Gericht / Entscheidungsdatum: VerfGH Sachsen, Beschl. v. 24.10.2024 – Vf. 24-IV-23
Eigener Leitsatz:
1. Auch in Anbetracht der Eingriffsintensität einer Wohnungsdurchsuchung ist es verfassungsrechtlich nicht geboten, die Maßnahme vom Vorliegen eines erhöhten Verdachtsgrads als einem sog. Anfangsverdacht abhängig zu machen.
2. Das Beschwerdegericht kann einen Durchsuchungsbeschluss in der Begründung des zugrundeliegenden Tatverdachts und der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme nachbessern.
VerfGH Sachsen
In pp.
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Mit seiner am 2. Juni 2023 bei dem Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen eingegangenen Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Amtsgerichts Chemnitz vom 20. September 2022 (11 Gs 3303/22) und den Beschluss des Landgerichts Chemnitz vom 26. April 2023 (2 Qs 471/22).
Die Staatsanwaltschaft Chemnitz führte gegen den Beschwerdeführer ein Ermittlungsverfahren wegen Verbreitung, Erwerbs und Besitzes kinderpornographischer Inhalte (893 Js 10714/22).
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft erließ das Amtsgericht Chemnitz am 20. September 2022 den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Durchsuchungsbeschluss, mit welchem nach §§ 102, 105 Abs. 1, § 162 Abs. 1 StPO die Durchsuchung der Person, der Wohnung mit Nebenräumen und der Fahrzeuge des Beschwerdeführers angeordnet wurde. Hierbei sollte u.a. nach kinder- und jugendpornographischen Schriften und Inhalten auf Tablets und Mobiltelefonen sowie nach Daten und Unterlagen gesucht werden, die Aufschluss darüber geben sollten, wie und von wem entsprechende Inhalte beschafft und an wen diese weitergeleitet worden seien. In der Begründung heißt es, der Beschwerdeführer sei Mitglied einer Gruppe des Messengers „WhatsApp“ gewesen, in der kinderpornographische Inhalte versandt worden seien und habe in der Zeit, in der er Mitglied gewesen sei, Dateien (Bilder und Videos) mit kinder- und jugendpornographischen Inhalten empfangen. Der Beschwerdeführer habe sich aktiv an der Gruppe beteiligt. Dies sei strafbar als Verbreitung kinderpornographischer Inhalte gemäß § 184b Abs. 1 StGB. Am 12. Oktober 2022 wurde die Wohnung des Beschwerdeführers durchsucht und es wurden u.a. drei Mobiltelefone und ein Laptop sowie zwei Verdienstabrechnungen beschlagnahmt.
Mit Schreiben vom 2. Dezember 2022 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde nach § 304 StPO gegen den angegriffenen Durchsuchungsbeschluss und beantragte zugleich, die Beschlagnahme der mitgenommenen Gegenstände gemäß § 98 Abs. 2 StPO aufzuheben. Der Durchsuchungsbeschluss sei bereits unschlüssig, weil er kein strafbares Verhalten schildere. Die bloße Mitgliedschaft in einer „WhatsApp“-Gruppe sei selbst dann nicht strafbar, wenn andere Mitglieder der Gruppe strafbare Inhalte versendeten, die für die übrigen Mitglieder nicht wahrnehmbar seien, weil der bloße Empfang weder den Tatbestand des § 184b StGB noch den des § 184c StGB verwirkliche. Aus der Verfahrensakte ergebe sich, dass die Gruppe lediglich im Zeitraum vom 14. Dezember 2020 bis zum 22. Dezember 2020 aktiv gewesen sei. In dieser Zeit seien insgesamt 10.184 Nachrichten mit überwiegend pornographischem Bild- und Videomaterial versendet worden, von denen lediglich zehn Dateien kinder- bzw. jugendpornographische Inhalte gehabt hätten. Zudem ergebe sich, dass der Beschwerdeführer weder die Zusendung der inkriminierten Dateien gefordert noch die strafbaren Inhalte in irgendeiner Form kommentiert habe. Es sei unsinnig anzunehmen, der Beschwerdeführer habe sich wegen des Verbreitens kinderpornographischer Inhalte strafbar gemacht, weil er durch die bloße Mitgliedschaft die Inhalte nicht verbreitet habe. Überdies lasse sich aufgrund der bloßen Menge der Nachrichten ausschließen, dass der Beschwerdeführer die inkriminierten Dateien auch nur mitbekommen habe.
