meldung von einer Privatperson abgegeben wird, bei der nicht nachprüfbar ist, ob die Daten richtig angegeben wurden und ob das subjektive Krankheitsempfinden objektivierbar ist (vgl. Online-Formular unter https://nebenwirkungen.bund.de/SiteGlobals/Forms/nebenwirkungen/covid-19-impf-stoff/01-person/person-node.html). Dass die Ursächlichkeit der Impfung für die Meldung einer Nebenwirkung nicht in jedem Fall feststeht, stellt auf europäischer Ebene die EMA klar (S. 4 des Sicherheitsupdates vom 11.08.2021, Anlage C4), für die nationale Ebene das Paul-Ehrlich-Institut (S. 6, 20 der Anlage K32).

Abgesehen davon, dass die Behauptung der Klägerin, es würden vor allem die größeren gesundheitlichen Beeinträchtigungen gemeldet, nicht hingegen einfache Beeinträchtigungen wie Kopfschmerzen, nicht zutreffend ist, wie sich aus der Anlage K48 (vgl. S. 8 ff. der Anlage "Kumulative Analyse der Berichte über unerwünschte Ereignisse nach zu der Zulassung von PF-07302048 (BNT162B2), die bis 28.02.2021 eingegangen sind) und der Anlage C4 (vgl. S. 5 des Sicherheitsupdates der EMA vom 11.08.2021) ergibt, kommt es hierauf nicht an. Die Behauptung könnte ebenso als wahr unterstellt werden wie die klägerische Behauptung, dass mit der genannten Zahl von 980.105 nicht sämtliche weltweiten Verdachtsfälle aufgeführt sind, weil nur wenige Gesundheitsbeeinträchtigungen bei der EMA gemeldet werden und daher eine große Dunkelziffer besteht. Dies spielt keine Rolle, weil in die Bewertung der Risiken eines Impfstoffs im Verhältnis zu seinem Nutzen allein die den Zulassungsbehörden über eine Meldung bekannt gewordenen Nebenwirkungen einbezogen werden können. Bei der behördlichen Entscheidung über die Zulassung eines Impfstoffs verbietet sich jede Spekulation über lediglich potentielle Nebenwirkungen, deren Schwere und deren Anzahl. Daher kann die von der Klägerin behauptete "Dunkelziffer" bei unerwünschten Nebenwirkungen bei der Entscheidung über die Zulassung keine Berücksichtigung finden, da anderenfalls einer manipulativen Bewertung Tür und Tor geöffnet wäre. Andererseits sind aber bei der Entscheidung über die Verlängerung der bedingten Zulassung ebenso wie bei der Entscheidung über die unbedingte Zulassung die bis zu dem jeweiligen Zeitpunkt tatsächlich bekannt gewordenen unerwünschten Nebenwirkungen eingeflossen (vgl. etwa S. 16 f. Anlage K43).

Soweit die Klägerin darüber hinaus erstinstanzlich noch weitere Argumente gegen das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis des streitgegenständlichen Impfstoffs vorgebracht hat, handelt es sich – wie vom Landgericht zu Recht festgestellt – um Einzelstimmen zu Einzelaspekten der Gesamtabwägung, die vor dem Hintergrund der auf zahlreichen und umfangreichen Studien basierenden gegenteiligen Einschätzung der Europäischen Arzneimittelagentur bzw. der Europäischen Kommission bei weitem nicht ausreichen, um die von der Klägerin behauptete Gefährlichkeit des Impfstoffs im Sinne des § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG einzustufen. Denn einzelne Wissenschaftler vermögen die Gesamtbreite der "Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft" nicht infrage zu stellen und bei der Betrachtung lediglich von einzelnen Aspekten bleibt die für das Nutzen-Risiko-Verhältnis gebotene Gesamtschau der positiven therapeutischen Wirkungen des Arzneimittels im Verhältnis zu dem Risiko (vgl. § 4 Abs. 28 iVm Abs. 27 AMG) außen vor. Die von der Klägerin gewünschte Betrachtung entspricht damit nicht den gesetzlichen Vorgaben.

Anders als die Klägerin meint, kann schließlich auch nicht von einer "ergebnisorientierten Voreingenommenheit" aufgrund des politischen Drucks auf die EMA und die ihr angegliederten Ausschüsse (ebenso wie auf die nationalen Behörden) in Bezug auf ihre Empfehlungen an die Europäische Kommission ausgegangen werden. Es erschließt sich nicht, welchem politischen Druck die EMA unterliegen soll, wenn sie im Hinblick auf die beantragte Zulassung eines Arzneimittels eine Empfehlung ausspricht; diese kann für oder gegen die europaweite Zulassung des Arzneimittels ausfallen. Zudem vernachlässigt die Argumentation den Umstand, dass die EMA mit ihren Gremien pluralistisch besetzt ist und durch ganz unterschiedliche Herkünfte der Sachverständigen geprägt wird. Eine stringente "Führung" der EMA durch die EU-Kommission ist deshalb ebenso wenig ersichtlich wie eine Bindung der EMA an deren politische Vorgaben. Die Behauptungen der Klägerin sind ohne greifende Anhaltspunkte geblieben.

Die EMA ist der Europäischen Kommission auch nicht untergeordnet, wie die Klägerin meint. Vielmehr ist allein die Europäische Kommission das Exekutiv-Organ der EU, die EMA hingegen gehört – auf keiner hierarchischen Stufe – zur Exekutive der Europäischen Union. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, "den Unionsorganen und den Mitgliedstaaten wissenschaftliche Gutachten auf möglichst hohem Niveau bereitzustellen, damit diese die Befugnisse hinsichtlich der Genehmigung und Überwachung von Arzneimitteln ausüben können, die ihnen durch die Unionsvorschriften im Arzneimittelbereich übertragen wurden" (vgl. Erwägungsgrund Nr. 19 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung der Verfahren der Union für die Genehmigung und Überwachung von Humanarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur). Die Behauptung der Klägerin, die EMA unterliege "in ihrer Funktion einer Einflussnahme durch die Kommission", entbehrt damit jeder Grundlage.

Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass die EU-Kommission ein spezifisches Interesse an einem besonders sicheren Impfstoff gehabt haben dürfte, da – wie die Klägerin selbst vorgetragen hat – die Kommission sowie die Mitgliedsstaaten die volle Haftung für den Impfstoff gegenüber dem Hersteller übernommen haben. In seinem solchen Fall wäre es widersinnig, wenn die EMA in dem von der Klägerin behaupteten "vorauseilenden Gehorsam" eine Empfehlung zur Zulassung des Impfstoffs in der EU mit einer voraussichtlich millionenfachen Anwendung ausgesprochen hätte, obwohl ihr dessen vermeintlich unvertretbare Risiken bekannt waren.

Wenn in dem als Anlage K24 vorgelegten Vertrag ("APA") davon die Rede ist, dass die Kommission anerkenne, dass die Bemühungen des Vertragspartners zur Entwicklung und zum Vertrieb des Impfstoffs ehrgeizig seien "vor dem Hintergrund erheblicher Risiken und Unsicherheiten" (S. 25 unter I. 6.7. der deutschen Version, Anlage K24 zum Schriftsatz vom 25.03.2024), ist damit kein Zugeständnis der den Nutzen überwiegenden Risiken im Sinne von § 84 oder § 5 AMG verbunden. Vielmehr ist diese Wendung – wie wenige Zeilen später deutlich wird – dem Umstand geschuldet, dass der Impfstoff möglicherweise nicht zugelassen werden kann aufgrund von Unwägbarkeiten "in den Bereichen Forschung, Entwicklung und Herstellung aufgrund von technischen, klinischen, behördlichen oder Herstellungs-, Versand-, Lager- oder sonstigen Problemen oder Fehlern". Zudem hatte zu dem Zeitpunkt der Erstellung des Vertrags im Juni 2020 eine umfassende Überprüfung des Impfstoffs noch nicht stattgefunden, so dass auch aus diesem Grund mit der von der Klägerin zitierten Wendung kein Zugeständnis eines die Nutzen überwiegenden Risikos des Impfstoffs abgegeben werden sollte. Schließlich kann nicht festgestellt werden, dass in dem Vertrag Druck auf die Kommission aufgebaut worden ist, um möglichst schnell eine Zulassung des Impfstoffs zu "erwirken" "mit einem Zeitplan bis zum 15.08.2021". Zum einen musste die Kommission die Zulassung des Impfstoffs nicht bei einem Dritten "erwirken", wie die Klägerin zu suggerieren versucht, da sie selbst das für die arzneimittelrechtliche Zulassung zuständige Organ der EU ist. Zum anderen kann bei der Kündigungsregelung eine zeitliche Drucksituation nicht erkannt werden, zumal die Regelung eine Kündigungsmöglichkeit auch für die Kommission vorsah, wenn die Zulassung nicht bis zum 15. August 2021 – mithin rund 14 Monate nach Erstellung des Vertrags – erteilt werden könnte. Angesichts der bereits am 21.12.2020 erteilten bedingten Zulassung ist nicht ersichtlich, dass die Regelung einer Kündigungsmöglichkeit ab dem 15. August 2021 zeitlichen Druck auf die Kommission ausgeübt haben könnte.

(3) Der Senat gelangt daher zu dem Ergebnis, dass schädliche Wirkungen des Impfstoffs bei bestimmungsgemäßem Gebrauch nicht über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen. Eine positive Nutzen-Risiko-Abwägung darf nicht dahin verstanden werden, dass es nicht auch Fälle geben darf und gibt, in denen sich ein Risiko verwirklicht. Der Betroffene erhält darauf die versicherte Heilfürsorge, aber eben keinen darüber hinausgehenden Schadensersatzanspruch; insoweit wird ein "Sozialopfer" für die Gemeinschaft der Anwender des Impfstoffs erbracht. Die in diesem Sinne verstandene Nutzen-Risiko-Abwägung fällt daher positiv aus. Dies gilt sowohl für den heutigen Zeitpunkt als auch für den Zeitpunkt der Anwendung am pp.08.2021 und pp.09.2021.

Die Voraussetzungen des Haftungstatbestands § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG sind damit nicht erfüllt.

b) Der Haftungstatbestand des § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG ist ebenfalls nicht erfüllt. Danach besteht eine Ersatzpflicht des pharmazeutischen Unternehmers nur dann, wenn der Schaden infolge einer nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Kennzeichnung (§ 10 AMG), Gebrauchsinformation (= Packungsbeilage, § 11 AMG) oder Fachinformation (§ 11a AMG) eingetreten ist. Vorliegend bestehen keine Anhaltspunkte, dass eine dieser Produktinformationen zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprach.

aa) Im Rahmen der Prüfung der fehlerhaften Produktinformation ist streitig, auf welchen Zeitpunkt abzustellen ist.

