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Entscheidungen

StPO

Akteneinsicht, Ermittlungsakte, Aktenführung durch die Staatsanwaltschaft, Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG

Gericht / Entscheidungsdatum: BayObLG, Beschl. v. 08.01.2025 - 204 VAs 418/24

Eigener Leitsatz:

1. Die Führung der Ermittlungsakten durch die Staatsanwaltschaft stellt keinen Justizverwaltungsakt im Sinne der §§ 23 ff. EGGVG dar.
2. Ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung noch innerhalb der gesetzlichen Ausschlussfrist des § 26 Abs. 1 EGGVG bei einer unzuständigen Justizbehörde eingegangen, ist diese aufgrund der ihr obliegenden dem Gebot des fairen Verfahrens entspringenden Fürsorgepflicht verpflichtet, den Antrag an die zuständige Justizbehörde weiterzuleiten, jedoch nur, wenn die Unzuständigkeit ohne weiteres erkennbar und die rechtzeitige Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang möglich ist. Unterbleibt dies, ist dem Antragsteller Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
3. Ein eine Wiedereinsetzung hinderndes, dem Antragsteller zuzurechnendes Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten kann auch dann vorliegen, wenn die angefochtene Entscheidung keine Rechtsbehelfsbelehrung enthält. Ohne Rechtsbehelfsbelehrung ist kein Vertrauenstatbestand geschaffen; eine rechtskundige Person muss selbst für die Einhaltung gesetzlicher Fristen sorgen.
4. Gewährt die Staatsanwaltschaft vor dem Abschluss der Ermittlungen anderen Mitbeschuldigten unbeschränkte Einsicht in die Ermittlungsakten, kann ein Beschuldigter die Rechtmäßigkeit der Akteneinsichtsgewährung nicht im Wege der §§ 23 ff. EGGVG vom Bayerischen Obersten Landesgericht überprüfen lassen, sondern in analoger Anwendung des § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO nur vom nach § 162 StPO zuständigen Gericht. Das Verfahren ist insoweit von Amts wegen dorthin abzugeben.


Bayerisches Oberstes Landesgericht
204 VAs 418/24

In der Justizverwaltungssache
pp.

wegen Antrags auf gerichtliche Entscheidung (Beanstandung der Aktenführung durch die Staatsanwaltschaft Würzburg)

erlässt das Bayerische Oberste Landesgericht - 4. Strafsenat - durch die unterzeichnenden Richter am 8. Januar 2025 folgenden

Beschluss

1. Das Verfahren wird zur Entscheidung in eigener Zuständigkeit an das Amtsgericht Würzburg - Ermittlungsrichter - abgegeben, soweit der Antragsteller mit Schreiben vom 24. Juli 2024 beantragt hat, festzustellen, dass die im Verfahren der Staatsanwaltschaft Würzburg (Az.: 731 Js 2499/24) gewährte Akteneinsicht an die Verteidiger der Mitbeschuldigten rechtswidrig sei (= Teilantrag unter Ziffer 1), und sämtliche Empfänger, die im Wege der Akteneinsicht die Beweismittelordner erhalten haben, anzuweisen, die bislang versendete CD mit den Beweismittelbänden an die Staatsanwaltschaft Würzburg im Original zurückzusenden und die unwiderrufliche Löschung der Datei „Band 5 2719 bis 2789.pdf“ (Datenlöschung) zu bestätigen, und die Staatsanwaltschaft zu verpflichten, von allen Empfängern eine Bestätigung einzuholen, dass die Inhalte dieser Datei dem jeweiligen Adressaten im Anschluss nicht mehr zugänglich sind und insbesondere keine digitalen Kopien jeglicher Art sowie keine Ausdrucke in physischer Form vorliegen (= Antrag in Ziffer 4).
2. Im Übrigen, also hinsichtlich des vom Antragsteller mit Schreiben vom 24. Juli 2024 unter Ziffer 1 gestellten Teilantrags, festzustellen, dass im Verfahren der Staatsanwaltschaft Würzburg (Az.: 731 Js 2499/24) die Art und Weise der Aktenführung den Antragsteller in seinen Rechten verletze, und hinsichtlich der unter Ziffer 2 und 3 gestellten Anträge wird der Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig zurückgewiesen.
3. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, soweit seine Anträge zurückgewiesen wurden.
4. Der Geschäftswert wird auf 5.000,00 € festgesetzt. Hiervon entfallen auf die zurückgewiesenen Anträge 2.500 €.
5. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

A.

Die Staatsanwaltschaft Würzburg führt gegen den Antragsteller sowie 23 Mitbeschuldigte unter dem Aktenzeichen 731 Js 2499/24 ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Begehung von Vergehen nach dem Wertpapierhandelsgesetz.

Mit Schreiben seines dortigen Verteidigers (und hiesigen Verfahrensbevollmächtigten) vom 18.06.2024 stellte er zuletzt gegenüber der Staatsanwaltschaft Würzburg die Anträge,

1. den Vorgang zu Herrn B. vom o.g. Ermittlungsverfahren abzutrennen und unter einem eigenen Aktenzeichen zu führen;
2. die Blätter 2733 bis 2789 ersatzlos aus dem Beweismittelordner „Anzeige Band 5“ zu entnehmen sowie gleichzeitig die diesbezügliche pdf-Datei mit dem Namen „Band 5 2719 bis 2789.pdf“ um die entsprechenden Blätter zu reduzieren;
3. sämtliche Empfänger anzuweisen, die im Wege der Akteneinsicht die Beweismittelordner erhalten haben, die bislang versendete CD mit den Beweismittelbänden an die Staatsanwaltschaft Würzburg zurückzusenden und die unwiderrufliche Löschung der Datei „Band 5 2719 bis 2789.pdf“ (Datenlöschung) zu verfügen. Gleichzeitig hole die Staatsanwaltschaft von allen Empfängern eine Bestätigung ein, dass die Inhalte dieser Datei dem jeweiligen Adressaten im Anschluss nicht mehr zugänglich sind und insbesondere keine digitalen Kopien jeglicher Art sowie keine Ausdrucke in physischer Form mit den Inhalten vorliegen.

Der Antragsteller macht geltend, die vorgenannte Aktenführung sowie die Gewährung von Akteneinsicht in dieser Form an Mitbeschuldigte verletzten ihn in seinem grundrechtlich geschützten Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Die von der Staatsanwaltschaft erhobenen Tatvorwürfe richteten sich gegen insgesamt 24 Beschuldigte, die (überwiegend) in keiner Beziehung zueinander bzw. - bis auf zwei Kinder - zum Antragsteller stehen. In den Ermittlungsakten und Beweismittelbänden fänden sich zu allen Beschuldigten Informationen, die überwiegend der Privatsphäre, in Teilen sogar der Intimsphäre zuzuordnen seien und deshalb durch das o.g. Grundrecht geschützt seien. Für den Antragsteller beziehe sich dies auf folgende Informationen:
- persönliche Wohnadresse sowie individuelle Gegebenheiten am Zweitwohnsitz, seinem höchstpersönlichen Rückzugsort;
- Renteninformationen zu den Zahlungen durch das Versorgungswerk;
- steuerrelevante Informationen in Form von monatlichen Mieteinnahmen, Lohnzahlungen an Mitarbeiter, Entnahmen aus der Anwaltskanzlei, Vorauszahlungen an das Finanzamt sowie grunderwerbssteuerrechtliche Vorgänge;
- Spenden an gemeinnützige Organisationen und Stiftungen;
- Zahlungen an Ärzte;
- Ausschüttungen von Beteiligungen sowie Auflistung sämtlicher bestehender Beteiligungen;
- Kosten von Privatreisen;
- monatliche Zahlungen an seine Ehefrau.

Es handele sich um personenbezogene Daten im Sinne des Art. 4 Nr. 1 DSGVO (unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 24.02.2022 - C-175/20), die mindestens die Privatsphäre des Antragstellers beträfen. Gleichzeitig fänden sich detaillierte Informationen zu den Aktienkäufen und -verkäufen des Antragstellers in den Akten, die keinerlei Bezug zu den verfahrensrelevanten Aktien der Fa. H. hätten.

Durch die einheitliche Aktenführung seien diese Daten alleine durch die gewährten Anträge auf Akteneinsicht bereits den 23 anderen Beschuldigten sowie deren Verteidigern bekannt.

Die Staatsanwaltschaft Würzburg hat mit dem auf ihrer Verfügung vom 01.07.2024 beruhenden Schreiben an den Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers vom 08.07.2024 (1) den Anträgen vom 18.06.2024 unter Hinweis auf das umfassende Akteneinsichtsrecht der Verteidiger der Mitbeschuldigten nicht entsprochen. Die Akteneinsicht nach § 147 StPO sei ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Nrn. 182 ff. RiStBV ausgenommen (Nr. 182 Satz 2 Nr. 1 RiStBV).

Mit im Wesentlichen gleichlautendem Schreiben vom 08.07.2024 (2) hat die Staatsanwaltschaft Würzburg dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers mitgeteilt, dass sie beabsichtige, den Verteidigern der Mitbeschuldigten O. B. und M. B. Akteneinsicht durch Überlassung elektronischer Aktenkopien zu gewähren, die die vollständigen Anlagen zur Anzeige der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) umfasst. Die Staatsanwaltschaft gewährte hierbei vor Überlassung der Akten Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen die gerichtliche Entscheidung über die Gewährung bzw. den Umfang der Akteneinsicht zu beantragen. In diesem Schreiben wies sie darauf hin, dass nach ihrer Auffassung zwar kein Rechtsbehelf gegen die Gewährung von Akteneinsicht nach § 147 StPO existiere, so dass ein entsprechender Antrag bereits unzulässig wäre, allerdings zum Teil die Möglichkeit einer analogen Anwendung des § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO gesehen werde (unter Hinweis auf OLG Stuttgart, Beschluss vom 10.03.2006 - 4 VAs 1/06 -, NJW 2006, 2565).

Beide Schreiben wurden dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 12.07.2024 zugestellt.