Mit angegriffenem Beschluss vom 26. April 2023 verwarf das Landgericht die Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet, dass dem Beschwerdeführer der Tatverdacht des Sichverschaffens kinder- und jugendpornographischer Inhalte gemäß § 184b Abs. 3, § 184c Abs. 3 StGB zur Last liege. Hierfür und nicht für ein Verbreiten kinder- bzw. jugendpornographischer Inhalte gemäß § 184b Abs. 1, § 184c Abs. 1 StGB habe zum Zeitpunkt des Erlasses der Durchsuchungsanordnung ein Anfangsverdacht bestanden. Zwar weise der Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdeführers zutreffend darauf hin, dass die bloße Mitgliedschaft in einer „WhatsApp“-Gruppe, in der kinderpornographische Inhalte geteilt würden, nicht nach § 184b StGB strafbar sei und dass – angesichts der Flut der geteilten Nachrichten und der im Verhältnis hierzu geringen Zahl von kinder- bzw. jugendpornographischen Inhalten – der Vorsatz des Beschwerdeführers nicht ohne Weiteres auf der Hand liege. Jedoch setze der Erlass einer Durchsuchungsanordnung nicht voraus, dass ein strafbares Verhalten bereits mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden könne; denn dieser Erlass erfolge regelmäßig in einem frühen Stadium der Ermittlungen, in welchem hinreichende Beweise gerade (noch) nicht sicher vorlägen. Im vorliegenden Fall genüge es für die Bejahung eines Anfangsverdachts, dass nach Aktenlage in den Gruppenchat kinder- bzw. jugendpornographische Inhalte eingestellt worden seien und sich der Beschwerdeführer an dem Chat aktiv beteiligt habe. Denn dies lasse es im Bereich des Möglichen liegen, dass der Beschwerdeführer von den inkriminierten Dateien Kenntnis erlangt, diese gebilligt und sich zumindest bedingt vorsätzlich den Besitz an den kinder- und jugendpornographischen Inhalten verschafft habe. Zwar sei der Durchsuchungsbeschluss nicht auf die Straftatbestände des Sichverschaffens nach § 184b Abs. 3, § 184c Abs. 3 StGB gestützt worden. Es ergebe sich aber aus der Sachverhaltsdarstellung im angefochtenen Beschluss, dass dem Beschwerdeführer nicht ein Verbreiten der Dateien, sondern deren Empfang zur Last liege.
Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung seines Grundrechts aus Art. 30 Abs. 1 SächsVerf i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip. Das Gewicht des Eingriffs in das Grundrecht aus Art. 30 Abs. 1 SächsVerf verlange auf konkreten Tatsachen beruhende Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichten. Eine Durchsuchung dürfe somit nicht zur Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Anfangsverdachts erst erforderlich seien. Das Amtsgericht habe angenommen, der Beschwerdeführer sei des Verbreitens kinder- und jugendpornographischer Inhalte nach § 184b Abs. 1, § 184c Abs. 1 StGB verdächtig. Schon diese Annahme sei unhaltbar, denn in dem angefochtenen Durchsuchungsbeschluss sei kein Sachverhalt dargelegt, der sich unter die zitierten Strafvorschriften subsumieren lasse. Dies erweise sich folglich als objektiv willkürlich. Dies gelte auch für den angegriffenen Beschluss des Landgerichts vom 26. April 2023. Die Behauptung des Landgerichts, es bestehe der Verdacht des Sichverschaffens kinder- und