(1) Eine Ansicht stellt auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Arzneimittels – oder der jeweiligen Arzneimittelcharge – ab (so etwa BGH, Urteil vom 24.01.1989 – VI ZR 112/88, BGHZ 106, 273-284, juris Rn. 29; OLG Celle, Urteil vom 27.06.1983 – 1 U 57/82, VersR 1983, 1143; OLG Frankfurt, Urteil vom 11.11.1993 – 1 U 254/88, NJW-RR 1995, 406; OLG Stuttgart, Urteil vom 23.02.1989 – 14 U 19/86, juris Rn. 193; Fuhrmann/Klein/Fleischfresser ArzneimittelR-HdB/Handorn § 27 Rn. 63; Kügel/Müller/Hofmann/Brock, 3. Aufl. 2022, AMG § 84 Rn. 107; Spickhoff/Spickhoff, 4. Aufl. 2022, AMG § 84 Rn. 25; BeckOGK/Franzki, 01.06.2024, AMG § 84 Rn. 104 f.). Franzki führt zur Begründung für den frühen Zeitpunkt des Inverkehrbringens aus, dass für den Zeitpunkt der Anwendung zwar spreche, dass der pharmazeutische Unternehmer im Rahmen seiner Produktbeobachtungspflicht das Arzneimittel auch noch nach dem Inverkehrbringen überwachen und im Einzelfall daher auch nachträglich Warnungen aussprechen oder gar das Arzneimittel zurückrufen müsse; diese Reaktionspflichten seien aber sehr beschränkt und könnten daher die Festlegung des späteren Zeitpunkts der Abgabe oder der Anwendung als maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt nicht begründen. Auch aus Gesichtspunkten des Anwenderschutzes sei eine solche Festlegung nicht erforderlich, da eine Haftung für unterlassene Warnungen nach § 823 BGB bestehe. Für den Moment des Inverkehrbringens als maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt spreche zum einen, dass das Inverkehrbringen im Gegensatz zur Anwendung bzw. Abgabe an den Verbraucher vom pharmazeutischen Unternehmer steuerbar sei. Zum anderen erscheine es wenig praxisgerecht, vom pharmazeutischen Unternehmer eine andauernde Aktualisierung von Informationsträgern zu verlangen, welche sich mit den entsprechenden Medikamenten bereits auf dem Markt (etwa an Apotheken, Krankenhäusern und Privathaushalten) verteilt hätten. Eine zu starke Veraltung der Arzneimittelinformationen werde zudem dadurch vermieden, dass jede neue Arzneimittelcharge (Legaldefinition in § 4 Abs. 16 AMG) über aktualisierte Arzneimittelinformationsträger verfügen müsse. Des Weiteren würde die haftungsbewährte Forderung, der pharmazeutische Unternehmer müsse die Informationsträger auch noch nach dem Inverkehrbringen aktuell halten, zu einer Haftung für Defizite in der Produktbeobachtung führen. Eine solche sei zwar über § 823 Abs. 1 BGB anerkannt, werde aber für das ProdHaftG abgelehnt. Es erscheine nicht sinnvoll, die Haftung nach § 84 AMG anders zu behandeln als die nach dem ProdHaftG.

(2) Gegen diese Ansicht wird vorgebracht (Koyuncu in: Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler, Produzentenhaftung Handbuch, Loseblatt, Stand: 2023, Bd. 2, EL 2/23 – VII/23, Kz. 3830, S. 12 ff.), ein Abstellen auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Arzneimittels an sich oder gar der betreffenden Charge könne nicht richtig sein, da das Inverkehrbringen bzw. dessen Zeitpunkt kein Tatbestandsmerkmal sei. Nur mit dem Zeitpunkt der Anwendung des Arzneimittels könne dem Normzweck als Gefährdungshaftung Rechnung getragen werden. Die Gefährdung des Verbrauchers erfolge nämlich durch die Anwendung des Mittels, nicht durch dessen Inverkehrbringen. Erst mit Lesen der Packungsbeilage beginne die Interaktion der Produktinformation mit dem Patienten und ermögliche den haftungsauslösenden Eintritt des produkttypischen Risikos, an den die Gefährdungshaftung dogmatisch anknüpfe. Da der Schutzbereich der Norm Schäden erfasse, die infolge der unzureichenden Produktinformation eintreten, könne frühestens der Zeitpunkt maßgeblich sein, in dem die Entscheidungsfindung des Verbrauchers durch die Produktinformation beeinflusst worden sei. Dies werde regelmäßig mit dem Zeitpunkt der Anwendung zusammenfallen. Bis dahin könne die Risikoverwirklichung noch verhindert werden, z.B. durch Warnungen. Weiter führt Koyuncu zur Begründung an, dass der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 12.05.2015 (VI ZR 328/11, "Levemir") bei der Frage nach dem Inhalt der Packungsbeilage auf den Zeitpunkt des Gebrauchs abgestellt habe, das Oberlandesgericht Hamm habe in einer Entscheidung von 2003 (Urteil vom 18.06.2003 – 3 U 99/02, juris Rn. 19) den Zeitpunkt der Impfung als maßgeblichen Zeitpunkt herangezogen.

Der Tragfähigkeit des letztgenannten Arguments steht jedoch entgegen, dass weder das Oberlandesgericht Hamm noch der Bundesgerichtshof in ihren Entscheidungen die Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt diskutiert und eine konkrete Entscheidung darüber getroffen haben. Beide Entscheidungen können daher auch in der Weise verstanden werden, dass jedenfalls zu dem späteren Zeitpunkt der Anwendung immer noch eine unzureichende Packungsbeilage vorhanden war.

bb) Der Senat muss diese Frage jedoch vorliegend nicht entscheiden, da die Klägerin eine falsche Packungsbeilage oder Fachinformation - eine fehlerhafte Kennzeichnung im Sinne von § 10 AMG steht nicht im Raum - zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des streitgegenständlichen Impfstoffs erstinstanzlich nicht behauptet; es wird nicht einmal das Datum des Inverkehrbringens des Impfstoffs (plausibel) vorgetragen. Eine fehlerhafte Packungsbeilage oder Fachinformation zum Zeitpunkt der Anwendung des Arzneimittels (pp.08.2021 und pp.09.2021) kann auf der Basis des Vortrags der Klägerin nicht festgestellt werden.

In diesem Zusammenhang muss zunächst berücksichtigt werden, dass nicht jede entfernte Möglichkeit eventueller Nebenwirkungen in die Produktinformationen aufgenommen werden muss. Nach § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG sind "die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft" der Maßstab dessen, was der pharmazeutische Unternehmer an Informationen in die Informationsträger (Kennzeichnung, Gebrauchs- und Fachinformation) aufzunehmen hat. Diese ergeben sich aus den medizinischen Informationen, die Teil der Zulassungsunterlagen sind (Kügel/Müller/Hofmann/Brock, 3. Aufl. 2022, AMG § 84 Rn. 102; BeckOGK/Franzki, 01.06.2024, AMG § 84 Rn. 102), der ärztlich-klinischen Praxis und der medizinisch-wissenschaftlichen Fachliteratur (Koyuncu in: Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler, Produzentenhaftung, 3. EL 2023, E. Die speziellen Haftungsvoraussetzungen gemäß § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AMG; Spickhoff/Spickhoff, 4. Aufl. 2022, AMG § 84 Rn. 23). Da neue medizinische Erkenntnisse stets Unsicherheiten unterliegen (BeckOGK/Franzki, 01.06.2024, AMG § 84 Rn. 103; Kügel/Müller/Hofmann/Brock, 3. Aufl. 2022, AMG § 84 Rn. 102), aber auch ein ausreichender Schutz der Anwender des Arzneimittels sicherzustellen ist, müssen keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse über Risiken des Arzneimittels vorliegen, sondern es reicht bereits ein ernst zu nehmender Verdacht, um eine Pflicht zur Aufnahme in die Produktinformation zu begründen (BGH, Urteil vom 24.01.1989 - VI ZR 112/88, juris Rn. 30, 33; BGH, Urteil vom 17.03.1981 – VI ZR 191/79, BGHZ 80, 186-199, Rn. 18), solange dieser auf validen, wissenschaftlichen Daten beruht (Kügel/Müller/Hofmann/Brock, 3. Aufl. 2022, AMG § 84 Rn. 104; BeckOGK/Franzki, 01.06.2024, AMG § 84 Rn. 103). So geht auch die Europäische Kommission von einer Hinweispflicht ab einer "reasonable possibility" der schädlichen Wirkung aus (European Commission, A guideline on summary of product characteristics (SmPC), September 2009, S. 15).

(1) Die Klägerin legt aber bereits weder den Zeitpunkt des Inverkehrbringens des streitgegenständlichen Impfstoffs an sich noch der bei ihr verimpften Charge - falls es darauf ankommen sollte - dar, obwohl sie den Zeitpunkt des Inverkehrbringens als den für die Beurteilung maßgeblichen ansieht. Soweit sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat den Zeitpunkt des Inverkehrbringens auf mehrfache Nachfrage mit dem 20.12.2020 angegeben hat, steht dem - wie von der Beklagten dargelegt - entgegen, dass die bedingte Zulassung des Impfstoffs durch die Europäische Kommission erst am 21.12.2020, also einen Tag später, erteilt wurde. Ein Inverkehrbringen eines Impfstoffs vor seiner (bedingten) arzneimittelrechtlichen Zulassung ist aber nicht plausibel.

(2) Des Weiteren legt die Klägerin nicht dar, dass die Produktinformationen (Kennzeichnung, Packungsbeilage und Fachinformation) im Hinblick auf die bei ihr eingetretenen Gesundheitsbeeinträchtigungen im Zeitpunkt ihrer Impfungen falsch gewesen seien. Sie behauptet lediglich allgemein, die Hersteller seien zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens, spätestens jedoch, als sich die Möglichkeit des Eintritts weiterer Gesundheitsrisiken herausstellte, dazu verpflichtet gewesen, ihr Arzneimittel "entsprechend" zu kennzeichnen, was nicht geschehen sei. Dieser pauschalen Behauptung ist aber nicht zu entnehmen, welche konkrete Nebenwirkung zu welchem Zeitpunkt in welchem Informationsmedium – Kennzeichnung, Gebrauchsinformation oder Fachinformation – nicht enthalten gewesen sein soll, obwohl dies den aktuellen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprochen hätte.

(3) Die weitere unspezifische Behauptung, dass "die Beschwerden der Klägerin" damals nicht in dem gültigen Aufklärungsmerkblatt "als anhaltende Reaktionen" zu finden gewesen seien, begründet ebenfalls keinen Anspruch aus § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG. Die Klägerin führt dazu weiter aus, insbesondere die Diagnosen Schwindelgefühle und Kopfschmerzen sowie Hautreaktionen würden im aktuellen Produktinformationsblatt als Impfreaktionen aufgeführt; diese seien zwar auch in dem geltenden Aufklärungsmerkblatt als Nebenwirkungen aufgeführt, jedoch lediglich als vorübergehende und nicht als dauerhafte; die genannten Diagnosen hätten bereits zum damaligen Zeitpunkt in die Aufklärungsmerkblätter aufgenommen werden müssen.