Mit dem an das Oberlandesgericht Bamberg gerichteten und dort am 24.07.2024 eingegangenen Antrag seines Verfahrensbevollmächtigten vom 24.07.2024 (vgl. Ermittlungsakte Bl. 556 - 587) beantragte der Antragsteller,

1. festzustellen, dass im Verfahren der Staatsanwaltschaft Würzburg (Az.: 731 Js 2499/24) die Art und Weise der Aktenführung den Antragsteller in seinen Rechten verletze und die gewährte Akteneinsicht an die Verteidiger der Mitbeschuldigten rechtswidrig sei;
die Staatsanwaltschaft Würzburg anzuweisen und zu verpflichten,
2. den Vorgang zu Herrn B. vom Verfahren der Staatsanwaltschaft Würzburg (Az.: 731 Js 2499/24) abzutrennen und unter einem eigenen (anderen) Aktenzeichen zu führen;
3. die Blätter 2733 bis 2789 der Ermittlungsakte ersatzlos aus dem Beweismittelordner „Anzeige Band 5“ zu entnehmen sowie gleichzeitig die diesbezügliche pdf-Datei mit dem Namen „Band 5 2719 bis 2789.pdf“ um die entsprechenden Blätter zu reduzieren;
4. sämtliche Empfänger anzuweisen, die im Wege der Akteneinsicht die Beweismittel erhalten haben, die bislang versendete CD mit den Beweismittelbänden an die Staatsanwaltschaft Würzburg im Original zurückzusenden und die unwiderrufliche Löschung der Datei „Band 5 2719 bis 2789.pdf“ (Datenlöschung) zu bestätigen. Gleichzeitig hole die Staatsanwaltschaft von allen Empfängern eine Bestätigung ein, dass die Inhalte dieser Datei dem jeweiligen Adressaten im Anschluss nicht mehr zugänglich sind und insbesondere keine digitalen Kopien jeglicher Art sowie keine Ausdrucke in physischer Form vorliegen.

Über die Begründung seines bereits gegenüber der Staatsanwaltschaft gestellten Antrags hinaus trägt er weiter vor, aufgrund seiner besonderen Stellung werde durch die Maßnahmen der Staatsanwaltschaft auch ein Verstoß gegen die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 GG) und den grundrechtlichen Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (Art. 12 i.V.m. Art. 14 GG) begründet. Dem Antrag lagen mehrere Anlagen, u.a. die bereits an die Staatsanwaltschaft gestellten Anträge sowie die Verfügung der Staatsanwaltschaft Würzburg vom 08.07.2024, bei.

Mit Schreiben vom 25.07.2024 übermittelte der Vorsitzende des 1. Strafsenats des Oberlandesgerichts Bamberg den Antrag vom 24.07.2024 samt Anlagen an die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg (dort eingegangen am 29.07.2024) mit der Bitte, unter Beigabe der Akten Stellung zu nehmen (Ermittlungsakte Bl. 555).

Die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg übersandte mit Schreiben vom 30.07.2024 diese Unterlagen an die Staatsanwaltschaft Würzburg (dort eingegangen am 01.08.2024), mit der Bitte um Kenntnisnahme, Beinahme zu den dort befindlichen Akten und im Anschluss um Übersendung der Akten (Ermittlungsakte Bl. 554).

Mit Schreiben vom 25.07.2024, eingegangen am selben Tag, übermittelte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers seinen an das Oberlandesgericht Bamberg gestellten Antrag vom 24.07.2024 per beA am 25.07.2024 auch unmittelbar an die Staatsanwaltschaft Würzburg (vgl. Ermittlungsakte Bl. 526 und 527 ff.).

Mit Verfügung vom 06.08.2024 teilte die Staatsanwaltschaft Würzburg gegenüber den Verteidigern weiterer Beschuldigter sowie anwaltlichen Vertretern weiterer Beteiligter mit, dass aufgrund des vorliegenden Antrags nach § 23 EGGVG Akteneinsichtsgesuche bis zu einer gerichtlichen Entscheidung zurückgestellt würden.

In der Vorlageverfügung an die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg vom 06.08.2024 führte die Staatsanwaltschaft unter anderem aus, dass Akteneinsicht an die Verteidiger grundsätzlich in die Ermittlungsakte bis zu den Durchsuchungsmaßnahmen gewährt worden sei. Die Verteidiger der Beschuldigten R. und S. hätten darüber hinaus auf ausdrückliche Anforderung weitere Unterlagen aus ihren beigefügten Fallakten, zum Teil mit Einschränkung nach § 147 Abs. 2 StPO erhalten. Dem Verteidiger des Beschuldigten R. sei auf Antrag überdies Einblick in den ihn betreffenden Sonderband Vermögensabschöpfung gewährt worden. Der Verteidiger des Beschuldigten R. B. (Anm. des Senats: Sohn des Antragstellers) habe mit ausdrücklicher Zustimmung beschränkte Akteneinsicht erhalten. Noch nicht verbeschiedene Akteneinsichtsgesuche seien zurückgestellt worden.

Mit Schreiben vom 12.08.2024 beantragte die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg gegenüber dem Oberlandesgericht Bamberg, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig zu verwerfen. Zum einen sei für Anträge nach § 23 Abs. 1 EGGVG nicht das Oberlandesgericht Bamberg, sondern das Bayerische Oberste Landesgericht zuständig, ein Hilfs-Antrag auf Verweisung dorthin liege nicht vor, zum anderen fänden §§ 23 ff. EGGVG vorliegend keine Anwendung, da nach § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO allenfalls ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung durch das nach § 162 StPO zuständige Gericht in Betracht käme, wobei es sich hierbei allerdings um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift handele.

Eine Abschrift dieses Antrags ist dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers mit Empfangsbekenntnis am 20.08.2024 zugestellt worden. Mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 21.08.2024, beim Oberlandesgericht Bamberg eingegangen am selben Tag, beantragte der Antragsteller, sollte sich das Oberlandesgericht Bamberg als unzuständig ansehen, hilfsweise die Verweisung an das zuständige Bayerische Oberste Landesgericht, und trat der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft entgegen.

Mit Beschluss vom 23.08.2024 erklärte sich das Oberlandesgericht Bamberg nicht für zuständig und verwies die Sache an das Bayerische Oberste Landesgericht.

Die Generalstaatsanwaltschaft München beantragte mit Schreiben vom 04.09.2024, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig zu verwerfen.

Hierzu nahm der Antragsteller mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 23.09.2024 Stellung.

Mit Verfügung vom 03.12.2024 wurde der Antragsteller darauf hingewiesen, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 24.07.2024 wegen Verfristung unzulässig sei. Unabhängig hiervon seien der unter Ziffer 1 dieses Schreibens gestellte Teilantrag, festzustellen, dass im Verfahren der Staatsanwaltschaft Würzburg (Az.: 731 Js 2499/24) die Art und Weise der Aktenführung den Antragsteller in seinen Rechten verletze, und die unter Ziffer 2 (und 3) gestellten Anträge auf Abtrennung des den Antragsteller betreffenden Verfahrens und auf Entnahme bestimmter Blätter aus dem Beweismittelordner bzw. Löschung der entsprechenden pdf-Dateien unzulässig, weil insoweit keine anfechtbaren Maßnahmen der Staatsanwaltschaft Würzburg zur Regelung einzelner Angelegenheiten im Sinne des § 23 Abs. 1 EGGVG zugrunde liegen.

Anders verhalte es sich hinsichtlich des Antrags festzustellen, dass die gewährte Akteneinsicht an die Verteidiger der Mitbeschuldigten rechtswidrig sei, und des damit sachlich zusammenhängenden Antrags, die Empfänger anzuweisen, die im Wege der Akteneinsicht übermittelte CD mit den Beweismittelbänden an die Staatsanwaltschaft zurückzusenden und näher bezeichnete Bestätigungen einzuholen. Hierbei handele es sich um Maßnahmen mit Regelungscharakter, da durch die Gewährung der Akteneinsicht für andere Personen - hier die Mitbeschuldigten - das Recht des Antragstellers auf informationelle Selbstbestimmung verletzt sein kann (vgl. BVerfG, Einstweilige Anordnung vom 08.10.2021 - 1 BvR 2192/21 -, NJW 2021, 3654, juris Rn. 13). Hierfür sei aber, da es sich um prozessrechtliche Verfahrenshandlungen der Staatsanwaltschaft handelt, nicht der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG eröffnet. Vielmehr sei in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Beschluss vom 18.01.1993 – 5 AR (VS) 44/92 –, BGHSt 39, 112) sowie des Oberlandesgerichts Stuttgart (Beschluss vom 10.03.2006 - 4 VAs 1/06 -, NJW 2006, 2565) in entsprechender Anwendung des § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO das nach § 162 StPO zuständige Gericht zur Entscheidung berufen. Der Senat beabsichtige daher, insoweit das Verfahren an den Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Würzburg abzugeben.

Mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 18.12.2024 - eingegangen am selben Tag - hielt der Antragsteller an seinen bisherigen Anträgen fest, stellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und wandte sich gegen eine Abgabe an den zuständigen Strafrichter.

B.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist insgesamt unzulässig, da die Antragsfrist versäumt worden ist (s. unten unter I.). Dem mit Schreiben vom 24.07.2024 unter Ziffer 1 gestellten Teilantrag, festzustellen, dass im Verfahren der Staatsanwaltschaft Würzburg (Az.: 731 Js 2499/24) die Art und Weise der Aktenführung den Antragsteller in seinen Rechten verletze, und den unter Ziffer 2 und 3 gestellten Anträgen liegen darüber hinaus keine anfechtbaren Maßnahmen der Staatsanwaltschaft Würzburg zugrunde (s. unten unter II.). Der unter Ziffer 1 gestellte Teilantrag, festzustellen, dass die im Verfahren der Staatsanwaltschaft Würzburg (Az.: 731 Js 2499/24) gewährte Akteneinsicht an die Verteidiger der Mitbeschuldigten rechtswidrig sei, und die unter Ziffer 4 gestellten Anträge betreffen keine Justizverwaltungsakte im Sinne des § 23 Abs. 1 EGGVG, so dass hierfür eine sachliche Zuständigkeit des Bayerischen Obersten Landesgerichts nicht gegeben ist und das Verfahren insoweit an den sachlich und örtlich zuständigen Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Würzburg abzugeben ist (s. unten unter III.)

I.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist insgesamt wegen Versäumung der Antragsfrist des § 26 Abs. 1 EGGVG unzulässig.

