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Entscheidungen

StPO

Wiederaufnahme, neues Beweismittel, Eignung, Zeuge, früherer Mitangeklagter, Vernehmung per Videokonferenz

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Zweibrücken, Beschl. v. 23.09.2024 - 1 Ws 274/23

Eigener Leitsatz:

Der Umstand, dass der im Wiederaufnahmeverfahren als Zeuge benannte frühere Mitangeklagte in der Hauptverhandlung nicht unmittelbar, sondern lediglich per Videokonferenz vernommen werden kann, kann seiner Eignung im Sinne von § 359 Nr. 5 StPO entgegenstehen, wenn seine frühere, nunmehr teilweise widerrufene Einlassung durch gewichtige Indizien gestützt wird.


In pp.

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der 7. Strafkammer (Wirtschaftsstrafkammer) des Landgerichts Kaiserslautern vom 30.10.2023 wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unbegründet verworfen.

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer ist durch die 10. Große Strafkammer (Wirtschaftsstrafkammer) des Landgerichts Koblenz am 19.06.2020 wegen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 49 Fällen, der Steuerhinterziehung in 55 Fällen und der versuchten Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 10 Monaten verurteilt worden. Mit gleichem Urteil ist gegen C. wegen Steuerhinterziehung in 13 Fällen, der versuchten Steuerhinterziehung in zwei Fällen, der Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt und zur Steuerhinterziehung in 57 Fällen, der Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt, zur Steuerhinterziehung in vier Fällen sowie der Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 12 Fällen auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten erkannt worden. Das Urteil ist bezüglich des Beschwerdeführers seit dem 08.09.2021 rechtskräftig. Seit dem 25.02.2022 verbüßt der Antragsteller die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt Euskirchen.

Nach den Feststellungen des Urteils betrieb der Beschwerdeführer seit dem 18.05.2000 als alleiniger Geschäftsführer die T.-GmbH. Dieses Unternehmen führte als Subunternehmerin Vegetationsarbeiten an Bahngleisen aus. Hierzu bediente sich der Beschwerdeführer einer Vielzahl von Arbeitnehmer, die hauptsächlich aus Rumänien kamen, in Gemeinschaftsunterkünften im ganzen Bundesgebiet in der Nähe ihres Einsatzortes untergebracht waren und die Arbeiten in Kolonnen ausführten, die zumindest aus vier Personen bestanden. Ein Großteil der Arbeitnehmer war dabei nicht angemeldet und erhielt Schwarzlohnzahlungen.

Um die Schwarzlohnzahlungen in bar auszahlen zu können, hatte der Beschwerdeführer mit dem Mitverurteilten C. - jedenfalls vor Juli 2014 - eine Vereinbarung getroffen, wonach C. dem Beschwerdeführer im Zeitraum zwischen Juni 2014 und August 2018 in jedem Monat Scheinrechnungen an die T.-GmbH stellte. Diese Rechnungen wurden sodann durch die T.-GmbH beglichen und C. kehrte den Rechnungsbetrag abzüglich einer Provision anschließend in bar an den Beschwerdeführer wieder aus.

Zu diesen Feststellungen ist das Landgericht Koblenz auch wegen des umfassenden Geständnisses des Mitverurteilten C., der in mehreren Einlassungen sowohl sich als auch den Beschwerdeführer umfassend belastete, gelangt. Der geständigen Einlassung hat eine Verständigung im Sinne des § 257c StPO zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und dem Mitverurteilten C. zu Grunde gelegen.

Am 15.02.2022 hat der Beschwerdeführer beantragt, die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 19.06.2020 zuzulassen, um einen Teilfreispruch zu erreichen.

Er begründet den Antrag damit, dass der Mitverurteilte C. zwischenzeitlich seine Aussage widerrufen und abweichende Angaben getätigt habe; demnach habe er erst ab Juni 2017 Scheinrechnungen an die T.-GmbH geschrieben. In dem Zeitraum vor Juni 2017 seien Mitarbeiter seiner Firmen für die T.-GmbH tätig geworden, deren Arbeit sodann in Rechnung gestellt worden sei. Hierdurch werde bewiesen, dass es sich in diesem Zeitraum nicht um sog. Scheinrechnungen handelte, sondern den Rechnungen tatsächlich Arbeiten zugrunde lagen. Dies ergebe sich aus einem Schreiben des C. an seinen damaligen Verteidiger Rechtsanwalt Ti., das dem Beschwerdeführer entsprechend dem Auftrag des C. über den S. zugeleitet wurde. C. hatte sich kurze Zeit nach der Rechtskraft des gegen ihn ergangenen Urteils (20.10.2020) in die Türkei begeben und hält sich seitdem dort an einem unbekannten Ort auf. Mit notariell beglaubigtem Schreiben vom 01.09.2023 bestätigte der Mitverurteilte C. gegenüber der Verteidigerin des Verurteilten T. die Echtheit seiner vorherigen Erklärung. Zudem erklärte er sich darin bereit, auf Ersuchen eines deutschen Gerichts vor einem türkischen Gericht auszusagen; ebenso könne er per Telefonkonferenz erreicht werden.

Am 24.07.2023 hat die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern gegenüber dem Landgericht Kaiserslautern beantragt, den Antrag des Verurteilten T. auf Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 368 Abs. 1 StPO als unzulässig zu verwerfen. Begründet wird der Antrag maßgeblich damit, dass es sich bei dem vormals Mitangeklagten C., der nun sein Aussageverhalten geändert habe, nicht um ein neues und geeignetes Beweismittel im Sinne des § 359 Nr. 5 StPO handle.

Mit Beschluss vom 30.10.2023 hat die 7. Strafkammer (Wirtschaftsstrafkammer) des Landgerichts Kaiserslautern den Antrag des Verurteilten auf Wiederaufnahme des mit Urteil des Landgerichts Koblenz vom 19.06.2020 abgeschlossenen Verfahrens als unzulässig verworfen. Dies wird damit begründet, dass der Antrag zwar die Anforderungen an Form und Darlegungspflicht erfülle, die genannten Tatsachen bzw. Beweismittel nach Bewertung im Rahmen einer hypothetischen Schlüssigkeitsprüfung jedoch nicht in der Weise erheblich seien, dass sie zu dem beehrten Teilfreispruch des Antragsstellers führen könnten.

Hiergegen wendet sich der Verurteilte T. mit seiner sofortigen Beschwerde vom 10.11.2023.

II.

Das zulässige Rechtsmittel (§ 372 Satz 1 StPO) ist unbegründet. Die Strafkammer hat den Wiederaufnahmeantrag im Ergebnis zu Recht als unzulässig verworfen.

Die Zulässigkeit des Antrags auf Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens zu Gunsten des Verurteilten setzt voraus, dass der Antragssteller einen gesetzlichen Wiederaufnahmegrund schlüssig geltend macht und geeignete Beweismittel anführt.