Auf die Angaben in dem Aufklärungsmerkblatt kommt es im Rahmen der Prüfung, ob der Tatbestand einer nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation im Sinne des § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG erfüllt ist, indessen nicht an. Die Klägerin trägt nicht vor, dass das von ihr als Anlage K35 vorgelegte Aufklärungsmerkblatt die Fachinformation im Sinne des § 11a AMG oder die Packungsbeilage (Gebrauchsinformation) im Sinne des § 11 AMG darstellt. Davon ist auch nicht auszugehen. Die Fachinformation stellt gemäß § 11a Abs. 1 Satz 1 AMG eine Gebrauchsinformation für Fachkreise dar und ist insbesondere Ärzten und Apothekern zur Verfügung zu stellen. Das Aufklärungsmerkblatt (Anlage K35) richtet sich aber an den Impfling, der dieses Merkblatt als Ergänzung zu dem gemäß § 630e Abs. 2 BGB mit dem Arzt zu führenden Aufklärungsgespräch erhalten soll (vgl. S. 5 von Anlage K35). Folglich stellt es auch nicht eine Packungsbeilage im Sinne des § 11 AMG dar.

Soweit die Klägerin im Rahmen der vorgenannten Behauptung auf das aktuelle Produktinformationsblatt (das der Gebrauchsinformation, also der Packungsbeilage, entsprechen dürfte) abstellt, behauptet sie nicht das Fehlen von Angaben, sondern - im Gegenteil - das Vorhandensein von Angaben, "insbesondere die Diagnosen Schwindelgefühle und Kopfschmerzen sowie Hautreaktionen". Dass diese Informationen zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Impfstoffs oder ihrer eigenen Impfung nicht in der Packungsbeilage oder den Fachinformationen aufgeführt gewesen seien, obwohl die Beklagte von diesen möglichen Nebenwirkungen schon Kenntnis gehabt habe, behauptet sie hingegen nicht.

(4) Auch die weitere klägerische Behauptung, der Beklagten sei "doch von Tag zu Tag immer bekannter [geworden], dass Geimpfte vermehrt über Autoimmunerkrankungen, das Post-Vakzin-Syndrom, Nervenerkrankungen, Thrombosen, koronare Herzkrankheiten, das Fatigue-Syndrom und viele weitere Krankheitsbilder in zeitlichem Zusammenhang mit der Corona-Schutzimpfung berichteten", woraus eine von der Beklagten vernachlässigte Warnpflicht resultiert habe, begründet keinen Anspruch aus § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG. Zum einen leidet die Klägerin selbst nicht an den zuvor genannten Krankheiten - selbst das Post-Vakzin-Syndrom wurde bei ihr nicht diagnostiziert -, vielmehr wiesen die Beschwerden der Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag lediglich "Züge eines Post-Vac-Syndroms" auf, so dass die angeblich fehlerhaften Produktinformationen nicht kausal für ihre Beschwerden geworden sein können. Dies gilt sogar, wenn man annehmen würde, die von der Klägerin behaupteten einzelnen Leiden in Form von Kopfschmerzen, Schwindel, Verschlechterung des Stuhlgangs, Hautausschlag, Gangstörung, Muskel-, Glieder-, Gesichts- und Nackenschmerzen, allgemeines Krankheitsgefühl und Erschöpfung würden in ihrer Gesamtheit das sog. Post-Vakzin-Syndrom beschreiben. Aber abgesehen davon, dass die Klägerin nicht darlegt, was genau sie unter dem Post-Vakzin-Syndrom versteht, ist keines dieser behaupteten Leiden von Ärzten aufgrund objektiver Verfahren diagnostiziert worden (sondern lediglich der Schwindel von der Klägerin im Rahmen der Anamnese geschildert worden), und zudem von der Klägerin nicht einmal behauptet und hinreichend dargelegt, dass die genannten Leiden alle zeitgleich - und zudem zeitnah nach den Impfungen -vorlagen. Darüber hinaus benennt die Klägerin erneut keinen Zeitpunkt, zu dem die oben genannten Krankheitsbilder Post-Vakzin-Syndrom, Nervenerkrankungen, Thrombosen, koronare Herzkrankheiten, das Fatigue-Syndrom einen auf validen wissenschaftlichen Daten beruhenden, ernst zu nehmenden Verdacht begründet haben sollen, welcher der Beklagten bekannt war, und diese zugleich nicht veranlasst haben soll, dass die Packungsbeilagen oder die Fachinformation entsprechend angepasst werden.

(5) Der Vortrag der Klägerin, die von ihr vorgelegte Version der Gebrauchsinformation vom Juli 2023 (Anlage K51) enthalte Erkenntnisse, dass der streitgegenständliche Impfstoff zu einer Entzündung des Herzmuskels (Myokarditis) oder Entzündung des Herzbeutels (Perikarditis) führen könnte, die wiederum zu Atemnot, Herzklopfen oder Thoraxschmerzen führen können, was bereits in dem Aufklärungsblatt mit Stand August 2021 in wesentlich deutlicherer Form und auch als Warnung hätte enthalten sein können und auch müssen, führt aus mehreren Gründen nicht zu dem geltend gemachten Anspruch. Wie bereits oben ausgeführt, kommt es auf die Angaben in einem Aufklärungsmerkblatt für einen Anspruch aus § 84 AMG nicht an, weil es sich um keine der dort benannten Informationsformen handelt, so dass nicht aufgeklärt werden muss, ob das Aufklärungsblatt mit Stand August 2021 die zu diesem Zeitpunkt bei der Beklagten bekannten Informationen enthielt. Die Klägerin behauptet auch in diesem Zusammenhang nicht, dass sie an einer durch die Impfung hervorgerufenen Myokarditis oder Perikarditis leidet, so dass es an der Kausalität einer – wäre dies behauptet – falschen Packungsbeilage oder Fachinformation fehlen würde. Des Weiteren beinhaltet die von der Klägerin in Bezug genommene Gebrauchsinformation mit Stand Juli 2023 Informationen zu einem "für Säuglinge und Kinder 6 Monaten bis 4 Jahren" gedachten Impfstoff. Ob und inwieweit die darin enthaltenen Erkenntnisse auf Erwachsene übertragbar sind, legt die Klägerin nicht dar.

(6) In dem von der EMA am 14.07.2021 veröffentlichten "Update zur Sicherheit des COVID-19-Impfstoffs COMIRNATY" (Anlage C5, in deutscher Übersetzung vorgelegt mit Schriftsatz vom 25.03.2024) ist, wie von der Klägerin zutreffend zitiert, von möglichen Nebenwirkungen in Form von "Asthenie (Energie- oder Kraftmangel), Lethargie (Zustand der Gleichgültigkeit und Inaktivität), verminderter Appetit und (nächtliche) Hyperhidrose (übermäßiges Schwitzen)" die Rede (S. 4 der Anlage C5). Im Gegensatz zu den Nebenwirkungen einer Myokarditis und Perikarditis, deren Aufnahme in die Produktinformation der PRAC nach einer Prüfung empfohlen hat (S. 2 der Anlage C5), befand sich der CHMP zum damaligen Zeitpunkt (14.07.2021) noch in der Phase der Prüfung, ob die genannten Nebenwirkungen Asthenie, Lethargie, verminderter Appetit und Hyperhidrose künftig in die Produktinformation aufgenommen werden sollen. Deutlicher als in der google-Übersetzung ins Deutsche wird dies in der englischsprachigen Anlage C5: "(pp.) the following events are currently under consideration (pp.) to be newly added (pp.)". Eine Entscheidung über die Aufnahme der Nebenwirkungen war mithin noch nicht gefallen, so dass sich aus dem "Update" keine Versäumnisse der Beklagten herleiten lassen.

Soweit die Klägerin in diesem Kontext erstmals in der Berufungsbegründung weiter behauptet, dass die Merkmale eines Fatigue-Syndroms bereits im Juni 2021 in die Produktinformationen hätten aufgenommen werden können, ist dies aus mehreren Gründen unerheblich. Zunächst ist schon zweifelhaft, ob die genannten Einzelsymptome Asthenie, Lethargie, verminderter Appetit und Hyperhidrose überhaupt in ihrer Gesamtheit das Fatigue-Syndrom beschreiben, was von der Klägerin weder dargelegt noch unter Beweis gestellt wird. Darüber hinaus ist ihre Behauptung vorliegend nicht entscheidungserheblich, da die Klägerin das Vorliegen eines Fatigue-Syndroms bei sich selbst nicht geltend macht - auch nicht die einzelnen Symptome -, so dass der Anspruch spätestens am Tatbestandsmerkmal der (dann fehlenden) Kausalität scheitern würde. Schließlich ist es unerheblich, ob die Beklagte die Merkmale eines Fatigue-Syndroms bereits im Juni 2021 in die Produktinformationen hätte aufnehmen können . Dass die Beklagte dazu verpflichtet gewesen ist, weil allein dies den aktuellen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprochen hätte, hat die Klägerin bereits nicht behauptet.

(7) Ob die von ihr als Anlage K22 vorgelegte Arzneimittelinformation im Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Impfstoffs oder jedenfalls im Zeitpunkt der Impfung der Klägerin den aktuellen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprach oder fehlerhaft war, kann mangels Vortrags der Klägerin zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens nicht festgestellt werden, ist nach dem oben Gesagten aber ohnehin nicht entscheidungserheblich.

Bei der Arzneimittelinformation, welche die Klägerin als Anlage K22 vorgelegt hat, handelt es sich nach Ansicht des Senats um die Packungsbeilage des Impfstoffs. Der Stand dieser Arzneimittelinformation ist dem Dokument nicht zu entnehmen und wird von der Klägerin auch nicht vorgetragen, kann aber anhand der jüngsten in Bezug genommenen Studienergebnisse von Mai 2022 als zeitlich nach den klägerischen Impfungen erstellt eingeordnet werden. In dieser Arzneimittelinformation werden unter Ziffer 4.8 "Nebenwirkungen" in der "Zusammenfassung des Sicherheitsprofils" bei Teilnehmern ab 16 Jahren nach 2 Dosen folgende gesundheitliche Beeinträchtigungen aufgeführt: Schmerzen an der Injektionsstelle, Ermüdung, Kopfschmerzen, Myalgie (Muskelschmerzen), Schüttelfrost, Arthralgie (Gelenkschmerzen), Fieber und Schwellung an der Injektionsstelle.

