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Entscheidungen

KCanG u.a.

KCanG, Auswertung des Messenger-Dienstes EncroChat, SkyECC-Daten, Katalogtat

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Schleswig, Beschl. v. 09.10.2024 – 1 Ws 171/24

Eigener Leitsatz:

Zur – bejahten _ Verwertbarkeit von EncroChat- und SkyECC-Daten nach Einführung des KCanG.


In pp.

Die Beschwerde wird auf Kosten des Angeschuldigten als unbegründet verworfen.

Gründe

Die gemäß § 304 Abs. 1 StPO statthafte und zulässig angebrachte Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die der Senat Bezug nimmt, hat die Kammer die Untersuchungshaft angeordnet.

Die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein hat die Verwerfung der gegen den vorbezeichneten Beschluss gerichteten Beschwerde beantragt und diesen Antrag wie folgt begründet:

"Insbesondere hat die Einführung des KCanG im Ergebnis nichts an der Verwertbarkeit von EncroChat- und SkyECC-Daten geändert. Zwar sieht § 100b StPO Abs. 2 Nr. 5 lit. a) StPO lediglich noch für Straftaten nach § 34 Abs. 4 KCanG die Möglichkeit einer Online- Durchsuchung vor. Die für die in Rede stehenden Taten nicht mehr gegebene Möglichkeit einer Online-Durchsuchung nach § 100b StPO steht der Verwertbarkeit der EncroChat- und SkyECC-Daten jedoch nicht entgegen.

Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 30. April 2024 - C-670/22 - die Voraussetzungen für die Übermittlung und Verwendung von Beweismitteln in grenzüberschreitenden Strafverfahren präzisiert und klargestellt, dass die Daten, die von ausländischen Behörden gewonnen werden, auch dann verwenden dürfen, wenn die Maßnahme in Deutschland nicht zulässig gewesen wäre. Für die Durchführung der Maßnahme ist lediglich das nationale Recht des durchführenden Staates relevant. Das weitere Übermitteln der Ermittlungsergebnisse richtet sich sodann nach der Richtlinie über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen (Richtlinie 2014/41/EU).

Verfassungsgemäße Rechtsgrundlage für die Verwertung der erhobenen Beweise in der Hauptverhandlung ist § 261 StPO. Ausdrückliche Verwendungsbeschränkungen für im Wege der Rechtshilfe aus dem Ausland erlangte Daten sieht das deutsche Recht nicht vor, insbesondere ist § 100e Abs. 6 StPO hierauf nicht unmittelbar anwendbar; lediglich die dort verkörperte Wertung ist aus von Verfassungs- wegen gebotenen Verhältnismäßigkeitsgründen entsprechend heranzuziehen (BGH, Beschluss vom 2. März 2022 - 5 StR 457/21 -, BGHSt 67, 29-55). Dies bedeutet allerdings nicht, dass Daten unterhalb dieses Schutzniveaus in keinem Fall verwertbar sind (LG Köln, Beschluss vom 16.04.2024 - 323 Qs 32/24 -, BeckRS 2024, 12833).

In dem vorliegenden Fall sind die Erkenntnisse aus den EncroChat- und SkyECC-Daten für die Aufklärung von erheblicher Bedeutung. Auch nach dem Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes ist das Handeltreiben mit Cannabis in nicht geringer Menge weiterhin nach § 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG als besonders schwerer Fall mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bedroht und stellt damit eine Straftat der mittleren Kriminalität dar. Entsprechend hoch ist das staatliche Strafverfolgungsinteresse auch nach dem Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes.

Die EncroChat- und SkyECC-Daten wurden auch nicht auf rechtsstaatlich zweifelhafte Weise gewonnen. Ihnen lag eine Europäische Ermittlungsanordnung zugrunde, die zum Zeitpunkt ihres Erlasses nach deutschem Recht rechtmäßig und auch nach europäischem Recht nicht zu beanstanden war. Allein der Umstand, dass eine vergleichbare Anordnung heute möglicherweise nicht mehr ergehen könnte, setzt die seinerzeitige Ermittlungsanordnung nicht nachträglich dem Vorwurf eines schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstoßes, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen worden sind, aus.

Im Übrigen unterliegen auch Erkenntnisse aus Maßnahmen nach §§ 100a bis 100c StPO keinem Verwertungsverbot, wenn sich erst im Verlauf der weiteren Ermittlungen der Verdacht einer Katalogtat nicht bestätigt, der Verdacht mithin entfällt (BVerfG, Beschluss vom 18. August 1987 - 2 BvR 400/86 -, NJW 1988, 1075; BGH, Beschluss vom 15. Januar 2020 - 2 StR 352/18 -, StV 2020, 805). Diesem Fall, dass im weiteren Verfahren aus tatsächlichen Gründen der Verdacht der Katalogtat entfällt, ist der Fall gleichzusetzen, dass der Verdacht der Katalogtat aus Rechtsgründen entfällt. Daher bleiben die durch vor dem 1. April 2024 im Inland nach §§ 100a bis 100c StPO wegen des Verdachts von Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz, die ausschließlich Cannabis betrafen, angeordnete Ermittlungsmaßnahmen gewonnenen Erkenntnisse auch nach dem Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes verwertbar. Nichts Anderes kann für entsprechende Rechtshilfesachverhalte - wie die Verwertung von EncroChat- und SkyECC-Daten zu Vorgängen des Handeltreibens mit Cannabis - gelten (LG Leipzig, Urteil vom 12.04.2024 - 6 KLs 107 Js 66624/20 -, BeckRS 2024, 10940).

Es besteht aus den zutreffenden Gründen des Haftbefehls in Form des Beschlusses des Landgerichts Lübeck vom 29. April 2024 weiterhin der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß §§112 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 StPO, da der Aufenthaltsort des Angeschuldigten weiterhin unbekannt ist und bisher auch trotz seiner Ausschreibung zur Festnahme nicht ermittelt werden konnte.

Mildere Maßnahmen im Sinne des § 116 StPO sind nicht ersichtlich. Mit Blick auf die Straferwartung erweist sich die Anordnung der Untersuchungshaft auch nicht als unverhältnismäßig."

Dem tritt der Senat bei. Auch das Vorbringen des Angeschuldigten in dem Schriftsatz vom 7. Oktober 2024 rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.


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Anmerkung:


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