1. Die Antragsfrist von einem Monat berechnet sich einheitlich nach § 222 ZPO, § 16 Abs. 2 FamFG i.V.m. §§ 186 ff. BGB, wobei der Tag des den Fristbeginn auslösenden Ereignisses nicht mitzählt (§ 187 Abs. 1 BGB; vgl. Mayer in: Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, EGGVG § 26 Rn. 2). Der Fristbeginn wurde durch die Zustellung des Bescheids der Staatsanwaltschaft Würzburg vom 01.07.2024 am 12.07.2024 ausgelöst. Die Monatsfrist des § 26 Abs. 1 EGGVG begann somit gemäß § 187 Abs. 1 BGB am 13.07.2024 und endete gemäß § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB mit Ablauf des 12.08.2024 (vgl. BeckOK BGB/Henrich, 71. Ed. 01.08.2024, § 188 Rn. 3).

a) Der Antrag vom 24.07.2024 ist aber erst am 06.09.2024 und damit nach Ablauf der gesetzlichen Ausschlussfrist des § 26 Abs. 1 EGGVG beim Bayerischen Obersten Landesgericht als dem für Entscheidungen in Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG zuständigen Gericht eingegangen. Die ausschließliche sachliche Gerichtszuständigkeit für Verfahren über die Anfechtung von Justizverwaltungsakten auf den in § 23 Abs. 1 EGGVG genannten Gebieten richtet sich zwar nach § 25 EGGVG, wonach grundsätzlich die Oberlandesgerichte zuständig sind (vgl. Mayer in Kissel/Mayer, a.a.O., EGGVG § 25 Rn. 1). In Bezug auf die Justizverwaltungsbehörden des Freistaats Bayern ergibt sich aber aus dem seit 01.02.2019 geltenden Art. 12 Nr. 3 BayAGGVG, womit von der Konzentrationsermächtigung des § 25 Abs. 2 EGGVG Gebrauch gemacht worden ist, die Zuständigkeit des Bayerischen Obersten Landesgerichts anstelle der Oberlandesgerichte Bamberg, München und Nürnberg.

b) Das Fehlen einer Rechtsbehelfsbelehrung ändert am Fristbeginn und -ablauf nichts (vgl. BayObLG, Beschluss vom 12.05.2021 – 101 VA 44/21 –, juris Rn. 27; Mayer in Kissel/Mayer, a.a.O., EGGVG § 26 Rn. 8 m.w.N.; BeckOK GVG/Köhnlein, 24. Ed. 15.08.2024, EGGVG § 26 Rn. 8; BT-Drs. 17/10490 Seite 15 Zu Art. 2 Zu Nr. 1 (§ 26 Abs. 2); so zur Fehlerhaftigkeit der erteilten Rechtsbehelfsbelehrung auch BGH, Beschluss vom 16.10.2003 - IX ZB 36/03 -, NJW-RR 2004, 408, juris Rn. 7 ff.; BayObLG, Beschluss vom 19.08.2021 – 102 VA 56/21 –, NJW-RR 2021, 1431, juris Rn. 31; ablehnend für mit dem Strafrecht zusammenhängende Materien KK-StPO/Mayer, 9. Aufl. 2023, EGGVG § 26 Rn. 8).

2. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Frist zur Antragstellung liegen nicht vor.

a) Der Antragsteller hat mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 18.12.2024, eingegangen am selben Tag, Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Der Antrag ist verfristet, da der Antragsteller bereits durch Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg vom 12.08.2024, das ihm am 20.08.2024 zugestellt wurde, auf die Unzuständigkeit des Oberlandesgerichts Bamberg und die Zuständigkeit des Bayerischen Obersten Landesgerichts für Anträge nach § 23 Abs. 1 EGGVG hingewiesen worden war und damit das (unterstellte) Hindernis im Sinne des § 26 Abs. 2 Satz 1 EGGVG weggefallen war. Zum Zeitpunkt des Eingangs des Wiedereinsetzungsantrags war somit die Zweiwochenfrist des § 26 Abs. 3 Satz 1 EGGVG längst abgelaufen. Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist das Hindernis nicht erst durch den rechtlichen Hinweis des Bayerischen Obersten Landesgerichts in der Verfügung vom 03.12.2024 weggefallen; dieser setzt auch keine neue Frist in Lauf. Die Unzuständigkeit des Oberlandesgerichts Bamberg war dem Antragsteller seit 20.08.2024 bekannt. Darauf, dass die Generalstaatsanwaltschaft München in ihrem Antrag vom 04.09.2024 die Unzulässigkeit des Antrags nicht auf die Verfristung, sondern auf die Unzuständigkeit des Bayerischen Obersten Landesgerichts gestützt hat, kommt es nicht an.

Ob bereits der an das Oberlandesgericht Bamberg innerhalb der Zweiwochenfrist gestellte Verweisungsantrag vom 21.08.2024 inzident einen Antrag auf Wiedereinsetzung enthält, kann dahinstehen. Denn die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung (auch einer solchen von Amts wegen) liegen nicht vor:

b) Gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 EGGVG ist dem Antragsteller Wiedereinsetzung auf Antrag in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten. Ein solcher Fall liegt nicht vor.

aa) Allerdings wird nach § 26 Abs. 2 Satz 2 EGGVG ein Fehlen des Verschuldens vermutet, wenn in dem Bescheid eine Belehrung über die Zulässigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung sowie über das Gericht, bei dem er zu stellen ist, dessen Sitz und die einzuhaltende Form und Frist (wie hier) unterblieben oder unrichtig erteilt ist. Dies gilt aber nur, wenn die Fristversäumung ihren Grund im Fehlen einer Rechtsbehelfsbelehrung hat, denn die gesetzliche Vermutung hebt nicht das Erfordernis auf, dass der Belehrungsmangel - hier das Fehlen einer Rechtsbehelfsbelehrung - den Rechtsbehelfsführer an der Fristwahrung gehindert hat. Vielmehr bedarf es eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Belehrungsmangel und Fristversäumung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27.02.2013 - XII ZB 6/13 -, NJW 2013, 1308, juris Rn. 7 zu § 17 Abs. 2 FamFG; vom 12.01.2012 - V ZB 198/11, V ZB 199/11 -, NJW 2012, 2443, juris Rn. 8; BayObLG, Beschluss vom 12.05.2021 – 101 VA 44/21 –, juris Rn. 31; Sternal in Sternal, FamFG, 21. Aufl. 2023, § 17 Rn. 47).

(1) Auch ein Rechtsanwalt darf grundsätzlich auf die Richtigkeit einer (gerichtlich) erteilten Rechtsbehelfsbelehrung vertrauen, ohne dass es darauf ankommt, ob die Belehrung gesetzlich vorgeschrieben ist oder nicht; denn durch eine Rechtsbehelfsbelehrung, deren Unrichtigkeit für einen Rechtsanwalt nicht ohne weiteres, das heißt nicht ohne nähere Rechtsprüfung erkennbar ist, wird auch für ihn ein Vertrauenstatbestand geschaffen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 04.09.2020 - 1 BvR 2427/19 -, NJW 2021, 915, juris Rn. 36 f.; BGH, Beschlüsse vom 25.11.2020 - XII ZB 256/20 -, NJW 2021, 784, juris Rn. 7; vom 24.01.2018 - XII ZB 534/17 -, NJW-RR 2018, 385, juris Rn. 7). Der inhaltlich fehlerhaften, aber nicht offensichtlich unrichtigen Belehrung darf ein Rechtsanwalt vertrauen, so dass er sich mangels konkreter entgegenstehender Umstände nicht veranlasst sehen muss, sich mit der einschlägigen gesetzlichen Regelung und ihrer Interpretation durch Rechtsprechung und Literatur näher zu befassen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 04.09.2020 - 1 BvR 2427/19 -, NJW 2021, 915, juris Rn. 36; BGH, Beschlüsse vom 25.11.2020 - XII ZB 256/20 -, NJW 2021, 784, juris Rn. 8; vom 12.01.2012 – V ZB 198/11 –, NJW 2012, 2443, juris Rn. 10 f.; BayObLG, Beschluss vom 19.08.2021 – 102 VA 56/21 –, NJW-RR 2021, 1431, juris Rn. 44).

(2) Anders verhält es sich beim Fehlen einer Rechtsbehelfsbelehrung. Die Sachverhalte einer nicht offensichtlich unrichtigen Belehrung einerseits und einer gänzlich fehlenden Belehrung andererseits können in rechtlicher Hinsicht nicht gleichgesetzt werden (BGH, Beschluss vom 12.01.2012 – V ZB 198/11 –, NJW 2012, 2443, juris Rn. 10; BayObLG, Beschluss vom 19.08.2021 – 102 VA 56/21 –, NJW-RR 2021, 1431, juris Rn. 45). Denn an einer Ursächlichkeit fehlt es, wenn der Rechtsbehelfsführer wegen eigener Rechtskenntnis keiner Unterstützung durch eine Rechtsbehelfsbelehrung bedarf; dies ist bei einem anwaltlich vertretenen Beteiligten regelmäßig der Fall (ständige Rspr., BeckOK GVG/Köhnlein, a.a.O., EGGVG § 26 Rn. 22a m.w.N.; Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 233 ZPO, Rn. 23.31 m.w.N.; so auch zu § 17 Abs. 2 FamFG Sternal/Sternal, a.a.O., FamFG § 17 Rn. 47 m.w.N.). Grundsätzlich kann ein Rechtsanwalt als rechtskundige Person kein Vertrauen in Anspruch nehmen, wenn die vorgesehene Rechtsbehelfsbelehrung insgesamt fehlt, denn durch das Fehlen einer entsprechenden Belehrung wird keinerlei Vertrauenstatbestand geschaffen. Insbesondere rechtfertigt das Unterbleiben einer Rechtsbehelfsbelehrung kein Vertrauen dahingehend, dass ein nach dem Gesetz statthafter Rechtsbehelf nicht fristgebunden sei. Vielmehr kann und muss von einem Anwalt erwartet werden, dass er die Grundzüge des Verfahrensrechts und das Rechtsmittelsystem in der jeweiligen Verfahrensart kennt, wenn er ein Mandat annimmt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 04.09.2020 - 1 BvR 2427/19 -, NJW 2021, 915, juris Rn. 33; BGH, Beschlüsse vom 27.02.2013 - XII ZB 6/13 -, NJW 2013, 1308, juris Rn. 7; vom 23.11.2011 - IV ZB 15/11 -, NJW 2012, 453, juris Rn. 10 f.; BayObLG, Beschluss vom 12.05.2021 – 101 VA 44/21 –, juris Rn. 32; BeckOK FamFG/Perleberg-Kölbel, 51. Ed. 01.08.2024, § 17 Rn. 25).

bb) Nach diesen Grundsätzen ist die Ursächlichkeit zu verneinen.

