Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamburg, Urteil vom 12.12.2024 - 5 ORs 21/24
Eigener Leitsatz:
1. Unterhalb der Schwellenwerte des § 34 Abs. 1 Nr. 12 KCanG kommt es für die Straflosigkeit des Erwerbs von Cannabis zum Eigenverbrauch nicht darauf an, ob der Bezug aus einer legalen oder illegalen Quelle erfolgte. Eine Einschränkung der Straflosigkeit nur auf legale Bezugsquellen widerspräche dem Wortlaut des § 34 Abs. 1 Nr. 12 KCanG und verstieße zudem gegen den Grundsatz "nullum crimen sine lege" (Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB).
2. Der Anwendungsbereich des § 261 StGB ist dahingehend einzuschränken, dass der Erwerb und Besitz von Cannabis unterhalb der Schwellenwerte von § 34 Abs. 1 Nrn. 1, 12 KCanG nicht zu einer Geldwäschestrafbarkeit führt. Eine solche teleologische Reduktion des § 261 StGB ist erforderlich, um die Entkriminalisierungsabsicht des Gesetzgebers zu beachten.
In pp.
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil der Kleinen Strafkammer 14 des Landgerichts Hamburg vom 30. April 2024 wird verworfen.
2. Die Kosten des Revisionsverfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
I.
Mit Anklage vom 26. Januar 2023 wurden dem Angeklagten B. und dem bereits rechtskräftig verurteilten Mitangeklagten S. das gemeinschaftliche Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Last gelegt.
Das Amtsgericht Hamburg-St. Georg, Abteilung 947 als Schöffengericht, hat beide Angeklagte am 22. November 2023 jeweils wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln schuldig gesprochen und gegen den Angeklagten B. auf eine Geldstrafe in Höhe von achtzig Tagessätzen zu je zwanzig Euro erkannt, während es den Angeklagten S. unter Vorbehalt der Verurteilung zu einer Geldstrafe von einhundertzwanzig Tagessätzen zu je acht Euro verwarnt hat.
Gegen dieses Urteil legte einzig der Angeklagte B. form- und fristgerecht Berufung ein. Das Landgericht hat die erstinstanzliche Entscheidung mit Urteil vom 30. April 2024 aufgehoben und den Angeklagten freigesprochen.
Nach den Feststellungen des Landgerichts verwahrten die zunächst gemeinsam Angeklagten B. und S. am 24. Mai 2021 gegen 20:26 Uhr in der von ihnen zusammen bewohnten Wohnung an der Anschrift A. in H. insgesamt 1.047,13 g netto Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt zwischen 2,52% und 3,0% und damit einer Gesamtwirkstoffmenge von 26,09 g THC. Davon verwahrte der Angeklagte B. in der Küche insgesamt 29,15 g netto Marihuana zum Eigenkonsum. Die übrige Menge Marihuana wurde dem Angeklagten S. zugeordnet. Eine betäubungsmittelrechtliche Erlaubnis lag nicht vor. Der Angeklagte B. war zum Tatzeitpunkt fünfunddreißig Jahre alt und verwahrte nach den Feststellungen 29,15 g Marihuana zum persönlichen Eigenkonsum an seinem Wohnsitz.
Gegen den Freispruch richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Dem hat sich die Generalstaatsanwaltschaft angeschlossen. Es wird beantragt, das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kleine Strafkammer 14 vom 30. April 2024 mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere Kleine Strafkammer des Landgerichts Hamburg zurückzuverweisen.
Der Verteidiger beantragt, die Revision der Staatsanwaltschaft zu verwerfen
II.
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Kammer hat den Angeklagten im Ergebnis zutreffend von den Tatvorwürfen der Anklage freigesprochen.
