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Entscheidungen

KCanG u.a.

KCanG, Absehen von weiterer Vollstreckung, Herabsetzung der Mindeststrafe

Gericht / Entscheidungsdatum: BayObLG, Beschl. v. 17.10.2024 - 203 VAs 380/24

Leitsatz des Gerichts:

1. Bei der Entscheidung, ob von der weiteren Vollstreckung nach § 456a StPO abgesehen werden konnte, sind die Umstände der Tat, die Schwere der Schuld, die Dauer des bisher verbüßten Teils der Strafe, das öffentliche Interesse an nachhaltiger Strafvollstreckung einerseits und andererseits die familiäre und soziale Lage des Verurteilten und das Interesse daran, sich beizeiten von der Last der Vollstreckung von Strafen gegen Ausländer zu befreien, gegeneinander abzuwägen und in eine Gesamtbetrachtung einzustellen.
2. Die Herabsetzung der Mindeststrafe durch den Gesetzgeber in § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG in der Fassung vom 20. Juni 2024 infolge Inkrafttretens des Cannabisgesetzes zum 1. April 2024 (BGBl. I 2024 Nr. 109) führt auch unter Berücksichtigung von Art. 316p EGStGB bezogen auf § 456a StPO nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null. Die Ausnahmevorschrift des Art. 313 EGStGB ist in diesem Fall nicht anwendbar. Außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 313 EGStGB bleiben rechtskräftig ausgesprochene Strafen bestehen.


In pp.

1. Der Antrag des Verurteilten auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff. EGGVG gegen den Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg vom 5. August 2024 wird auf seine Kosten als unbegründet zurückgewiesen.
2. Der Geschäftswert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Verurteilte befindet sich im Strafvollzug in der Justizvollzugsanstalt A. Mit Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 19. Dezember 2017 – JK IV KLs 354 Js 27272/16 – wurde der Verurteilte wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt, zudem wurde die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Mit Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 11. Januar 2021 – 20 KLs 356 Js 9095/20 – wurde er wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren 6 Monaten verurteilt. Mit Beschluss vom 10. März 2021 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Ansbach die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt erklärt. Am 27. November 2025 ist der gemeinsame Zweidritteltermin erreicht, das Strafende ist im Verfahren 356 VRs 9095/20 für den 28. Mai 2028 und im Verfahren 354 VRs 27272/16 für den 5. Januar 2030 vorgemerkt. Gemäß bestandskräftigem Bescheid der Stadt Nürnberg vom 19. März 2018 wurde der Verurteilte aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen; zugleich wurde die Abschiebung aus der Haft heraus angeordnet.

Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 19. März 2024 hat der Verurteilte beantragt, von der weiteren Vollstreckung gemäß § 456a StPO abzusehen. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth hat diesen Antrag mit Verfügung vom 10. Juli 2024 abgelehnt. Gegen diese Verfügung hat der Verurteilte mit anwaltlichem Schreiben vom 23. Juli 2024 Beschwerde eingelegt, welcher die Staatsanwaltschaft mit begründeter Verfügung vom 26. Juli 2024 nicht abgeholfen hat. Die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg hat mit Bescheid vom 5. August 2024 die Einwendungen des Verurteilten zurückgewiesen. Gegen diesen seinem Bevollmächtigten am 9. August 2024 zugestellten Bescheid hat der Verurteilte durch Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 19. August 2024, eingegangen bei Gericht am selben Tage, gerichtliche Entscheidung beantragt. Die Generalstaatsanwaltschaft München hat mit Schreiben vom 17. September 2024 beantragt, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zu verwerfen. Wegen der Einzelheiten wird auf die jeweiligen Ausführungen Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nach § 23 Abs. 1, 2 EGGVG in Verbindung mit § 456a StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere wurde das erforderliche Vorschaltverfahren (§ 21 StVollstrO) durchgeführt. In der Sache hat der Antrag aber keinen Erfolg, weil die nach § 456a StPO getroffene Entscheidung keinen Ermessensfehler aufweist und der Verurteilte deswegen nicht in seinen Rechten verletzt ist (§ 28 Abs. 1 S. 1 EGGVG).

