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Entscheidungen

Gebühren/Kosten/Auslagen

Sichtung und Erhebung von Datenmaterial , KiPo-Verfahren, Fachwissen, Sachverständiger, Auslagen, Gerichtskosten

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Nürnberg, Beschl. v. 10.08.2018 - 1 Ws 605/17

Eigener Leitsatz:

Bei der Sichtung und Erhebung von Datenmaterial liegt eine Sachverständigenaufgabe vor, wenn der Beauftragte nicht nur eine reine Sichtung beschlagnahmter Unterlagen vornimmt, sondern unter Einsatz geeigneter - nicht jedermann zur Verfügung stehender - Rechenprogramme und des Fachwissens die ermittlungsrelevanten Tatsachen fest - und zusammenstellt.


Oberlandesgericht Nürnberg
1 Ws 605/17

In dem Strafverfahren
gegen pp.

Verteidiger:

wegen Verbreitung kinderpornographischer Schriften
hier: weitere Beschwerde des Verurteilten

erlässt das Oberlandesgericht Nürnberg - 1. Strafsenat - durch die unterzeichnenden Richter am 10. April 2018 folgenden

Beschluss

Die weitere Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 09.10.2017 wird kostenpflichtig als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Mit Urteil des Amtsgerichts Hersbruck vom 29.11.2016 wurde der Verurteilte wegen Verbreitung kinderpornographischer Schriften in fünf Fällen und Besitz kinderpornographischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt; die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zugleich wurden dem Verurteilten die Kosten des Verfahrens auferlegt.

Im Rahmen der Ermittlungen in diesem Verfahren hatte die Kriminalpolizei Schwabach mit Schreiben vom 19.11.2015 nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth die Firma X. mit der Auswertung übersandter Datenträger beauftragt. Im einzelnen wurde um

„-Spiegelung der Datenträger, auch der gelöschten und wiederherstellbaren Bereiche (nur im Falle des Vorliegens einer Straftat des sexuellen Missbrauchs von Kindern, ansonsten genügt Verwendung eines Schreibschutzgerätes)
-Überprüfung der übersandten Datenträger hinsichtlich kinder - bzw jugendpornographischer Dateien
-Feststellung evtl. zum Download freigegebene kinder - bzw. jugendp. Dateien -Feststellung der erhaltenen kinder - bzw jugendpornographischer Dateien -Feststellung tatsächlicher Einwirkunghshandlungen auf Kinder“

gebeten.

Das Gutachten durch die Firma X. wurde am 03.06.2016 erstellt; dabei wurde unter anderem folgendes ausgeführt: „Wird eine Bild - oder Videodatei vom Sachverständigen in diesem Gutachten als „kinderpornographisch“, „pornographisch“ oder „inkriminiert“ ausgewiesen, so stellt dies keine rechtliche Wertung dar. Die Einstufung der Bilder und Videos ist eine persönliche Einschätzung des Sachverständigen. Diese Einschätzung beruht auf Erfahrung im Bereich der Gutachtenerstellung zur Verbreitung bzw. zum Besitz von kinderpornografischen Schriften. Die in diesem Gutachten aufgeführten Begriffe, Bezeichnungen oder Benennungen stellen keine rechtliche Wertung dar.“

Mit Kostenrechnung vom 22.12.2016 wurde dem Verurteilten unter anderem ein Betrag von 5.789,35 Euro als Sachverständigenkosten (Kosten der Firma X. in Rechnung gestellt.

Gegen diese Kostenrechnung hat der Verurteilte mit Schriftsatz vom 28.02.2017 Erinnerung eingelegt.

Mit Beschluss vom 20.07.2017 hat das Amtsgericht Hersbruck die Erinnerung zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss hat der Verurteilte mit Schriftsatz vom 08.09.2017 Beschwerde eingelegt. In der Begründung stellt er klar, sich nicht gegen die durch die IT-mäßige Sichtbarmachung bzw. technische Wiederherstellung der Bild - und Videodateien zu wehren. Die Auswahl, welche Bilder und Videos allerdings kinderpornographischen Inhaltes seien, bedürfe einer rechtlichen Würdigung. Diese Aufgabe sei eine originäre Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden und könne nicht auf den Sachverständigen delegiert werden; soweit dieser für diese Tätigkeiten Kosten veranschlage, seinen diese nicht vom Verurteilten zu tragen. Lägen analoge Bilder vor, käme niemand auf die Idee, diese extern bewerten zu lassen.

