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Entscheidungen

StPO

Protokoll der Hauptverhandlung, Fertigstellung, Zustellung des Urteils, Wirksamkeit

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 07.01.2025 - 3 ORbs 330 SsBs 645/24

Eigener Leitsatz:

Ein Protokoll, dem neben dem Datum insbesondere auch die Unterschrift des Richters fehlt, ist nicht fertiggestellt. Allein die Unterschrift des Richters auf einem nicht als Anlage gekennzeichneten Beiblatt, welches lediglich den Tenor enthält, ist nicht ausreichend um einen Fertigstellungswillen hinsichtlich des gesamten Protokolls anzunehmen.


3 ORbs 330 SsBs 645/24

Oberlandesgericht Karlsruhe

3. SENAT FÜR BUSSGELDSACHEN

In dem Bußgeldverfahren
gegen pp.


Verteidiger:
Rechtsanwalt Stefan Kabus, Kaiserstraße 57, 88348 Bad Saulgau, Gz.: 23/0854-SK

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

hat das Oberlandesgericht Karlsruhe - 3. Senat für Bußgeldsachen - durch die Richterin am Landgericht als Einzelrichterin am 7. Januar 2025 beschlossen:

1. Der Beschluss des Amtsgerichts Konstanz vom 10. September 2024 wird aufgehoben.
2. Eine Sachentscheidung des Senats über die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Konstanz vom 14. Juni 2024 kann derzeit noch nicht getroffen werden.
3. Die Akten werden an das Amtsgericht Konstanz zur Fertigstellung des Protokolls über die Hauptverhandlung vom 14. Juni 2024, zur erneuten Zustellung einer Urteilsausfertigung sowie zur anschließenden erneuten Vorlage nach §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 347 StPO zurückgegeben.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil vom 14. Juni 2024 hat das Amtsgericht Konstanz gegen den - vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung entbundenen, in der Hauptverhandlung nicht erschienenen und dort auch nicht von einem Verteidiger vertretenen - Betroffenen wegen fahrlässiger Missachtung des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage eine Geldbuße in Höhe von 200,00 EUR festgesetzt und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt, wobei es Vollstreckungsaufschub nach § 25 Abs. 2 a Satz 1 StVG hinsichtlich der Verschiebung des Eintritts der Wirksamkeit des Fahrverbots .(sog. Vier-Monats-Regel) gewährte. Gegen das dem Betroffenen am 13.07.2024 und dem Verteidiger des Betroffenen am 12.07.2024 zugestellte Urteil hat dieser mit am 17.07.2024 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Rechtsbeschwerde eingelegt, die er mit Schreiben vom 16.08.2024, eingegangen am selben Tag bei Gericht, begründet hat.

Das Amtsgericht Konstanz verwarf die eingelegte Rechtsbeschwerde mit Beschluss vom 10. September 2024 als unzulässig, da das Rechtsmittel nicht innerhalb der Monatsfrist nach Zustellung der Entscheidung begründet worden sei. Der Beschluss wurde dem Verteidiger am 16.09.2024 zugestellt.

Hiergegen beantragte der Verteidiger mit Faxschreiben vom 16.09.2024 die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts herbeizuführen und führte aus, dass die Rechtsmittelbegründungsfrist am 16.08.2024 noch nicht abgelaufen gewesen sei.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragte am 25.10.2024 die Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts Konstanz vom 10. September 2024 und trug im übrigen auf Verwerfung der Rechtsbeschwerde als unbegründet an.

1. Der Verwerfungsbeschluss des Amtsgerichts Konstanz vom 10.09.2024 war aufzuheben. Mangels wirksamer Urteilszustellung wurde vorliegend weder die Rechtsbeschwerdeeinlegungs- noch die Rechtsbeschwerdebegründungsfrist in Lauf gesetzt, so dass diese auch noch nicht abgelaufen sind.

Gemäß § 79 Abs. 4 OWiG beginnt die Frist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde mit der Zustellung des Urteils, wenn es - wie hier - in Abwesenheit des Betroffenen verkündet und dieser dabei auch nicht nach § 73 Abs. 3 OWiG durch einen schriftlich bevollmächtigten Verteidiger vertreten worden ist. Die Zustellung des Urteils darf jedoch nach § 71 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 273 Abs. 4 StPO nicht erfolgen, bevor nicht das Sitzungsprotokoll fertig gestellt ist. Die Zustellung vor der Fertigstellung ist unwirksam und setzt die von der Urteilszustellung abhängigen Fristen nicht in Lauf (vgl. BGHSt 27, 80; Meyer-Goßner, StPO, 67. Aufl., § 273 Rn. 34; LR-Stuckenberg, StPO, 27. Aufl., § 273 Rn. 65; KK-Hadamitzky, OWiG, 5. Aufl., § 79 Rn. 55), mithin auch nicht die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde, da diese an die Urteilszustellung anknüpft.

