Gericht / Entscheidungsdatum: LG Frankfurt am Main, Beschl. v. 09.07.2024 - 5/08 Qs 10/24
Eigener Leitsatz:
Ist das zugrundeliegende Strafverfahren eingestellt worden, ist im selbständigen Einziehungsverfahren bei der Prüfung der Frage, ob altes oder neue Geldwäscherecht Anwendung findet, also der Frage, welches Recht das mildere Gesetz ist, auf die Regelungen zur Einziehung abzustellen.
Landgericht Frankfurt am Main
5/08 Qs 10/24
Beschluss
In der Strafsache
gegen pp.
Verteidiger:
wegen Geldwäsche
hat das Landgericht Frankfurt am Main - 8. große Jugendkammer - am 09. Juli 2024 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft vom 12. März 2024 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 12. März 2024 (Az. 951 Ds 7540 Js 259711/22) wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen der Beschuldigten werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe
Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main führte gegen die Beschuldigte und im vorliegenden Verfahren Einziehungsbeteiligte ein Ermittlungsverfahren wegen Beihilfe zum Betrug (Geschäftsnummer 7540 Js 259711/22). Sie warf der Einziehungsbeteiligten vor, im Jahr 2020 ein Konto bei der N26 Bank eröffnet zu haben und dieses einer Tätergruppierung zur Verfügung gestellt zu haben, die über dieses Konto Geldzahlungen in Höhe 6.095,00 Euro von verschiedenen Betrugsopfern vereinnahmt und in der Folgezeit in bar von dem Konto abgehoben haben soll. Für die Kontoeröffnung und das zur Verfügung stellen der Kontodaten soll die Einziehungsbeteiligte einen Betrag in Höhe von 100,00 Euro erhalten haben.
Im Rahmen der Hauptverhandlung vom 12. März 2024 ordnete das Amtsgericht Frankfurt am Main die vorläufige Einstellung des Verfahrens gemäß §§ 45, 47, 109 Abs. 2 JGG gegen Zahlung von 200 Euro an die Jugend- und Kulturwerkstatt an.
Anschließend wurde im Rahmen der Hauptverhandlung in das selbstständige Einziehungsverfahren übergegangen und das Amtsgericht ordnete mit Beschluss vom 12. März 2024 (Geschäftsnummer 951 Ds 7540 Js 259711/22 (120/23) die Einziehung eines Betrages in Höhe von 100,00 Euro an. Den darüberhinausgehenden Antrag der Staatsanwaltschaft in Höhe von 6.095,00 Euro wies das Amtsgericht mit der Begründung zurück, dass sich die Einziehungsbeteiligte lediglich wegen einer leichtfertigen Geldwäsche gemäß § 261 Abs. 5 StGB a.F. strafbar gemacht habe und eine Einziehungsentscheidung daher ausschließlich gemäß § 261 Abs. 7 StGB a.F. in Betracht kommt, der eine weitergehende Einziehung als die erhaltende Provision nicht vorsehe.
Mit Schreiben vom 12. März 2024 hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main sofortige Beschwerde eingelegt, soweit der Antrag auf Einziehung eines weiteren Betrags in Höhe von 6.095,00 Euro zurückgewiesen wurde. Zur Begründung führte die Staatsanwaltschaft aus, dass sich die Einziehungsbeteiligte wegen Beihilfe zum Betrug gemäß §§ 263, 27 StGB strafbar gemacht habe, weshalb sich die Einziehung nach den §§ 73 Abs. 1, 73c StGB richten würde. Selbst bei Annahme einer Geldwäsche gemäß § 261 StGB wären die Vorschriften der §§ 73 ff. StGB anwendbar und es bestünde keine Sperrwirkung gemäß § 261 Abs. 7 StGB a.F. Die Strafbarkeit ergäbe sich hier aus § 261 StGB n.F., da dieses aufgrund des milderen Strafrahmens vorliegend auch als das mildere Gesetz anzusehen sei. Entsprechend sei einheitlich auch hinsichtlich der Einziehungsentscheidung auf § 261 Abs. 10 StGB abzustellen, wonach eine Einziehung gemäß § 73ff. StGB anzuordnen sei. Für die Anwendung des § 73 Abs. 1 StGB bedürfe es dabei keiner messbaren Vermögensmehrung, es genüge, dass die Einziehungsbeteiligte die faktische Verfügungsgewalt hinsichtlich des auf dem Konto befindlichen Geldes inne gehabt habe.
II.
Die eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Zutreffend ist das Amtsgerichts vorliegend davon ausgegangen, dass eine Einziehung ausschließlich gemäß § 261 Abs. 7 StGB a.F. (gültig vom 03. Januar 2018 bis 17.03.2021) in Betracht kam.
1. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerdeschrift hat sich die Einziehungsbeteiligte nicht einer Beihilfe zum Betrug strafbar gemacht. Es fehlt insoweit jedenfalls an dem erforderlichen doppelten Gehilfenvorsatz.