jugendpornographischer Inhalte nach § 184b Abs. 3, § 184c Abs. 3 StGB entbehre jeglicher tatsächlichen Grundlage. Das Landgericht habe lediglich ausgeführt, es liege im Bereich des Möglichen, dass der Beschwerdeführer von den inkriminierten Dateien Kenntnis erlangt und diese gebilligt habe und sich somit vorsätzlich den Besitz daran verschafft habe. Dies sei einfachrechtlich nicht haltbar. Wenn der Beschwerdeführer von den Dateien Kenntnis genommen hätte, wäre dies denknotwendig erfolgt, nachdem sein Mobiltelefon diese empfangen habe. Zu diesem Zeitpunkt habe der Beschwerdeführer nichts mehr tun können, um sich in den Besitz der Dateien zu bringen, weil er diesen bereits gehabt habe. Etwas anderes sei nur dann anzunehmen, wenn der Beschwerdeführer von Anfang an zumindest damit gerechnet oder es gebilligt habe, dass in der Gruppe strafbare Inhalte ausgetauscht würden. Hierfür spreche jedoch nichts. Zweck der Gruppe sei ersichtlich der Austausch „normaler“ Pornographie gewesen. Es komme daher allenfalls der nach § 184b Abs. 3, § 184c Abs. 3 StGB strafbare Besitz in Betracht. Eine derartige Strafbarkeit setze jedoch voraus, dass der Beschwerdeführer den Empfang der zehn Dateien mitbekommen und diesen gebilligt habe und dass ihm bewusst gewesen sei, dass er Besitz daran erlange, indem er sie nicht sogleich lösche. Hierfür fehle es jedoch an tatsächlichen Anhaltspunkten. Soweit das Landgericht ausführe, dass es „im Bereich des Möglichen liege“, dass der Beschwerdeführer von den inkriminierten Dateien Kenntnis erlangt und diese gebilligt habe, stelle dies einen vagen Anhaltspunkt dar, der über die Qualität einer bloßen Spekulation nicht hinauskomme. Die Begründung des Landgerichts für die Annahme eines Anfangsverdachts sei mithin objektiv willkürlich.
Das Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung hat Gelegenheit gehabt, zum Verfahren Stellung zu nehmen.
II.
Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Sie ist zulässig.
a) Einer Sachentscheidung steht insoweit nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer die Anwendung bundesrechtlicher Verfahrensnormen (§§ 102, 105 StPO) beanstandet. Der Verfassungsgerichtshof ist befugt, die Anwendung von Verfahrensrecht des Bundes durch die sächsischen Fachgerichte auf die Einhaltung der mit dem Grundgesetz gewährten inhaltsgleichen subjektiven Rechte der Verfassung des Freistaates Sachsen zu überprüfen (SächsVerfGH, Beschluss vom 15. Juni 2023 – Vf. 5-IV-23; Beschluss vom 27. Juni 2019 – Vf. 121-IV-18; Beschluss vom 20. Februar 2003 – Vf. 8-IV-03; st. Rspr.). Die als verletzt gerügte Unverletzlichkeit der Wohnung ist in Art. 13 Abs. 1 GG und Art. 30 Abs. 1 SächsVerf inhaltsgleich verbürgt (SächsVerfGH, Beschluss vom 15. Juni 2023 – Vf. 5-IV-23; Beschluss vom 27. Juni 2019 – Vf. 121-IV-18; Beschluss vom 18. Oktober 2001 – Vf. 82-IV-99). Hinsichtlich des Eingriffs in dieses Grundrecht durch eine Durchsuchung gelten gemäß Art. 13 Abs. 2 GG und Art. 30 Abs. 2 SächsVerf inhaltsgleiche Schranken (SächsVerfGH, Beschluss vom 29. Februar 2024 – Vf. 59-IV-22; Beschluss vom 15. Juni 2023 – Vf. 5-IV-23; Beschluss vom 27. Juni 2019 – Vf. 121-IV-18; st. Rspr.).