Vorliegend ist das Hauptverhandlungsprotokoll noch nicht fertig gestellt.

Dabei kann dahinstehen, ob die Urteilsformel an sich noch als hinreichend protokolliert anzusehen ist, da in dem Protokoll des Amtsgerichts über die Hauptverhandlung vom 14. Juni 2024 insofern lediglich ein nicht als Anlage gekennzeichnetes Loseblatt mit der Urteilsformel in das vierseitige und ausschließlich auf der ersten Seite überhaupt ausgefüllte Protokollvordruckformular eingefügt ist; insofern heißt es zwar ausweislich des Vordrucks auf Seite 4, dass „folgendes Urteil" verkündet worden sei, sodann erfolgten jedoch keinerlei tatsächliche (nicht vorgedruckte) Ausfüllungen oder zumindest Bezugnahmen.

Dabei ist zwar in der von dem Senat geteilten obergerichtlichen Rechtsprechung und Kommentarliteratur anerkannt, dass das Protokoll grundsätzlich mit dem Vollzug der erforderlichen Unterschriften der Urkundspersonen, dem Vorsitzenden und dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (§ 271 Abs. 1 StPO), oder - wie vorliegend bei Absehen der Hinzuziehung eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle gemäß § 226 Abs. 2 StPO i. V. m. § 71 Abs. 1 OWiG - mit der Unterschrift des Richters bzw. der Richterin fertig gestellt ist, und zwar unabhängig davon, ob es unrichtig oder lückenhaft ist oder sonstige formelle Mängel aufweist (vgl. BGH, NStZ 1984, 89; LR-Stuckenberg, a. a. O., § 273 Rn. 65; KK-Greger, StPO, 9. Aufl., § 271 Rn. 8; Meyer-Goßner, a. a. O., § 271 Rn. 19).

Allerdings fehlt es vorliegend neben dem Datum auch insbesondere an der Unterschrift der Richterin, mithin ist das Protokoll überhaupt nicht unterzeichnet worden. Allein die Unterschrift auf dem nicht als Anlage gekennzeichneten Beiblatt, welches lediglich den Tenor enthält, ist nicht ausreichend um einen Fertigstellungswillen hinsichtlich des gesamten Protokolls anzunehmen.

Mit dieser Protokollierung hat das Amtsgericht Konstanz gegen die - gemäß § 71 Abs. 1 OWiG auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren geltende (vgl. Göhler-Bauer, OWiG, 19. Aufl., § 71 Rn. 55) - Vorschrift des § 273 Abs. 1 S. 1 StPO verstoßen, wonach das Protokoll die für den gesamten Protokollinhalt notwendige Unterschrift enthalten muss. Der Verstoß gegen die Protokollierungspflicht hat hier zur Folge, dass die Sitzungsniederschrift als noch nicht fertig gestellt anzusehen ist und das Urteil daher noch nicht hätte zugestellt werden dürfen.

2. War danach die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde mangels wirksamer Urteilszustellung und damit, weil an den Ablauf der Einlegungsfrist anknüpfend, auch die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerdeanträge und deren Begründung (§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG i. V. m. § 345 Abs. 1 StPO) noch nicht in Lauf gesetzt, ist der Senat derzeit nicht befugt, über die Rechtsbeschwerde zu entscheiden, weil der Beschwerdeführer sein Rechtsmittel noch weiter, auch mit (weiteren) Verfahrensrügen begründen könnte. Bei dieser Sachlage waren die Akten an das Amtsgericht zur Fertigstellung des Protokolls über die Hauptverhandlung, zur erneuten Zustellung einer Urteilsausfertigung sowie zur anschließenden erneuten Vorlage nach §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 347 StPO zurückgegeben (vgl. Meyer-Goßner, a. a. O., § 347 Rn. 5 m. w. N.).


Einsender: RA S. Kabus, Bad Saulgau

Anmerkung:


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