(1) Dem Antragsteller war bewusst, dass er die Monatsfrist des § 26 Abs. 1 EGGVG einzuhalten hatte, wie sich ausdrücklich aus seinem Antragsschreiben vom 24.07.2024, Seite 4, erster Absatz, ergibt. Über die Unzulässigkeit seines Antrags wegen der Anbringung beim unzuständigen Oberlandesgericht Bamberg ist der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers durch den ihm am 20.08.2024 zugestellten Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg vom 12.08.2024 hingewiesen worden. Er hat in seinem Schriftsatz vom 21.08.2024 ausgeführt, „sofern sich das OLG Bamberg auf Grundlage des § 25 Abs. 2 EGGVG i.V.m. Art. 12 Nr. 3 AGGVG-Bayern als unzuständig ansehen sollte, wird hilfsweise die Verweisung an das zuständige Gericht beantragt. Nach den Ausführungen aus Art. 12 Nr. 3 AGGVG-Bayern handelt es sich dabei um das bayerische Oberste Landesgericht.“

(2) Abgesehen davon, dass dieser Schriftsatz keinen Antrag auf Wiedereinsetzung enthält, hat der Antragsteller keine Umstände vorgetragen, weshalb er den Antrag auf gerichtliche Entscheidung (zunächst) an das Oberlandesgericht Bamberg gerichtet hat. Solche Tatsachen, aus denen sich die Entschuldbarkeit der Fristversäumung ergeben soll, wären aber innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 26 Abs. 3 Satz 1 EGGVG anzugeben. Nur die Glaubhaftmachung kann während des Verlaufs des Verfahrens erfolgen (KK-StPO/Mayer, a.a.O., EGGVG § 26 Rn. 15). Wenn der versäumte Antrag auf gerichtliche Entscheidung vorliegt oder innerhalb der Zwei-Wochen-Frist nachgeholt wird (§ 26 Abs. 3 Satz 3 EGGVG), so ist („kann“ bedeutet nicht Ermessen) zwar auch ohne ausdrücklichen Antrag Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn sich sonst aus den Akten das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes ergibt (§ 26 Abs. 3 Satz 4 EGGVG; KK-StPO/Mayer, a.a.O., EGGVG § 26 Rn. 15). Aus den Akten ergibt sich aber nur, dass dem Schreiben vom 08.07.2024 (1), mit dem die Staatsanwaltschaft den vorher gestellten Antrag des Antragstellers abgelehnt hat, keine Rechtsbehelfsbelehrung beilag. Zu einer Ursächlichkeit der fehlenden Rechtsbehelfsbelehrung für die Fristversäumung enthalten die Akten hingegen keine Belege. Lediglich das Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 08.07.2024 (2) enthielt Ausführungen zu § 147 StPO. Dieses betraf aber das aktuelle Akteneinsichtsgesuch weiterer Verteidiger, gegen die sich der vorliegende Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht richtet. Die dortigen Ausführungen zur Frage des Vorliegens eines Rechtsbehelfs nach § 147 StPO waren für die Anbringung des vorliegenden Antrags nach § 23 EGGVG beim unzuständigen Oberlandesgericht Bamberg ersichtlich nicht ursächlich.

(3) Das Fehlen der Rechtsbehelfsbelehrung rechtfertigte somit kein Vertrauen darauf, dass gegen die Entscheidung ein Rechtsbehelf zum Oberlandesgericht Bamberg gegeben sei. Vielmehr war der für das vorliegende Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG bevollmächtigte Rechtsanwalt in dieser Situation gehalten, sich unter Zuhilfenahme der eigenen Fachkunde Kenntnis über das für die Anbringung seines Rechtsbehelfs zuständige Gericht zu verschaffen. Als Rechtsanwalt bedurfte er hierfür nicht der Unterstützung durch eine Rechtsbehelfsbelehrung. Dass aufgrund der Anbringung beim unzuständigen Gericht die Einlegungsfrist versäumt wurde, beruht mithin nicht, jedenfalls nicht nur, auf dem Fehlen der Rechtsbehelfsbelehrung, sondern zumindest auch auf einem Versäumnis des bevollmächtigten Rechtsanwalts. Hat aber Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten zur Fristversäumung beigetragen, kommt eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 21.03.2006 – VI ZB 25/05 –, VersR 2006, 991, juris Rn. 10; BayObLG, Beschluss vom 12.05.2021 – 101 VA 44/21 –, juris Rn. 33; BeckOK FamFG/ Perleberg-Kölbel, a.a.O., § 17 Rn. 12).

(4) Es liegen auch keine Umstände vor, bei denen sich für einen anwaltlichen Vertreter wegen der Komplexität und Schwierigkeit der Rechts- und Verfahrenslage das Fehlen einer Rechtsbehelfsbelehrung als kausal für die Fristversäumung darstellen würde (vgl. zu einem solchen Fall OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 12.06.2008 - 20 VA 11/07 -, NJOZ 2008, 3686, juris Rn. 22).

(4.1) Die Erwartungen, die an die Rechtskenntnis eines Rechtsanwalts, der sich in einer Justizverwaltungssache mandatieren lässt, gemäß den gemachten Ausführungen gestellt werden, betreffen lediglich die Grundzüge eines durch Bundesgesetz geregelten Rechtsbehelfs gegen die Maßnahmen der Justizverwaltung auf dem Gebiet des Strafrechts; sie dürfen vorausgesetzt werden (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 04.09.2020 - 1 BvR 2427/19 -, NJW 2021, 915, juris Rn. 33) und können zudem von jedem zugelassenen Rechtsanwalt ohne besondere Schwierigkeiten in Erfahrung gebracht werden (zu diesem Gesichtspunkt: BVerfG, Beschluss vom 28.10.1975 - 2 BvR 883/73 -, BVerfGE 40, 237, juris Rn. 39 f.; BayObLG, Beschluss vom 12.05.2021 – 101 VA 44/21 –, juris Rn. 40). Das Gleiche gilt für die nach der Wiedererrichtung des Bayerischen Obersten Landesgerichts durch Gesetz vom 12.07.2018 (BayGVBl. S. 545) gemäß Art. 12 Nr. 3 BayAGGVG seit 01.05.2019 begründete Zuständigkeit für Anträge nach §§ 23 ff. EGGVG, die bayerische Justizbehörden betreffen.

Auch unter Berücksichtigung dessen, dass die Vorschriften über die Wiedereinsetzung insbesondere dann, wenn sie - wie hier - den „ersten Zugang“ zum Gericht regeln, im Einklang mit dem aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz auszulegen und anzuwenden sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.07.1984 - 1 BvR 1269/83 -, BVerfGE 67, 208, juris Rn. 19), ist daher keine andere Wertung angezeigt.

(4.2) Der Umstand, dass dem Bescheid keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, rechtfertigt auch unter dem Gesichtspunkt fairer Verfahrensführung nicht die Anlegung niedrigerer Maßstäbe. Aus dem Gebot eines fairen Verfahrens folgt unter anderem, dass ein Gericht aus eigenen oder ihm zuzurechnenden Fehlern, Unklarheiten oder Versäumnissen keine Verfahrensnachteile zu Lasten der Partei ableiten darf (BVerfG, Kammerbeschluss vom 04.09.2020 - 1 BvR 2427/19 -, NJW 2021, 915, juris Rn. 27 m.w.N.) und die Verantwortung für eine auf richterlichen Fehlern beruhende Säumnis auch bei einer anwaltlichen Vertretung nicht auf den Bürger abwälzen darf (BVerfG, Kammerbeschluss vom 04.09.2020 - 1 BvR 2427/19 -, NJW 2021, 915, juris Rn. 37). Die Frage, ob diese Grundsätze auf Versäumnisse der Justizverwaltung übertragen werden können, kann offenbleiben, denn ein Versäumnis liegt nicht vor. Die Justizbehörde war im vorliegenden Fall gesetzlich nicht verpflichtet, eine Rechtsbehelfsbelehrung zu erteilen. Weder aus den Vorschriften der Strafprozessordnung noch aus §§ 23 ff. EGGVG und insbesondere nicht mittelbar aus § 26 Abs. 2 Satz 2 EGGVG ergibt sich eine Pflicht der Justizbehörde zur Erteilung einer Rechtsbehelfsbelehrung. Vielmehr hat der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen, eine Rechtsbehelfsbelehrung als notwendigen Bestandteil des Justizverwaltungsakts vorzuschreiben, was angesichts der heterogenen Rechtsbereiche mit ihrer unübersichtlichen Kasuistik kaum möglich wäre. Stattdessen werden – regelungstechnisch in Anlehnung an § 58 VwGO (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 02.05.1974 - IV ARZ (Vz) 26/73 -, NJW 1974, 1335, juris Rn. 24) – lediglich negativ an das Fehlen einer zutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung Folgen für das Wiedereinsetzungsrecht geknüpft (BT-Drs. 17/10490 Seite 15).

(4.3) Der Antragsteller könnte zur Fristversäumnis auch nicht mit dem Einwand gehört werden, ihm sei das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten nicht zuzurechnen. Es entspricht der ganz herrschenden Meinung, dass im Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG das Verschulden eines gewählten oder nach § 29 Abs. 3 EGGVG bestellten Rechtsanwalts dem Antragsteller zuzurechnen ist (vgl. Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl. 2024, § 26 EGGVG Rn. 7 m.w.N.; BeckOK GVG/Köhnlein, a.a.O., EGGVG § 26 Rn. 19). Eine Ausnahme ist nach vorzugswürdiger Ansicht auch nicht dann anzunehmen, wenn der Antrag einen Justizverwaltungsakt in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren betrifft (vgl. zu Strafvollstreckungssachen die eingehende Erörterung des OLG Hamburg, Beschluss vom 29.07.2003 - 2 VAs 3/03 -, NStZ-RR 2004, 185, juris Rn. 5 ff. und - zur Einlegung beim unzuständigen Oberlandesgericht - OLG Hamm, Beschluss vom 13.02.2018 – III-1 VAs 116/17 –, juris Rn. 6).