Dem Beschwerdeführer fehlt es auch nicht an dem notwendigen Rechtschutzinteresse für die Feststellung der Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Beschlusses des Landgerichts. Zwar hat sich durch die am 12. Oktober 2022 vollzogene Durchsuchung die in deren richterlicher Anordnung liegende Beschwer erledigt. Da aber die Durchsuchung einen besonders tiefgreifenden Eingriff in das Grundrecht aus Art. 30 Abs. 1 SächsVerf darstellt und der Beschwerdeführer die direkte Belastung durch den Beschluss nach dessen Bekanntgabe im ordnungsgemäßen Geschäftsgang des Verfassungsgerichtshofes kaum abwenden konnte, besteht ein schutzwürdiges Interesse an einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung fort (vgl. SächsVerfGH, Beschluss vom 15. Juni 2023 – Vf. 5-IV-23; Beschluss vom 28. Mai 2020 – Vf. 72-IV-19; Beschluss vom 1. August 2019 – Vf. 39-IV-19; Beschluss vom 27. Juni 2019 – Vf. 121-IV-18; st. Rspr.).
2. Die Verfassungsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Die angegriffenen Beschlüsse des Amtsgerichts vom 20. September 2022 und des Landgerichts vom 26. April 2023 verletzen den Beschwerdeführer nicht in seinem Grundrecht aus Art. 30 Abs. 1 SächsVerf.
a) Art. 30 Abs. 1 SächsVerf schützt die Unverletzlichkeit der Wohnung. Eine Durchsuchung, die in diese grundrechtlich geschützte Sphäre eingreift, ist nur unter den Voraussetzungen des Art. 30 Abs. 2 SächsVerf und – wie alle Zwangsmaßnahmen im Strafverfahren – unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig (SächsVerfGH, Beschluss vom 20. Oktober 2023 – Vf. 56-IV-23 [HS]/Vf. 57-IV-23 [e.A.]; Beschluss vom 27. Juni 2019 – Vf. 121-IV-18). Erforderlich zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die Unverletzlichkeit der Wohnung ist jedenfalls der auf konkreten Tatsachen beruhende Verdacht, dass eine Straftat begangen wurde. Das Gewicht des Eingriffs verlangt dabei Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. Ein Verstoß gegen diese Anforderungen liegt vor, wenn sich sachlich zureichende plausible Gründe für eine Durchsuchung nicht mehr finden lassen (SächsVerfGH, Beschluss vom 20. Oktober 2023 – Vf. 56-IV-23 [HS]/Vf. 57-IV-23 [e.A.]; Beschluss vom 15. Juni 2023 – Vf. 5-IV-23; Beschluss vom 27. Juni 2019 – Vf. 121-IV-18; vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. November 2017 – 2 BvR 1775/16 – juris Rn. 25 f.; Beschluss vom 21. Januar 2008 – 2 BvR 1219/07 – juris Rn. 12; Urteil vom 2. März 2006, BVerfGE 115, 166 [197 f.]; Beschluss vom 10. November 1981, BVerfGE 59, 95 [97]).
Bei Maßnahmen, die – wie regelmäßig eine Durchsuchung – ohne vorherige Anhörung des Betroffenen ergehen, soll die Einschaltung des Richters nach Art. 30 Abs. 2 Halbsatz 1 SächsVerf für eine gebührende Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten sorgen. Der anordnungsbefugte Richter muss dabei die beabsichtigte Maßnahme eigenverantwortlich prüfen und hat dafür Sorge zu tragen, dass die sich aus der Verfassung und dem einfachen Recht ergebenden Voraussetzungen der Durchsuchung beachtet werden (SächsVerfGH, Beschluss vom 20. Oktober 2023 – Vf. 56-IV-23 [HS]/Vf. 57-IV-23 [e.A.]; Beschluss vom 3. Dezember 2020 – Vf. 119-IV-20; Beschluss vom 27. Juni 2019 – Vf. 121-IV-18; Beschluss vom 28. April 2009 – Vf. 151-IV-08; st. Rspr.). Der Verfassungsgerichtshof hat die Entscheidung des Richters aber nicht darauf zu kontrollieren, ob die Anwendung der einfachrechtlichen Durchsuchungsvoraussetzungen und die Subsumtion eines Sachverhalts unter einschlägige Normen den gesetzlichen Bestimmungen entsprachen; er ist allein zur Wahrung des Verfassungsrechts berufen. Nur wenn die Anordnung einer Durchsuchung erkennen lässt, dass das Fachgericht Inhalt und Tragweite des Grundrechts aus Art. 30 SächsVerf verkannt hat, ist ein Eingreifen des Verfassungsgerichtshofes angezeigt (SächsVerfGH, Beschluss vom 20. Oktober 2023 – Vf. 56-IV-23 [HS]/Vf. 57-IV-23 [e.A.]; Beschluss vom 27. Juni 2019 – Vf. 121-IV-18; Beschluss vom 28. April 2009 – Vf. 127-IV-08 [HS]; Beschluss vom 20. April 2006 – Vf. 40-IV-06; st. Rspr.). Das ist in der Regel erst dann der Fall, wenn ein Fehler sichtbar wird, der auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruht, oder wenn die fehlerhafte Rechtsanwendung bei verständiger Würdigung der die Verfassung des Freistaates Sachsen beherrschenden Gedanken willkürlich erscheint (SächsVerfGH, Beschluss vom 20. Oktober 2023 – Vf. 56-IV-23 [HS]/Vf. 57-IV-23 [e.A.]; Beschluss vom 15. Juni 2023 – Vf. 5-IV-23; Beschluss vom 24. März 2022 – Vf. 79-IV-21; Beschluss vom 3. Dezember 2020 – Vf. 119-IV-20; Beschluss vom 28. Mai 2020 – Vf. 72-IV-19 m.w.N.).