1. Soweit sich der Beschwerdeführer in dem Wiederaufnahmeantrag auf den Teilwiderruf des von dem Mitverurteilten C. abgelegten, uneingeschränkten Geständnisses stützt, liegt in diesem Widerruf eine im Sinne des § 359 Nr. 5 StPO neue Tatsache, die keines Beweises bedarf, da die Widerrufserklärung Tatsache und Beweis zugleich ist (vgl. OLG Köln NStZ 1991, 96 ff.; Marxen/Tiemann, Die Wiederaufnahme in Strafsachen, Rdn. 89, KK-StPO/Tiemann StPO § 359 Rn. 29). In diesem Fall trifft freilich den Beschwerdeführer eine erweiterte Darlegungspflicht. Der in sich schlüssige Vortrag eines abweichenden Geschehens genügt nicht, um die Zulässigkeit des Wiederaufnahmegesuchs zu begründen. Wenn nämlich ein Geständniswiderruf ohne weiteres als Erschütterung der Urteilsgrundlage angesehen werden müsste, stünde das Urteil praktisch unter der Bedingung eines fortwährend aufrechterhaltenen Geständnisses (OLG München NJW 1981, 593, 594 = MDR 1981, 340).

2. In der Rechtsprechung ist allgemein anerkannt, dass den Antragsteller eine erweiterte Darlegungspflicht trifft, wenn er die Vernehmung eines Zeugen beantragt, der ihn in der Hauptverhandlung belastete, ihn aber jetzt im Gegensatz zu seiner früheren Aussage entlasten soll. Dann bedarf es der zusätzlichen Mitteilung der Umstände, unter denen der Zeuge von seiner früheren Bekundung abgerückt ist (OLG Köln, Beschluss vom 27. 12. 1962 - 2 Ws 446/62; OLG Neustadt NJW 1964, 678, 679 = OLGSt § 359 StPO S. 1, 3). Ebenso kann die nachträgliche Änderung einer belastenden Tatschilderung durch einen früheren Mitangeklagten und (inzwischen) rechtskräftig Verurteilten für die Zulassung eines Wiederaufnahmegesuchs nach § 359 Nr. 5 StPO nicht ausreichen, es sei denn, es wird dargelegt, warum die frühere Sachdarstellung unwahr und die jetzige wahr sein soll. Insofern gilt nichts anderes als bei der Änderung einer belastenden Zeugenaussage. In beiden Fällen muss dargelegt werden, warum die angeblich falsche Aussage erfolgte und weshalb sie jetzt widerrufen wird (OLG Köln, Beschluss vom 07.09.1990 - 2 Ws 140/90; OLG Hamm JR 1961, 439 = NStZ 1981, 155; vgl. aber auch OLG Hamburg JR 1951, 218).

Diesen gesteigerten Anforderungen im Sinne einer erweiterten Darlegungslast hinsichtlich des geänderten Einlassungsverhaltens des Mitverurteilten C. ist der Beschwerdeführer nach Auffassung des Senats allerdings in ausreichendem Maße nachgekommen, indem er in seinem Antrag die von dem Mitverurteilten C. mitgeteilte Motivlage für das nun (teilweise) widerrufene Geständnis wiedergegeben hat. In dem Schreiben vom 13.12.2021 teilte C. nämlich mit, dass er den Beschwerdeführer aus Angst und Panik aufgrund seiner eigenen sowie der Beschuldigung seiner Söhne belastet habe, nachdem er und seine Familienangehörige verhaftet worden seien und er sich und seine Kinder vor der Haft habe bewahren wollen. Auch sei er erzürnt gewesen, da der Beschwerdeführer in der Verhandlung von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht habe und der Prozess dadurch immer länger gedauert habe. Er bereue nun seine damaligen wahrheitswidrigen Angaben bezüglich des Antragstellers. Zudem habe er sich seitens des Landgerichts Koblenz aufgrund der Verständigung und der Erwartung einer milderen Bestrafung zu einer Belastung des Antragsstellers gedrängt gesehen. Diese Ausführungen erscheinen zumindest plausibel und nicht abwegig. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass dem Beschwerdeführer es nur in begrenzten Umfang möglich ist, die Motivlage eines früheren Mitangeklagten für sein Geständnis und der späteren Abkehr von seinem Einlassungsverhalten nur bedingt nachvollziehen und darstellen kann. Das Vorbringen in der neuen Erklärung des Mitverurteilten C. ist auch abstrakt erheblich, denn er würde - im Falle der Erwiesenheit - der in der angefochtenen Entscheidung ausgesprochenen Rechtsfolgen die tatsächliche Grundlage entziehen. Unerheblichkeit liegt insoweit nur dann vor, wenn das Vorbringen sich selbst unter der Annahme seiner Richtigkeit unter keinen Umständen zugunsten des Verurteilten auswirken kann (MüKoStPO/Engländer/Zimmermann StPO § 368 Rn. 28). Das Landgericht Kaiserslautern hatte sein Urteil im Rahmen der Beweisaufnahme in erheblichem Umfang auf die Einlassung des Mitangeklagten C. gestützt, so dass die Änderung des Aussageverhaltens als erheblich anzusehen ist.

3. Dies allein reicht jedoch nicht aus. Die Zulässigkeit eines Wiederaufnahmeantrages setzt auch voraus, dass das Beweismittel geeignet ist, die Freisprechung oder die geringere Bestrafung des Beschwerdeführers herbeizuführen. Zu diesem Zweck hat sich die Prüfung nicht allein auf die Schlüssigkeit des Antragsvorbringens zu beschränken. Es ist vielmehr auch eine gewisse Wertung der Beweiskraft der angebotenen Beweismittel vorzunehmen (vgl. BGH, NJW 1977, 59 = JR 1977, 217; OLG Braunschweig, NStE Nr. 5 zu § 359 StPO = NStZ 1987, 377 (378); OLG Nürnberg, MDR 1964, 171; OLG Köln, NJW 1963, 967; KG, JR 1975, 166; Gössel, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 24. Aufl., § 368 Rdnr. 22; KK-StPO/Tiemann, 9. Aufl. 2023, StPO § 368 Rn. 5). Denn um festzustellen, ob neue Beweismittel geeignet sind, eines der in § 359 Nr. 5 StPO genannten Ziele zu erreichen, ist zu prüfen, ob die Schuldfrage vom Standpunkt des erkennenden Gerichts anders entschieden worden wäre, wenn die neuen Beweismittel dem Gericht bekannt gewesen wären (vgl. Kleinknecht-Meyer, § 368 Rdnr. 9). Dabei sind sie zu dem gesamten Inhalt der Akten und den früheren Beweisergebnissen in Beziehung zu setzen (vgl. OLG Braunschweig, NStZ 1987, 377; KG, JR 1975, 166; Kleinknecht-Meyer, § 368 Rdnr. 9). Ist das Beweismittel ein Zeuge, so ist zu unterstellen, dass er so aussagen werde, wie es der Beschwerdeführer behauptet, nicht aber auch, dass die Tatsachen zutreffen, die der Zeuge bekunden soll (vgl. OLG Karlsruhe, OLGSt § 368 OLGSt S. 2; Gössel, in: Löwe-Rosenberg, § 368 Rdnr. 22; KK-StPO/Tiemann StPO § 368 Rn. 9; Paulus, in: KMR, StPO, § 368 Rdnr. 10). Gleiches ist anzunehmen, wenn das Geständnis eines Mitverurteilten nachträglich (teilweise) widerrufen wird. Der Wiederaufnahmegrund des § 359 Nr. 5 StPO zielt auf eine Erschütterung des den Urteilsfeststellungen zugrundeliegenden Beweisgebäudes in seiner Gesamtheit, weshalb eine Gesamtbetrachtung der Beweislage daher unabdingbar ist; der Normwortlaut legt die Zulässigkeit dieser Vorgehensweise nahe („in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen“) (MüKoStPO/Engländer/Zimmermann StPO § 368 Rn. 31).