3. Die unrichtige Adressierung seines Antrags auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff. EGGVG an das Oberlandesgericht Bamberg als dem unzuständigen Gericht war letztlich ursächlich für den verspäteten Eingang beim Bayerischen Obersten Landesgericht. Das Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers hinsichtlich des verspäteten Eingangs beim Bayerischen Obersten Landesgericht wurde auch nicht durch eine Mitverantwortung der angerufenen Gerichte und Justizbehörden überlagert.

a) Wie der Senat im Beschluss vom 30.07.2024 (Az. 204 VAs 36/24, juris Rn. 35 = BeckRS 2024, 22054) ausgeführt hat, sind der gerichtlichen Fürsorgepflicht im Interesse der Funktionsfähigkeit der Justiz enge Grenzen gesetzt, so dass ein Gericht nur unter besonderen Umständen gehalten sein kann, einem drohenden Fristversäumnis seitens der Partei entgegenzuwirken. So darf es nicht sehenden Auges zuwarten, bis die Partei Rechtsnachteile erleidet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20.06.2012 - IV ZB 18/11 -, NJW-RR 2012, 1269, juris Rn. 13; vom 15.06.2004 - VI ZB 9/04, NJW-RR 2004, 1364, juris Rn. 9). Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts „ohne Weiteres“ bzw. „leicht und einwandfrei“ zu erkennen ist und die nicht rechtzeitige Aufdeckung der nicht gegebenen Zuständigkeit auf einem offenkundig nachlässigen Fehlverhalten des angerufenen Gerichts beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 09.12.2021 – V ZB 12/21 –, NJW-RR 2022, 567, juris Rn. 6). So liegt es etwa, wenn die Rechtsmittelschrift versehentlich an das Ausgangsgericht gerichtet und damit für die Geschäftsstelle offenkundig falsch adressiert war (BGH, Beschluss vom 09.12.2021 – V ZB 12/21 –, NJW-RR 2022, 567, juris Rn. 6). Ein Rechtssuchender darf somit darauf vertrauen, dass das mit der Sache bereits befasst gewesene Gericht einen bei ihm eingereichten, aber für das Rechtsmittelgericht bestimmten Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang dorthin weiterleiten wird (BVerfG, Beschluss vom 20.06.1995 – 1 BvR 166/93 –, BVerfGE 93, 99, juris Rn. 47; BGH, Beschluss vom 01.07.2021 – V ZB 71/20 –, NJW-RR 2021, 1317, juris Rn. 7 m.w.N.) und dass der Schriftsatz, wenn dieser so zeitig eingeht, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, noch rechtzeitig beim Rechtsmittelgericht eingeht. Geschieht dies tatsächlich nicht, wirkt sich das Verschulden des Beteiligten oder seines Verfahrensbevollmächtigten nicht mehr aus, so dass Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist (BVerfG, Beschluss vom 20.06.1995 – 1 BvR 166/93 –, BVerfGE 93, 99, juris Rn. 48; Kammerbeschluss vom 17.01.2006 – 1 BvR 2558/05 –, BVerfGK 7, 198, juris Rn. 9; BGH, Beschlüsse vom 01.07.2021 – V ZB 71/20 –, NJW-RR 2021, 1317, juris Rn. 7; vom 31.03.2021 – XII ZB 516/20 –, NJW-RR 2021, 724, juris Rn. 19 m.w.N.; vom 05.10.2005 – VIII ZB 125/04 –, NJW 2005, 3776, juris Rn. 8 m.w.N.; vom 15.06.2004 – VI ZB 75/03 –, NJW-RR 2004, 1655, juris Rn. 7 m.w.N.; BayObLG, Beschluss vom 30.07.2024 – 204 VAs 36/24 –, juris Rn. 38).

b) Anders liegt es, wenn das betreffende Gericht den Mangel nicht rechtzeitig vor Fristablauf erkannt hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20.06.2012 - IV ZB 18/11 -, NJW-RR 2012, 1269, juris Rn. 13; vom 15.06.2004 - VI ZB 9/04, NJW-RR 2004, 1364, juris Rn. 9, jeweils zur nicht ordnungsgemäßen Unterzeichnung der Berufungsbegründungsschrift), wobei es auch darauf ankommen kann, ob dem zunächst befassten Geschäftsstellenbeamten die anzuwendende Zuständigkeitsvorschrift bekannt war oder bekannt sein musste (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 05.10.2005 – VIII ZB 125/04 –, NJW 2005, 3776, juris Rn. 10). Diese Grundsätze gelten entsprechend für die Frage, ob der sich gegen einen gerichtlichen Justizverwaltungsakt richtende Antrag nach § 23 EGGVG so frühzeitig bei diesem Gericht eingegangen ist, dass er im ordentlichen (nicht durch besondere Eilmaßnahmen beschleunigten) Geschäftsgang noch rechtzeitig an das Bayerische Oberste Landesgericht hätte weitergeleitet werden können (vgl. BayObLG, Beschlüsse vom 19.08.2021 – 102 VA 74/21 –, NJW-RR 2021, 1643, juris Rn. 44; vom 02.06.2022 – 102 VA 7/22 –, Rpfleger 2022, 683, juris Rn. 50; vom 28.04.2023 - 101 VA 162/22 -, NZI 2023, 463, juris Rn. 48; vom 30.07.2024 – 204 VAs 36/24 –, juris Rn. 38 f.).
Um einen solchen Fall - der auch der vom Antragsteller zitierten Entscheidung des zweiten Zivilsenats des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 02.06.2022 (Az. 102 VA 7/22) zugrunde lag - handelt es sich zwar vorliegend nicht, weil das Oberlandesgericht Bamberg vorher nicht mit dem Verfahren befasst war. Gleichwohl stellt es bei einer offensichtlichen eigenen Unzuständigkeit für die Funktionsfähigkeit des Gerichts keine übermäßige Belastung dar, in Fürsorge für die Verfahrensbeteiligten einen leicht und einwandfrei als fehlgeleitet erkennbaren Schriftsatz im Rahmen des üblichen Geschäftsgangs an das zuständige Gericht weiterzuleiten. Geschieht dies nicht, kann die nachfolgende Fristversäumnis nicht zu Lasten des Rechtssuchenden gehen und es ist Wiedereinsetzung zu gewähren (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 17.01.2006 – 1 BvR 2558/05 –, BVerfGK 7, 198, juris Rn. 9; BayObLG, Beschluss vom 30.07.2024 – 204 VAs 36/24 –, juris Rn. 41). Diese Voraussetzungen liegen aber nicht vor.

Eine unverzügliche Weiterleitung des ausdrücklich auf §§ 23 ff. EGGVG gestützten Antrags an das zuständige Bayerische Oberste Landesgericht konnte zwar bei dessen Vorlage an den Vorsitzenden des 1. Strafsenats des Oberlandesgerichts Bamberg grundsätzlich erwartet werden (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 05.10.2005 – VIII ZB 125/04 –, juris Rn. 11). Legt man jedoch die Antragsbegründung zugrunde, konnten aber Zweifel an einer Zuständigkeit des Bayerischen Obersten Landesgerichts geweckt werden, so dass der Vorsitzende durchaus Anlass hatte, vor einer Weiterleitung eine Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft einzuholen und sich die betreffenden Ermittlungsakten vorlegen zu lassen. Auch das Gebot eines fairen Verfahrens erforderte es nicht, dass das angegangene Gericht (hier also das Oberlandesgericht Bamberg) unmittelbar nach Eingang des Antrags seine Zuständigkeit prüft, um diesbezügliche Fehler des Antragstellers ausgleichen zu können. Andernfalls würde die Verantwortung für die Ermittlung des zuständigen Gerichts dem Antragsteller und seinem Prozessbevollmächtigten - anders als vom Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 20.06.1995 – 1 BvR 166/93 –, BVerfGE 93, 99, juris Rn. 45; Kammerbeschluss vom 17.01.2006 – 1 BvR 2558/05 –, BVerfGK 7, 198, juris Rn. 8) und dem Bundesgerichtshof (Beschluss vom 09.12.2021 – V ZB 12/21 –, NJW-RR 2022, 567, juris Rn. 6 m.w.N.) verlangt - allgemein abgenommen und auf das angegangene unzuständige Gericht verlagert. Das Gericht kann vielmehr mit der Prüfung seiner Zuständigkeit warten, bis die Akten vorgelegt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 05.10.2005 – VIII ZB 125/04 –, juris Rn. 11).

c) Auch die vom Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers gleichzeitig verfügte Übermittlung des Antrags vom 24.07.2024 am 25.07.2024 an die Staatsanwaltschaft Würzburg als Ausgangsbehörde führt nicht dazu, dass dem Antragsteller wegen eventueller Versäumnisse der Staatsanwaltschaft Wiedereinsetzung zu gewähren wäre. Zwar sind die o.g. Grundsätze der Weiterleitung fehlgeleiteter Schriftstücke von der Rechtsprechung auf Behörden übertragen worden. Denn auch für diese besteht grundsätzlich die Verpflichtung, leicht und einwandfrei als fehlgeleitet erkennbare Schriftstücke (etwa fristwahrende Einspruchsschreiben) im Zuge des ordnungsgemäßen Geschäftsgangs ohne schuldhaftes Zögern an die zuständige Behörde weiterzuleiten (vgl. - zur Finanzbehörde - BVerfG, Kammerbeschluss vom 02.09.2002 – 1 BvR 476/01 –, NJW 2002, S. 3692, juris Rn. 13 m.w.N.). Dies setzt voraus, dass der Rechtsbehelf so zeitig bei der unzuständigen Behörde eingereicht worden ist, dass die fristgerechte Weiterleitung an die zuständige Behörde im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann. Hierbei besteht aber keine Pflicht zur sofortigen Prüfung und Weiterleitung noch am Tage des Eingangs des Schriftsatzes oder zu einer beschleunigten Weiterleitung (vgl. BFH, Beschluss vom 22.08.2023 – VIII B 76/22 –, BFH/NV 2023, 1324, juris Rn. 3 m.w.N.). Hat die angegangene Behörde die Übermittlung jedoch schuldhaft verzögert oder überhaupt unterlassen, kommt im Falle willkürlichen, offenkundig nachlässigen und nachgewiesenen Fehlverhaltens der Behörde eine Wiedereinsetzung in die Rechtsbehelfsfrist in Betracht (BVerfG, Kammerbeschluss vom 02.09.2002 – 1 BvR 476/01 –, NJW 2002, S. 3692, juris Rn. 13 m.w.N.). Unter den genannten Voraussetzungen kann somit das schuldhafte Handeln des Einspruchstellers durch eine Mitverantwortung der angegangenen Behörde überlagert werden (vgl. BFH, Beschluss vom 22.08.2023 – VIII B 76/22 –, BFH/NV 2023, 1324, juris Rn. 3).