Um den verfassungsrechtlichen Anforderungen zu genügen, muss ein Durchsuchungsbeschluss in formeller Hinsicht bestimmte Mindestangaben enthalten. Der Schutz der Privatsphäre des Betroffenen, die auch von übermäßigen Maßnahmen einer an sich zulässigen Durchsuchung betroffen sein kann, darf nicht allein den Beamten, denen die Durchsuchung obliegt, überlassen bleiben. Es ist vielmehr Aufgabe des Richters, von vornherein für eine angemessene Begrenzung der Zwangsmaßnahme Sorge zu tragen. Ihn trifft insoweit die Pflicht, durch eine geeignete Formulierung des Durchsuchungsbeschlusses im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren sicherzustellen, dass der Eingriff in die Grundrechte messbar und kontrollierbar bleibt (SächsVerfGH, Beschluss vom 20. Oktober 2023 – Vf. 56-IV-23 [HS]/Vf. 57-IV-23 [e.A.]; Beschluss vom 27. Juni 2019 – Vf. 121-IV-18; Beschluss vom 25. Oktober 2007 – Vf. 90-IV-06; Beschluss vom 18. Oktober 2001 – Vf. 82-IV-99). Ein auf § 102 StPO gestützter schriftlicher Durchsuchungsbeschluss muss den Tatvorwurf so beschreiben, dass der äußere Rahmen in gegenständlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht abgesteckt wird, innerhalb dessen die Zwangsmaßnahme durchzuführen ist. Er hat grundsätzlich auch die zu durchsuchenden Objekte und die Art und den vorgestellten Inhalt derjenigen Beweismittel, nach denen gesucht werden soll, so zu bezeichnen, wie es nach Lage der Dinge geschehen kann (SächsVerfGH, Beschluss vom 20. Oktober 2023 – Vf. 56-IV-23 [HS]/Vf. 57-IV-23 [e.A.]; Beschluss vom 27. Juni 2019 – Vf. 121-IV-18; Beschluss vom 28. April 2009 – Vf. 151-IV-08; Beschluss vom 25. Oktober 2007 – Vf. 90-IV-06; st. Rspr.).
Neben diesem formellen Erfordernis unterliegt ein Durchsuchungsbeschluss in materieller Hinsicht dem aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Zwangsmaßnahme muss zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat geeignet und erforderlich sein. Dies ist nicht der Fall, wenn die Durchsuchung nicht den Erfolg verspricht, geeignete Beweismittel zu erbringen, oder andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen. Ferner muss der jeweilige Eingriff in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des bestehenden Tatverdachts stehen (SächsVerfGH, Beschluss vom 20. Oktober 2023 – Vf. 56-IV-23 [HS]/Vf. 57-IV-23 [e.A.]; Beschluss vom 27. Juni 2019 – Vf. 121-IV-18; Beschluss vom 25. Juni 2009 – Vf. 137-IV-08; st. Rspr.).
b) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen werden der angegriffene Beschluss des Amtsgerichts und der diesen abändernde Beschluss des Landgerichts gerecht. Der Durchsuchungsbeschluss begegnet in der Gestalt, den er durch den landgerichtlichen Beschluss erhalten hat, in formeller Hinsicht keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (aa). Die fachgerichtliche Annahme eines Anfangsverdachts ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (bb). Zudem hält die angegriffene Maßnahme einer Prüfung am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes stand (cc).
aa) Der Durchsuchungsbeschluss in der Gestalt, den er durch die landgerichtliche Entscheidung erhalten hat, beschreibt den dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Tatvorwurf hinreichend und bezeichnet das zu durchsuchende Objekt und die Art und den vorgestellten Inhalt derjenigen Beweismittel, nach denen gesucht werden soll, so, wie es nach Lage der Dinge geschehen konnte. Die vorgenommene Umschreibung reicht aus, um den mit dem Vollzug des Beschlusses betrauten Beamten aufzuzeigen, worauf sie ihr Augenmerk richten sollten, und damit den Zweck der Durchsuchungsanordnung – die Begrenzung des Zugriffs auf Beweisgegenstände bei der Vollziehung der Durchsuchung– zu erfüllen (vgl. SächsVerfGH, Beschluss vom 20. Oktober 2023 – Vf.56-IV-23 [HS]/Vf. 57-IV-23 [e.A.]; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 24. März 2003 – 2 BvR 180/03 – juris Rn. 2).
bb) In der Gestalt der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts liegt dem Durchsuchungsbeschluss auch eine verfassungsrechtlich tragfähige Begründung des Anfangsverdachts zugrunde.
Notwendiger und grundsätzlich auch hinreichender Eingriffsanlass für Zwangsmaßnahmen im Strafverfahren ist der Verdacht einer Straftat. Für die Annahme eines solchen Anfangsverdachts genügen konkrete, tatsächliche Anhaltspunkte, die es nach den kriminalistischen Erfahrungen als möglich erscheinen lassen, dass eine verfolgbare Straftat begangen wurde (vgl. Peters in: Münchener Kommentar zur StPO, 2. Aufl., § 152 Rn. 35, 38; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 18. Januar 1994 – 2 BvR 1912/93 – juris Rn. 4; Beschluss vom 23. Juli 1982, NStZ 1982, 430). Auch in Anbetracht der Eingriffsintensität einer Wohnungsdurchsuchung ist es verfassungsrechtlich nicht geboten, die Maßnahme vom Vorliegen eines erhöhten Verdachtsgrads abhängig zu machen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. August 2014 – 2 BvR 200/14 – juris Rn. 15; Beschluss vom 20. April 2004 – 2 BvR 2043/03 – juris Rn. 5). Diesen Verdacht hat der für die vorherige Gestattung des behördlichen Eingriffs oder dessen nachträgliche Kontrolle zuständige Richter zu prüfen. Hierzu gehört eine umfassende Abwägung zur Feststellung der Angemessenheit des Eingriffs im konkreten Einzelfall (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. August 2014 – 2 BvR 200/14 – juris Rn. 18; Beschluss vom 28. April 2003, BVerfGK 1, 126 [131]). Eine ins Einzelne gehende Nachprüfung des vom Fachgericht angenommenen Anfangsverdachts ist hingegen nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes. Sein Eingreifen ist nur geboten, wenn die Auslegung und Anwendung der einfachrechtlichen Bestimmungen über die prozessualen Voraussetzungen des Verdachts als Anlass für die strafprozessuale Zwangsmaßnahme und die strafrechtliche Bewertung der Verdachtsgründe objektiv willkürlich sind oder Fehler erkennen lassen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung der Grundrechte des Beschwerdeführers beruhen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 2020 – 2 BvR 1188/18 – juris Rn. 43; Beschluss vom 20. November 2019 – 2 BvR 31/19 – juris Rn. 24; Beschluss vom 8. Januar 2015 – 2 BvR 2419/13 – juris Rn. 17).