Das Landgericht Kaiserslautern hat sich in dem Beschluss vom 30.10.2023 ausführlich mit der Vereinbarkeit des geänderten Aussageverhaltens des Mitverurteilten C. mit der im Übrigen aus dem Urteil des Landgerichts Koblenz und dem sonstigen Akteninhalt zu entnehmenden Beweislage auseinandergesetzt. Das Landgericht führt dazu wie folgt aus:

„Die insoweit getroffenen Feststellungen (im Einzelnen s. S. 50 ff. d. Urteils) begründen sich dabei nicht ausschließlich auf der geständigen Einlassung des damaligen Mitangeklagten C. Es ist der Verteidigung zwar zuzustimmen, dass die Feststellungen des Landgerichts Koblenz, soweit es die Abrede zwischen dem Antragsteller und seinem ehemaligen Mitangeklagten C. betrifft, unter anderem auf dessen geständiger Einlassung beruhen. Diese Einlassung wird jedoch durch zahlreiche Indizien gestützt, die mit der geänderten Aussage des ehemaligen Mitangeklagten C. gerade nicht in Einklang zu bringen wären. Diese Indizien bestätigen nicht nur die Feststellungen zu einer Scheinrechnungsabrede bereits ab Mai 2014 und den Umstand, dass den Rechnungen keine Leistungen zugrunde lagen, sondern auch den Umstand, dass der Antragsteller an seine Arbeitnehmer (Teil-)Schwarzlöhne auszahlte und in der Folge keine Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeträge zur Sozialversicherung leistete und sowohl die Lohn- als auch Umsatzsteuern hinterzog. Es ist deshalb unwahrscheinlich, dass allein das geänderte Aussageverhalten des ehemaligen Mitangeklagten C. zu Feststellungen des erkennenden Gerichts geführt hätte, die den beabsichtigten Teilfreispruch zur Folge hätten.

Dies ergibt sich aus Folgendem:

Auch nach der geänderten Aussage des ehemaligen Mitangeklagten C. gab es zwischen ihm und dem Antragsteller spätestens ab Juni 2017 eine Scheinrechnungsabrede in Höhe von monatlich 10.000 Euro (Bl. 68 der Akte). Spätestens ab diesem Zeitpunkt soll der Antragsteller – so auch nach der neuen Aussage – diese Rechnungsbeträge bar (abzüglich einer Provision von 8 Prozent) von C. bekommen haben. Diesen Rechnungen soll auch nach der neuen Aussage des ehemaligen Mitangeklagten C. keine Leistung zugrunde gelegen haben. Bei Würdigung der übrigen Beweismittel in dem hier gebotenen Rahmen ergeben sich jedoch keine ernsthaften Zweifel an den Feststellungen, dass Schwarzlohnzahlungen des Antragstellers, denen die entsprechende Scheinrechnungsabrede und Bargeldzahlungen durch den ehemaligen Mitangeklagten C. zugrunde lagen, bereits vor Juni 2017, nämlich seit Mai bzw. Juni 2014 stattgefunden haben; demnach auch vor Juni 2017 (und darüber hinaus) keine tatsächlichen Leistungen durch die Firmen des ehemaligen Mitangeklagten C. für die T.-GmbH erbracht worden sind.

a) So konnte das Landgericht Koblenz feststellen (S. 128 ff. d. Urteils), dass in 43,75 % der Rechnungen (154 von 352), die der ehemalige Mitangeklagte an den Antragsteller ausstellte, der Gesamtrechnungsbetrag in keinem Verhältnis zu den betreffenden, angeblich abgearbeiteten Streckenkilometern stand. Für diese Rechnungen wurde ein Kilometerpreis veranschlagt, der deutlich über dem Preis lag, den die Deutsche Bahn an ihre Auftragnehmer ausgezahlt hat. Angesichts dessen, dass es sich bei den Firmen des ehemaligen Mitangeklagten um Sub-Subunternehmen der Auftragnehmer der Deutschen Bahn gehandelt haben soll, kann der veranschlagte Kilometerpreis nur unzutreffend sein. Ein Gewinn ließe sich durch diese Vorgehensweise nicht erwirtschaften, da nicht davon auszugehen ist, dass die Auftragnehmer der Deutschen Bahn ihren Subunternehmer mehr gezahlt haben sollen, als sie eingenommen haben. Dies lässt sich auch nicht mit der Aussage des Antragstellers aus dem Ermittlungsverfahren in Einklang bringen, wonach er zusätzlich 10 % der Einnahmen aus dem Subunternehmerverhältnis einbehalten und den Rest an die Sub-Subunternehmer weitergegeben habe. Es ist darüber hinaus auch nicht erkennbar, dass diese Art der Rechnungen erst im Juni 2017 aufgetaucht wären. Bereits ab Ende Mai 2014 gab es Rechnungen, bei denen der Preis, den die T.-GmbH an die Firmen des ehemaligen Mitangeklagten C., das heißt dem Sub-Subunternehmen, gezahlt haben soll, über dem Preis lag, den die Deutsche Bahn ihrem Vertragspartner gezahlt hätte. Dieses Zahlungsmodell ist betriebswirtschaftlich nicht nachvollziehbar und widerspricht jeglicher Lebenserfahrung. Dies bestätigt auch der Antragsteller, der in seiner Vernehmung im Rahmen des Ermittlungsverfahrens gegenüber dem Zeugen F. angab, dass er Herrn C. zum Beispiel 18.000 Euro gegeben habe, wenn er von seinem Auftraggeber 20.000 Euro bekommen habe, da er ja seine Provision brauche. Sonst mache es für ihn keinen Sinn (vgl. 242 d. A. = Bl. 4378 d. des Ausgangsverfahrens Az. 10 KLs 2050 Js 76845/15).