1. Bezüglich einer etwaigen Strafbarkeit wegen des Besitzes von Cannabis ist der lex-mitior-Grundsatz (§ 2 Abs. 3 StGB) heranzuziehen: Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.
a) Am 1. April 2024 ist das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz - KCanG) vom 27. März 2024 in Kraft getreten (BGBl. 2024 I Nr. 109). Nach der Neuregelung unterfällt Cannabis nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz, sodass sich die Strafbarkeit der hier zu beurteilenden Tat nach dem Konsumcannabisgesetz bestimmt. Dabei ist Marihuana als Bestandteil der Cannabispflanze (§ 1 Nr. 4 KCanG) vom Begriff Cannabis umfasst, § 1 Nr. 8 KCanG. Ob das Tatzeitrecht oder das neue Recht nach dem KCanG für den Angeklagten günstiger und damit gemäß § 2 Abs. 3 StGB zur Anwendung zu bringen ist, richtet sich nach einem konkreten Gesamtvergleich im Einzelfall (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschl. v. 11. September 2024 – 3 StR 261/24, juris Rn. 10; Beschl. v. 7. August 2024 – 3 StR 278/24, juris Rn. 13; Beschl. v. 26. Juni 2024 – 3 StR 201/24, juris Rn. 7; BGHSt 67, 130 Rn. 12 f. m.w.N.; Beschl. v. 14. Oktober 1982 - 3 StR 363/82, NStZ 1983, 80; Fischer, StGB, 72. Aufl., § 2 Rn. 8 f.). Der Vergleich zwischen § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG und § 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG zeigt, dass Letzteres das mildere Gesetz ist. Denn nach diesem beginnt die Strafbarkeit des Besitzes von Cannabis erst ab einer Grenze von mehr als 30 g.
b) Dies steht auch nicht im Widerspruch mit dem Recht der Europäischen Union. Nach Artikel 2 Absatz 1 des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI des Rates vom 25.10.2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels (ABl. L 335 S. 8), der zuletzt durch Artikel 1 Richtlinie (EU) Nr. 2021/802 (ABl. L 178 v. 12. März 2021, S. 1) geändert worden ist ("Rahmenbeschluss 2004") sind das Ein- und Ausführen, Herstellen, Zubereiten, Anbieten, Verkaufen, Liefern von Drogen, zu denen auch Cannabis gehört, durch die Mitgliedstaaten unter Strafe zu stellen. Das Besitzen oder Kaufen von Drogen ist nur dann unter Strafe zu stellen, wenn dies deshalb erfolgt, um eine der im Satz zuvor genannten Handlungen zu begehen (Art. 2 Abs. 1c des Rahmenbeschlusses). Im Übrigen ist der Anwendungsbereich dann nicht nach Art. 2 Abs. 2 dieses Rahmenbeschlusses eröffnet, wenn die Taten durch die Täter "ausschließlich für ihren persönlichen Konsum im Sinne des nationalen Rechts begangen" wurden.
c) Damit ist das neue Recht für den Angeklagten günstiger als das Tatzeitrecht. Der Angeklagte ist wegen des Besitzes von 29,15 g Marihuana zum Eigenkonsum wegen Unterschreitung des Schwellenwertes nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG nicht nach dieser Vorschrift strafbar.
2. Die Prüfung des Revisionsgerichts umfasst auf die allgemeine Sachrüge hin jedoch auch die Frage, ob das Recht auf den festgestellten Sachverhalt richtig angewendet worden ist und ob die Urteilsfeststellungen hierfür eine tragfähige Grundlage bieten (BGHSt 14, 162 = NJW 1960, 1397; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 337 Rn. 21 m.w.N.).