Es kann dahinstehen, ob die rechtliche Bewertung des Amtsgerichts, der dem Durchsuchungsbeschluss zugrundeliegende Lebenssachverhalt sei als Verbreitung kinderpornographischer Inhalte gemäß § 184b Abs. 1 StGB strafbar, zutreffend war. Jedenfalls ist es nicht objektiv willkürlich, dass das Landgericht in seiner Beschwerdeentscheidung diese rechtliche Bewertung abänderte und annahm, es liege ein Anfangsverdacht für ein Sichverschaffen von kinder- und jugendpornographischen Inhalten gemäß § 184b Abs. 3, § 184c Abs. 3 StGB vor. Im Beschwerdeverfahren sind zwar Prüfungsmaßstab und die Heilungsmöglichkeit des Beschwerdegerichts bei der Überprüfung einer durch Vollzug erledigten Durchsuchung beschränkt, weil dieses keine eigene Entscheidung über die Durchsuchungsanordnung trifft. So können Mängel bei der ermittlungsrichterlich zu verantwortenden Umschreibung des Tatvorwurfs und der zu suchenden Beweismittel im Beschwerdeverfahren nicht geheilt werden. Die Funktion des Richtervorbehalts, eine vorbeugende Kontrolle der Durchsuchung durch eine unabhängige und neutrale Instanz zu gewährleisten, würde andernfalls unterlaufen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. April 2023 – 2 BvR 2180/20 – juris Rn. 29; Beschluss vom 20. April 2004 – 2 BvR 2043/03 – juris Rn. 4). Doch kann das Beschwerdegericht Defizite in der Begründung des zugrundeliegenden Tatverdachts und der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme nachbessern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. April 2023 – 2 BvR 2180/20 – juris Rn. 29 m.w.N.). Dies umfasst auch Indiztatsachen, die den Anfangsverdacht belegen, weil diese für Zwecke der Begrenzung der Vollziehung der Maßnahme nicht immer erforderlich sind und folglich im Durchsuchungsbeschluss selbst nicht notwendigerweise genannt werden müssen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. April 2003, BVerfGK 1, 126 [131]). Die vom Landgericht für seine abweichende rechtliche Bewertung angeführten tatsächlichen Umstände – das Einstellen derartiger Inhalte in den Gruppenchat und die aktive Beteiligung des Beschwerdeführers an diesem Chat – sind bereits im Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts wiedergegeben. Indem das Landgericht den der Verdachtsannahme zugrundliegenden Lebenssachverhalt lediglich einer anderen rechtlichen Würdigung unterzog, hat es die Grenzen der Heilungsmöglichkeiten im Beschwerdeverfahren nicht überschritten.
Auch in der Sache sind die angegriffenen fachgerichtlichen Entscheidungen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei der landgerichtlichen Bewertung der Tatsachenbasis ist ein willkürliches Überspannen der Anforderungen an einen Anfangsverdacht, der gerade noch nicht einen die Anklageerhebung rechtfertigenden Verdachtsgrad erreicht haben muss (vgl. Peters in: Münchener Kommentar zur StPO, 2. Aufl., § 152 Rn. 35), nicht festzustellen. Die Annahme des Landgerichts, es liege im Bereich des Möglichen, dass der Beschwerdeführer von den inkriminierten Dateien Kenntnis erlangt und diese gebilligt habe, ist nicht schlechterdings unhaltbar. Rein spekulativen Charakter hat diese Annahme angesichts der aktiven Beteiligung des Beschwerdeführers am Chat, nachdem bereits inkriminierte Dateien geteilt worden waren, nicht.
cc) Die fachgerichtliche Bewertung, die angeordnete Durchsuchung stehe in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat sowie zu der Stärke des Tatverdachts und sei für die Ermittlungen notwendig, widerspricht ebenfalls nicht verfassungsrechtlichen Anforderungen.
III.
Der Verfassungsgerichtshof ist zu dieser Entscheidung einstimmig gelangt und trifft sie daher durch Beschluss nach § 10 Abs. 1 SächsVerfGHG i.V.m. § 24 BVerfGG.
IV.
Die Entscheidung ist kostenfrei (§ 16 Abs. 1 Satz 1 SächsVerfGHG).
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