b) Weiter konnte das Landgericht Koblenz feststellen (S. 131 ff. d. Urteils), dass in etwa 73 % der Rechnungen (257 von 352), die sich zu Vegetationsarbeiten verhielten, weitere Auffälligkeiten enthalten waren, wie etwa Schreibfehler hinsichtlich Ortsangaben, fehlende Ortsangaben, fehlende Leistungsbeschreibung, fehlende Kilometerleistung, fehlende Angaben zu Art und Umfang der Leistungen sowie zum Teil nicht zu lokalisierende Orte. Dies hat das Landgericht Koblenz wegen der Höhe der Rechnungssumme und der Vielzahl der Auffälligkeiten nicht als mechanisches Versehen gewertet. Stattdessen sah es dies als Bestätigung, dass der ehemalige Mitangeklagte die Daten von Mitarbeiterinnen ungeprüft von Listen abschreiben ließ und mit deren Erstellung nicht die Abbildung der wirklichen Verhältnisse beabsichtigt war. Die fehlerhaften Rechnungen erscheinen auch nicht erst im Juni 2017, wie es zu vermuten wäre, wenn die neuen Angaben des ehemaligen Mitangeklagten C. zutreffend wären, sondern bereits ab Mai 2014. Die Fehler in den Rechnungen fallen zudem besonders im Kontrast zu den Rechnungen der Firmen des ehemaligen Mitangeklagten gegenüber den Firmen auf, bei denen sich Arbeitsausführungen tatsächlich nachweisen ließen. Diese Rechnungen sind anders als die Rechnungen, die der Antragsteller erhielt (siehe Fazit „Auswertungsergebnis ZO19, Bewertung der Ermittlungen“, FKS Mainz vom 15.02.2019, Bl. 1068-1077 d. FA3 Bd. 6 des Ausgangsverfahrens Az. 10 KLs 2050 Js 76845/15), detailliert und entsprechen sämtlichen Vorgaben, sodass auch das Argument der Verteidigung – die mit den Rechnungen befassten Sekretärinnen hätten nicht über hinreichende Qualifikationen verfügt – nicht verfängt. Im Übrigen ergaben sich auch aus den sonstigen Papierunterlagen und gesicherten Daten keine Hinweise für eine tatsächliche Leistungserbringung im Bereich Vegetationsarbeiten durch die Firmen des ehemaligen Mitangeklagten.

c) Auch die Ergebnisse der Telekommunikationsüberwachung widersprechen der Einlassung, dass tatsächlich Arbeiten durch den ehemaligen Mitangeklagten für den Antragsteller ausgeführt worden seien (S. 145 ff. d. Urteils). Denn es ließen sich keine Telefonate zwischen dem ehemaligen Mitangeklagten C. und verschiedenen Gesprächsteilnehmern aufzeichnen, welche auf Ausführungen von Vegetationsarbeiten hingedeutet hätten. Demgegenüber gab es zahlreiche Gespräche, die eindeutig anderen Geschäftsbeziehungen zugeordnet werden konnten (z.B. Beschreibung von Tätigkeiten, Einsatzorten, benötigte Materialien). Auch die aufgezeichneten Gespräche zwischen dem ehemaligen Mitangeklagten und dem Antragssteller ließen nicht erkennen, dass der Geschäftsbeziehung reale Leistungen zugrunde lagen. Soweit von Februar bis Oktober 2018 (Zeitraum der Überwachung) Gespräche aufgezeichnet werden konnten, enthielten diese keine Inhalte, welche bei einem tatsächlichen Ausführen der Leistungen zu erwarten gewesen wären, wie etwa konkrete Arbeitseinsätze, Probleme am Einsatzort, Reklamationen, Arbeitsfortschritte, etc. Auch andere Telefonate des ehemaligen Mitangeklagten enthielten keine Inhalte zu Vegetationsarbeiten. In den aufgezeichneten Gesprächen wurde ausschließlich die Bezahlung von Rechnungen erörtert, was sich laut der Kammer des Landgerichts Koblenz mit dem von ihr festgestellten Scheinrechnungssystem in Einklang bringen ließ. Dieses Kommunikationsverhalten passt hingegen gerade nicht zu den neuen Angaben des ehemaligen Mitangeklagten, dass zusätzlich zu den Scheinrechnungen ab Juni 2017 weiterhin (d.h. unabhängig von den Scheinrechnungen in Höhe von 10.000 Euro) die Aufträge komplett von seiner Truppe abgearbeitet worden seien. Auch insoweit wären Gespräche, die auf die tatsächliche Leistungserbringung hindeuten (siehe oben), zu erwarten gewesen. Wenig nachvollziehbar ist hingegen die in der Antragsschrift übersendete schriftliche Erklärung des ehemaligen Mitangeklagten C. dazu, in der er angibt, dass er am Telefon keine Geschäfte besprochen habe. Er habe nach Beendigung der Arbeiten nur gesagt, dass er fertig sei und sich dann an der Arbeitsstelle oder im Büro getroffen. Er habe ihm (Anm: T.) die Rechnung über die erledigte Arbeit gegeben, habe die Adresse und den Kilometerstand des neuen Auftrags erhalten und man habe sich auf den Preis geeinigt. Diese Vorgehensweise erscheint wenig lebensnah. Denn es ist kaum nachvollziehbar, wieso man sich persönlich zur Übergabe der Rechnungen treffen sollte, wenn man die Rechnungsbeträge in der Folge – wie hier passiert – überweist oder wieso man sich jedes Mal zur Absprache über die Parameter des neuen Auftrags persönlich treffen sollte. Dies gilt umso mehr, als dass es sich bei den Arbeiten, für welche die T.-GmbH als Subunternehmer beauftragt wurde und welche von den Firmen des ehemaligen Mitangeklagten ausgeführt worden seien sollen, um eine Vielzahl von gleichbleibenden Arbeiten gehandelt hat. Darüber hinaus erklären die Angaben des ehemaligen Mitangeklagten nicht, wieso während der angeblichen Leistungserbringung keine Gespräche über die Ausführung der Arbeiten (wie zum Beispiel Probleme am Einsatzort o.Ä.), wie sie zu erwarten gewesen und auch bei tatsächlich ausgeführten Leistungen mit anderen Geschäftspartnern vorkamen (siehe oben), aufgezeichnet werden konnten. Dass am Telefon keine Geschäfte besprochen wurden, ist vielmehr typisch für ein konspiratives Vorgehen. Zwar konnte das Landgericht Koblenz nicht ausschließen, dass der ehemalige Mitangeklagte über nicht überwachte Telefonanschlüsse verfügte, jedoch war es aufgrund der Gesamtwürdigung der Beweise davon überzeugt, dass keine Gespräche geführt wurden, die die reale Erbringung von Leistungen oder reale Überlassung von Arbeitskräften zum Gegenstand hatten. Ein anderes Ergebnis ist auch bei Würdigung der neuen Aussage des ehemaligen Mitangeklagten in dem hier gebotenen Rahmen nicht wahrscheinlich, da sowohl das aufgenommene Kommunikationsverhalten (siehe oben) als auch die übrigen zu bewertenden Indizien gegen eine reale Leistungserbringung durch die Firmen des ehemaligen Mitangeklagten C. sprechen.