Bereits als "Allgemeine Empfehlungen" im Rahmen von Ziffer "4.4 Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung" werden unter anderem Myokarditis (Herzmuskelentzündung) und Perikarditis (Herzbeutelentzündung) als mögliche Nebenwirkungen aufgelistet sowie Schwindelgefühl, Herzklopfen und Anstieg der Herzfrequenz als vorübergehende stressbedingte Reaktionen genannt. Lethargie (abnormal ausgeprägte Schläfrigkeit), Asthenie (Schwäche/Kraftlosigkeit), Hautausschlag, Unwohlsein und Schwindelgefühl werden sodann tabellarisch aufgelistet als Nebenwirkungen aus klinischen Studien und Erfahrungen nach der Zulassung bei Personen ab 12 Jahren (vgl. Tabelle 1, S. 8 f. Anlage K22). Somit sind lediglich die von der Klägerin geklagten gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Fallneigung beim Gehen, Nackenschmerzen und eine Verschlechterung des Stuhlgangs nicht in der Arzneimittelinformation aufgeführt.

Die Klägerin behauptet aber nicht, dass die in der Arzneimittelinformation Anlage K22 enthaltenen Hinweise in derjenigen Produktinformation, die unmittelbar vor ihren Impfungen im August und September 2021 galt, nicht enthalten waren. Ebenso wenig behauptet sie, dass die nicht in der Arzneimittelinformation Anlage K22 aufgelisteten möglichen Gesundheitsbeeinträchtigungen, an denen sie angeblich leidet, wie Fallneigung beim Gehen, Nackenschmerzen und eine Verschlechterung des Stuhlgangs, der Beklagten bereits vor dem 31.08.2021 bekannt waren und daher in der Arzneimittelinformation hätten aufgelistet sein müssen. Im Hinblick auf den Schwindel gibt die als Anlage K22 vorgelegte Arzneimittelinformation den Hinweis, dass diese Nebenwirkung erst nach der Zulassung erfasst worden sei; daraus zieht die Klägerin aber nicht die Behauptung, dass der Beklagten Erkenntnisse über Schwindel bei Geimpften schon vor dem 31.08.2021 bekannt waren. Somit kann eine entscheidungserhebliche Fehlerhaftigkeit der Arzneimittelinformation (Anlage K22) nicht festgestellt werden.

cc) Nach dem Vorgesagten bestehen keine Anhaltspunkte, dass die Packungsbeilage oder die Fachinformation für den streitgegenständlichen Impfstoff zum Zeitpunkt seines - hier nicht bekannten - Inverkehrbringens oder im Zeitpunkt der Impfungen der Klägerin am pp.08.2021 und am pp.09.2021 fehlerhaft bzw. unvollständig waren.

c) Da bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 AMG nicht erfüllt sind, kann grundsätzlich dahinstehen, ob die Impfung mit Comirnaty kausal für den bei der Klägerin eingetretenen Schaden in Form von Kopfschmerzen, Schwindel, Verschlechterung des Stuhlgangs, Hautausschlag, Gangstörung, Muskel-, Glieder-, Gesichts- und Nackenschmerzen, allgemeines Krankheitsgefühl und Erschöpfung war.

Eine Kausalität der behaupteten Schäden mit der Impfung nach dem Haftungstatbestand des § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG kann jedoch ohnehin nicht festgestellt werden, so dass die geltend gemachten Ansprüche auch daran scheitern.

aa) Der Klägerin kommt die Kausalitätsvermutung des § 84 Abs. 2 AMG nicht zugute.

Die Kausalitätsvermutung des § 84 Absatz 2 AMG setzt voraus, dass die Anwendung des Arzneimittels geeignet war, die eingetretene Rechtsgutverletzung zu verursachen. Erforderlich ist dabei nicht lediglich eine abstrakt-generelle, sondern eine konkrete Verletzungseignung des Arzneimittels, für welche die Klägerin darlegungs- und beweisbelastet ist. Einige der relevanten Kriterien zur Bestimmung dieser Verletzungseignung werden in § 84 Abs. 2 Satz 2 AMG genannt. Eine Verletzungseignung kann angenommen werden, wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass das Arzneimittel die Rechtsgutverletzung verursacht hat. Es genügt allerdings nicht, wenn nur eine ungesicherte Hypothese für den ursächlichen Zusammenhang spricht (BeckOGK/Franzki, 01.06.2024, AMG § 84 Rn. 110).

Letzteres ist vorliegend allerdings der Fall. Abgesehen davon, dass die Klägerin trotz des erstinstanzlichen Bestreitens der Beklagten, dass der gesundheitliche Zustand der Klägerin erstmals nach der Impfung aufgetreten und lediglich die Verschlechterung eines bereits vorbestehenden Gesundheitszustands gewesen ist, keinen ausreichenden Vortrag zu ihrem gesundheitlichen Zustand vor der Impfung im Hinblick auf alle von ihr geltend gemachten Beeinträchtigungen gehalten hat, fehlen noch weitere Voraussetzungen für die Annahme der Kausalitätsvermutung. Denn die meisten der von der Klägerin behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen sind nicht in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung eingetreten. Ferner gibt es für keine der behaupteten Beeinträchtigungen einen objektiven Nachweis und es fehlt zudem an der Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs auch nur eines ihrer behaupteten Leiden mit der Impfung.

(1) Die Klägerin hat nach dem Bestreiten, dass die Klägerin vor der Impfung noch an keinem der geklagten Beeinträchtigungen litt, lediglich ihre diesbezüglichen Behauptungen wiederholt, aber keinen Vortrag dazu gehalten, ob und in welchem Umfang sie vor dem pp.08.2021 beispielsweise an Kopf-, Nacken- oder Gliederschmerzen oder verschlechtertem Stuhlgang litt. An diesen gesundheitlichen Beeinträchtigungen leidet jeder Mensch nach allgemeiner Lebenserfahrung von Zeit zu Zeit, jedoch in einer unterschiedlichen Häufigkeit und Intensität. Daher hätte die Klägerin sich diesbezüglich näher erklären müssen. Ferner hätte sie, wie von der Beklagten mehrfach zu Recht gefordert, ihre vollständigen Behandlungsunterlagen, insbesondere von ihrer Hausärztin und des Kinderarztes, vorlegen müssen, um ihre Angaben zumindest auf Plausibilität prüfen zu können. Daran fehlt es.

(2) Im zeitlichen Zusammenhang mit den beiden Impfungen hat die Klägerin selbst bereits nur das Auftreten von Kopfschmerzen und Schwindel behauptet; wann die übrigen von ihr behaupteten Symptome erstmals nach den Impfungen aufgetreten sein sollen, ist dem klägerischen Vortrag nicht zu entnehmen.

Für die von der Klägerin in den Vordergrund ihrer Leiden gestellte Schwindel-Symptomatik (von ihr als anhaltender Drehschwindel beschrieben) – die einzige Beeinträchtigung, wegen der die Klägerin zumindest zwei Wochen nach der Impfung vom pp.09.2021 bei einem Arzt vorstellig geworden ist (vgl. Anlage K3) – hat keiner der Ärzte, bei denen sie sich vorgestellt hat, eine körperliche Ursache feststellen können. Die Diagnosen beruhen vielmehr allesamt auf den subjektiven Angaben der Klägerin. So wurde etwa ein "Schwindel unklarer Genese" (Anlage K2) bzw. ein "Drehschwindel unklarer Ätiologie DD orthostatischer Schwindel" (Anlage K6) diagnostiziert, im MRT (Anlage K3) und auch im weiteren Verlauf der Untersuchungen (z.B. beim Kardiologen, vgl. Anlage K11) und auch in der Uniklinik pp. fand sich kein Hinweis auf eine organische Ursache, vielmehr wurde im Arztbrief von Oktober 2021 (Anlage K7) mitgeteilt: "Die Ätiologie des Drehschwindels bleibt somit unklar, DD muss eine somatoforme Genese in Betracht gezogen werden." In dem weiteten Bericht von August 2022 (Anlage K17) wird ein Schwindel unklarer Genese diagnostiziert, aber auch ein Verdacht auf dissoziative Störungen (Konversionsstörungen), welcher der Klägerin nicht bewusst zu sein scheint, wie im Arztbrief formuliert wurde.

Keine der weiteren Beschwerden wird von einem die Klägerin behandelnden Arzt mit der Impfung in Zusammenhang gebracht, auch nicht die angebliche Gangstörung. Hinzu kommt, dass von einer Gangunsicherheit erstmals im Arztbrief des Kardiologen vom 09.12.2021 (Anlage K11) die Rede ist; im Verlaufsbericht der Uniklinik pp. vom 21.10.2021 – also drei Wochen nach der letzten Impfung – heißt es hingegen noch: "Stand- und Gang: Auch in den erschwerten Gangprüfungen sicher, keine Fallneigung. Einbeinstand unauffällig" (Anlage K6). Damit ist weder ein gesicherter ursächlicher noch ein enger zeitlicher Zusammenhang zu einer der beiden Impfungen vom pp.08.2021 und vom pp.09.2021 herzustellen.

Hautausschläge und verschlechterter Stuhlgang werden erstmals im Verlaufsbericht der Uniklinik pp. vom 05.05.2022 (Anlage K12) erwähnt, aber lediglich als anamnestische Angabe der Klägerin; einen objektiven Befund hierzu gibt es nicht. Deshalb ist auch insoweit kein zeitlicher Zusammenhang mit den Impfungen vom pp.08.2021 und vom pp.09.2021 festzustellen, nachdem schon kein ursächlicher Zusammenhang von den die Klägerin behandelnden Ärzten beschrieben wurde. Dasselbe gilt für die angeblich durch die Impfung hervorgerufenen starken Kopfschmerzen. Gegenüber dem Radiologen wurde laut Bericht vom 13.10.2021 angegeben, "anamnestisch gelegentliche Kopfschmerzen" zu haben (Anlage K3). Hier wird weder von erheblichen Kopfschmerzen berichtet noch von einem zeitlichen Zusammenhang mit den beiden Impfungen. Ebenso verhält es sich in dem Verlaufsbericht der Uniklinik pp. vom 21.10.2021 (Anlage K6). Dort werden im Rahmen des klinisch-neurologischen Untersuchungsbefunds leichte Kopfschmerzen "wenn der Schwindel vorhanden ist" festgestellt. Von einem gesonderten Leiden neben dem Schwindel wird von der Klägerin zu diesem Zeitpunkt an die dortigen Ärzte nicht berichtet. Somit liegen für die von der Klägerin geklagten Beschwerden Schwindel, Gangunsicherheit, verschlechterter Stuhlgang, Hautausschlag und Kopfschmerzen die Voraussetzungen für die Anwendung der Kausalitätsvermutung des § 84 Abs. 2 AMG nicht vor.