Der Gehilfe muss bezogen auf den Vorsatz hinsichtlich der Haupttat insbesondere deren Unrechts- und Angriffsrichtung zumindest für möglich halten und billigend in Kauf nehmen (BGH Beschluss vom 20. Januar 2011 - 3 StR 420/10, Fischer, 71. Aufl. § 27 Rn. 22). Zwar muss der Gehilfe nicht Tatzeit, Tatort oder Tatbeteiligte kennen, er muss allerdings eine in den wesentlichen Merkmalen und Grundzügen konkretisierte Haupttat vor Augen haben. Der Beihilfevorsatz fehlt, wenn der Hilfeleistende die deliktische Verwendung seiner Unterstützung nur allgemein für möglich hält (Fischer, 71. Aufl. § 27 Rn. 26).
Einzelheiten der Haupttat braucht der Gehilfe hingegen nicht zu kennen und auch keine bestimmte Vorstellung von ihr zu haben. Selbst eine ausschließlich andere rechtliche Einordnung der Haupttat wäre unschädlich, sofern es sich nicht um eine grundsätzlich andere Tat handelt (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2011 - 3 StR 420/10 rn.w.N.).
Zutreffend führt die Staatsanwaltschaft insoweit zunächst aus, dass sich nach Aktenlage sowie der Einlassung der Einziehungsbeteiligten in dem zugrundeliegenden Strafverfahren Indizien dafür ergeben, dass diese zumindest einen bedingten Vorsatz dahingehend hatte, dass ihr Konto für kriminelle Aktivitäten verwendet werden sollte.
Hieraus ergibt sich aber vorliegend gerade nicht, dass die Einziehungsbeteiligte auch einen bedingten Vorsatz hatte, dass die Hintermänner irgendwelche Taten im Zusammenhang mit einem Betrugsgeschehen begehen wollten. Das zur Verfügung stellen eines Kontos kann neben solchen Betrugstaten auch einer Vielzahl von anderen kriminellen Aktivitäten dienen. Hierzu gehören beispielhaft Betäubungsmittel-, Geldwäsche- oder Bestechungsdelikte. Das zur Verfügung stellen des Kontos hätte vorliegend nahezu jeder kriminellen Tätigkeit dienen können, die im Zusammenhang mit der Zahlung oder dem Erhalt von Geldern steht oder bei der einem Täter oder Teilnehmer ein Geldbetrag zufließen sollte, ohne dass für die Strafverfolgungsbehörden eine direkte Zuordnung möglich ist. So lag zum Beispiel ein möglicher Zusammenhang zu etwaigen Betäubungsmitteldelikten vorliegend bereits deshalb nicht fern, weil das Treffen und die Übergabe der Kontokarte im Bahnhofsviertel in Frankfurt am Main erfolgte, in dem regelmäßig und in erheblichen Umfang Betäubungsmittel konsumiert und veräußert werden.
Dass die Einziehungsbeteiligte aus den Tatumständen erkannt haben könnte, dass es sich um Betrugstaten im Internet handeln würde, war dagegen nicht ersichtlich.
Als Indiz für einen solchen Eventualvorsatz kann auch nicht auf die Größe der Tätergruppierung abgestellt werden, die nach Aktenlage über einen Zeitraum von fast einem Jahr 1.150 Betrugstaten mit einem Gesamtschaden von 511.619,30 Euro hervorgerufen haben sollen. Bei solchen Strukturen ist es eher fernliegend, dass den Finanzagenten, die lediglich ein Konto zur Verfügung stellen, in irgendeiner Weise mitgeteilt wird, für welche Zwecke das Konto benötigt würde. Zudem hatte die Einziehungsbeteiligte, über deren Konto hier lediglich 13 Zahlungen mit einem Gesamtwert von 6.095 Euro und somit ca. 1,2 % der Gesamtschadenssumme erfolgten, keine besonders herausragende Rolle.
Auch spricht wenig dafür, dass die Einziehungsbeteiligte tatsächlich subjektiv davon ausging, dass ihr Konto für Betrugstaten verwendet werden soll und die Hintermänner ihr Konto nur deswegen nutzen wollen, damit die Polizei sie über die Inhaberfeststellung des Kontos nicht ermitteln kann. Denn hieraus ergibt sich zugleich eine hohe Gefahr für die Einziehungsbeteiligte, die als Inhaberin des Kontos durch die Geschädigten und die Polizei unmittelbar als Tatverdächtigte hinsichtlich des Betrugs anzusehen gewesen wäre. Dass die Einziehungsbeteiligte einen solchen Hintergrund und die damit einhergehende Gefahr der Strafverfolgung gegen sich selbst ernstlich für möglich und billigend in Kauf hätte nehmen sollen, nur um das versprochene Geld von 100,00 Euro zu erhalten, war eher fernliegend.
Schließlich kann auch nicht aus dem Umstand, dass in den Medien über Betrugstaten im Zusammenhang mit der Nutzung von N26-Konten berichtet wurde, auf den Betrugsvorsatz der Einziehungsbeteiligten geschlossen werden. Zu beachten war hierbei nämlich, dass die Tat bereits im Jahr 2020 begangen wurde. Inwieweit zu diesem Zeitpunkt überhaupt und wenn ja in welchem Umfang über die vorliegenden Betrugsmaschen unter Verwendung von N26-Konten öffentlich berichtet wurde, lässt sich der Akte nicht entnehmen.
Eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Betrug konnte vorliegend daher nicht angenommen werden.
2. Im Hinblick auf die von der Einziehungsbeteiligten verwirklichte Geldwäsche war eine Einziehung über den Betrag von 100,00 Euro hinaus nicht anzuordnen.
Zutreffend hat das Amtsgericht § 261 StGB a.F. (gültig vom 03. Januar 2018 bis 17. März 2021) als das zur Tatzeit anwendbare Recht angesehen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Meistbegünstigungsprinzip und dem Umstand, dass § 261 StGB n.F. ein geringes Strafmaß vorsieht. Zutreffend stellt die Staatsanwaltschaft zwar unter Verweis auf das Urteil des BGH vom 8. August 2022, Az. 5 StR 372/21, darauf ab, dass eine Beurteilung teilweise nach neuen und teilweise nach altem Recht nicht zulässig ist und demnach vorliegend sowohl der anwendbare Strafrahmen, als auch die Regelung zur Einziehung einheitlich entweder dem neuen oder dem alten Recht zu entnehmen sei.
Hier ist jedoch zu beachten, dass zur Prüfung, welches Recht das mildere Gesetz ist, lediglich auf die Regelungen zur Einziehung abzustellen sind. Denn das zugrundeliegende Strafverfahren wurde durch Beschluss des Amtsgerichts vom 12. März 2024 vorläufig eingestellt. Gegenstand des anhängigen Beschwerdeverfahrens ist ausschließlich die Entscheidung im selbstständigen Einziehungsverfahren. Da in diesem Verfahren keine Strafe verhängt werden kann, kommt es auf den Vergleich der Strafhöhe zwischen der alten und der neuen Rechtslage mithin nicht an. Zudem war vorliegend in Rechnung zu stellen, dass die Einziehungsbeteiligte Heranwachsende war und das Amtsgericht Jugendstrafrecht zur Anwendung gebracht hat. Der anzuwenden Strafrahmen war somit ohnehin nicht § 261 StGB, sondern dem JGG zu entnehmen, sodass es auf die herabgesetzte Mindeststrafe des § 261 StGB n.F. nicht ankam.
Nach § 261 Abs. 7 StGB a.F konnten Geldwäscheobjekte aber nur gemäß § 74 Abs. 2 StGB und im Falle einer Vereitelungshandlung der entsprechende Wert nach § 74c StGB eingezogen werden, was sich für die Einziehungsbeteiligte günstiger darstellt als die aktuell gültige Regelung des § 261 Abs. 10 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Mai 2023 - 3 StR 81/23).
Eine Einziehung als Tatmittel/Tatobjekt gemäß § 74c Abs. 1 StGB war aber hier nicht möglich.
Die Vorschrift würde voraussetzen, dass die bestimmungsgemäße Rückgabe der aus den Ebay-Verkäufen erhaltenen Kontogutschriften durch die Einziehungsbeteiligte vereitelt worden wäre. Das Buchgeld war aber zunächst Tatobjekt der Geldwäsche. Eine Duldung der bestimmungsgemäßen Abbuchung der empfangenen Beträge von dem N26 Konto kann nicht als Vereitelungshandlung begriffen werden. Erst die funktionale Verwendung während der Anknüpfungstat macht das Geld zum Einziehungsgegenstand. Daraus ergibt sich, dass diese Verwendung nicht zugleich als Vereitelungshandlung i.S.d. § 74c Abs. 1 StGB begriffen werden kann. Die Einziehung des Wertersatzes von Tatmitteln erfasst deshalb nur solche Fälle, in denen der Täter oder Teilnehmer durch andere als die im konkreten Fall die Einziehung begründenden Tathandlung die Einziehung vereitelt hat (vgl. BGH, Beschluss v. 27. März 2019 2 StR 561/18).
Wegen der Vereitelungshandlung war vorliegend daher lediglich der von der Einziehungsbeteiligten tatsächlich erhaltene Lohn in Höhe von 100,00 Euro ziehen.
Darüber hinaus wäre hier zudem aufgrund des gemäß § 261 Abs. 7 StGB a.F. eingeräumten Ermessens von einer weitergehenden Einziehung abzusehen gewesen. Die Einziehungsbeteiligte ist nicht vorbestraft, hat keinen weiteren Vorteil als die 100,00 Euro erlangt und verfügt über ein nur sehr geringes Einkommen von dem sie einen Großteil für Studiengebühren aufbringen muss. Unter Berücksichtigung des im Jugendstrafrecht maßgeblichen Erziehungsgedankens wäre eine Einziehung von 6.095,00 Euro weder verhältnismäßig, noch aus erzieherischen Gründen erforderlich oder angemessen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs_ 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 StPO.
Einsender: RA T. Hein, Frankfurt am Main
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