d) Als weiteres Indiz für eine fehlende tatsächliche Leistungserbringung hat das Landgericht Koblenz die von den Firmen des ehemaligen Mitangeklagten erteilten und auf Veranlassung des Antragstellers vorgelegten Mitarbeiterlisten gewertet. Treffer im Datenverarbeitungssystem der Deutschen Rentenversicherung ergaben die dort aufgeführten Namen ausweislich keine. Der Zeuge F. konnte herausfinden, dass die Namen teilweise aus Vor- und Nachnamen tatsächlicher Mitarbeiter systemlos zusammengeführt worden sind. Das Landgericht Koblenz hat aufgrund dieser Vorgehensweise ein Versehen ausgeschlossen, sondern angenommen, dass die Mitarbeiterlisten fingiert worden sind, um eine Geschäftsbeziehung zu einem am Markt tätigen Unternehmen vorzuspiegeln. Wenig nachvollziehbar ist insoweit die Erklärung des ehemaligen Mitangeklagten zu den Listen im Rahmen seiner nun geänderten Aussage, er habe damit den Antragsteller täuschen wollen, da dieser gefordert habe, dass sämtliche Arbeitnehmer angemeldet sein müssen. Hätten den Rechnungen aber tatsächliche Leistungen zugrunde gelegen – wie vorgetragen – und wäre Sinn und Zweck gewesen, mittels der Mitarbeiterlisten den Antragsteller über den Umstand der Anmeldung der Arbeitnehmer zu täuschen, erscheint es wenig sinnvoll, erfundene bzw. zusammengebastelte Namen auf diese Listen zu schreiben. Denn bei einem Erscheinen des Antragstellers an den Einsatzorten wäre die fehlende Übereinstimmung zwischen den Namen auf den Listen und den tatsächlich Arbeitenden leicht zu entdecken gewesen. Im Weiteren ist nicht ersichtlich, wieso dem Antragsteller zum Nachweis der Anmeldung der Arbeiter durch den ehemaligen Mitangeklagten C. eine einfache Namensliste ausgereicht haben sollte.

e) Soweit der ehemalige Mitangeklagte in seiner geänderten Aussage auch detailliertere Angaben zur Ausführung der Arbeiten gemacht hat, lässt sich dies in Teilen kaum mit dem in Einklang bringen, was das Landgericht Koblenz insoweit festgestellt hat. So ergab die Vernehmung von Zeugen, die jeweils Ansprechpartner bei den Unternehmen waren, die mit der Deutschen Bahn die Verträge abgeschlossen hatten, also Auftraggeber der … GmbH waren, dass sie den Arbeitnehmern der T.-GmbH (teilweise) Fahrzeuge zur Verfügung gestellt hätten, um der Deutschen Bahn zu suggerieren, dass man die Arbeiten selbst und nicht durch Subunternehmer ausführe (was vertraglich verboten war). Der ehemalige Mitangeklagte C. teilte jedoch im Rahmen seiner neuen Ausführungen mit, dass die eigenen Trupps mit den Fahrzeugen der Truppenführer gefahren seien. Einschränkungen hat er insoweit keine gemacht. Auch die Antragsschrift verhält sich hierzu nicht. Hätte der ehemalige Mitangeklagte jedoch seit 2014 tatsächlich Leistungen für den Antragsteller erbracht, wäre es zumindest dann, wenn er – wie er es hier gemacht hat – Angaben zu Fahrzeugen macht, naheliegend, dass er auch Ausführungen zu den Fahrzeugen der ursprünglichen Auftraggeber gemacht hätte. Denn diese Vorgehensweise sollte ja gerade dazu dienen, das Subunternehmermodell, das die Deutsche Bahn nicht wollte, zu verschleiern. Dass der Antragsteller diese Vorgehensweise nicht an seinen Subunternehmer, der vier Jahre für ihn Leistungen erbracht haben soll, weitergegeben haben soll, erscheint hingegen fernliegend.

f) Als weiteres Indiz für das Vorliegen von Scheinrechnungen ab Mai 2014 wertete das Landgericht Koblenz die in der Vergangenheit bestehende Geschäftsbeziehung zwischen dem Antragsteller und dem Zeugen I. So stellte es fest, dass der Antragsteller, bevor er den ehemaligen Mitangeklagten C. kennen lernte, bereits Scheinrechnungen, die ebenfalls im Zusammenhang mit Vegetationsarbeiten an Bahngleisen standen, vom Zeugen I. bezog und diese auch bezahlt hatte, bis der Zeuge I. im Juni 2014 verhaftete wurde (S. 149 ff. d. Urteils). Genau zu diesem Zeitpunkt begann auch die Geschäftsbeziehung mit dem ehemaligen Mitangeklagten C. Dass der Antragsteller zuvor bereits Scheinrechnungen von dem Zeugen I. bezogen hatte, ergab sich u.a. aus der Vernehmung des Zeugen I. sowie den im Selbstleseverfahren eingeführten, gegenüber der … GmbH in diesem Zusammenhang gestellten Rechnungen. Die Aussage des Zeugen I. hat das Landgericht Koblenz vor allem auch aufgrund der Selbstbelastung als vollumfänglich glaubhaft erachtet. Auch dieser Umstand lässt sich nicht mit der neuen Aussage des ehemaligen Mitangeklagten in Einklang bringen, wonach der Antragsteller, nachdem der ehemalige Mitangeklagte ihm Scheinrechnungen angeboten habe, zunächst verwundert reagiert habe, was er mit diesen tun solle. Denn nach der nachvollziehbaren Würdigung des Erstgerichts empfing der Antragsteller, schon bevor er den ehemaligen Mitangeklagten C. kannte, Scheinrechnungen. Der zeitliche Zusammenhang zwischen der Verhaftung des Zeugen I. im Mai 2014 und dem Auftreten der Auffälligkeiten in den Rechnungen der Firmen des ehemaligen Mitangeklagten C. ebenfalls ab Mai 2014 (siehe oben) fügt sich zudem in die Gesamtbewertung der übrigen Indizien ein, dass der Antragsteller bereits ab Mai 2014 und nicht erst ab Juni 2017 Scheinrechnungen von C. erhalten hat. Darüber hinaus erscheint es auch als fernliegend, dass der ehemalige Mitangeklagte C., der bereits bei Übernahme seiner Firmen über den Zeugen S. das Scheinrechnungsmodell kennenlernte (vgl. Bl. 52 d. A., S. 12 d. Urteils), und der Antragsteller, der bereits Scheinrechnungen von dem Zeugen I. bezogen hatte, erstmalig drei Jahre nach Beginn ihrer Geschäftsbeziehungen (also im Juni 2017) über ein solches Modell gesprochen haben sollen.