(3) Wegen der übrigen von ihr behaupteten Beschwerden (Muskel-, Glieder-, Gesichts- und Nackenschmerzen, allgemeines Krankheitsgefühl und Erschöpfung) und dem "Post-Vak-Syndrom" fehlt es nicht nur am Vortrag zum Zeitpunkt des erstmaligen Auftretens, sondern die Klägerin ist deswegen auch nicht bei einem Arzt vorstellig geworden, jedenfalls trägt sie hierzu nicht vor und legt auch die diesbezüglichen Behandlungsunterlagen nicht vor.

bb) Eine Haftung der Beklagten nach § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG scheitert zusätzlich daran, dass die Klägerin das Beruhen ihrer behaupteten Gesundheitsverletzungen auf der angeblich falschen Packungsbeilage oder Fachinformation nicht dargelegt hat.

(1) Die Haftung nach § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG setzt – anders als nach Nr. 1, in dessen Rahmen lediglich zu prüfen ist, ob die Gesundheitsverletzung auf der unvertretbaren Wirkung des Arzneimittels beruht – eine doppelte Kausalität voraus: Die Rechtsgutverletzung muss auf der Anwendung des Arzneimittels beruhen und zugleich infolge der unzureichenden Arzneimittelinformation – Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation, siehe oben – eingetreten sein. Ein Ursachenzusammenhang zwischen der fehlerhaften Information und der Gesundheitsverletzung ist nur zu bejahen, wenn diese bei ordnungsgemäßer Information mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden worden wäre (BGH, Urteil vom 24.01.1989 – VI ZR 112/88, BGHZ 106, 273, juris Rn. 35; BeckOGK/Franzki, 01.06.2024, AMG § 84 Rn. 106; Kügel/Müller/Hofmann/Brock, 3. Aufl. 2022, AMG § 84 Rn. 110; OLG Stuttgart, Urteil vom 23.02.1989 – 14 U 19/86, BeckRS 1989, 4400 Rn. 147; Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, Arzneimittelrecht, § 27 Haftung für Arzneimittelschäden Rn. 69). Die Klägerin hat darzulegen und zu beweisen, dass der Schaden nicht eingetreten wäre, wenn die Fach- und Gebrauchsinformation erschöpfend und zutreffend gewesen wäre (BGH, Urteil vom 24.01.1989 – VI ZR 112/88, BGHZ 106, 273-284, Rn. 35).

(2) Ein Ursachenzusammenhang zwischen der – hier zu Argumentationszwecken unterstellten – fehlerhaften Fach- oder Gebrauchsinformation und den Gesundheitsbeeinträchtigungen der Klägerin in Form von Kopfschmerzen, Schwindel, Verschlechterung des Stuhlgangs, Hautausschlag, Gangstörungen, Muskel-, Glieder-, Gesichts- und Nackenschmerzen, Erschöpfung und eines allgemeinen Krankheitsgefühls scheidet im vorliegenden Fall bereits deshalb aus, weil die Klägerin die Kausalität des von ihr behaupteten Informationsfehlers nicht schlüssig dargelegt hat. Sie hat - obwohl die Beklagte bereits in der Klageerwiderung darauf hingewiesen hat, dass das Lesen der Gebrauchsinformation Voraussetzung eines Anspruchs nach § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG ist - erstinstanzlich nicht vorgetragen, dass sie vor ihrer Impfung selbst die Packungsbeilage gelesen hat. Hierzu verhält sie sich auch weder mit der Berufungsbegründung noch mit ihrem weiteren Vortrag in zweiter Instanz. Vielmehr wurde von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung behauptet, die Klägerin habe die Packungsbeilage nicht lesen können, da diese im Impfzentrum nicht zur Einsicht ausgelegen habe. Unabhängig von dem Umstand, dass die jeweilige Gebrauchsinformation auf der Internetseite des Herstellers sowie der EMA zu finden sein dürfte, hat die Klägerin nicht dargetan, dass sie nach der Gebrauchsinformation gefragt hat. Darüber hinaus hat die Klägerin nicht vorgetragen, dass der sie im Impfzentrum impfende Arzt die Fach- und/oder Gebrauchsinformation gelesen hatte und in Kenntnis der dort aufgelisteten Risiken und in Abwägung mit den bei ihr bestehenden gesundheitlichen Gegebenheiten mit ihr das Für und Wider der Impfung erörtert hatte. Zumindest dies wäre aber im Falle einer Impfung, bei der der Patient das Arzneimittel in aller Regel nicht selbst anwendet, sondern von einem Arzt verabreicht bekommt, notwendig gewesen (vgl. zu Injektionen im Krankenhaus BGH, Urteil vom 12.05.2015 – VI ZR 328/11, BGHZ 205, 270-287, juris Rn. 37). Von dem Vorhandensein der Packungsbeilage bei dem impfenden Arzt ist aufgrund des in einem Impfzentrum in großen Mengen vorrätigen Impfstoffs auszugehen. Anderes hätte die Klägerin darlegen und beweisen müssen, woran es vorliegend fehlt. Aufgrund des fehlenden Vortrags kann mithin nicht festgestellt werden, dass eine Rechtsgutverletzung infolge der zu Argumentationszwecken unterstellten unzureichenden Arzneimittelinformation – Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation – eingetreten ist

(3) Darüber hinaus hat das Landgericht in materiell- wie auch verfahrensrechtlich nicht zu beanstandender Weise einen Entscheidungskonflikt der Klägerin vor der Impfung mit Comirnaty verneint.

Das Landgericht hat ausgeführt, es erscheine unglaubhaft, dass die Klägerin, wie von ihr geltend gemacht, von der Impfung Abstand genommen hätte, wenn sie im Rahmen der Aufklärung auf unbestätigte Berichte über Autoimmunerkrankungen, das Post-Vakzin-Syndrom, Nervenerkrankungen, Thrombosen oder das Fatigue-Syndrom hingewiesen worden wäre. Denn in dem Aufklärungsmerkblatt (vorgelegt als Anlage K19) sei auf erhebliche Risiken wie Gesichtslähmung, mögliche allergische Reaktionen bis hin zum – potentiell tödlich endenden – anaphylaktischen Schock, auf Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen sowie das Risiko bisher unbekannter Komplikationen hingewiesen worden, ohne dass dies die Klägerin von der Impfung abgehalten habe. Vielmehr trage die Klägerin selbst vor, dass sie unter einem hohen Druck gestanden habe, sich impfen zu lassen, da sie ansonsten ihre damals schwangere Schwester nicht hätte besuchen können und weitgehend vom alltäglichen Leben ausgeschlossen gewesen wäre.

Gegen diese überzeugende tatrichterliche Würdigung hat die Klägerin mit ihrer Berufungsbegründung keine konkreten Anhaltspunkte vorgebracht, die Zweifel an der Vollständigkeit oder Richtigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen begründen könnten, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, so dass der Senat an die Feststellungen des Landgerichts gebunden ist. Zu demselben Ergebnis gelangt der Senat aber auch nach eigener Beweiswürdigung.

Die Klägerin wendet lediglich ein, der Umstand, dass sie sich aufgrund des auch weiterhin gewünschten Besuchs der schwangeren Schwester und der uneingeschränkten Teilhabe am öffentlichen Leben habe impfen lassen, bedeute nicht, dass sie unter allen Umständen eine Impfung durchgeführt hätte, wenn zusätzliche Risikohinweise in den Produktinformationen enthalten gewesen wären; tatsächlich habe es im August und September 2021 mit den Impfstoffen von Astra Zeneca und Moderna Alternativen zu dem Impfstoff der Beklagten gegeben, so dass sie sich gegen eine Impfung mit dem Impfstoff der Beklagten entschieden hätte. Damit dringt die Klägerin nicht durch.

Ein Ursachenzusammenhang zwischen der fehlerhaften Information und der Gesundheitsverletzung der Klägerin ist nur zu bejahen, wenn die Gesundheitsverletzung bei ordnungsgemäßer Information "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" vermieden worden wäre (siehe oben; vgl. BGH, Urteil vom 24.01.1989 – VI ZR 112/88, juris Rn. 35). Die Klägerin hat damit im konkreten Fall darzutun, dass sie – von den übrigen Voraussetzungen abgesehen und ihrer geringen Substantiierungspflicht entsprechend – zumindest vor der Impfung noch einmal überlegt hätte, ob sie sich mit dem Impfstoff der Beklagten impfen lassen wollte oder nicht. Diese Überlegung entspricht der des sog. Entscheidungskonflikts in Arzthaftungssachen (so auch OLG Bamberg, Beschluss vom 14.08.2023 – 4 U 15/23, juris Rn. 6; Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, Arzneimittelrecht, § 27 Haftung für Arzneimittelschäden Rn. 69; Koyuncu in: Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler, Produzentenhaftung, 3. EL 2023, E. Die speziellen Haftungsvoraussetzungen gemäß § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AMG, S. 10; BeckOGK/Franzki, 01.06.2024, AMG § 84 Rn. 59). Dieser Nachweis, dass sie bei richtiger Gebrauchsinformation – deren Fehlerhaftigkeit hier zu Argumentationszwecken angenommen wird – vor der ersten Impfung ins Zweifeln geraten wäre, ob sie sich mit dem Impfstoff der Beklagten impfen lassen sollte oder nicht, gelingt der Klägerin nicht.

Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, sie habe die in dem Aufklärungsmerkblatt (von ihr vorgelegt als Anlage K35) aufgeführten Nebenwirkungen in Kauf genommen und sich von diesen nicht von der Impfung abhalten lassen, da sie davon ausgegangen sei, dass diese lediglich von vorübergehender Natur seien (Schriftsatz vom 04.09.2023, S. 6). Damit hat sie aber zugleich eingeräumt, dass sie die dort genannten erheblichen Komplikationen wie Gesichtslähmung, Nesselsucht oder Gesichtsschwellung, allergische Sofortreaktionen bis hin zum Schock, Herzmuskelund Herzbeutelentzündung bewusst in Kauf genommen hat. Ihr Einwand, dass sie davon ausgegangen sei, dass die Nebenwirkungen nur vorübergehender Natur seien, verfängt nicht, da diese Hoffnung in der Natur des Menschen liegt, in dem Aufklärungsmerkblatt aber gleichwohl keine Garantie dafür gegeben wurde, dass die Impfreaktionen wie auch die Impfkomplikationen lediglich vorübergehender Natur sein werden. Mit dem Inkaufnehmen der genannten Impfreaktionen wurden mithin auch dauerhafte Beeinträchtigungen in Kauf genommen.

Zudem ist die Behauptung der Klägerin, sie hätte, wenn zusätzliche Risikohinweise in den Produktinformationen enthalten gewesen wären, von der Impfung mit dem Impfstoff der Beklagten Abstand genommen, jedenfalls im Hinblick auf den Impfstoff des Herstellers Moderna nicht plausibel. Denn das Aufklärungsmerkblatt bezieht sich ausdrücklich und ausweislich seiner Überschrift auf die "Schutzimpfung gegen COVID-19 (Corona Virus Disease 2019) – mit mRNA-Impfstoffen – (Comirnaty® von BioNTech/Pfizer und Spikevax®, ehemals COVID-19 Vaccine Moderna ® von Moderna)". Die Beschreibung der Wirkweise des Impfstoffs wie auch der Komplikationen gelten mithin für den streitgegenständlichen sowie für den Impfstoff des Herstellers Moderna gleichermaßen.

