Gericht / Entscheidungsdatum: BayObLG, Beschluss v. 18.03.2024 – 206 StRR 63/24
Leitsatz des Gerichts:
1. Bei der Auslegung einer Äußerung ist stets von ihrem Wortlaut auszugehen, der aber den Sinn nicht abschließend festlegt. Vielmehr sind alle sprachlichen und sonstigen Begleitumstände zu berücksichtigen. Kommen mehrere Deutungen in Betracht, darf sich das Gericht nur dann für die zur Bestrafung führende entscheiden, wenn es eine straflose Deutungsvariante mit überzeugenden Gründen ausschließt.
2. Gerade bei Äußerungen gegenüber Polizeibeamten ist stets zu prüfen, ob die vermeintlich herabsetzende Äußerung dem einschreitenden Beamten selbst oder der Vorgehensweise der Polizei generell gilt. Die Abgrenzung ist dabei nicht darauf reduziert, dass der Ausdruck entweder auf die konkreten Beamten oder aber auf die Polizei im Allgemeinen „irgendwo im Staat“ bezogen gewesen sein kann. Auch dann, wenn ein Vorwurf sich auf vor Ort anwesende Beamte oder selbst dann, wenn er sich auf bestimmte Beamte bezieht, kann er gleichwohl, je nach den Begleitumständen, als generelle Kritik an der Vorgehensweise der Polizei verstanden werden und von der Meinungsfreiheit gedeckt sein.
In pp.
I. Auf die Revision des Angeklagten werden die Urteile des Landgerichts Ingolstadt vom 17. Oktober 2023 und des Amtsgerichts Ingolstadt vom 9. März 2023 aufgehoben.
II. Der Angeklagte wird freigesprochen.
III. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Ingolstadt hat den Angeklagten mit Urteil vom 9. März 2023 wegen Beleidigung in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer Geldstrafe verurteilt.
Die Berufung des Angeklagten hiergegen hat das Landgericht Ingolstadt mit Urteil vom 17. Oktober 2023 als unbegründet verworfen.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision, die er mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet. In den Einzelausführungen hierzu bringt er unter anderem vor, das Landgericht habe seine verfahrensgegenständliche Äußerung nicht zutreffend ausgelegt und sein Grundrecht auf Meinungsfreiheit nicht ausreichend gewürdigt.
Die Generalstaatsanwaltschaft München beantragt mit Stellungnahme vom 8. Februar 2024, die Revision des Angeklagten als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die Revision ist zulässig, insbesondere ist die Begründung der Revision binnen der Frist des § 345 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 eingegangen, ohne dass der Senat darüber befinden müsste, ob es für den Beginn der Frist auf die Zustellung der ersten Fassung des Urteils vom 17. Oktober 2023, welche keinen Tenor enthielt, ankommt, oder auf die Zustellung der zweiten Fassung, in die der Tenor eingefügt war. Die erste Zustellung ist am 6. November 2023 erfolgt (zu Bl. 133 d.A.), die zweite am 8. November 2023 (zu Bl. 158 d.A.). Der Schriftsatz, mit dem das Rechtsmittel begründet worden ist, ist am 4. Dezember 2023 und damit in beiden Varianten fristgerecht eingegangen.
III.
Das Rechtsmittel des Angeklagten hat mit der erhobenen Sachrüge Erfolg. Das Landgericht hat bei seiner Würdigung übersehen, dass die Äußerung des Angeklagten im Kontext der Gesamtumstände mehrdeutig ist, und dass eine der möglichen Auslegungen keine strafbare Beleidigung darstellen würde. Aus verfassungsrechtlichen Gründen ist zugunsten des Angeklagten in einem solchen Fall von der straflosen Auslegungsvariante auszugehen.