Diese Voraussetzungen liegen aber nicht vor, denn die Einreichung des ausdrücklich an das Oberlandesgericht Bamberg gerichteten Antrags bei der Staatsanwaltschaft Würzburg am 25.07.2024 erfolgte nicht als bestimmender Antrag an die Staatsanwaltschaft selbst, sondern nur zur Kenntnisnahme darüber, dass ein solcher Antrag an das Oberlandesgericht Bamberg gestellt wurde. Dies geschah offensichtlich im Hinblick auf deren oben zitiertes Schreiben vom 08.07.2024 (2), das die beabsichtigte Gewährung von Akteneinsicht an die Verteidiger weiterer Beschuldigter betraf. Nähere Überlegungen zu einer möglichen Fehlleitung dieses Antrags an die Staatsanwaltschaft waren daher seitens der Staatsanwaltschaft nicht veranlasst. Die Staatsanwaltschaft Würzburg erkannte allerdings spätestens am 06.08.2024 (vgl. deren Verfügung vom selben Tag), dass es sich bei dem Antrag vom 24.07.2024 um einen solchen nach §§ 23 ff. EGGVG handelte, machte sich aber - offensichtlich wegen der Aktenanforderung durch die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg, ihrer vorgesetzten Behörde - keine weiteren Gedanken darüber, dass hierfür nicht mehr das Oberlandesgericht Bamberg zuständig war, und übersandte die Akten demzufolge an die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg.

Letztere erkannte die Zuständigkeit des Bayerischen Obersten Landesgerichts erst am 12.08.2024, also am Tag des Fristablaufs, wie sich der Begründung ihres Antrags vom 12.08.2024 entnehmen lässt. Eine Weiterleitung des Antrags am 12.08.2024 an das zuständige Bayerische Oberste Landesgericht hätte dieses aber im ordentlichen Geschäftsgang innerhalb der am selben Tag ablaufenden Ausschlussfrist nicht mehr erreicht.

II.

Dem mit Schreiben vom 24.07.2024 unter Ziffer 1 gestellten Teilantrag, festzustellen, dass im Verfahren der Staatsanwaltschaft Würzburg (Az.: 731 Js 2499/24) die Art und Weise der Aktenführung den Antragsteller in seinen Rechten verletze, und den unter Ziffer 2 und 3 gestellten Anträgen auf Abtrennung des den Antragsteller betreffenden Verfahrens und auf Entnahme bestimmter Blätter aus dem Beweismittelordner bzw. Löschung der entsprechenden pdf-Dateien liegen keine anfechtbaren Maßnahmen der Staatsanwaltschaft Würzburg zur Regelung einzelner Angelegenheiten im Sinne des § 23 Abs. 1 EGGVG zugrunde.

1. Soweit der Antragsteller die Art und Weise der Aktenführung der Staatsanwaltschaft beanstandet, handelt es sich bereits nicht um einen Justizverwaltungsakt im Sinne des § 23 EGGVG. Ebenso verhält es sich bei der Ablehnung, den ihn betreffenden Vorgang vom genannten Verfahren der Staatsanwaltschaft in Würzburg abzutrennen und unter einem eigenen (anderen) Aktenzeichen zu führen.

a) Justizverwaltungsakte sind nach § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG Anordnungen, Verfügungen und sonstige Maßnahmen, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten unter anderem auf dem Gebiet der Strafrechtspflege getroffen werden. Justizbehörde im Sinne des § 23 EGGVG ist auch die Staatsanwaltschaft als Strafverfolgungsbehörde (vgl. nur Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 2). Die Aktenverwaltung zählt ebenso wie die Gewährung von Akteneinsicht ab Einleitung des Ermittlungsverfahrens und auch nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens zum Gebiet der Strafrechtspflege, solange die Akten von Justizbehörden aufbewahrt werden (BeckOK GVG/Köhnlein, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 80).

b) Allerdings handelt es sich bei der Aktenführung durch die Staatsanwaltschaft nicht um eine gerichtlich überprüfbare Maßnahme im Sinne des § 23 Abs. 1 EGGVG.

aa) Maßnahme ist jedes behördliche Vorgehen in Form einer Anordnung, Verfügung oder in sonstiger Weise, das der Regelung einer Einzelangelegenheit dient und geeignet ist, den Betroffenen in seinen Rechten zu verletzen, wozu auch schlicht hoheitliches Handeln und Realakte mit Außenwirkung rechnen (h.M.; Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O, EGGVG § 23 Rn. 5, 6; KK-StPO/Mayer, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 21, 23; LR-StPO/Gerson, 27. Aufl. 2022, EGGVG § 23 Rn. 22, 23 f.; MüKoStPO/Ellbogen, 1. Aufl. 2018, EGGVG § 23 Rn. 23, 25 ff.). Ein Justizverwaltungsakt liegt nur dann vor, wenn von der behördlichen Maßnahme unmittelbare rechtliche Wirkungen für den Antragsteller ausgehen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 05.12.2006 – 4 VAs 14/06 –, StraFo 2007, 70, juris Rn. 17; KK-StPO/Mayer, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 23 m.w.N.; LR-StPO/Gerson, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 24).

bb) Verfahrensgestaltende Maßnahmen, das sind unter anderem solche, die auf die Einleitung, Durchführung und Gestaltung des Ermittlungsverfahrens gerichtet sind und damit der Aufklärung und Verfolgung von Straftaten dienen, sind funktionell nicht dem Bereich der Verwaltung, sondern der Rechtspflege zuzuordnen. Sie stellen nach herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur keine den Einzelfall regelnden Justizverwaltungsakte dar, sondern Verfahrens- bzw. Prozesshandlungen, die nach dem System der Strafprozessordnung nur mit den hierfür darin abschließend geregelten Rechtsbehelfen und damit nicht nach § 23 EGGVG anfechtbar sind (vgl. nur BGH, Beschluss vom 16.10.2020 - 1 ARs 3/20 -, NStZ-RR 2021, 52, juris Rn. 15 f.; BayObLG, Beschluss vom 14.04.2020 - 203 VAs 42/20 -, StraFo 2020, 291, juris Rn. 15; KG, Beschluss vom 31.05.2010 - 1 VAs 40/09 - 1 Zs 1865/09 -, StraFo 2010, 428, juris Rn. 3; OLG Frankfurt, Beschluss vom 01.02.1996 - 3 VAs 29/95 -, NJW 1996, 1484; OLG Hamm, Beschluss vom 08.04.2003 – 1 VAs 7/03 –, wistra 2003, 317, juris Rn. 7; OLG Jena, Beschluss vom 19.08.2004 - 1 VAs 5/04 -, NStZ 2005, 343 f.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11.11.1993 - 2 VAs 23/93 -, NStZ 1994, 142, juris Rn. 22 ff.; OLG Stuttgart, Beschlüsse vom 10.03.2006 - 4 VAs 1/06 -, NJW 2006, 2565, juris Rn. 11; vom 01.04.1986 - 4 VAs 8/86 -, MDR 1986, 689 f.; Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 9, 14 f. m.w.N.; KK-StPO/Mayer, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 31, 37 ff.; LR-StPO/Mavany, a.a.O., § 152 Rn. 49 und 65; § 153 Rn. 38, 42, 49; MüKo-StPO/Ellbogen, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 49, 56, 58, 65; and. Ans. OLG Celle, Beschluss vom 22.02.1983 - 3 VAs 14/82 -, NStZ 1983, 379 für die Versagung der besonderen Akteneinsicht im Vorverfahren; MüKo-StPO/Kölbel/ Neßeler, 2. Aufl. 2024, § 170 Rn. 34; kritisch zu dieser Unterscheidung auch LR-StPO/Gerson, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 61 f., 65 ff.).

cc) Demgemäß ist die Führung des Ermittlungsverfahrens einschließlich der Frage einer Abtrennung oder Verbindung bestimmter Verfahrensteile und der Aktenführung zwar Teil der Strafrechtspflege, die insoweit aber funktionell nicht dem Bereich der Verwaltung, sondern der Rechtspflege zuzuordnen ist, weil sie den Zwecken der Strafverfolgung und dem Ziel der Findung eines materiell-richtigen Urteils dient (vgl. zu letzterem LR-StPO/Gerson, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 32). Die Frage einer Verbindung oder Trennung von Verfahren ist letztlich nur eine nach verfahrensökonomischen Gesichtspunkten zu treffende formale Entscheidung (so BGH, Beschlüsse vom 04.10.2007 – KRB 59/07 –, BGHSt 52, 58, juris Rn. 20; vom 22.12.1992 – StB 15/92 –, NJW 1993, 1279, juris Rn. 6), die auf Verfahrensrechte und -pflichten der Beteiligten keinen unmittelbaren Einfluss hat. Dies wird anhand einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs deutlich, wonach der zufällige Gesichtspunkt der Verfahrenstrennung bzw. -verbindung deshalb kein Grund sein kann, einem Nebenbetroffenen eines Bußgeldverfahrens die Einsicht in diese Aktenbestandteile zu verweigern, die ihn in seinem Rechtskreis berühren könnten (vgl. BGH, Beschluss vom 04.10.2007 – KRB 59/07 –, BGHSt 52, 58, juris Rn. 20; s. hierzu auch Schaefer, NStZ 1984, 203,205; and. Ans. wohl Corsten/Oesterle, wistra 2020, 431 a.E.). Der Art und Weise der Aktenführung und damit der Verbindung von Verfahrensteilen kommt demgemäß bereits kein Regelungscharakter zu. Sie sind als formelle Akte lediglich verfahrensinterne Vorgänge, die noch keine unmittelbare Rechtswirkung für Dritte entfalten, damit den verfassungsrechtlich geschützten Lebenskreis des Betroffenen nicht unmittelbar beeinträchtigen und eine Rechtsweggarantie nach Art. 19 Abs. 4 GG nicht erfordern (vgl. hierzu OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30.04.1982 – 4 VAs 22/82 –, NStZ 1982, 434, 435; LR-StPO/Gerson, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 62). Demgemäß kommt gegen eine Ablehnung der Verfahrenstrennung - abgesehen von der Möglichkeit, Dienstaufsichtsbeschwerde zu erheben - keine Anfechtung in Betracht (LR-StPO/Erb, 27. Aufl. 2016, § 2 Rn. 18; so auch - für gerichtliche Beschlüsse - BGH, Beschluss vom 22.12.1992 – StB 15/92 –, NJW 1993, 1279, juris Rn. 4 ff.; BayObLG, Beschluss vom 01.07.1952 - 1 St 128/52 -, BayObLGSt 1952, 117, 118; KK-StPO/Geilhorn, a.a.O, § 2 Rn. 8; LR-StPO/Becker, 27. Aufl. 2019, § 237 Rn. 22; Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 2 Rn. 13 a.E.), so dass weder der Rechtsbehelf des § 23 EGGVG noch eine Abgabe an ein anderes Gericht in Betracht kommen.