1. Die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde nach § 456a Abs. 1 StPO ist eine Ermessensentscheidung im Sinne von § 28 Abs. 3 EGGVG (st. Rspr., vgl. etwa Senat, Beschluss vom 21. August 2023 – 203 VAs 243/23 –, juris Rn. 5; Graalmann-Scheerer in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 456a Rn. 14). Danach sind ablehnende Entscheidungen durch die Gerichte nur daraufhin zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Dies ist der Fall, wenn die Entscheidung willkürlich ist, wenn die Vollstreckungsbehörde von einem unvollständig ermittelten oder unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist, wenn sie Gesichtspunkte zum Nachteil des Antragstellers berücksichtigt hat, die nach Sinn und Zweck des Gesetzes keine Rolle spielen dürfen, oder maßgebliche Gesichtspunkte, die bei der Ermessensentscheidung von Belang sein können, falsch bewertet oder außer Acht gelassen hat oder wenn sie insgesamt keine diese Prüfung ermöglichende Begründung enthält (vgl. KK-StPO/Mayer, 9. Aufl., EGGVG § 28 Rn. 3; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., EGGVG, § 28 Rn. 10 m.w.N.).

2. Gegenstand der Überprüfung ist dabei die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth vom 10. Juli 2024 in der Gestalt, die sie durch den Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg vom 5. August 2024 im Vorschaltverfahren erhalten hat (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschluss vom 25. August 2021- 203 VAs 274/21-, juris Rn. 15 m.w.N.).

3. Bei der Entscheidung, ob von der weiteren Vollstreckung nach § 456a StPO abgesehen werden konnte, sind die Umstände der Tat, die Schwere der Schuld, die Dauer des bisher verbüßten Teils der Strafe, das öffentliche Interesse an nachhaltiger Strafvollstreckung einerseits und andererseits die familiäre und soziale Lage des Verurteilten und das Interesse daran, sich beizeiten von der Last der Vollstreckung von Strafen gegen Ausländer zu befreien, gegeneinander abzuwägen und in eine Gesamtbetrachtung einzustellen (vgl. Graalmann-Scheerer a.a.O. Rn. 14; KK-StPO/Appl, a.a.O., § 456a Rn. 3a m.w.N.; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O. § 456a Rn. 5 m.w.N.).

4. Gemessen daran ist die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde im Rahmen der eingeschränkten Prüfungskompetenz des Senats nicht zu beanstanden. Der Senat nimmt auf die zutreffenden Ausführungen in der vorbezeichneten Verfügung der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth und im angefochtenen Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg Bezug. Ermessensfehler lässt die Ablehnung des Absehens von der weiteren Vollstreckung im Fall des Antragstellers nicht erkennen. Die Entscheidung ist so gefasst, dass sie dem Senat eine Überprüfung auf Ermessensfehler ermöglicht. Die Vollstreckungsbehörde hat von dem ihr eingeräumten Ermessen auf einer zutreffenden Sachverhaltsgrundlage Gebrauch gemacht und dieses unter Beachtung des Normzwecks und der zu § 456a StPO mit dem Zweck einer gleichmäßigen Ermessensausübung erlassenen Richtlinien des Bayerischen Staatsministeriums für Justiz sowie unter Berücksichtigung der Umstände der Tat, der Schwere der Schuld, der Verbüßungsdauer, des öffentlichen Interesses an einer nachhaltigen Strafvollstreckung und der persönlichen Verhältnisse des Verurteilten rechtsfehlerfrei ausgeübt.

a) Der Zweck der Ermächtigung des § 456a StPO liegt in der Entlastung des Vollzugs bei Straftätern, die das Bundesgebiet aufgrund hoheitlicher Anordnung verlassen müssen und denen gegenüber die weitere Vollstreckung weder unter dem Gesichtspunkt der Resozialisierung noch unter dem der Prävention sinnvoll wäre (Senat, Beschluss vom 21. August 2023 – 203 VAs 243/23 –, juris Rn. 9; OLG Hamm, Beschluss vom 6. November 2012 – III-1 VAs 104/12 –, juris Rn. 8; KK-StPO/Appl a.a.O. § 456a Rn. 1; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O., § 456a Rn. 1).