1. Aufgrund der Zustellung zweier unterschiedlicher Urteilsfassungen an die Verfahrensbeteiligten ist zunächst klarzustellen, dass Gegenstand der revisionsgerichtlichen Prüfung die um die Urteilsformel ergänzte (zweite) Fassung des schriftlichen Urteils ist, bei der er sich lediglich um eine zulässig berichtigte Fassung handelt. Zur Begründung wird zunächst auf die Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft München in ihrem Vorlageschreiben vom 8. Februar 2024 (S. 1/2) Bezug genommen, und lediglich wie folgt ergänzend ausgeführt:
Bei der zweiten Fassung des Urteils, die um den in der ersten Fassung nicht enthaltenen Urteilstenor ergänzt worden ist, der dahin lautet, dass die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten verworfen wurden, handelt es sich um die Berichtigung eines für alle Verfahrensbeteiligten offenkundigen Schreib- bzw. Übertragungsversehens. Der im schriftlichen Urteil ergänzte Tenor ist nicht nur, worauf die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend hinweist, in der Hauptverhandlung ausweislich des Sitzungsprotokolls gleichlautend verkündet werden, sondern es ergibt sich auch aus der nicht korrigierten, den Beteiligten zunächst zugestellten Fassung bereits zweifelsfrei, welche Entscheidung das Gericht getroffen hatte. Der Schuldspruch ist auf Seite 7 dargelegt (Seitenzahl der ersten Urteilsfassung, Bl. 113 d.A.), die Rechtsfolge auf Seite 23 (Bl. 129 d.A.).
2. Das Landgericht hat, soweit entscheidungserheblich, folgende Feststellungen getroffen:
Am 13. Februar 2022 fand in Ingolstadt eine angemeldete Versammlung mit dem Thema „Impfzwang, Corona“ mit etwa 1.500 Teilnehmern statt. Als Auflage war behördlich die Einhaltung eines Mindestabstands von 1,5 Metern zwischen den Teilnehmern bestimmt worden, anderenfalls müsse eine Maskenpflicht angeordnet werden. Der Angeklagte fungierte während der gesamten Veranstaltung als Moderator auf der Bühne, auf der verschiedene Redner auftraten. Aufgrund zahlreicher Verstöße gegen das Abstandsgebot wurde der Veranstaltungsleiter, bei dem es sich nicht um den Angeklagten handelte, durch anwesende Polizeikräfte wiederholt ohne Erfolg aufgefordert, über das Mikrofon zur Einhaltung der Auflagen anzuhalten. Schließlich traten der polizeiliche Einsatzleiter und sein Stellvertreter an den Versammlungsleiter heran und forderten eindringlich eine unverzügliche Durchsage. Letzterer informierte den Angeklagten über die Notwendigkeit einer Unterbrechung, woraufhin dieser über das Mikrofon folgende Ansage machte: „Wir haben so’n paar Nervzwerge an der Backe, und der Z. [Anm. des Senats: der Veranstaltungsleiter] muss eine Durchsage machen“; die Ansage selbst wurde anschließend vom Versammlungsleiter durchgegeben. Der Angeklagte wusste bei seiner Äußerung nicht, welche konkreten Beamten dem Versammlungsleiter die Anweisung gegeben hatten. Er fühlte sich davon „genervt“, dass die anwesende Polizei schon den ganzen Nachmittag über die Reden hatte unterbrechen wollen. Die beiden Polizeibeamten und ihr Dienstvorgesetzter haben Strafantrag gestellt.
3. Das Landgericht hat diese Äußerung als Beleidigung gemäß § 185 StGB zum Nachteil der beiden Polizeibeamten, die den Versammlungsleiter zur Durchsage aufgefordert hatten, gewertet. Mit der Äußerung habe der Angeklagte gerade diese konkreten Personen öffentlich verunglimpfen wollen. Es handle sich, da kein sachlicher Bezug zu einer beanstandungswürdigen Diensthandlung oder sonstigen Verfehlung der Beamten erkennbar sei, um eine bloße Schmähkritik (UA S. 12). Eine vorsorglich vorgenommene Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Angeklagten und dem Persönlichkeitsrecht der Beamten ergebe zudem keine überwiegende Schutzwürdigkeit der Meinungsäußerungsfreiheit (UA S. 13).