2. Nichts anderes gilt für den Antrag, bestimmte Blätter aus dem Beweismittelordner zu entfernen.

Der Antragsteller begehrt insoweit nicht die Vernichtung oder Zurückgabe dieser Blätter an ihn und die Löschung der entsprechenden Beweismitteldaten gemäß § 489 StPO, wofür in der Tat der Rechtsweg des § 23 EGGVG eröffnet wäre (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 02.04.2006 – 2 BvR 255/06 –, juris Rn. 7), da ein solches Begehren, bestimmte Aktenteile aus einer Ermittlungsakte zu löschen oder zu vernichten, auf den Erlass eines Justizverwaltungsakts im Sinne des § 23 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 EGGVG gerichtet wäre (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.11.2011 – 1 W 54/11 –, juris Rn. 17; MüKoStPO/Ellbogen, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 42a; Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 15).

Vielmehr geht es dem Antragsteller (lediglich) darum, durch eine Entfernung der betreffenden Blätter aus dem Beweismittelordner zu verhindern, dass die Verteidiger der Mitbeschuldigten bei künftigen Akteneinsichtsgesuchen einen Einblick in diese Beweismittel bekommen. Die Art und Weise der Aktenführung durch die Staatsanwaltschaft im laufenden Ermittlungsverfahren umfasst aber auch deren Entscheidung, welche Aktenbestandteile in welchen Ordnern oder Heften abgelegt werden, und damit eine Verfahrenshandlung. Demgemäß wird etwa die richterliche Zurückweisung eines Antrags, Briefe Dritter aus den Prozessakten zu entfernen, als Ausübung rechtsprechender Gewalt und nicht als Justizverwaltungsakt angesehen (vgl. OLG Köln, Entscheidung vom 28.03.1966 - 2 Verw Z 5/65 -, NJW 1966, 1761; so auch Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 13, 14).

3. Auch eine Verweisung oder Abgabe des Verfahrens an den im Ermittlungsverfahren zuständigen Ermittlungsrichter kommt insoweit nicht in Betracht. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es unter dem Gesichtspunkt der Effektivität des Rechtsschutzes grundsätzlich nicht geboten, die Einleitung und Führung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens vor Abschluss der Ermittlungen gerichtlicher Kontrolle zu unterwerfen (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 02.10.2003 - 2 BvR 660/03 -, BVerfGK 2, 27 = NStZ 2004, 447, juris Rn. 4 m.w.N.; vom 19.12.1983 - 2 BvR 1731/82 -, NStZ 1984, 228, juris Rn. 8; vom 08.11.1983 - 2 BvR 1138/83 -, NJW 1984, 1451, juris Rn. 9).

Eine Ausnahme von der fachgerichtlichen Unanfechtbarkeit staatsanwaltschaftlicher Maßnahmen im Rahmen des Ermittlungsverfahrens hat das Bundesverfassungsgericht in Fällen erwogen, in denen schlüssig dargetan ist, dass das Ermittlungsverfahren aus schlechthin unhaltbaren Erwägungen eingeleitet oder offenbar aus Gründen, die unter keinem Gesichtspunkt mehr nachvollziehbar sind, fortgeführt wird, also objektiv willkürliches Handeln der Staatsanwaltschaft zum Nachteil des Beschuldigten in Rede steht (BVerfG, Beschlüsse vom 02.10.2003 - 2 BvR 660/03 -, BVerfGK 2, 27 = NStZ 2004, 447, juris Rn. 5; vom 19.12.1983 - 2 BvR 1731/82 -, NStZ 1984, 228, juris Rn. 6). Hierfür ist aber nichts ersichtlich.

Unabhängig hiervon scheidet in den Fällen der Aktenführung sowie der Führung des Ermittlungsverfahrens gegen mehrere Beschuldigte mangels Eingriffs in geschützte Rechtspositionen eine Rechtsverletzung des Antragstellers aus, so dass der Schutzbereich des Art. 19 Abs. 4 GG durch die betreffenden Handlungen der Staatsanwaltschaft nicht berührt ist. Eine Abgabe des Verfahrens an andere Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit kommt insoweit deshalb nicht in Betracht.

III.

Anders verhält es sich hinsichtlich des Antrags festzustellen, dass die gewährte Akteneinsicht an die Verteidiger der Mitbeschuldigten rechtswidrig sei, und den damit sachlich zusammenhängenden Antrag, die Empfänger anzuweisen, die im Wege der Akteneinsicht übermittelte CD mit den Beweismittelbänden an die Staatsanwaltschaft zurückzusenden und näher bezeichnete Bestätigungen einzuholen. Hierbei handelt es sich um Maßnahmen mit Regelungscharakter, da durch die Gewährung der Akteneinsicht für andere Personen - hier die Mitbeschuldigten - das Recht des Antragstellers auf informationelle Selbstbestimmung verletzt sein kann (vgl. BVerfG, Einstweilige Anordnung vom 08.10.2021 - 1 BvR 2192/21 -, NJW 2021, 3654, juris Rn. 13).

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist hierfür sachlich aber nicht zuständig, da es sich bei der Gewährung von Akteneinsicht an Beschuldigte während des laufenden Ermittlungsverfahrens um eine strafprozessuale Verfahrenshandlung der Staatsanwaltschaft handelt, die nicht der Nachprüfung im Wege der §§ 23 ff. EGGVG unterliegt.

a) Die sachliche Zuständigkeit für die gerichtliche Überprüfung der Gewährung der Akteneinsicht in strafrechtliche Ermittlungsakten während des laufenden Ermittlungsverfahrens einschließlich des Umfangs der Akteneinsicht richtet sich - ausgehend von der Frage, ob sich diese als strafprozessuale Verfahrenshandlung darstellt - letztlich nach der verfahrensrechtlichen Stellung des Einsichtnehmenden.

aa) Das Recht des Beschuldigten bzw. seines Verteidigers auf Einsicht in die strafrechtlichen Ermittlungsakten ist in § 147 StPO geregelt. Im Ermittlungsverfahren entscheidet gemäß § 147 Abs. 5 Satz 1 StPO über die Gewährung von Akteneinsicht die Staatsanwaltschaft. Bei dieser Entscheidung handelt es sich begrifflich nicht um einen Justizverwaltungsakt (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 10.03.2006 – 4 VAs 1/06 –, NJW 2006, 2565, juris Rn. 18; and. Ans. LR-StPO/Gerson, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 100), sondern nach den oben dargestellten Grundsätzen um eine Verfahrenshandlung, da die Akteneinsicht der Durchführung des Ermittlungsverfahrens dient. Dies gilt unabhängig davon, ob das Ermittlungsverfahren gegen einen Beschuldigten oder mehrere Mitbeschuldigte geführt wird und diese bzw. deren Verteidiger Einsicht in die kompletten Ermittlungsakten erhalten.

(1) Entsprechend der Qualifizierung als Verfahrenshandlung kann gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten oder seinem Verteidiger die Akteneinsicht zu versagen, gemäß dem in der Strafprozessordnung normierten Rechtsbehelf des § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO bei dem nach § 162 StPO zuständigen Gericht, also im Ermittlungsverfahren bei dem Amtsgericht als sog. „Ermittlungsgericht“ (§ 162 Abs. 1 Satz 1 StPO, § 21e GVG), gerichtliche Entscheidung beantragt werden. Nach dieser Vorschrift besteht allerdings kein genereller gerichtlicher Rechtsschutz, sondern nur bei Verweigerung der Akteneinsicht nach Abschluss der Ermittlungen (vgl. § 147 Abs. 2 Satz 1 StPO) in gemäß § 147 Abs. 3 StPO privilegierte Aktenteile (richterliche Vernehmungsprotokolle und Sachverständigengutachten) oder wenn sich der Beschuldigte in Untersuchungshaft befindet oder diese im Falle der vorläufigen Festnahme beantragt ist (§ 147 Abs. 2 Satz 2 StPO; vgl. BGH, Beschluss vom 22.01.2009 – StB 29/08 –, juris Rn. 3; so auch für die Fälle nach Arrestierung, nach Durchsuchung und nach Beschlagnahme Heerspink in: Kohlmann, Steuerstrafrecht Kommentar, 84. Lieferung, 8/2024, § 392 AO 1977, Rn. 449).