a) Der durch die zugelassene Anklage abgegrenzte Prozessstoff ist unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten auf seine Strafbarkeit hin zu untersuchen. Der Ausgangspunkt der Prüfung ist dabei die prozessuale Tat im Sinne des § 264 StPO, die damit auch die Grenzen der tatrichterlichen Kognitionspflicht bestimmt (BGH, Urt. v. 14. November 2024 – 3 StR 189/24, juris Rn. 52). Die Kognitionspflicht gebietet es, dass der – durch die zugelassene Anklage abgegrenzte – Prozessstoff durch vollständige Aburteilung des einheitlichen Lebensvorgangs erschöpft wird, wobei das Tatgericht alle in Betracht kommenden Strafvorschriften – ohne Bindung an die in Anklage und Eröffnungsbeschluss aufgeführten Strafnormen – zu prüfen hat (vgl. nur BGH, Urt. v. 5. November 2024 – 5 StR 599/23, juris Rn. 31; BGHSt 22, 105 (106) = NJW 1968, 901 (902); BGHSt 32, 84 (85) = NStZ 1984, 129; BGH, Urt. v. 29. Oktober 2009 – 4 StR 239/09 = NStZ 2010, 222 (223); BGH, Urt. v. 24. Oktober 2013 – 3 StR 258/13 = NStZ-RR 2014, 57; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 264 Rn. 27 m.w.N.).
b) Dies umfasst bei der Dauerstraftat des Besitzes auch die Handlungen zur Begründung der Sachherrschaft über das Cannabis wie den Erwerb oder das Sich-Verschaffen. Denn diese Handlungsformen stellen einen tatbestandserheblichen Tatbeitrag zum Dauerdelikt des Besitzes dar und befinden sich dazu in einer sachlich-rechtlichen Idealkonkurrenz nach § 52 StGB (Fischer, StGB, 72. Aufl., Vorbem. §§ 52 ff. Rn. 60; Weber/Kornprobst/Maier/Weber, BtMG, 6. Aufl., Vorbem. §§ 29 ff. Rn. 577). Damit handelt es sich auch um dieselbe prozessuale Tat nach § 264 StPO (zum Verhältnis zwischen prozessualem und materiell-rechtlichem Tatbegriff BGH, Beschl. v. 24. Mai 2022 – 2 StR 394/21, juris Rn. 11 m.w.N.), sodass sich die tatrichterliche Kognitionspflicht (und die Feststellung einer Verletzung derselben) auch auf solche Tatbeiträge erstreckt (vgl. BGH, Urt. v. 26. September 2024 – 4 StR 115/24, juris Rn. 18).
3. Eine Strafbarkeit wegen des Erwerbs oder der Entgegennahme von Cannabis nach dem zum Tatzeitpunkt geltenden § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG scheidet wegen des lex-mitior-Grundsatzes nach § 2 Abs. 3 StGB aus. Die durch das KCanG geschaffene neue Rechtslage ist wiederum die gegenüber dem Tatzeitrecht für den Angeklagten günstigere Rechtslage.
a) Der Erwerb und die Entgegennahme ist nun in § 34 Abs. 1 Nr. 12 KCanG geregelt. Nach dieser Vorschrift können nach Nr. 12a) bis zu 25 g pro Tag und nach Nr. 12b) bis zu 50 g im Monat straffrei erworben beziehungsweise entgegengenommen werden. Zwar liegt die dem Angeklagten zugeordnete Menge von 29,15 g Marihuana über der Grenze der täglich straffrei erwerb- und entgegennehmbaren Menge nach § 34 Abs. 1 Nr. 12a) KCanG, aber unter dem Schwellenwert nach § 34 Abs. 1 Nr. 12b) KCanG.
Es wurden keine Feststellungen dazu getroffen, ob die dem Angeklagten zugeordnete Menge durch diesen an einem Tag erworben oder entgegengenommen wurden oder nicht. Dies kann hier auch dahinstehen, da jedenfalls der Schwellenwert nach § 34 Abs. 1 Nr. 12b) KCanG unterschritten wurde.
b) Einer Anwendung des lex-mitior-Grundsatzes stünde auch nicht die Überlegung entgegen, dass ein Erwerb beziehungsweise die Entgegenahme nur aus einer illegalen Quelle erfolgt sein könne, da zum Tatzeitpunkt keine legalen Erwerbsmöglichkeiten von Cannabis aus Eigenanbau oder Anbauvereinigungen (vgl. § 2 Abs. 3 KCanG) existierten. Eine Auslegung dahingehend, dass nur der Erwerb oder die Entgegennahme aus legalen Quellen straffrei sein soll, ist nicht mit dem Wortlaut des § 34 Abs. 1 Nr. 12 KCanG vereinbar. Dieser differenziert nicht danach, ob der Erwerb oder die Entgegennahme aus legalen oder illegalen Quellen erfolgt.