4. Der Schuldspruch begegnet wegen des Äußerungskontextes im konkreten Einzelfall durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Revisionsgericht hatte seiner sachlich-rechtlichen Prüfung insoweit die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für die Strafbarkeit einer Äußerung nach § 185 StGB geltenden Maßstäbe zugrunde zu legen, die aus dem Grundrecht der Meinungsfreiheit des Art. 5 GG folgen (vgl. dazu Fischer, StGB, 71. Aufl. 2024, § 193 Rn. 17 ff. m.w.N.).
a) Zutreffend hat das Landgericht zunächst gesehen, dass es sich bei dem gegenständlichen Ausspruch nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um eine Meinungsäußerung handelt, die dem Schutzbereich des Art. 5 GG unterfällt. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gibt jedem das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern. Dass eine Aussage polemisch oder verletzend formuliert ist, entzieht sie nicht von vorneherein dem Schutzbereich des Grundrechts (BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 2020, 1 BvR 2397/19, NJW 2020, 2622 Rn. 12; st. Rspr. des BVerfG). Das Grundrecht selbst findet nach Art. 5 Abs. 2 GG seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen, zu denen auch § 185 StGB zählt (BVerfG a.a.O. Rn. 14; Beschluss vom 10. Oktober 1995, 1 BvR 1476/91, 1 BvR 1980/91, 1 BvR 102/92 u. 1 BvR 221/92, NJW 1995, 3303, juris Rn. 111; st. Rspr.). Der Tatbestand der Beleidigung verlangt, dass der Täter durch die gewollte Kundgabe der Missachtung, Geringschätzung oder Nichtachtung einen anderen rechtswidrig in seiner Ehre angreift (BGH, Urteil vom 15. März 1989, 2 StR 662/88, BGHSt 39, 36, 145, 148 = NJW 1989, 3028; BayObLG, Beschluss vom 20. Oktober 2004, 1 StRR 153/04, NJW 2005, 1291).
b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erweist sich die vom Landgericht vorgenommene Auslegung, die Durchsage stelle eine persönliche Verunglimpfung der beiden Polizeibeamten dar, als zumindest unvollständig. Es handelt sich vielmehr um eine mehrdeutige Äußerung, bei der ein anderer – strafloser – Aussagegehalt, nämlich die Äußerung einer Kritik an polizeilichen Anordnungen und Maßnahmen ohne Herabwürdigung der handelnden Personen, zumindest nicht aus-geschlossen werden kann.
aa) Voraussetzung jeder rechtlichen Würdigung von Meinungsäußerungen ist, dass ihr Sinn zutreffend erfasst wird (BVerfG, Beschluss vom 24. November 2023, 1 BvR 1962/23, NJW 2024, 745 Rn. 4; NJW 1995, 3303, 3305, juris Rn. 124; Beschluss vom 9. Februar 2022, 1 BvR 2588/20, NJW 2022, 1523 Rn. 21). Maßgebend ist dabei weder die subjektive Absicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis des Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums hat (BVerfG a.a.O.). Demgemäß sind weder die Aussage der Beamten, sie hätten sich direkt angesprochen und beleidigt gefühlt (UA S. 6), noch die Einlassung des Angeklagten, er habe nicht die konkreten Beamten, sondern die polizeilichen Maßnahmen insgesamt kritisieren wollen (UA S. 5), jeweils allein ausschlaggebend.
Bei der Auslegung ist stets vom Wortlaut der Äußerung auszugehen, der aber den Sinn nicht abschließend festlegt. Vielmehr sind alle sprachlichen und sonstigen Begleitumstände zu berücksichtigen. Kommen mehrere Deutungen in Betracht, darf sich das Gericht nur dann für die zur Bestrafung führende entscheiden, wenn es eine straflose Deutungsvariante mit überzeugenden Gründen ausschließt (BVerfG, NJW 1995, 3303, 3305, juris Rn. 126; Beschluss vom 23. September 1993, 1 BvR 584/93, juris Rn. 17; st. Rspr.).