g) Neben der Feststellung, dass der Antragssteller Scheinrechnungen vom ehemaligen Mitangeklagten C. erhielt, konnte das Landgericht Koblenz feststellen, dass der Antragssteller im verfahrensgegenständlichen Zeitraum an alle Arbeitnehmer der T.-GmbH (Teil-)Schwarzlohn zahlte (S. 122 ff; S. 152 ff. d. Urteils). Diese Feststellungen beruhen auf einer umfassenden Würdigung im Rahmen einer Gesamtschau der verschiedenen Beweismittel, insbesondere der Vernehmung verschiedener Arbeitnehmer der T.-GmbH.

aa. So konnte zunächst festgestellt werden (S. 122 ff. Urteils), dass die T.-GmbH in den verfahrensgegenständlichen Zeiträumen, das heißt auch vor Juni 2017, einen sehr hohen Personalbedarf hatte, der sich mit den Zahlen der offiziell angemeldeten Mitarbeiter nicht in Einklang bringen ließ. Dies ergab sich zum einen aus den Rechnungen der Firmen des ehemaligen Mitangeklagten C., bei welchen die genannten Einsatzorte zu den tatsächlich an die T.-GmbH weitergereichten Subunternehmeraufträgen passten. Dabei handelte es sich um verschiedene Einsatzorte, teilweise über mehrere Monate hinweg, die verteilt im ganzen Bundesgebiet lagen. Zudem gaben die vernommenen Arbeitnehmer der T.-GmbH an, dass sie in Teams gearbeitet hätten, die ganz überwiegend aus vier Personen bestanden hätten. Daraus zog die Kammer des Landgerichts Koblenz den nachvollziehbaren Schluss, dass im Unternehmen der T.-GmbH auch Arbeitnehmer beschäftigt gewesen sein müssen, die nicht zur Sozialversicherung und zum Lohnsteuerabzug gemeldet waren.

bb. In dieses Bild fügt sich auch die im Ermittlungsverfahren berechnete Lohnquote der T.-GmbH ein, welche unplausibel war und viel zu niedrige Werte aufwies. So betrug die Lohnquote in den Jahren 2014 bis 2017 lediglich zwischen 1,99 % und 11,32 %. Hierbei wurden die als Abdeckrechnungen zu qualifizierenden Fremdleistungen außer Acht gelassen (s. dazu SA Bd. 41, Bl. 8459; Komplexakte 3 Bd. 2, Bl. 226 ff. des Ausgangsverfahrens Az. 10 KLs 2050 Js 76845/15). Die gegenüber den Sozialversicherungsträgern gemeldeten Lohnsummen standen für ein derart lohnintensives Gewerbe völlig außer Verhältnis zu den erwirtschafteten Umsätzen.

cc. Zwar könnte der Personalbedarf grundsätzlich – so wie auch in der Antragsschrift angegeben – durch Subunternehmer (hier die Unternehmen des ehemaligen Mitangeklagten C.) gedeckt worden sein. Hierzu passen aber zum einen nicht die Aussagen der Mitarbeiter der T.-GmbH, man habe ganz überwiegend in Teams von vier Personen, das heißt insgesamt einer großen Anzahl an eigenen Mitarbeitern, gearbeitet. Diese wären bei der Beauftragung eines Subunternehmers nicht notwendig gewesen. Aber auch die übrigen Indizien sprechen gegen eine tatsächliche Leistungserbringung durch die Firmen des ehemaligen Mitangeklagten C. So sind bereits die von dem ehemaligen Mitangeklagten C. (bereits vor Juni 2017) gegenüber der T.-GmbH abgerechneten Beträge unplausibel (siehe oben). Hinzu kommt, dass der Zeuge D., der von Ende November 2013 bis Ende September 2017 bei der T.-GmbH beschäftigt war, angab (eingeführt durch Vernehmung des Zeugen F.), dass bei der T.-GmbH keine Subunternehmer eingesetzt gewesen seien (S. 158 d. Urteils). Es ist unwahrscheinlich, dass ein Arbeitnehmer, der vier Jahre lang in dem Unternehmen des Antragstellers beschäftigt gewesen war, nicht in Kontakt mit Arbeitnehmern eines tatsächlich eingesetzten Subunternehmens gekommen wäre. Dies bestätigt auch die Aussage des Zeugen B. im Rahmen des Ermittlungsverfahrens, der angab, dass T. nie Subunternehmer eingesetzt habe (Komplexakte 3 Bd. 3, Bl. 460 ff. des Ausgangsverfahrens Az. 10 KLs 2050 Js 76845/15). Auch insoweit lassen sich die neuen Angaben des ehemaligen Mitangeklagten C., er habe tatsächlich Leistungen für den Antragsteller erbracht, nicht in Einklang mit den im Übrigen vorliegenden Beweisen bringen.

dd. Unabhängig davon bestätigten die Aussagen der vernommenen Arbeitnehmer die festgestellten (Teil-)Schwarzlohnzahlungen. Einige Zeugen gaben konkret an, von dem Angeklagten T. (Teil-)Schwarzlohnzahlungen erhalten zu haben, während einige Zeugen angaben, bei der T.-GmbH länger gearbeitet und entsprechend auch länger Lohn bezogen zu haben, als dies in der Lohnbuchhaltung des Unternehmens abgebildet war (S. 158 ff. d. Urteils). Das insoweit widersprüchliche Aussageverhalten einiger Zeugen (S. 161 ff. d. Urteils) hinsichtlich der Gehaltshöhe wertete das Landgericht Koblenz nachvollziehbar als Versuch, tatsächliche Schwarzlohnzahlungen zu verschleiern (S. 169 d. Urteils). Die vernommenen Arbeitnehmer waren auch bereits vor Juni 2017 für den Antragsteller bzw. dessen Unternehmen tätig, erhielten also auch davor schon Schwarzlohnzahlungen. Auch dieser Umstand spricht gegen die neuen Angaben des ehemaligen Mitangeklagten C., dass eine Scheinrechnungsabrede (verbunden mit der Generierung von Bargeld) frühestens ab Juni 2017 bestanden habe und Leistungen für die T.-GmbH tatsächlich erbracht worden seien.