Des Weiteren verkennt die Klägerin bei ihrer Argumentation, dass die anderen verfügbaren Impfstoffe, etwa der von ihr genannten Hersteller Astra Zeneca und Moderna, nicht weniger mit potentiellen Gesundheitsrisiken verbunden waren als der streitgegenständliche Impfstoff, weil diese – ebenso, wie der Impfstoff der Beklagten – gerade erst entwickelt worden und auf den Markt gekommen waren. Der Impfstoff von Moderna ist – wie die Klägerin selbst darlegt – ebenfalls ein mRNA-basierter Impfstoff, bei dem sich dieselben Unwägbarkeiten ergeben, wie bei dem mRNA-Impfstoff der Beklagten, und auch der Impfstoff von Astra Zeneca ist – wie die übrigen Impfstoffe gegen COVID-19 – erst wenige Monate vor der Impfung der Klägerin entwickelt und auf den Markt gebracht worden. Die von der Klägerin vehement geforderten Langzeitstudien fehlen auch für die Impfstoffe der Hersteller Moderna und Astra Zeneca. Ferner geht aus dem von der Klägerin vorgelegten Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts vom 21.08.2021 (Anlage K31) sehr deutlich hervor, dass bei der Verwendung der beiden anderen Impfstoffe ebenfalls mit – teilweise auch schwerwiegenden – Nebenwirkungen zu rechnen ist (vgl. S. 12, 13 und Abbildungen 3 und 4 von Anlage K31). Bei dem Impfstoff von Astra Zeneca wird insbesondere auf das bei diesem Vektorimpfstoff auftretende Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndrom (TTS) hingewiesen, welches bei Astra Zeneca überproportional häufig aufgetreten, hingegen bei den mRNA-Impfstoffen bis zum diesem Berichtszeitpunkt nicht als Risiko identifiziert worden war, und das insbesondere Frauen betraf (vgl. S. 20 von Anlage K35 sowie Tabelle 7). Die Bevollmächtigten der Klägerin verfolgen wegen der anderen Impfstoffe gleichgelagerte Ansprüche gegen andere Hersteller mit vergleichbarer Argumentation. Die Klägerin legt weder erstinstanzlich noch mit der Berufungsbegründung dar, aus welchen Erwägungen heraus sie vor dem aufgezeigten Hintergrund in der damaligen Situation den Impfstoffen von Moderna oder Astra Zeneca mehr vertraut hätte als dem Impfstoff der Beklagten. Ferner legt sie nicht dar, welche konkreten Risikohinweise für sie entscheidend gewesen wären, von einer Impfung mit dem Impfstoff der Beklagten abzusehen.

Somit hat die Klägerin einen Entscheidungskonflikt vor der Impfung nicht plausibel dargelegt.

cc) Die Klägerin kann sich nicht auf einen Anscheinsbeweis berufen.

Anders als die Klägerin meint, ist dem Urteil des EuGH vom 21.06.2017 (Az.: C-621/15) nicht zu entnehmen, "dass Art. 4 der Richtlinie 85/374 dahingehend auszulegen ist, dass grundsätzlich dann ein Anscheinsbeweis gilt, wenn von der medizinischen Forschung weder belegt noch nachgewiesen werden kann, dass ein Zusammenhang zwischen der Verabreichung des betroffenen Impfstoffs und dem Auftreten der Krankheit, an der der Geschädigte leidet, besteht ." Das Urteil des EuGH befasst sich vielmehr, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, lediglich mit der Frage, ob die Annahme eines Anscheinsbeweises im nationalen Recht mit Art. 4 Richtlinie 85/374 zu vereinbaren ist oder dieser Vorschrift zuwiderläuft (EuGH, Urteil vom 21.06.2017 – C-621/15, juris Rn. 18 - 43). Festgestellt wird folglich nur die Zulässigkeit eines Indizienbeweises im nationalen Recht, nicht hingegen die zwingende Anwendung in jedem Fall. Diese ist abhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des Anscheinsbeweises im nationalen Recht, die hier nicht gegeben sind.

Die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises ist bei der Kausalitätsfeststellung immer dann geboten, wenn das Schadensereignis nach allgemeiner Lebenserfahrung eine typische Folge der Pflichtverletzung darstellt (BGH, Urteil vom 16.03.2010 – VI ZR 64/09, juris Rn. 16). Die Grundsätze sind also nur bei typischen Geschehensabläufen anwendbar, das heißt in Fällen, in denen ein Sachverhalt feststeht, der nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder auf einen bestimmten Ablauf als maßgeblich für den Eintritt eines bestimmten Erfolgs hinweist (vgl. BGH, Urteil vom 01.08.2023 – VI ZR 82/22, juris Rn. 26). Entkräftet wird ein Beweis des ersten Anscheins durch feststehende (erwiesene oder unstreitige) Tatsachen, nach welchen die Möglichkeit eines anderen als des typischen Geschehensablaufs ernsthaft in Betracht kommt (BGH, Urteil vom 16.03.2010 – VI ZR 64/09, juris Rn. 17).

Danach kommt ein Anscheinsbeweis hier nicht in Betracht. Zwar ist die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises entgegen der Ansicht der Beklagten nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil ein anderer als der typische Geschehensablauf ernsthaft in Betracht kommt. Denn ein solcher ist nicht unstreitig und steht nicht erwiesenermaßen fest (vgl. BGH, Urteil vom 26.03.2013 – VI ZR 109/12, juris Rn. 27). Die Beklagte hält es selbst lediglich für "durchaus möglich", dass die bei der Klägerin diagnostizierte dissoziative Störung für ihre Leiden ursächlich ist.

Allerdings scheitert die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises daran, dass vorliegend kein Sachverhalt feststeht, der nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder auf einen bestimmten Ablauf als maßgeblich für den Eintritt eines bestimmten Erfolgs hinweist. Es gibt, wie die Beklagte zutreffend ausführt, keine allgemeine Lebenserfahrung, dass die Impfung mit dem von der Beklagten hergestellten Impfstoff zu den von der Klägerin geklagten Leiden führt - unabhängig davon stehen die Leiden der Klägerin nicht sämtlich anhand einer objektiv gestellten ärztlichen Diagnose fest, sondern beruhen weit überwiegend auf ihren subjektiven Angaben (siehe oben). Darüber hinaus entspricht es nicht der Lebenserfahrung, dass der Impfstoff der Beklagten die geklagten Leiden verursachen kann; vielmehr entspricht es im Gegenteil der Lebenserfahrung, dass ein Großteil der geklagten Leiden auch eine Vielzahl anderer Ursachen haben kann.

dd) Ob darüber hinaus der anhaltende Drehschwindel der Klägerin sowie die weiteren geklagten Beschwerden auf der Impfung mit dem Impfstoff Comirnaty beruhen, kann nach dem Vorgesagten offenbleiben.

Lediglich ergänzend und im Bewusstsein, dass die Entscheidung dieser Frage nicht ohne Einholung eines dahingehenden Sachverständigengutachtens zu entscheiden wäre, ist anzumerken, dass die auszugsweise von der Klägerin vorgelegten Behandlungsunterlagen eine solche Ursächlichkeit jedenfalls als zweifelhaft, wenn nicht sogar fernliegend erscheinen lassen. Vielmehr führen sowohl der Arzt des Neurologicum pp. als auch derjenige in der Universitätsklinik pp. den behaupteten Schwindel auf Konversionsstörungen (Anlage K15) bzw. Somatisierungsstörungen (Anlage K17) zurück. Dies kann aber, wie erwähnt, dahinstehen.

d) Da bereits nach dem uneingeschränkten § 84 Abs. 1 Satz 2 AMG eine Haftung der Beklagten nicht in Betracht kommt, kommt es auf die Frage der Verfassungs- und Europarechtmäßigkeit der Haftungsbegrenzung für den pharmazeutischen Hersteller auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit durch § 3 Abs. 4 Satz 2 MedBVSV (Verordnung zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Produkten des medizinischen Bedarfs bei der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursachten Epidemie vom 20.05.2020 = Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungsverordnung = MedBVSV) nicht an, wie das Landgericht zutreffend entschieden hat.

3. Ein Anspruch auf Schmerzensgeld ergibt sich auch nicht aus dem Produkthaftungsgesetz.

§ 15 ProdHaftG sieht vor, dass die Vorschriften des Produkthaftungsgesetzes nicht anzuwenden sind, wenn infolge der Anwendung eines zum Gebrauch bei Menschen bestimmten Arzneimittels, das im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes an den Verbraucher abgegeben wurde und der Pflicht zur Zulassung unterliegt oder durch Rechtsverordnung von der Zulassung befreit worden ist, jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt wird.

Bei dem von der Beklagten hergestellten Impfstoff handelt es sich – was zwischen den Parteien unstreitig ist – um ein zum Gebrauch beim Menschen bestimmtes zulassungspflichtiges Arzneimittel, das in Deutschland, also im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes (AMG) an die Klägerin als Verbraucherin abgegeben wurde. Diese behauptet auch eine Verletzung ihrer Gesundheit, so dass grundsätzlich die Regelungen des AMG vor denjenigen des ProdHaftG vorrangig sind.

Das Urteil des Landgerichts ist in diesem Punkt auch nicht rechtsfehlerhaft, wie die Klägerin meint, weil das Landgericht sich nicht mit der Frage befasst habe, ob § 15 ProdHaftG europarechtskonform ist oder der Richtlinie 85/374/EG widerspricht. Selbst wenn man dies so sähe, führte dies nicht zum Erfolg der Klage, da das Landgericht im Ergebnis zutreffend einen Anspruch aus § 15 ProdHaftG abgelehnt hat.

Die von der Klägerin zitierte "Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte" (= Produkthaftungs-RL) sieht in Artikel 13 vor, dass die Ansprüche, die ein Geschädigter aufgrund der Vorschriften über die vertragliche und außervertragliche Haftung oder aufgrund einer zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Richtlinie bestehenden besonderen Haftungsregelung geltend machen kann, durch diese Richtlinie nicht berührt werden.

Daraus wird von Teilen des Schrifttums abgeleitet – worauf sich auch die Klägerin beruft –, dass § 15 ProdHaftG mit der Richtlinie nicht vereinbar sei (BeckOGK/Spickhoff, 01.01.2024, ProdHaftG § 15 Rn. 5, 6; sowie die diesbezüglichen Nachweise bei MüKoBGB/Wagner, 9. Aufl. 2024, ProdHaftG § 15 Rn. 8; zweifelnd: Rehmann, AMG, 5. Aufl. 2020, § 84 Rn. 1).

