Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Entscheidungen

StPO

Sitzungspolizeiliche Maßnahme, Beschwerde, Zulässigkeit

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 27.05. 2010 4 Ws 61/10

Fundstellen:

Leitsatz: Die Beschwerde gegen sitzungspolizeiliche Maßnahmen des Vorsitzenden nach § 176 GVG ist nicht zulässig.


KAMMERGERICHT
Beschluss
Geschäftsnummer:
4 Ws 61/10
In der Strafsache gegen u.a., hier nur
gegen pp.,
zurzeit in der Justizvollzugsanstalt Moabit,
Gef.B.Nr.:,

wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

hat der 4. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin
am 27.05.2010 beschlossen:

Die Beschwerde des Angeklagten gegen die sitzungspo-lizeiliche Anordnung des Vorsitzenden der Strafkammer 501 des Landgerichts Berlin vom 19. Mai 2010 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Gründe:
Bei dem Landgericht ist derzeit ein Strafverfahren anhängig, in welchem dem Beschwerdeführer unter anderem vorgeworfen wird, sich gemeinsam mit den beiden Mitangeklagten des bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen (Heroin und Kokain) schuldig gemacht zu haben. Die Ermittlungen, die unter anderem zur Sicherstellung von knapp 75 kg eines Heroingemischs mit einem durchschnittlichen Wirkstoffgehalt von rund 47 Gewichtsprozent Diazetylmorphin an der türkisch-bulgarischen Grenze führten (Fall II.4. der Anklage) und in die Anklageerhebung mündeten, wurden aufgrund des Hinweises einer Vertrauensperson des Bun-deskriminalamtes, der von der Staatsanwaltschaft Berlin die Geheimhaltung ihrer Identität zugesichert worden war, einge-leitet. Die Hauptverhandlung dauert an.

Mit Sicherungsverfügung vom 19. Mai 2010 hat der Vorsitzende der erkennenden Strafkammer für die Sitzung am 28. Mai 2010, in der die als besonders gefährdet eingeschätzte (ehemalige) Vertrauensperson als – nunmehr namentlich bekannter und gela-dener – Zeuge vernommen werden soll, umfangreiche Anordnungen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung der Hauptver-handlung getroffen.

Mit der Beschwerde seiner Verteidiger vom 20. Mai 2010 wendet sich der Angeklagte gegen die genannte Verfügung, soweit mit ihr den Bediensteten des Bundeskriminalamtes, die sich zum Zwecke des Zeugenschutzes im Sitzungssaal aufhalten werden, gestattet worden ist, verdeckt (Schuss-)Waffen zu tragen.

Das Rechtsmittel, dem der Kammervorsitzende nicht abgeholfen hat, hat keinen Erfolg.

1. Die Beschwerde ist unzulässig. Bei der angegriffenen Anord-nung des Vorsitzenden der Strafkammer handelt es sich um eine in richterlicher Unabhängigkeit getroffene sitzungspolizeiliche Maßnahme gemäß § 176 GVG, die nach ganz überwiegender Auf-fassung in Literatur und Rechtssprechung der gesonderten An-fechtung mit der Beschwerde nach § 304 StPO grundsätzlich ent-zogen ist (vgl. BGH NJW 1962, 1260; OLG Zweibrücken StV 1988, 519; OLG Hamburg NJW 1976, 1987; jeweils m.w.Nachw.). Dies folgt aus § 181 GVG, wonach (nur) gegen die Festsetzung eines Ordnungsmittels wegen Ungebühr in der Sitzung (§ 178 GVG) oder bei der Vornahme von Amtshandlungen des einzelnen Richters au-ßerhalb der Sitzung (§ 180 GVG) – sofortige - Beschwerde zum Oberlandesgericht eingelegt werden kann. Gegen sonstige Maß-nahmen der Sitzungspolizei ist die Beschwerde dagegen gesetz-lich nicht vorgesehen.

2. Es besteht auch weder grundsätzlich noch im vorliegenden Fall ein Bedürfnis für die Eröffnung des Beschwerdeweges.

a) Anordnungen, die in Verfahrensrechte eines Beteiligten ein-greifen, sind jenseits des Beschwerdeweges überprüfbar. Denn soweit sitzungspolizeiliche Maßnahmen die Verteidigung des An-geklagten unzulässig beschränken, die wahrheitsgemäße Ermitt-lung des Sachverhalts gefährden oder die Grundsätze über die Öffentlichkeit verletzen, ist ihre Rügefähigkeit im Rahmen der Revision – soweit eine Maßnahme trotz ihrer sitzungspolizeili-chen Natur Sachleitung ist, nach Beanstandung der Anordnung des Vorsitzenden und Herbeiführung einer Entscheidung des Gerichts nach § 238 Abs. 2 StPO – anerkannt (vgl. BGH NStZ 2008, 582; NJW 1962, 1260).

Inwieweit die beanstandete Anordnung des Kammervorsitzenden im Zusammenhang mit der Anfechtung der Endentscheidung gerügt werden kann, ist hier jedoch nicht zu entscheiden. Ein – etwa von dem Beschwerdeführer angefochtenes - Urteil liegt noch nicht vor. Zudem haben seine Verteidiger ihre Eingabe vom 20. Mai 2010 ausdrücklich als Beschwerde bezeichnet.

b) Der angefochtenen sitzungspolizeilichen Maßnahme kommt auch keine über die Dauer der Hauptverhandlung oder gar über die Rechtskraft des Urteils hinausgehende Wirkung zu. Ein Ausnah-mefall, in dem Grundrechte oder andere Rechtspositionen des von einer sitzungspolizeilichen Maßnahme Betroffenen über die Hauptverhandlung hinaus dauerhaft tangiert und beeinträchtigt werden würden, so dass ein Bedürfnis für die ausnahmsweise An-nahme der Zulässigkeit der Beschwerde bestünde, liegt nicht vor (vgl. LG Ravensburg NStZ-RR 2007, 348 m.w.Nachw.). Vielmehr erledigt sich die Wirkung der beanstandeten Anordnung mit dem Ende der Sitzung, für die sie getroffen worden ist, mithin sogar vor Ende der Hauptverhandlung.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Einsender:

Anmerkung:


zurück zur Übersicht

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".