ee. Darüber hinaus konnte festgestellt werden, dass die Lohnbuchhaltung der T.-GmbH unrichtig war (S. 152 ff. d Urteils). Diesen Umstand wertete das Landgericht Koblenz nicht als einfaches Versehen, sondern als bewusste gewollte Manipulation. Diese manipulierte Buchhaltung erfolgte auch bereits vor Juni 2017 („im gesamten verfahrensgegenständlichen Zeitraum“). Wären die Arbeiten an den Gleisen aber vor Juni 2017 durch die Firmen des ehemaligen Mitangeklagten ausgeführt worden (wie dieser nun angibt) – und nicht durch schwarzentlohnte Arbeitnehmer der T.-GmbH – hätte es zumindest bis Juni 2017 keinen Grund gegeben, die Lohnbuchhaltung zu manipulieren.“

Diesen überzeugenden Ausführungen schließt sich der Senat an. Die Ausführungen des Beschwerdeführers in der Beschwerdebegründung vom 19.01.2024 überzeugen hinsichtlich der angeführten Indizien - mit Ausnahme der Angaben zu den Telefonüberwachungsmaßnahmen - nicht. Die Telefongespräche zwischen dem Beschwerdeführer und dem Mitverurteilten C. fanden in einem Zeitraum statt, in dem auch nach der geänderten Aussage des C. ausschließlich Scheinrechnungen erstellt wurde (22.02.2018 bis 17.10.2018). Insoweit waren in diesen Telefonaten auch keine Gespräche über tatsächlich ausgeführte Arbeiten zu erwarten, weil solche - auch nach den neuen Angaben des C. - zu diesem Zeitpunkt nicht stattfanden.

Zweifel an der Geeignetheit des Mitverurteilten C. als Beweismittel, bzw. dem Wahrheitsgehalt der durch ihn vorgebrachten neuen Tatsachen lässt ergänzend dazu auch der Zeitpunkt des Sinneswandels des Mitverurteilten C. aufkommen. So entschied dieser sich - angeblich ohne vorherigen Einflussnahme - erst ca. eineinhalb Jahre nach seiner Verurteilung, jedoch zeitnah zum bevorstehenden Strafantritt des Beschwerdeführers, Kontakt zu dem Beschwerdeführer über den Zeugen S. aufzunehmen und seine angeblich zu Unrecht erfolgten belastenden Angaben zu korrigieren.

Nach alledem ergeben sich erhebliche Zweifel an der Geeignetheit des Mitverurteilten C. als Beweismittel. Es bleibt jedoch zweifelhaft, ob dies im Wiederaufnahmeverfahren und ohne Hauptverhandlung abschließend beurteilt werden kann.

4. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass das vorgebrachte Beweismittel - soweit dies ohne förmliche Beweisaufnahme möglich ist - selbst schon im Zulassungsverfahren auf seinen Beweiswert überprüft werden kann (vgl. BGH, NJW 1977, 59, OLG Köln, NJW 1963, 967; OLG Nürnberg, MDR 1964, 171; OLG Dresden, DStRZ 1922, 366).

Vorliegend ergibt sich diesbezüglich eine Besonderheit aus dem Umstand, dass der Mitverurteilte C. sich in der Türkei befindet und er über die Rechtsanwältin des Beschwerdeführers mitgeteilt hat, dass er nicht bereit sei - auch bei Zusicherung freien Geleits - in die Bundesrepublik Deutschland einzureisen, um vor einem deutschen Gericht auszusagen. Vielmehr hat er lediglich seine Bereitschaft signalisiert, im Rahmen einer kommissarischen Vernehmung vor einem türkischen Gericht oder an einer audiovisuellen Vernehmung teilzunehmen.

Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 23.11.2022 (Az.: 2 StR 142/21) entschieden, dass nach § 244 Abs. 3 S. 3 Nr. 4 StPO ein Beweisantrag auf Vernehmung eines im Ausland lebenden und für eine Vernehmung in der Hauptverhandlung unerreichbaren Zeugen auch dann zurückgewiesen werden kann, wenn der Zeuge zwar für eine im Wege der Rechtshilfe zu bewirkende und grundsätzlich mögliche kommissarische oder audiovisuelle Vernehmung zur Verfügung steht, das Gericht aber aufgrund der besonderen Beweislage schon vorweg zu der Überzeugung gelangt, dass eine aus einer solchen Vernehmung gewonnene Aussage völlig untauglich ist, zur Sachaufklärung beizutragen und die Beweiswürdigung zu beeinflussen (vgl. BGH Beschl. v. 26.8.2003 – 1 StR 282/03, NStZ 2004, 347, 348, und v. 28.1.2010 – 3 StR 274/09, BGHSt 55, 11, 22).

In dieser Entscheidung führt der BGH weiter aus:

„Allerdings ist bei besonderen Beweiskonstellationen, namentlich wenn es sich bei dem benannten Zeugen um einen besonders wichtiges Beweismittel handelt, die Beurteilung von dessen Beweistauglichkeit eher an den strengen Maßstäben auszurichten, die sonst allgemein für die Bewertung eines Beweismittels als völlig ungeeignet anerkannt sind; ein geminderter oder zweifelhafter Beweiswert kann bei einem besonders wichtigen Entlastungszeugen nicht mit völliger Ungeeignetheit gleichgesetzt werden (vgl. BGH Beschl. v. 28.1.2010 – 3 StR 274/09, BGHSt 55, 11, 24). In diesen Fällen kann aber eine Ungeeignetheit iSd § 244 Abs. 3 S. 3 Nr. 4 StPO in Betracht kommen, wenn der Beweiswert einer lediglich kommissarischen oder audiovisuellen Vernehmung des Zeugen vor dem Hintergrund des Ergebnisses der bisherigen Beweisaufnahme und des zeitlichen und organisatorischen Aufwands der Ladung und Vernehmung mit den damit verbundenen Nachteilen durch die Verzögerung des Verfahrens in einer Weise zurücktritt, dass jeglicher Erkenntniswert für die Sachaufklärung sicher ausgeschlossen werden kann (BGH Beschl. v. 28.1.2010 – 3 StR 274/09, BGHSt 55, 11, 23 f.). Eine Vernehmung durch audiovisuelle Vernehmung oder durch den kommissarischen Richter im Wege der Rechtshilfe ist nämlich nicht sinnvoll, sondern nutzlos und überflüssig – insoweit ist der Zeuge dann ein ungeeignetes Beweismittel -, wenn durch die Verlesung der Niederschrift über die kommissarische Vernehmung oder die audiovisuelle Vernehmung das Beweisergebnis nicht beeinflusst werden kann, weil von vornherein abzusehen ist, dass nur die Vernehmung vor dem erkennenden Gericht die nach Sach- und Beweislage erforderliche Ausschöpfung des Beweismittels gewährleistet (vgl. BGH Urt. v. 8.11.1999 – 5 StR 632/98, NJW 2000, 443, 447 mwN, insoweit nicht in BGHSt 45, 270 abgedruckt).