b) Bei ihrer Entscheidung durfte die Vollstreckungsbehörde den Unrechtsgehalt und die Umstände der von dem Antragsteller begangenen Taten in die Abwägung mit einstellen (st. Rspr., vgl. etwa Senat a.a.O. Rn. 10; OLG Hamm, Beschluss vom 6. November 2012 – III-1 VAs 104/12 –, juris Rn. 11; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25. März 2013 – 2 VAs 5/13 –, juris Rn. 13).

c) Demgemäß ist nach Ziffer 2.2 der Ergänzenden Bestimmungen zur Strafvollstreckungsordnung (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 22. Juni 2006, Az. 4300 – II – 787/05 (JMBl. S. 91) - ErgStVollstrO) i.V.m. § 17 Abs. 1 BayStVollstrO eine über den Halbstrafenzeitpunkt hinausgehende Vollstreckung ungeachtet der Prüfung des Einzelfalls angezeigt, wenn – wie hier – die Verurteilung wegen eines Verbrechens aus dem Bereich der schweren Betäubungsmittelkriminalität erfolgte. Dann nähert sich der maßgebliche Zeitpunkt für die Anwendung des § 456a StPO dem Beginn des letzten Strafdrittels, falls nicht besondere Umstände sogar die vollständige Verbüßung der Strafe erfordern.

d) Dass es sich beim Verurteilten um einen Ausländer handelt, dessen Angehörige in seinem Heimatstaat leben und der aus persönlichen Gründen gerne dorthin zurückkehren würde, hat die Vollstreckungsbehörde nicht aus dem Blick verloren. Einen Anspruch auf ein Absehen von der weiteren Vollstreckung nach Verbüßung der Halbstrafe kann der Antragsteller daraus jedoch nach der Begehung von schweren Straftaten (auch in der Form der Beihilfe) nicht herleiten (vgl. auch Senat a.a.O. Rn. 12; OLG Koblenz, Beschluss vom 29. April 2020 – 2 VAs 3/20 –, juris Rn. 13). Die Herabsetzung der Mindeststrafe durch den Gesetzgeber in § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG in der Fassung vom 20. Juni 2024 infolge Inkrafttretens des Cannabisgesetzes zum 1. April 2024 (BGBl. I 2024 Nr. 109) führt auch unter Berücksichtigung von Art. 316p EGStGB bezogen auf § 456a StPO nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null. Die Ausnahmevorschrift des Art. 313 EGStGB ist in diesem Fall nicht anwendbar (vgl. bereits BGH, Urteil vom 16. August 1977 – 1 StR 390/77 –, juris Rn. 14). Außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 313 EGStGB bleiben rechtskräftig ausgesprochene Strafen bestehen (BGH, Urteil vom 23. Mai 2024 – 5 StR 68/24 –, juris Rn. 15). Der Gesetzgeber hat im Zusammenhang mit der Einführung des KCanG keine eigenständige Amnestieregelung geschaffen (so auch OLG Hamm, Beschluss vom 20. August 2024 – III-5 Ws 230/24 –, juris). Es besteht somit kein Anlass, einen ausländischen Verurteilten zwingend besser zu stellen, zumal der Antragsteller übersehen hat, dass das Landgericht Nürnberg-Fürth in seinem Urteil vom 19. Dezember 2017 seiner Strafzumessung eine Strafuntergrenze von nur einem Jahr zugrunde gelegt hat. Die persönlichen Verhältnisse und Belange eines Verurteilten sind zwar, soweit dies geboten erscheint, bei der zu treffenden Entscheidung angemessen zu berücksichtigen, stehen jedoch nicht im Vordergrund (Senat a.a.O. Rn. 12; OLG Hamm, Beschluss vom 6. November 2012 – III-1 VAs 104/12 –, juris Rn. 8).

III.

1. Die Tragung der Gerichtskosten durch den Antragsteller wird unmittelbar durch das Gesetz geregelt (§ 1 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 19, § 22 Abs. 1 GNotKG). Eine Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dem Antragsteller entstandenen außergerichtlichen Kosten aus der Staatskasse ist nicht veranlasst (§ 30 EGGVG).

2. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 1 Abs. 2 Nr.19 i.V.m. § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.

3. Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen (§ 29 Abs. 2 EGGVG), da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.


Einsender: 3. Strafsenat des BayObLG

Anmerkung:


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