Eine Anwendung dieser Vorschrift nur auf den Erwerb aus legalen Quellen mit der Folge der Strafbarkeit auch bei Unterschreiten der Schwellenwerte des § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 12 KCanG würde dem Grundsatz "nullum crimen sine lege" (Keine Strafe ohne Gesetz – Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB) widersprechen. Denn die Zufügung eines zusätzlichen Tatbestandsmerkmals in eine Strafausschließungsvorschrift hätte eine verfassungswidrige Ausdehnung der Strafbarkeit zur Folge. Unterhalb der Schwellenwerte – wobei es für den hier zu entscheidenden Fall nicht auf die Einordung als strafrechtliche Freigrenze (vgl. BGH, Beschl. v. 12. Juni 2024 – 1 StR 105/24, juris Rn. 22 ff. mit zust. Bespr. Lichtenthäler, FD-StrafR 2024, 817914) oder Freibetrag (BGH, Beschl. v. 24. April 2024 – 4 StR 50/24, juris Rn. 13 ff.) ankommt – liegt eine sog. Bereichsausnahme des Tatbestandes vor (Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., KCanG, § 34 Rn. 170), was dogmatisch einem Strafausschließungsgrund gleichkommt.
4. Ein Verschaffen von Cannabis ist jedoch auch nach der neuen Rechtslage nach § 34 Abs. 1 Nr. 11 KCanG strafbar, ohne dass dort – wie bei § 34 Abs. 1 Nr. 12 KCanG – Schwellenwerte enthalten sind.
a) Der Gesetzgeber hat die Tathandlungen des § 34 Abs. 1 KCanG ausdrücklich an die Begrifflichkeiten des Betäubungsmittelgesetzes angelehnt (BT-Drs. 20/8704, S. 94; BGH, Beschl. v. 7. August 2024 – 3 StR 278/24, juris Rn. 7). Damit ist der Ausgangspunkt zur Bestimmung des Bedeutungsgehaltes der Tathandlung des Verschaffens nach § 34 Abs. 1 Nr. 12 KCanG die betäubungsmittelrechtliche Auslegung der Verschaffenshandlung nach § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG. Ein Sich-Verschaffen liegt im Sinne des BtMG vor, wenn der Täter die tatsächliche Verfügungsgewalt über ein Betäubungsmittel auf andere Weise als beim Erwerb oder dem Entgegennehmen erlangt, also ohne Rechtsgeschäft, insbesondere auf strafbarem Weg durch Diebstahl, Unterschlagung, Betrug, Raub oder (räuberische) Erpressung (Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., KCanG, § 34 Rn. 161; BeckOK-BtMG/Hollering/Köhnlein, Stand: 15. September 2024, KCanG, § 34 Rn. 215.2; MK-StGB/Oğlakcıoğlu, BtMG, 4. Aufl., § 29 Rn. 998, 1000; Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 29 Rn. 1258). Deshalb ist bei der Übertragung des Bedeutungsgehalts auf das KCanG davon auszugehen, dass unter dem Sich-Verschaffen im Sinne der § 34 Abs. 1 Nr. 11 KCanG ein den Erwerb und die Entgegennahme ausschließendes sonstiges Sich-Verschaffen wie in § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtmG zu verstehen ist, auch um ein Leerlaufen der Schwellenwerte des § 34 Abs. 1 Nr. 12 KCanG zu vermeiden (vgl. hierzu Weiß, wistra 2024, 225, 227).
b) Zur Frage, auf welche Art und Weise der Angeklagte in den Besitz des Marihuanas gekommen ist, wurden keine Feststellungen getroffen, sodass insbesondere auch keine Anhaltspunkte für ein etwaiges strafbares Erlangen der Verfügungsgewalt über das Marihuana durch Diebstahl, Unterschlagung, Betrug, Raub oder (räuberische) Erpressung gegeben ist. Nach Überzeugung des Senats ist hierzu auch bei einer weiteren Verhandlung keine weitere Aufklärung mehr zu erwarten, sodass nicht von einem Verschaffen im Sinne von § 34 Abs. 1 Nr. 11 KCanG auszugehen ist.
