Gericht / Entscheidungsdatum: AG Ulm, Beschl. v. 29.01.2025 - 4 OWi 91/25
Eigener Leitsatz:
Wenn nicht einmal die vollständige Gewährung von Akteneinsicht gerichtlich festgestellt ist, kann keinesfalls ausgeschlossen werden, dass ein Einspruchsverfahren aufgrund nicht vollständiger Akteneinsicht zumindest gemäß § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt worden wäre, was der Annahme eines Falles gem. § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO entgegensteht.
4 OWi 91/25
Amtsgericht Ulm
Beschluss
In dem Bußgeldverfahren
gegen pp.
Verteidiger;
Rechtsanwalt Martin Ellinger, Vaihinger Straße 39, 70567 Stuttgart, Gz.: 1814/24 wegen OWi StVO
hat das Amtsgericht Ulm durch den Richter am Amtsgericht am 29. Januar 2025 beschlossen:
1. Auf den Antrag des Betroffenen vom 14.01.2025 auf gerichtliche Entscheidung wird die Einstellungsverfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 07.01.2025 (Aktenzeichen: 505.62.272092.7) aufgehoben gem. 62 Abs. 2 OWIG.
2. Dem Regierungspräsidium Karlsruhe wird aufgegeben, in einer neuen Einstellungsverfügung die Kosten des verwaltungsbehördlichen Bußgeldverfahrens und die entsprechenden notwendigen Auslagen des Betroffenen der Bußgeldbehörde aufzuerlegen.
3. Die Staatskasse hat die Kosten des Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung und die notwendigen Auslagen des Betroffenen dieses Verfahrens zu tragen.
Gründe
Der zulässige, insbesondere gem. § 62 Abs. 3 OWiG statthafte Antrag auf gerichtliche Entscheidung, die Einstellungsverfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 07.01.2025 (Aktenzeichen: 505.62.272092.7) aufzuheben und die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen, dem die Bußgeldbehörde nicht abgeholfen hat, ist begründet.
Dieser zulässige Antrag wurde fristgerecht gestellt und ist begründet.
1. Die Bußgeldbehörde hat das Bußgeldverfahren mit ihrer Einstellungsverfügung vom 07.01.2025 (Aktenzeichen: 505.62.272092.7) gern. den §§ 46 OWiG, 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
a) Dann hat die Bußgeldbehörde nach dem Grundsatz der §§ 46 OWiG, 467 Abs. 1 StPO nicht nur die Kosten des Bußgeldverfahrens, sondern auch die notwendigen Auslagen des Betroffenen zu tragen.
b) Eine der enumerativen Ausnahmen zu diesem gesetzlichen Grundsatz liegt offensichtlich nicht vor:
aa) Ein Fall des § 467 Abs. 2 StPO liegt offensichtlich nicht vor.
bb) Ein Fall des § 467 Abs. 3 S. 1 StPO liegt offensichtlich nicht vor.
cc) Ein Fall des § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StPO liegt offensichtlich nicht vor.
dd) Dasselbe gilt für einen Fall gem. § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO. Denn dies würde voraussetzen, dass der Betroffene wegen einer Ordnungswidrigkeit NUR wegen eines Verfahrenshindernisses nicht verurteilt wird. Dies ist hier nicht der Fall:
Die Bußgeldbehörde konnte schon deshalb nicht davon ausgehen, dass der Betroffene mit außerordentlich hoher Wahrscheinlichkeit ohne das Verfahrenshindernis der Verjährung entsprechend dem Bußgeldbescheid verurteilt worden wäre. Denn bis heute ist offenbar nicht einmal der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 28.08.2024 (BI. 71 ff. d.A.) hinsichtlich des Umfangs der Akteneinsicht durch das Amtsgericht Ulm (1 OWi 1767/24) beschieden worden. Wenn aber nicht einmal die vollständige Gewährung von Akteneinsicht gerichtlich festgestellt ist, kann keinesfalls ausgeschlossen werden, dass ein Einspruchsverfahren aufgrund nicht vollständiger Akteneinsicht zumindest gemäß § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt worden wäre.
Von daher waren die notwendigen Auslagen der Bußgeldbehörde nach dem gesetzlichen Grundsatz entsprechend § 467 Abs. 1 StPO, 46 OWiG aufzuerlegen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 62 Abs. 2 S. 2 OWiG, 467 Abs. 1 StPO.
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 62 Abs. 2 Satz 3 OWiG).
Einsender: RA M. Ellinger, Stuttgart
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