Das Amtsgericht Hersbruck hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Mit Beschluss vom 09.10.2017 hat das Landgericht Nürnberg-Fürth in der Besetzung mit drei Richtern die Beschwerde zurückgewiesen und wegen der grundsätzlichen Bedeutung zur Sache die weitere Beschwerde zum Oberlandesgericht Nürnberg zugelassen. Auf den Inhalt der Entscheidung wird Bezug genommen.

Nach Zustellung des Beschlusses am 17.10.2017 hat der Verurteilte mit Schriftsatz vom 24.10.2017 weitere Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 12.12.2017 begründet.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat mit Beschluss vom 13.12.2017 der weiteren Beschwerde nicht abgeholfen.

Auf die Beschwerdebegründung vom 05.01.2018 sowie die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vom 20.12.2017 wird Bezug genommen.

II.

Die gem. § 66 Abs. 4 Satz 1 GKG zugelassene weitere Beschwerde, über die gem. § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG in der Besetzung mit drei Richtern zu entscheiden ist, hat in der Sache keinen Erfolg.

Gemäß § 66 Abs. 4 Satz 2 GKG kann das Rechtsmittel nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht. Die weitere Beschwerde ist ein rechtsbeschwerdeähnliches Rechtsmittel, vergleichbar dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gem. § 80 OWiG oder § 116 StVollzG.

1. Gegen den Kostenansatz als Justizverwaltungsakt steht gem. Art 19 Abs. 4 GG der Rechtsweg offen. Dieser Prüfung dient das durch § 66 GKG eröffnete Erinnerungs - und Beschwerdeverfahren. Dem zuständigen Gericht steht danach eine umfassende Prüfungskompetenz hinsichtlich aller für den Kostenansatz wesentlichen Punkte zu. Es hat die Kostenrechnung sowohl unter rechtlichen als auch tatsächlichen Gesichtspunkten ohne Bindung an die Auffassung des Kostenbeamten und der beteiligten Strafverfolgungs- und Ermittlungsbehörden zu untersuchen.

2. Daran gemessen beruht jedoch die angefochtene Entscheidung nicht auf einer Verletzung der Rechte des Beschwerdeführers (§ 66 Abs. 4 Satz 2 GKG). Die Gesamtkosten der Firma X. stellen insgesamt Sachverständigenkosten dar, die nach den Bestimmungen des JVEG zu entschädigen sind und als solche nach Nr. 9005 KV-GKG dem Verurteilten, der die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, vollumfänglich in Rechnung zu stellen sind.

a) Durch das Urteil des Amtsgerichts Hersbruck vom 29.11.2016 sind dem Verurteilten die Kosten des Verfahrens auferlegt worden. Diese Kostengrundentscheidung ist seit dem 07.12.2016 rechtskräftig.

b) Zu den Kosten des Verfahrens gehören gem. § 464a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 StPO die Gebühren und Auslagen der Staatskasse, einschließlich derjenigen Kosten, die durch die Vorbereitung der öffentlichen Klage entstanden sind. § 3 Abs. 2 GKG verweist wegen der Kosten auf die in der Anlage 1 (Kostenverzeichnis) aufgeführten Gebühren und Auslagen. Gemäß Nr. 9015 KV GKG gehören zu den Auslagen der Staatskasse auch die unter Ziffer 9000 bis 9014 bezeichneten Kosten, soweit sie durch die Vorbereitung der öffentlichen Klage entstanden sind. Dies gilt demnach auch für die gemäß Nr. 9005 KV GKG nach dem Justizvergütungsgesetz (JVEG) zu zahlenden Beträge.

aa) Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth hat gem. § 110 Abs. 3 StPO die Durchsicht und Auswertung der übersandten Datenträger auf die X. übertragen. Dies ist zulässig, da die Verantwortung für die abschließende Durchsicht durch die Staatsanwaltschaft gem. § 152 GVG sichergestellt ist (vgl. Meyer-Goßner, Schmitt, 60. Auflage, § 110, Rdnr. 2a und Rdnr. 3, und Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 10.01.2017, 2 Ws 441/16, abgedruckt in Juris).

bb) Die Firma X. trat insoweit nicht nur als reine Hilfskraft für die ermittelnden Behörden auf, sondern hatte den Auftrag, unabhängig und eigenverantwortlich ein Sachverständigengutachten zu erstellen; dessen Kosten sind in vollem Umfang durch den Verurteilten zu tragen.