5. Mit Blick auf eine Strafbarkeit nach § 261 StGB wegen Geldwäsche ist der Senat zu der Auffassung, dass die Reichweite dieser Vorschrift vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Zielsetzung des neuen KCanG teleologisch zu reduzieren ist.
a) Wegen Geldwäsche macht sich insbesondere strafbar, wer einen Gegenstand, der aus einer rechtswidrigen Tat herrührt, sich oder einem Dritten verschafft (Nr. 3) oder verwahrt oder für sich oder einen Dritten verwendet, wenn er dessen Herkunft zu dem Zeitpunkt gekannt hat, zu dem er ihn erlangt hat (Nr. 4). Insbesondere können seit der im Jahr 2021 erfolgten Erweiterung des Geldwäschetatbestandes auf rechtswidrige Vortaten aller Art (sog. all-crimes-Ansatz, vgl. BT-Drs. 19/24180, S. 1f.) auch jedwede Betäubungsmitteltaten Anknüpfungspunkt einer Geldwäsche sein.
b) Als geldwäschetauglicher Gegenstand kommt grundsätzlich jeder vermögenswerte Gegenstand in Betracht (Fischer/Lutz, StGB, 72. Aufl., § 261 Rn. 10). Dies gilt selbst für Betäubungsmittel, deren Besitz verboten ist (und damit erst recht für Cannabis unterhalb der Schwellenwerte des § 3 KCanG), da diese nach der wirtschaftlichen Betrachtungsweise einen faktischen Marktwert haben (so in st. Rspr. z.B. BGH, Urt. v. 16. August 2017 – 2 StR 335/15, juris Rn. 22).
c) Das Verschaffen im Sinne des § 261 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB setzt lediglich voraus, dass der Täter aufgrund einer Übertragungshandlung im Einverständnis mit dem Vortäter eine eigene tatsächliche Verfügungsgewalt über den bemakelten Gegenstand erwirbt mit der Folge, dass der Vortäter jede Möglichkeit verliert, auf die Sache einzuwirken (MK-StGB/Neuheuser, 4. Aufl., § 261 Rn. 81). Trotz des gleichen Wortlautes sind die Anforderungen an diese Tathandlung zur Erfüllung des Geldwäschetatbestandes damit nicht im Gleichlauf mit den Anforderungen an das Verschaffen nach § 34 Abs. 1 Nr. 11 KCanG auszulegen, welcher neben der Nr. 12 nur bei einer Begründung der Verfügungsgewalt gegen oder zumindest ohne Einverständnis des vorherigen Inhabers der Verfügungsgewalt greift. Vielmehr entspricht der Bedeutungsgehalt der Tathandlung des § 261 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 mit dem Blick auf das KCanG den tatbestandlichen Anforderungen, die an das abgeleitete Übertragen der Verfügungsgewalt durch Erwerben oder Entgegennehmen nach § 34 Abs. 1 Nr. 12 KCanG gestellt werden (ähnlich Weiß, wistra 2024, 225, 230).
Ob mit einer weiteren Auslegung das Verschaffen im Sinne der Geldwäsche nicht nur den einverständlichen abgeleiteten Erwerb, sondern auch die Übertragung aufgrund einer Täuschung oder Drohung umfasst (vgl. BGHSt 55, 36, 52 = NJW 2010, 3730), kann hier dahinstehen. Dahingehende Feststellungen wurden weder getroffen, noch ist insoweit eine weitergehende Aufklärung zu erwarten.
d) Eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Geldwäsche gem. § 261 Abs. 1 S. 1 Nrn. 3, 4 StGB scheitert jedoch daran, dass der Tatbestand unterhalb der Schwellenwerte des § 34 Abs. 1 Nr. 12 KCanG teleologisch zu reduzieren ist.