Die Auslegung einer Äußerung ist Sache des Tatgerichts und unterliegt nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Kontrolle. Das Revisionsgericht hat nur zu prüfen, ob die Auslegung auf einem Rechtsirrtum beruht, gegen Sprach- und Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder lückenhaft ist MünchKomm-StPO/Bartel, 2. Aufl. 2024, § 261 Rn. 355; OLG Hamm, Beschluss vom 10.Oktober 2005, 3 Ss 231/05, NStZ-RR 2007, 140).
bb) Das Landgericht hat die verfassungsrechtlichen Maßgaben zwar im Grundsatz bedacht, jedoch nicht ohne Rechtsfehler angewandt. Seine Auffassung, die Äußerung des Angeklagten könne, was „unzweifelhaft klar“ sei, „nur“ dahin verstanden werden, dass sie sich auf die beiden Polizeibeamten bezogen habe (S. 10), hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
(i) Die Deutung als herabsetzende Äußerung gegenüber den konkreten Beamten erscheint zwar möglich. Die Bezeichnung einer Person als „Nervzwerg“ ist nicht nur grob ungehörig und distanzlos, sondern kann im konkreten Kontext auch als deren Herabwürdigung verstanden werden.
(ii) Gerade bei Äußerungen gegenüber Polizeibeamten ist aber stets zu prüfen, ob die vermeintlich herabsetzende Äußerung dem einschreitenden Beamten selbst oder der Vorgehensweise der Polizei generell gilt (vgl. BeckOK StGB/Valerius, 60. Ed., Stand 01.02.2024, § 185 Rn. 25.4 m.w.N.).
Dies hat das Gericht zwar erwogen (vgl. UA S. 11), es hat aber die konkreten Umstände nicht erschöpfend gewürdigt. Es hat die Abgrenzung zu Unrecht darauf reduziert, dass der Ausdruck entweder auf die beiden konkreten Beamten oder aber auf die Polizei im Allgemeinen „irgendwo im Staat“ bezogen gewesen sein kann (UA S. 10). Dabei hat es übersehen, dass auch dann, wenn ein Vorwurf sich auf vor Ort anwesende Beamte oder selbst dann, wenn er sich auf bestimmte Beamte bezieht, er gleichwohl, je nach den Begleitumständen, als generelle Kritik an der Vorgehensweise der Polizei verstanden werden und von der Meinungsfreiheit gedeckt sein kann (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 23. September 1993, 1 BvR 584/93, juris Rn. 18: Bezeichnung von Polizeibeamten als „kassierende Bullen“; BayObLG, Beschluss vom 20. Oktober 2004, 1 St RR 153/04, NJW 2005, 1291: Polizeibeamte als „Wegelagerer“; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26. März 2003, III 2b Ss 224/02-2/03, NStZ-RR 2003, 295; „Wegelagerei“; OLG Hamm, Beschluss vom 10. Oktober 2005, 3 Ss 231/05, NStZ-RR 2007, 140: Beamte des Bundesgrenzschutzes als „Menschenjäger“).
(iii) Der Senat vermag die ergänzende Auslegung der inkriminierten Äußerung auf der Grundlage der vom Landgericht sorgfältig und umfassend getroffenen Feststellungen, die sich nicht nur aus dem Urteilsabschnitt Ziff. III (Sachverhalt), sondern aus der Gesamtheit der Urteilsgründe erschöpfend ergeben, selbst vorzunehmen. Er kann unter Berücksichtigung der erkennbaren Gesamtumstände sowie des konkreten Kontextes nicht ausschließen, dass ein unvoreingenommener und verständiger Zuhörer die Durchsage nicht als Geringschätzung konkreter Personen, sondern als generelle Kritik an der Vorgehensweise der Polizei vor Ort während der Versammlung, nämlich in Form von wiederholten Aufforderungen an die Versammlungsleitung zum Zweck der Beachtung der infektionsschutz-rechtlichen Auflagen verstehen musste.
Allein der vom Landgericht hervorgehobene enge Zusammenhang zwischen der Aufforderung durch die beiden Beamten an den Versammlungsleiter und der Durchsage des Angeklagten vermag die Auslegung, die Kritik habe allein diesen beiden Personen gegolten, nicht zu tragen. Auch der verwendete Ausdruck „Zwerge“ impliziert dies nicht zwingend, denn die Beamten waren nicht von auffällig kleiner Körpergröße (UA S. 12). Der Angeklagte hat nach den Feststellungen (UA S. 4) zudem weder gewusst, welche Beamten die Anweisung zu einer Durchsage gegeben hatten, noch hatte er nachweislich das Gespräch mit dem Versammlungsleiter gesehen (UA S. 6). Zuvor war bereits wiederholt (durch andere Beamte) die Einhaltung der infektionsschutzrechtlichen Auflagen und entsprechende Durchsagen gefordert worden (UA S. 3, 6), wovon der Angeklagte „genervt“ war (UA S. 4). Es ist nach diesen konkreten Umständen eine Deutung möglich und nicht fernliegend, dass er, für unvoreingenommene Zuhörer erkennbar, seinen allgemeinen Unmut über das polizeiliche Vorgehen als solches zum Ausdruck bringen, nicht aber konkrete Beamte verächtlich machen wollte.