Ein Sachverständiger hat die Aufgabe, dem Staatsanwalt die Kenntnis von Erfahrungssätzen zu übermitteln und gegebenenfalls aufgrund solcher Erfahrungssätze Tatsachen zu ermitteln. Bei der Sichtung und Erhebung von Datenmaterial liegt eine Sachverständigenaufgabe vor, wenn der Betreffende nicht nur eine reine Sichtung beschlagnahmter Unterlagen vornimmt, sondern unter Einsatz geeigneter - nicht jedermann zur Verfügung stehender - Rechenprogramme und des Fachwissens die ermittlungsrelevanten Tatsachen fest - und zusammenstellt (OLG Koblenz, Beschluss vom 16.07.2010, 1 Ws 189/10, NStZ-RR 2010, 359).

Ein Teilbetrag der Rechnung beruht auf der Sichtbarmachung der kinderpornographischen Schriften und Dateien, bei der auch versteckte, wiederherstellbar gelöschte, archivierte und teilweise überschriebene Dateien in die Sichtung miteinbezogen wurden. Das Landgericht hat zutreffend die Auswertung der Datenträger und die technische Umsetzung beschrieben. Die beauftrage Firma hat - mit Hilfe spezieller Software - das PC-System ausgewertet und mittels Bilderfilter und spezieller Filmsoftware eine immense Menge an Bilddateien mit kinderpornographischem Inhalt und Videodateien festgestellt. Dies erfordert - entgegen der Einschätzung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in seiner Entscheidung vom 10.01.2017, Az. 2 Ws 441/16 (abgedruckt in NStZ-RR 2017, 127 f) - mehr Fachwissen als eine reine technische Unterstützung bei der Wiederherstellung von Dateien (vgl. BGH Beschluss vom 02.03.2011, 2 StR 275/10, StV 2011, 483).

Gleichzeitig war die Firma X.im Konkreten beauftragt, aus der Gesamtmenge der Dateien die Dateien, die kinder - bzw jugendpornographischen Inhalt haben, aufzufinden. Dafür musste eine Durchsicht sämtlicher, mittels des Bilderfilters festgestellter Bilder und hinsichtlich der Videos eine Ansicht jedes Videos erfolgen; für die Frage der Einordnung musste eine Voreinschätzung getroffen werden, die nur mit inhaltlichem Fachwissen realisiert werden kann. Insoweit war die Firma X. unabhängig und eigenverantwortlich tätig. Der dort tätige Gutachter hat deshalb erklärt, eine „auf seinen Erfahrungen im Bereich der Gutachtenserstellung zur Verbreitung bzw. Besitz von kinderpornographischen Schriften beruhende persönliche Einschätzung" getroffen habe. Durch die Sichtbarmachung der Dateien hat die Firma X. dem Staatsanwalt die Möglichkeit verschafft, Tatsachen zu ermitteln und diese dann rechtlich selbst einzuordnen. Insoweit hat auch diese Dienstleistung die Qualität eines Sachverständigengutachtens, die darauf entfallenen Kosten sind ebenfalls vom Verurteilten zu tragen.

Eine Vergleichbarkeit zu dem der Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 10.01.2017 zugrunde liegenden Sachverhaltes besteht damit nicht; die im vorliegenden Fall eingesetzte Firma X. hat mehr als eine technische Sichtbarmachung von Datenmaterial und mehr als eine technisch bedingte Vorsortierung von Datenmaterial, welches dann von Polizei und Staatsanwalt gesichtet und bewertet wird, vorgenommen, sodass die entsprechenden Kosten hier eben nicht mit der Verfahrensgebühr nach dem GKG abgegolten sind.


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