aa) Mittels teleologischer Reduktion wird "eine im Gesetz enthaltene, nach ihrem insoweit eindeutigen Wortsinn zu weit gefasste Regel auf den ihr nach dem Regelungszweck oder dem Sinnzusammenhang des Gesetzes zukommenden Anwendungsbereich zurückgeführt" (Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1991, S. 391). Dies käme hier in Betracht, wenn der Tatbestand des § 261 StGB im Hinblick auf den Cannabiserwerb aus illegaler Herkunft planwidrig ausgeufert ist, weil die Tathandlung nicht dessen Rechtsgüter tangiert. Dabei ist die teleologische Reduktion nicht nur aufgrund des Zwecks des § 261 StGB als einzuschränkender Norm, sondern aufgrund des Zwecks anderer Normen (hier des KCanG) möglich (vgl. Lichtenthäler, wistra 2024, 353, 356, der eine solche Konstellation unter dem Begriff der "Sperrwirkung" diskutiert, aber es als naheliegend einordnet, dann die Sperrwirkung als eine besondere Form der teleologischen Reduktion anzusehen; vgl. zur teleologischen Reduktion BGH, Beschl. v. 14. August 2024 – 4 StR 135/24, juris Rn. 13 ff.; Beschl. v. 12. Januar 2021 – 3 StR 362/20, juris Rn. 21; zum Rechtsinstitut der Sperrwirkung BGH, Beschl. v. 14. Mai 2024 – 6 StR 502/23, juris Rn. 14 ff.).
bb) Eine teleologische Reduktion setzt eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus. Diese kann aus systematischer Sicht insbesondere dann angenommen werden, wenn es ansonsten zu einem völligen oder nahezu völligen Leerlaufen einer Regelung und entsprechenden Wertungswidersprüchen kommt (vgl. Lichtenthäler, wistra 2024, 353, 355 f.). Dies ist hier der Fall: Der Straftatbestand des § 261 StGB geht insoweit nach seinem Wortsinn in Bezug auf den Erwerb bzw. die Entgegennahme von Cannabis zu weit, als der Gesetzgeber diese(n) unterhalb der Schwellenwerte des § 34 Abs. 1 Nr. 12 KCanG straflos gestellt und dabei verkannt hat, dass im Falle des Erwerbs bzw. der Entgegennahme von Cannabis aus einer untersagten Quelle (z.B. Handeltreiben des Veräußerers) dennoch der Wortlaut des § 261 StGB erfüllt sein kann.
Die Gesetzesmaterialien geben keine Auskunft darüber, ob und wie der Gesetzgeber nunmehr nach dem KCanG straflose Cannabisgeschäfte aus dem Anwendungsbereich des § 261 StGB herausnehmen wollte. Die Gesetzesbegründung nimmt einzig in der hier nicht einschlägigen Konstellation der Verhinderung des Missbrauchs von Anbauvereinigungen Bezug auf eine Geldwäschestrafbarkeit (BT-Drs. 20/8704, S. 1, 104).
cc) Die durch die Strafnorm des § 261 StGB geschützten Rechtsgüter sind durch die nach dem KCanG straflos gestellten Handlungen entweder nicht oder in nicht strafwürdigem Maße berührt, sodass eine teleologische Reduktion nicht nur möglich, sondern auch notwendig ist, um Wertungswidersprüche und Friktionen mit dem KCanG zu vermeiden.