Dem wird entgegengehalten, dass die Kommission zwar das Vereinigte Königreich, Frankreich und Griechenland wegen angeblich fehlerhafter Umsetzung der Richtlinie vor dem EuGH verklagt habe, die Regelung des § 15 Abs. 1 ProdHaftG jedoch zu keinem Zeitpunkt von der Kommission beanstandet worden sei und auch die deutschen Gerichte von der Richtlinienkonformität des § 15 Abs. 1 ausgingen (MüKoBGB/Wagner, 9. Aufl. 2024, ProdHaftG § 15 Rn. 8 unter Verweis auf OLG Köln VersR 1994, 177; 1997, 1006; OLG Schleswig 13.10.1998 – 4 U 89/95, nv, bei Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler Produzentenhaftung Kza. 8170/4 mit Nichtannahmebeschluss des BGH 150.6.1999 – VI ZR 349/98, nv).

Förster (in BeckOK BGB, 70. Ed., ProdHaftG § 15 Rn. 5) weist darauf hin, dass sich der Generalanwalt am EuGH in seinem Schlussantrag vom 11.06.2014 (Rechtssache C-310/13 Novo Nordisk Pharma GmbH, veröffentlicht in BeckRS 2014, 80985) auf den Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs vom 06.05.2013 (VI ZR 328/11) für eine Richtlinienkonformität des § 15 Abs. 1 ProdHaftG ausgesprochen habe und auch die Kommission selbst in ihren bislang vier Berichten über die Anwendung der Produkthaftungs-Richtlinie (zuletzt KOM (2011) 547) die Vorschrift des § 15 Abs. 1 ebenfalls nicht beanstandet habe (BeckOK BGB/Förster, 70. Ed., ProdHaftG § 15 unter Bezugnahme auf BGH, EuGH-Vorlage vom 06.05.2013 – VI ZR 328/11, juris Rn. 12; im Ergebnis ebenso: KPSS Produzentenhaftung/Koyuncu, Bd. 2, EL 1/23 – VI/23, Kz. 3810, S. 11 ff.).

Vor dem Hintergrund des eindeutigen Votums des Generalanwalts beim EuGH vom 11.06.2014 (Rechtssache C-310/13, in BeckRS 2014, 80985, Rn. 28 ff, 34), dem der Gerichtshof selbst nicht widersprochen hat, geht der Senat von einer Richtlinienkonformität des § 15 Abs. 1 ProdHaftG aus, so dass die fehlende Befassung des Landgerichts mit dieser Frage unerheblich ist.

4. Ein Anspruch der Klägerin besteht auch nicht aus einer deliktischen Haftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB (Produkthaftung), die als solche grundsätzlich neben den Regelungen des Produkthaftungsgesetzes bestehen kann (§ 15 Abs. 2 ProdHaftG) und auch neben einem etwaigen Anspruch aus § 84 AMG (MüKoBGB/Wagner, 9. Aufl. 2024, § 823 Rn. 1037 f.).

Im Rahmen der Produkthaftung trifft den Hersteller des Produkts u.a. die Pflicht, über sicherheitsrelevante Eigenschaften zu informieren (Instruktionspflicht) und seine Produkte zu beobachten und ggf. die Nutzer zu warnen oder gar das Produkt zurückzurufen. Wann etwa eine Verpflichtung zur Warnung der Nutzer besteht, ist abhängig von der Höhe des drohenden Schadens und der Wahrscheinlichkeit, mit der das Produkt dafür ursächlich ist (MüKoBGB/Wagner, 9. Aufl. 2024, § 823 Rn. 1119).

Vorliegend kann aber nicht festgestellt werden, dass die Beklagte ihre Instruktionspflicht verletzt hat, indem sie zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens eine fehlerhafte Information über den Impfstoff erteilt hat, da der Zeitpunkt des Inverkehrbringens des streitgegenständlichen Impfstoffs nicht feststeht. Das von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung mitgeteilte Datum (20.12.2020) erscheint, wie bereits dargelegt, nicht plausibel, da erst am Folgetag (21.12.2020) die bedingte Zulassung des Impfstoffs von der EU-Kommission beschlossen wurde. Dass die Beklagte ihre Produktbeobachtungspflicht oder die Pflicht zum Produktrückruf verletzt haben könnte, kann ebenfalls nicht festgestellt werden. Insoweit kann auf die Ausführungen zu § 84 AMG verwiesen werden, da nicht ersichtlich ist – und von der Klägerin auch nicht vorgetragen wurde –, dass ein Anspruch nach § 823 Abs. 1 BGB strengeren Voraussetzungen unterliegt als ein solcher nach § 84 Abs. 1 AMG.

Jedenfalls aber scheitert ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB am fehlenden Nachweis der Kausalität durch die beweisbelastete Klägerin. Bei Instruktionsfehlern wie auch bei der Verletzung von Produktbeobachtungs- und daran geknüpften Warnpflichten hängt die Haftung davon ab, ob der Schaden bei pflichtgemäßem Handeln "mit Sicherheit" vermieden worden wäre; die bloße Wahrscheinlichkeit, dass der Geschädigte die Warnung befolgt hätte, genügt nicht (MüKoBGB/Wagner, 9. Aufl. 2024, § 823 Rn. 1146 unter Verweis auf BGH, Urteil vom 19.02.1975 – VIII ZR 144/73, BGHZ 64, 46-52, juris Rn. 14). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, da die Klägerin nicht dargelegt hat, dass der sie impfende Arzt die Fachinformationen zur Kenntnis genommen oder sie selbst die Packungsbeilage vor der Impfung gelesen hatte. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

5. Der Klägerin steht kein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB iVm § 5 AMG zu.

Voraussetzung hierfür wäre das Vorliegen eines bedenklichen Arzneimittels. Bedenklich sind nach der Legaldefinition des § 5 Abs. 2 AMG diejenigen Arzneimittel, bei denen nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse der begründete Verdacht besteht, dass sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen haben, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen.

Wie bereits oben ausgeführt, ist für die Annahme einer Bedenklichkeit im Sinne von § 5 AMG – ähnlich wie bei § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG – die wissenschaftliche Unvertretbarkeit der schädlichen Wirkungen des Arzneimittels maßgeblich. Die (Un-)Vertretbarkeit der schädlichen Wirkungen eines Arzneimittels ist durch eine auf die jeweilige Indikation des Medikaments bezogene Nutzen-Risiko-Abwägung zu ermitteln (vgl. nur Rehmann, 5. Aufl. 2020, AMG § 5 Rn. 2 und § 84 Rn. 5). Diese Abwägung fällt im vorliegenden Fall – bei ausreichender Datenlage – zugunsten der Nutzen des Impfstoffs aus. Auf die obigen Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

Dass vor der Zulassung des Impfstoffs durch die EU-Kommission keine Langzeitstudien vorhanden waren, ist auch im Rahmen dieses Haftungstatbestands unerheblich, wie bereits oben im Rahmen der Prüfung von § 84 AMG dargelegt wurde und worauf erneut verwiesen wird. Wegen des durchgehend positiven Nutzen-Risiko-Verhältnisses des streitgegenständlichen Impfstoffs muss der Senat auf die von der Klägerin weiter aufgeworfenen Fragen zu einem Verschulden der Beklagten – teilweise in Form von bloßen Vermutungen oder gar Hypothesen ("für den Fall, dass", vgl. S. 2 des Schriftsatzes vom 14.02.2024) – nicht mehr eingehen. Nur ergänzend wird angemerkt, dass der Vortrag der Klägerin eine weitere Überprüfung des Verschuldens der Beklagten nicht zulässt, weil er nicht erkennen lässt, welche Nebenwirkung der Beklagten zu welchem Zeitpunkt bekannt gewesen sein soll, über die sie aber zu diesem Zeitpunkt – angeblich fehlerhaft – nicht informiert hat.

Der Impfstoff der Beklagten ist demnach als unbedenklich einzustufen, so dass ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB iVm § 5 AMG ohne Erfolg bleibt.

Auf eine etwaig unzureichende Begründung des landgerichtlichen Urteils kommt es demnach nicht mehr an.

6. Die Klageerweiterung der Klägerin um den Auskunftsanspruch gemäß § 84a AMG ist zulässig, § 533 ZPO. Zwar hat die Beklagte nicht eingewilligt, jedoch ist die Klageerweiterung auf der Basis des ohnehin zugrunde zu legenden Prozessstoffs sachdienlich. Der Antrag auf Auskunft gemäß § 84a AMG ist indes nicht begründet.

a) Voraussetzung des Auskunftsanspruchs ist, dass der Arzneimittelanwender Tatsachen darlegt und gegebenenfalls beweist, die die Annahme begründen, dass ein konkretes Arzneimittel den Schaden verursacht hat (BGH, Urteil vom 12.05.2015 – VI ZR 328/11, BGHZ 205, 270-287, juris Rn. 12; BeckOGK/Franzki, 01.06.2024, AMG § 84a Rn. 10). Derartige Indiztatsachen können beispielsweise sein ein (enger) zeitlicher Zusammenhang zwischen der Arzneimittelverwendung und dem Auftreten der Rechtsgutverletzung, ein vergleichbarer Schadenseintritt bei anderen Personen, das Abklingen bzw. Wiederauftreten der Symptome bei Absetzen bzw. Wiederanwenden des Medikaments, die Einnahme eines kontaminierten Arzneimittels und der Ausschluss anderer schadensgeeigneter Faktoren. Diese Tatsachen müssen sodann in einem zweiten Schritt die Ursächlichkeit des Arzneimittels für den Schaden des Anwenders plausibel erscheinen lassen. Das Erfordernis, dass die (Mit-)Verursachung des Schadens durch das Arzneimittel plausibel sein muss, stellt geringere Anforderungen an das Maß der Überzeugung des Tatrichters als der Vollbeweis (BGH, Urteil vom 12.05.2015 – VI ZR 328/11, BGHZ 205, 270-287, juris Rn. 12 mwN). So wird die begründete Annahme im Sinne des § 84a Abs. 1 AMG in der Rechtsprechung jedenfalls dann bejaht, wenn mehr für eine Verursachung der Rechtsgutverletzung durch das Arzneimittel spricht als dagegen (überwiegende Wahrscheinlichkeit), und entsprechend verneint, wenn mehr gegen das Arzneimittel als Schadensursache spricht als dafür (OLG Frankfurt a. M., Teilurteil vom 19.08.2021 – 26 U 62/19, juris Rn. 67; so auch Kügel/Müller/Hofmann/Brock, 3. Aufl. 2022, AMG § 84a Rn. 14).