(iv) Dieser Auslegung steht nicht entgegen, dass, wie das Landgericht im Rahmen der Abwägung, ob eine sog. Schmähkritik vorliegt, ausführt, „keine beanstandungswürdige Diensthandlung oder sonstige Verfehlung der Beamten erkennbar“ war (UA S. 12). Der Angeklagte kann sich auch von rechtmäßigen Diensthandlungen „genervt“, also belästigt gefühlt und diese (abfällig) kommentiert haben.
cc) In der Deutungsvariante, dass der Angeklagte die polizeilichen Maßnahmen während der Veranstaltung kritisiert hat, führt die Äußerung nicht zu einer Bestrafung, denn es fehlt bereits tatbestandsmäßig an einer Beleidigung (vgl. BayObLG NJW 2005, 1291, 1292).
Auch ein wenigstens mittelbar in der Äußerung liegender ehrverletzender Vorwurf an die Handelnden lässt sich nicht zwingend erschließen, insbesondere lässt sich dies nicht aus der Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahmen herleiten. Insoweit ist auch zu bedenken, dass es mit der Bedeutung der Meinungsfreiheit nicht vereinbar ist, die Zulässigkeit einer kritischen Äußerung danach zu beurteilen, ob die kritisierte Maßnahme des Beamten rechtmäßig oder rechtswidrig ist (BVerfG, Beschluss vom 5. März 1992, 1 BvR 1770/91, NJW 1992, 2815, 2816). Das Recht des Bürgers, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen zu kritisieren, gehört zum Kernbereich des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung (BVerfG a.a.O.; BayObLG, Beschluss vom 20. Oktober 2004, 1 StRR, 153/04, NJW 2005, 1291; st. Rspr.). Dass sich die Kritik gegen rechtmäßige Maßnahmen richtet, kann deswegen nicht die Schlussfolgerung begründen, sie sei zwangsläufig auf die handelnden Personen bezogen.
Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte, diese Auslegungsvariante zugrunde gelegt, jedenfalls gleichzeitig auch eine ehrverletzende Missachtung gegenüber den beiden zuletzt handelnden Beamten zum Ausdruck gebracht hat, lassen sich nicht sicher feststellen.
dd) Da es in einer der möglichen Auslegungsvarianten der mehrdeutigen Äußerung damit bereits an deiner tatbestandsmäßigen Tathandlung gemäß § 185 StGB fehlt, ist nicht mehr zu entscheiden, zu welchem Ergebnis eine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsschutz (vgl. UA S. 13-19), die bei einer beleidigenden Äußerung aus verfassungsrechtlichen Gründen stets vorzunehmen ist, im konkreten Fall führen würde. Der Senat weist lediglich darauf hin, dass entgegen der Annahme des Landgerichts (UA S. 12 f.) nicht von einer Schmähkritik ausgegangen werden kann. Eine solche kommt nur in Betracht, wenn eine Äußerung keinen irgendwie gearteten Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und es bei ihr im Grunde nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher geht (BVerfG NJW 2020, 2622 Rn. 19). Ein sachlicher Bezug der gegenständlichen Äußerung zum vorangegangenen dienstlichen Einschreiten der Beamten liegt aber auf der Hand.
III.
Da auszuschließen ist, dass eine neue Hauptverhandlung weitere oder neue Feststellungen zu erbringen vermag, die eine Aufrechterhaltung der Verurteilung wegen Beleidigung begründen könnten, sind das angefochtene Urteil sowie das Ersturteil aufzuheben und der Angeklagte freizusprechen (§ 353 Abs. 1, § 354 Abs. 1 StPO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO.
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