(1) Als Schutzgut des § 261 StGB wird (unter anderem) die Gewährleistung des staatlichen Zugriffs auf Vermögensgegenstände aus besonders gefährlichen Straftaten und damit die Verhinderung des Einschleusens in den legalen Finanz- und Wirtschaftskreislauf verstanden (BGHSt 50, 347 (357) = NJW 2006, 1297, 1299 Rn. 34; BGH, Urt. v. 04. Februar 2010 - 1 StR 95/09 = NJW 2010, 3730, 3734 Rn. 67). Bei Cannabis, welches ausschließlich zum persönlichen Eigengebrauch besessen wird, geht es nicht um das Einschleusen in den legalen Finanz- und Wirtschaftskreislauf, sondern dieses wird vielmehr "aus dem Verkehr gebracht" (El-Ghazi, NZWiSt 2024, 337, 343). Parallel dazu ist auch das Interesse des Staates an der Einziehung des Cannabis nicht betroffen. Denn dieses ist darauf gerichtet, illegal in den Markt gelangte Drogen zu vernichten und somit aus dem legalen Finanz- und Wirtschaftskreislauf zu entfernen (El-Ghazi, NZWiSt 2024, 337, 344).
(2) Der Gesetzgeber sieht als Schutzgut des § 261 StGB insbesondere auch die staatliche Rechtspflege und das staatliche Ermittlungsinteresse (BT-Drs. 12/989, S. 27). Auch an mehreren Stellen in der Gesetzesbegründung des KCanG wird darauf hingewiesen, dass die Vermischung oder das Einschleusen von Cannabis vom bzw. in den Schwarzmarkt verhindert werden soll (vgl. BT-Drs. 20/8704, S. 1, 68, 122f.). Auf dieses Rechtsgut der Strafrechtspflege verzichtet der Gesetzgeber – selbst unter Gefährdung des Ziels einer Eindämmung des Schwarzmarktes – jedoch in Bezug auf den Erwerb bzw. die Entgegennahme kleinerer Mengen von Cannabis, da er insoweit die Strafverfolgungsbehörden entlastet sehen will. In der Begründung zu § 34 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 8 (die jetzige Nr. 12) heißt es: "Der Besitz und Erwerb von Cannabis sind nach § 34 Absatz 1 Nummer 1 bzw. Nummer 8 erst bei Überschreiten der Menge von 25 g strafbar. Dies gilt unabhängig davon, ob das Cannabis auf dem Schwarzmarkt oder auf legalem Weg erworben wurde. Dieser Ansatz ist sachgerecht, um die Strafverfolgungsbehörden zu entlasten sowie aufwendige und unverhältnismäßige labortechnische Untersuchungen zu vermeiden" (BT-Drs. 20/8704, S. 1, 131). Ebenso geht der Gesetzgeber von der Prämisse aus, dass "konsumnahe Delikte künftig nicht mehr strafverfolgt werden ..." (BT-Drs. 20/8704, S. 68).
Diese Entkriminalisierungsintention spricht gegen eine Strafbarkeit gem. § 261 StGB (so auch Knell/Mockenhaupt, ZWH 2024, 200; Patzak/Möllinger, NStZ 2024, 321ff., für die eine Strafbarkeit gem. § 261 StGB unterhalb der Schwellenwerte des KCanG "widersinnig" ist). Ob eine solche Entlastung der Strafverfolgungsbehörden tatsächlich erreicht werden kann, ist zwar fraglich. Einerseits müssen die strafbaren Veräußerer sowieso verfolgt werden (Weiß, wistra 2024, 225, 231), während andererseits die Konsumenten aus einer Strafverfolgung rausfallen und mangels Auskunftsverweigerungsrechts (§ 55 StPO) zumindest als Belastungszeugen zur Verfügung stehen (El-Ghazi, NZWiSt 2024, 337, 344). Dieser Konflikt kann hier jedoch dahinstehen, da dem Gesetzgeber insoweit eine Einschätzungsprärogative zuzubilligen ist (vgl. BVerfG NJW 1994, 1577, 1581; ausführlich zu dieser Argumentationsfigur des Bundesverfassungsgerichts Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, 2014, 1 ff.). Innerhalb dieses Rahmens obliegt es der Einschätzung des Gesetzgebers, ob eine von ihm intendierte Entlastung der Rechtspflege auch möglich ist. Dies geht jedoch nur, wenn tatsächlich die Geldwäsche unterhalb der Schwellenwerte des KCanG ausgenommen wird.