Gegen die begründete Annahme der Schadensverursachung durch ein Arzneimittel kann der pharmazeutische Unternehmer einwenden, die Auskunft sei nicht erforderlich, § 84a Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AMG. Erforderlich ist die Auskunft im Sinne des § 84a Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AMG bereits dann, wenn die Möglichkeit besteht, dass die begehrten Auskünfte der Feststellung eines Schadensersatzanspruchs dienen können; vermag hingegen die begehrte Auskunft die beweisrechtliche Situation des die Auskunft Begehrenden in Bezug auf einen solchen Schadensersatzanspruch offensichtlich nicht zu stärken, fehlt die Erforderlichkeit (vgl. BGH, Urteil vom 12.05.2015 – VI ZR 328/11, BGHZ 205, 270-287, juris Rn. 21 mwN). Außerdem ist der Einwand der Nichterforderlichkeit nur dann erheblich, wenn er gegen die Ansprüche nach beiden Alternativen des § 84 Abs. 1 Satz 2 AMG durchgreift (BGH, Urteil vom 12.05.2015 – VI ZR 328/11, BGHZ 205, 270-287, juris Rn. 22). Der Auskunftsanspruch ist unter anderem dann nicht erforderlich, wenn offensichtlich ist, dass der Geschädigte keinen Anspruch aus § 84 Abs. 1 AMG hat, etwa die erlittene Rechtsgutverletzung unerheblich ist, der Geschädigte lediglich einen Vermögensschaden erlitten hat oder der Anspruch aus § 84 Abs. 1 AMG bereits verjährt (BGH, Urteil vom 26.03.2013 – VI ZR 109/12, juris Rn. 42) oder erfüllt ist (OLG Bamberg, Teilurteil vom 08.04.2024 – 4 U 15/23 e, juris Rn. 77 ff.). Gleiches gilt, wenn der pharmazeutische Unternehmer bereits im Rahmen der Geltendmachung des Auskunftsanspruchs andere schadensgeeignete Umstände iSd § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG darlegen und beweisen kann (BeckOGK/Franzki, 01.06.2024, AMG § 84a Rn. 16; BGH, Urteil vom 26.03.2013 – VI ZR 109/12, juris Rn. 43), weil dann ein Anspruch aus § 84 AMG eindeutig ausscheidet.

b) Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

aa) Der Klägerin steht der geltend gemachte Auskunftsanspruch nicht zu, weil sie nicht ausreichend Indiztatsachen dargelegt hat, welche die Annahme begründen, dass der Impfstoff der Beklagten ihre Beschwerden verursacht hat.

(1) Dabei kann noch davon ausgegangen werden, dass die von der Klägerin geklagten Beschwerden nicht als Bagatellverletzungen von vorneherein aus dem Tatbestand ausscheiden.

Die behaupteten Kopf-, Gesichts-, Glieder-, Muskel- und Nackenschmerzen, anhaltender (Dreh-)Schwindel, Erschöpfung, Hautausschlag, eine Verschlechterung des Stuhlgangs sowie Gangstörungen können grundsätzlich – ihr Vorliegen unterstellt und jedenfalls in der Kumulation der Beschwerden – nach der Einschätzung des Senats als Spezialsenat für Arzthaftungssachen und nach allgemeiner Lebenserfahrung eine nicht nur unerhebliche Gesundheitsbeeinträchtigung darstellen.

(2) Des Weiteren kann angenommen werden, dass auch andere Personen nach der Impfung mit dem streitgegenständlichen Impfstoff über vergleichbare Beschwerden wie die behaupteten Kopf-, Muskel- und Gelenkschmerzen, Hautausschlag, Müdigkeit und Schwindel klagten, da sich diese als mögliche Beschwerden aus dem Aufklärungsmerkblatt vom 19.08.2021 (Anlage K35) sowie dem Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts vom 23.12.2021 (Anlage K34) ergeben.

(3) Die Klägerin hat jedoch im oben genannten Sinne ausreichende Indiztatsachen, welche bei ihr die Annahme einer Schadensverursachung durch den Impfstoff plausibel erscheinen ließen, nicht dargelegt.
Ein enger zeitlicher Zusammenhang mit der ersten Impfung (pp.08.2021) ist lediglich hinsichtlich der Kopfschmerzen und des Schwindels vorgetragen, die sich drei Tage nach der Impfung eingestellt und weitere zwei Tage später verstärkt haben sollen. Nach der zweiten Impfung (pp.09.2021) soll sich der Schwindel verschlimmert haben und dadurch soll der Gang unsicher geworden sein.

Die diesbezüglichen Angaben der Klägerin decken sich jedoch nicht mit den von ihr vorgelegten ärztlichen Behandlungsunterlagen, so dass der Vortrag dem Senat nicht plausibel erscheint. Beispielsweise wurde ein Schwindel erstmals dokumentiert als anamnestische Angabe der Klägerin im Rahmen einer Untersuchung vom 13.10.2021 in der Gemeinschaftspraxis für Radiologie und Nuklearmedizin (Anlage K3) mit dem Wortlaut: "Z.n. Coronaimpfung am pp.09.21, seit ca. 1 Woche Schwindel beim Gehen, Ausschluss pathologischer Prozess des Neurokraniums, Sinusvenenthrombose. Anamnestisch gelegentliche Kopfschmerzen ." Nach dieser auf ihren eigenen Angaben beruhenden Dokumentation hat der Schwindel der Klägerin nicht unmittelbar nach der ersten Impfung vom pp.08.2021 eingesetzt, sondern erst eine Woche nach der zweiten Impfung vom pp.09.2021.

Ein Zusammenhang der Kopfschmerzen mit der ersten oder zweiten Impfung wird weder dort noch an anderer Stelle dokumentiert. "Gelegentliche" Kopfschmerzen sind ohnehin nach allgemeiner Lebenserfahrung keine Besonderheit, sondern treten bei vielen Menschen auch unabhängig von einer Impfung, eben "gelegentlich" auf.

In welchem zeitlichen Abstand zu der ersten oder der zweiten Impfung die weiteren behaupteten Beschwerden in Form von Gesichts-, Glieder-, Muskel- und Nackenschmerzen sowie Erschöpfung erstmals aufgetreten sein sollen, ob sie sich zwischen den beiden Impfungen gebessert haben oder nicht, wird nicht dargelegt.

Im Hinblick auf den erst im Mai 2022 aufgetretenen Hautausschlag und die Verschlechterung des Stuhlgangs fehlt es schon nach dem klägerischen Vortrag an jeglichem zeitlichen Zusammenhang mit den Impfungen, die am pp.08.2021 und am pp.09.2021 stattgefunden haben.

Gegen die Plausibilität einer Ursächlichkeit des verabreichten Impfstoffs für die Beeinträchtigungen der Klägerin spricht des Weiteren, dass alle angeblichen Beschwerden noch eine Vielzahl anderer Ursachen haben können und nach allgemeiner Lebenserfahrung auch ohne die Einnahme von Arzneimitteln oder durch die Einnahme anderer Arzneimittel auftreten können. Dies gilt insbesondere für Kopfschmerzen und Schwindel und sich daraus ergebende Gangstörungen, aber auch für Hautausschlag, Glieder-, Nacken-, Muskel- und Gelenkschmerzen, Müdigkeit und eine Verschlechterung des Stuhlgangs, wie dem Senat als Spezialsenat für Arzthaftungssachen, aber auch aus der allgemeinen Lebenserfahrung bekannt ist.

Hinzu kommt, dass im vorliegenden Fall keines der behaupteten Leiden objektiviert werden kann, etwa durch ärztliche Befunderhebungen, so dass die Annahme der Schadensverursachung durch den streitgegenständlichen Impfstoff nicht plausibel ist. Dies gilt entgegen der Annahme der Klägerin auch für die behauptete Gangstörung. Diese ist im Bericht des Neurologicum pp. vom 30.05.2022 (der auch die Untersuchung vom 09.06.2022 beschreibt und daher falsch datiert worden sein dürfte) zwar unter "Diagnose" aufgelistet ("1. Gangstörung in zeitlichem Zusammenhang mit Impfstoff der Fa. Biontech 8 und 9/21"). Allerdings schränkt der berichtende Prof. Dr. pp. dies am Ende unter "Procedere und Therapie" wie folgt ein: "ein organisches Korrelat ist bisher bei umfangreichen Untersuchungen nicht objektiviert worden. Eine Somatisierungsstörung ist anzunehmen. Psychosomatische Diagnostik und Therapie ist indiziert (pp.)". Bei der klinischen Untersuchung hat er festgestellt: "Hirnnerven, Reflexe, Motorik, Sensibilität sind intakt. Koordination: Gang: unsicher ängstlich eher funktionell, Angst zu stürzen, obj. keine neurologische Ursache, übrige Koordination ist intakt, FNV, STG, Zehengang, Fersengang möglich, Tendenz sich festzuhalten, kann das auch selbstständig und frei ausführen, Lagerungsproben negativ ." Seine psychopathologische Bewertung lautet wie folgt: "Entwicklungsstörung mit allgemeiner Retardierung (pp.) Intelligenzminderung. Im Verhalten unreif, klammert sich an die Mutter, beim Gang vom Wartezimmer ins Sprechzimmer hackt sie sich bei der Mutter am Arm ein ." Nachdem für die einzige Beeinträchtigung, deren Auftreten unmittelbar nach der Impfung behauptet wurde, von ärztlicher Seite ein Zusammenhang mit der Impfung gerade nicht gesehen, sondern eine andere Ursache vermutet wird, wegen der übrigen Beschwerden ein Arzt nicht aufgesucht wurde bzw. jedenfalls bei den aufgesuchten Ärzten keine anamnestische Angabe erfolgte und die Leiden auch ohne die Einnahme von Arzneimitteln eintreten können, scheint eine Verursachung der Gesundheitsschäden durch die Impfung nicht wahrscheinlicher als eine andere Ursache.

(4) In die Plausibilitätsprüfung fließt mit ein, dass der Senat sich nicht die Überzeugung zu bilden vermag, dass die Klägerin vor den beiden Impfungen vollständig gesund war. Trotz des Bestreitens der Beklagten, dass die Klägerin gesund war und nicht schon vor den Impfungen an den behaupteten Beeinträchtigungen litt (vgl. Klageerwiderung vom 28.06.2023, S. 5, 6), hat die Klägerin dies lediglich behauptet, aber weder konkret zu den einzelnen Beschwerden und deren erstmaligem Auftreten vorgetragen noch hat sie einen Beweis dazu angeboten (vgl. etwa Schriftsatz vom 13.07.2023, S. 8, 9; Schriftsatz vom 04.09.2023, S. 3), was im Rahmen der Plausibilitätsprüfung aber von großer Bedeutung ist (vgl. Kügel/Müller/Hofmann/Brock, 3. Aufl. 2022, AMG § 84a Rn. 15).

bb) Ob die weiteren Einwendungen der Beklagten gegen den Auskunftsanspruch durchgreifen, bedarf angesichts der vorstehenden Ausführungen keiner Entscheidung mehr.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG festgesetzt.

8. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.


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