[...]

Gegenüber einer audiovisuellen Vernehmung stellt die unmittelbare Befragung eines Zeugen die Regel dar; die audiovisuelle Vernehmung weist im Vergleich zu einer unmittelbaren Einvernahme gewisse Defizite auf (vgl. BGH Beschl. v. 17.11.2020 – 3 ARs 14/20, NStZ-RR 2021, 22, 23). Es ist anerkannt, dass sich eine auf Distanz befragte Person dem durch Frage und Antwort entstehenden Spannungsverhältnis eher wird entziehen können als in direktem Kontakt in ein und demselben Raum, es durch die technisch bedingte Distanz zudem schwieriger sein wird, im Vorfeld der Aussage Hemmungen abzubauen, Vertrauen zu erwecken und sich selbst einen hinreichenden Eindruck von der individuellen Eigenart der Auskunftsperson und ihrem nonverbalen Aussageverhalten zu verschaffen (vgl. BGH Urt. v. 15.9.1999 – 1 StR 286/99, BGHSt 45, 188, 196), zumal wenn – wie hier – der Zeuge der Beteiligung an der Tat verdächtig ist, ihm deswegen ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO zusteht (vgl. BGH Beschl. v. 16.2.2022 – 4 StR 392/20, NStZ 2022, 634, 635 zu § 244 Abs. 5 S. 2 StPO) und er – wie die Zeugen … gezeigt hat, vor der Strafkammer in Deutschland Angaben zu machen, naheliegend auch aus Furcht vor strafrechtlicher Verfolgung wegen Falschaussage (vgl. hierzu BGH Beschl. v. 26.8.2003 – 1 StR 282/03, NStZ 2004, 347, 348). Dieser Befund wird durch die zunehmende Verbesserung und Bedeutung audiovisueller Kommunikationsmittel nicht grundlegend in Frage gestellt. So hat beispielsweise auch der Gesetzgeber den mit Wirkung zum 1.7.2021 gem. § 463 e StPO ermöglichten Einsatz von Videoübertragungstechnik unabhängig von einer vorherigen Einwilligung des Betroffenen in Fällen, in denen die gleichzeitige Anwesenheit des Betroffenen und des Richters eine bessere Aufklärung entscheidungserheblicher Gesichtspunkte verspricht, für untunlich gehalten (vgl. BT-Drs. 19/27654, 114), für besonders gewichtige Entscheidungen sogar ganz ausgeschlossen (§ 463 e Abs. 1 S. 3 StPO).

Auch die ungeklärte Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für eine Falschaussage im konkreten zwischenstaatlichen Verhältnis ist bei einer nur audiovisuell vorgenommenen Zeugenvernehmung ein weiteres Defizit, dass die Strafkammer in Betracht nehmen durfte (vgl. BGH Beschl. v. 26.8.2003 – 1 StR 282/03, NStZ 2004, 347, 348). Sie setzt sich damit – entgegen der Auffassung der Revision – auch nicht in Widerspruch dazu, dass sie für den Fall des mit weiteren Defiziten nicht belasteten persönlichen Erscheinens des Zeugen N. B. in Deutschland freies Geleit erwirkt hat.“

Diesen überzeugenden Ausführungen schließt sich der Senat an. Die vorliegende Sachlage ist damit uneingeschränkt vergleichbar. Der Mitverurteilte C., der nun als Zeuge vom Beschwerdeführer in seinem Wiederaufnahmeantrag benannt wurde, befindet sich in der Türkei und ist nicht bereit, vor einem deutschen Gericht zu erscheinen und auszusagen. Der Senat ist der Überzeugung, dass ein belastbarer Erkenntnisgewinn lediglich durch die Einvernahme des Zeugen C. zu erreichen ist, demgegenüber ein Erkenntnisgewinn bei einer audiovisuellen oder kommissarischen Vernehmung ausgeschlossen ist und der Zeuge C. insoweit ein ungeeignetes Beweismittel darstellt. Hier ist sich der Senat bewusst, dass dem Zeugen C. als vorheriger Mitangeklagter und eine der zentralen Personen im Tatgeschehen eine besondere Beweisbedeutung zukommt. Jedoch ist bei dieser Beurteilung auch zu berücksichtigen, dass eine gewisse Nähebeziehung des Mitverurteilten C. zu dem Beschwerdeführer anzunehmen ist; dies alleine schon auf Grund der jahrelangen Geschäftsbeziehungen, die im Hinblick auf das Scheinrechnungsmodel auch ein gewisses Vertrauensverhältnis voraussetzte. Auch ist in erheblichem Umfang zu berücksichtigen, dass eine effektive Sanktionierung einer Falschaussage durch den Zeugen C. durch den Aufenthalt im Ausland ausgeschlossen ist.

Weiter könnte sich der auf Distanz zu befragende Zeuge dem durch Frage und Antwort entstehenden Spannungsverhältnis leichter entziehen. Es wäre der Strafkammer also nicht möglich, sich einen hinreichenden Eindruck von den individuellen Eigenarten des Zeugen und seinen nonverbalen Aussageverhalten zu verschaffen. Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf die zuvor dargestellte sonstige Beweislage kann es daher ausgeschlossen werden, dass die geänderte Aussage des Mitverurteilten C. geeignet ist das in dem Urteil des Landgerichts Koblenz gefundene Beweisergebnis zu erschüttern.

5. Die Entscheidung, ob nur eine Vernehmung eines Zeugen unmittelbar vor dem erkennenden Gericht zur Wahrheitsfindung beizutragen vermag, bei der die wechselseitigen Interessen aller Verfahrensbeteiligten zu berücksichtigen, gegeneinander abzuwägen und miteinander in Ausgleich zu bringen sind und die notwendig eine gewisse Vorauswürdigung des Beweismittels erfordert, hat grundsätzlich der Tatrichter nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden (vgl. BVerfG, NJW 2014, 1082, 1083; BGH Beschl. v. 17.11.2020 – 3 ARs 14/20, NStZ-RR 2021, 22, 23, BGH NStZ 2023, 368). Diese Entscheidung, die grundsätzlich dem Tatgericht vorbehalten ist, hat im Wiederaufnahmeverfahren jedoch das Gericht zu treffen, das über die Zulässigkeit zu entscheiden hat, vorliegend der Senat als Beschwerdegericht. Die gegenteilige Auffassung würde zu unpraktikablen, unökonomischen und widersprüchlichen Ergebnissen dergestalt führen, dass in Fällen, in denen der angebotene Zeugenbeweis - der den zuvor geschilderten Anforderungen nicht gerecht wird - dem Wiederaufnahmeverfahren zur Zulässigkeit verhelfen würde, das Tatgericht in der späteren Hauptverhandlung aber die Beweiserhebung durch den angebotenen Zeugen in zulässiger Weise ablehnen könnte.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.


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