(3) Außerdem wird als Schutzzweck von § 261 Abs. 1 S. 1 Nrn. 3, 4 StGB ebenfalls das durch die Vortat verletzte Interesse angesehen (BGH, Urt. v. 4. Februar 2010 – 1 StR 95/09 = NJW 2010, 3730, 3733 Rn. 57; Lackner/Kühl/Heger, StGB, 30. Aufl., § 261 Rn. 1; MK-StGB/Neuheuser, 4. Aufl., § 261 Rn. 9; BeckOK-StGB/Ruhmannseder, Stand: 1. November 2024, § 261 Rn. 7; Fischer/Lutz, StGB, 72. Aufl., § 261 Rn. 2). Die Gesetzeszwecke des KCanG bestehen in einem verbesserten Gesundheitsschutz (auch durch Kontrolle der Weitergabe des Konsumcannabis und Verhinderung der Weitergabe verunreinigter Substanzen), der Stärkung der cannabisbezogenen Aufklärung und Prävention, der Eindämmung des illegalen Marktes und der Stärkung des Kinder- und Jugendschutzes (vgl. BT-Drs. 20/8704, S. 1, 68).
Jedoch kann der Schutz des § 261 StGB mit Blick auf ein durch die Vortat verletztes Interesse nicht weiter reichen, als ein solcher Schutz durch die Vortatbestände des KCanG gewährt wird (zutreffend El-Ghazi, NZWiSt 2024, 343). Die Rechtsgutsakzessorietät muss auch hinsichtlich des Umfangs und der Reichweite greifen. Dass andere Straftatbestände in Verbindung mit Cannabis (z.B. § 316 StGB, § 24 StVG, § 263 StGB) bestehen bleiben und nicht durch das KCanG ausgeklammert werden (so Weiß, wistra 2024, 225, 231), ist darauf zurückzuführen, dass durch diese wiederum andere Handlungsweisen (z.B. in berauschtem Zustand ein Kraftfahrzeug führen oder über den Cannabisverkauf täuschen) als den bloßen Besitz bzw. Erwerb zum Eigenkonsum betreffen und wiederum darüber hinausgehende Rechtsgüter tangieren (z.B. Sicherheit des Straßenverkehrs oder Vermögensinteressen).
dd) Letztlich ist aus denselben Erwägungen, die zu einer tatbestandlichen Reduktion der Tathandlung des Verschaffens nach § 261 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB führen, auch von einer tatbestandlichen Reduktion der Tathandlungen des Verwahrens und Verwendens nach § 261 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB auszugehen.
(1) Da es beim Verwahren um die bewusste Ausübung des Gewahrsams geht (Fischer/Lutz, StGB, 72. Aufl., § 261 Rn. 30; MK-StGB/Neuheuser, 4. Aufl., § 261 Rn. 83), entspricht dies – zumindest regelmäßig – den tatbestandlichen Anforderungen des Besitzes von Cannabis nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG (Weiß, wistra 2024, 225, 230; Lichtenthäler, wistra 2024, 353, 354). Bei einer Anwendbarkeit des § 261 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB bei dem Verwahren von Cannabis unterhalb der Schwellenwerte des § 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG würden diese ansonsten leerlaufen.
(2) Die Tathandlung des Verwendens nach § 261 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB besteht in dem bestimmungsgemäßen Gebrauch (Fischer/Lutz, StGB, 72. Aufl., § 261 Rn. 30). Bei dem vom KCanG erfassten Konsumcannabis ist ein solcher im Eigenverbrauch zu sehen (Weiß, wistra 2024, 225, 230). Die Befürchtung, dass durch diesen Eigenverbrauch eine Vereitelung der Einziehung des Cannabis und die Schaffung eines Anreizes für eine neue Tatbegehung durch den Vortäter geschaffen wird (Weiß, wistra 2024, 225, 230) führt aus den unter 5) d) cc) zur teleologischen Reduktion des Verschaffens aufgeführten Argumenten nicht zu einer Strafbarkeit wegen Geldwäsche nach § 261 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO.
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