(2) Im Übrigen ist die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Akteneinsicht verweigert, außer mit der Gegenvorstellung oder der Dienstaufsichtsbeschwerde, regelmäßig nicht anfechtbar (BGH, Beschlüsse vom 22.01.2009 – StB 29/08 –, NStZ-RR 2009, 145, juris Rn. 3; vom 26.01.2011 – 4 BGs 1/11 –, NStZ-RR 2012, 16, juris Rn. 17; OLG Frankfurt, Beschluss vom 19.08.2005 – 3 VAs 36/05 –, NStZ-RR 2005, 376, juris Rn. 5; LG Neubrandenburg, Beschluss vom 16.08.2007 – 9 Qs 107/07 –, NStZ 2008, 655, juris Rn. 13). Auch ein Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG ist nicht zulässig (vgl. KG, Beschluss vom 17.09.2001 – 1 Zs 1696/01 - 4 VAs 24/01 –, juris Rn. 2 f.; Schmitt in: Meyer-Goßner/ Schmitt, a.a.O., § 147 Rn. 40; HK-GS/Weiler, 5. Aufl. 2022, StPO § 147 Rn. 18). Vor allem bleibt auch in den Fällen, in denen nach der Strafprozessordnung im Ermittlungsverfahren kein Rechtsbehelf gegen eine verweigerte Akteneinsicht gegeben ist, ein Rückgriff auf §§ 23 ff. EGGVG ausgeschlossen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 19.08.2005 – 3 VAs 36/05 –, NStZ-RR 2005, 376, juris Rn. 6; BeckOK GVG/Köhnlein, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 83, 84; KK-StPO/Willnow, a.a.O., § 147 Rn. 25; so auch - außer möglicherweise bei Willkür - OLG Hamm, Beschluss vom 08.04.2003 – 1 VAs 7/03 –, juris Rn. 7). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die gesetzliche Regelung - wie es bei § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO der Fall ist - bewusst nicht alle Fälle erfasst (OLG Frankfurt, Beschluss vom 17.12.2008 – 20 VA 10/08 –, ZInsO 2009, 242, juris Rn. 21; Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O, EGGVG § 23 Rn. 12; kritisch hierzu MAH Strafverteidigung/Schlothauer, 3. Aufl. 2022, § 3 Rn. 54). Ansonsten würde die bewusst getroffene Entscheidung des Gesetzgebers letztlich umgangen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 19.03.2015 – 2 VAs 19/14 –, NStZ 2016, 126, juris Rn. 6).

(3) Demgegenüber wird, wenn aus verfassungsrechtlichen Gründen eine sofortige gerichtliche Überprüfbarkeit der Versagung der Akteneinsicht durch die Staatsanwaltschaft im laufenden Ermittlungsverfahren über die in § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO geregelten Fälle hinaus geboten ist, in der Rechtsprechung vereinzelt angenommen, dass zwar nicht der Rechtsweg zu den Oberlandesgerichten nach Maßgabe der §§ 23 ff. EGGVG in Betracht komme, aber Rechtsschutz in analoger Anwendung des § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO durch das nach § 162 StPO zuständige Gericht gewährt werden könne, da es die größte Nähe zum Sachverhalt habe und ohnehin bereits zur Entscheidung über die dort genannten Fallkonstellationen berufen sei (vgl. - zu § 161a Abs. 3 Satz 2 StPO a.F. - OLG Frankfurt, Beschluss vom 19.08.2005 – 3 VAs 36/05 –, NStZ-RR 2005, 376, juris Rn. 7; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 20.09.2007 – VAs 5/07 –, juris Rn. 9; ablehnend OLG Hamm, Beschluss vom 08.04.2003 – 1 VAs 7/03 –, juris Rn. 8). Insoweit wird auf die vom Bundesgerichtshof zur Frage des Rechtsschutzes im Rahmen einer Anordnung nach § 98 Abs. 2 StPO entwickelten Leitsätze verwiesen, wonach im Interesse einer für die Betroffenen klaren Rechtswegzuweisung und dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes die bei dieser Frage auftretenden Probleme bei einem Gericht zu konzentrieren seien (vgl. hierzu Beschlüsse vom 07.12.1998 – 5 AR (VS) 2/98 –, BGHSt 44, 265, juris Rn. 22; vom 25.08.1999 – 5 AR (VS) 1/99, BGHSt 45, 183, juris Rn. 16). Denn im Interesse einer für die Betroffenen klaren Rechtswegzuweisung und aufgrund des Gebots effektiven Rechtsschutzes verbiete sich eine nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigte Aufspaltung des Rechtswegs (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 20.09.2007 – VAs 5/07 –, juris Rn. 9). Auch in der Literatur wird vermehrt vertreten, dass die Unabdingbarkeit der Justiziabilität der Versagung der Akteneinsicht nach § 147 Abs. 2 StPO nicht zwingend die Eröffnung des Rechtswegs nach §§ 23 ff. EGGVG erfordere, sondern dass entweder eine analoge Anwendung des § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO oder des § 406e Abs. 5 Satz 2 StPO denkbar sei, um die Zuständigkeit des nach § 162 StPO zuständigen Gerichts als effektive Form der Überprüfung beibehalten zu können (LR-StPO/Gerson, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 101 m.w.N.; für eine Analogie auch BeckOK StPO/Wessing, 53. Ed. 01.10.2024, § 147 Rn. 37; MüKoStPO/Kämpfer/Travers, 2. Aufl. 2024, § 147 Rn. 59; Schiemann in: Gercke/Temming/Zöller, StPO, 7. Aufl. 2023, § 147 Rn. 27; SK-StPO/Wohlers, 5. Aufl. 2016, § 147 Rn. 112; Burhoff/ Eggers/Hirsch in: Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 10. Aufl. 2024, Rn. 473 f. m.w.N. zum Meinungsstand). Eine solche Erweiterung des § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO auf unbenannte Ausnahmefälle - etwa bei Versagung der Einsicht gegenüber dem Beschuldigten bei gleichzeitiger Gewährung der Einsicht an Verletzte oder Mitbeschuldigte - wird wiederum von der herrschenden Meinung abgelehnt (LR-StPO/Jahn/Klie, a.a.O., § 147 Rn. 209).

Lediglich in einem „ganz speziell und außergewöhnlich gelagerten Fall“ hat der Bundesgerichtshof es für erwägenswert gehalten, die Versagung der Akteneinsicht durch die Staatsanwaltschaft in erweiterter Auslegung des § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO (bzw. nach § 478 Abs. 3 Satz 1 StPO a.F.; vgl. auch § 406e Abs. 5 Satz 2 StPO) oder gemäß § 23 EGGVG sofortiger gerichtlicher Überprüfbarkeit zu unterwerfen (BGH, Beschluss vom 11.11. 2004 – 5 StR 299/03 –, BGHSt 49, 317, juris Rn. 37).

bb) Mit der Qualifizierung der Bewilligung von Akteneinsicht an den Beschuldigten als Verfahrenshandlung und dem gegen die Versagung der Akteneinsicht statthaften strafprozessualen Rechtsbehelf stehen die Regelungen über die Gewährung der Akteneinsicht an den auf seinen Antrag hin am Strafverfahren beteiligten Verletzten im laufenden Ermittlungs- und Strafverfahren im Einklang. Diesem steht gemäß § 406e Abs. 1 StPO ein Anspruch auf Akteneinsicht zu. Gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, dem Verletzten Akteneinsicht zu versagen, kann dieser gemäß § 406e Abs. 5 Satz 2 StPO Entscheidung durch das nach § 162 StPO zuständige Gericht beantragen. Dieses Recht gilt entsprechend § 406e Abs. 5 Satz 2 StPO auch für den Beschuldigten gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, dem Verletzten Akteneinsicht zu gewähren (vgl. BGH, Beschluss vom 18.01.1993 – 5 AR (VS) 44/92 –, BGHSt 39, 112, juris Rn. 13; KK-StPO/Zabeck, a.a.O., § 406e Rn. 13). Auch insoweit kann der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG nicht beschritten werden (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 10.03.2006 – 4 VAs 1/06 –, NJW 2006, 2565, juris Rn. 12). Geht es um die vom Verletzten (etwa wegen in den Akten dokumentierten Geschäftsgeheimnissen) begehrte Einschränkung der Akteneinsicht an die Beschuldigten, liegt ebenfalls kein Justizverwaltungsakt im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG vor (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 10.03.2006 – 4 VAs 1/06 –, NJW 2006, 2565, juris Rn. 13).

cc) Anders verhält es sich bei der Gewährung von Akteneinsicht an sonstige Dritte. Diese dient grundsätzlich nicht der Durchführung des Strafverfahrens. Sie wurde deshalb als Justizverwaltungsakt angesehen und unterlag ursprünglich allein dem Geltungsbereich des § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 10.03.2006 - 4 VAs 1/06 -, NJW 2006, 2565, juris Rn. 12; OLG Frankfurt, Beschluss vom 01.02.1996 – 3 VAs 29/95 –, NJW 1996, 1484). Seit dem Inkrafttreten des Strafverfahrensänderungsgesetzes 1999 vom 02.08.2000 (BGBl. I S. 1253) am 01.11.2000 besteht insoweit teilweise Rechtsschutz nach den Vorschriften der Strafprozessordnung, und zwar zunächst gemäß § 478 Abs. 3 Satz 1 und § 475 StPO a.F.. Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 im Strafverfahren sowie zur Anpassung datenschutzrechtlicher Bestimmungen an die Verordnung (EU) 2016/679 vom 20.11.2019 am 26.11.2019 (BGBl. I Seite 1724) bestimmt sich dieser nach § 480 Abs. 3 StPO, so dass unabhängig davon, ob die Gewährung von Akteneinsicht an Dritte noch als Justizverwaltungsakt im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG einzuordnen ist, in den in § 480 Abs. 3 i.V.m. § 475 StPO genannten Fällen der Auskünfte und Akteneinsicht für Privatpersonen und sonstige Stellen der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG nicht mehr eröffnet ist (§ 23 Abs. 3 EGGVG).

dd) Im Übrigen, also vor allem hinsichtlich der Auskünfte und Akteneinsicht für Justizbehörden und andere öffentliche Stellen gemäß § 474 StPO, sowie für Hochschulen etc. zu Forschungszwecken gemäß § 476 StPO ist nach wie vor der Rechtsweg nach § 23 EGGVG gegeben.

b) Für die gerichtliche Überprüfung der Rechtswidrigkeit der Bewilligung von Akteneinsicht an die Verteidiger der Mitbeschuldigten steht somit weder § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO (so auch OLG Bamberg im „Verweisungs-“Beschluss vom 23.08.2024) noch, da es sich um eine strafprozessuale Verfahrenshandlung gegenüber einem Verfahrensbeteiligten und nicht um einen Justizverwaltungsakt handelt, § 23 EGGVG zur Verfügung. An letzterem ändert sich nichts dadurch, dass in der Strafprozessordnung keine Vorschrift existiert, die es einem Beschuldigten ermöglicht, die von der Staatsanwaltschaft einem Mitbeschuldigten gewährte Akteneinsicht gerichtlich überprüfen zu lassen. Denn eine Eröffnung des subsidiären Rechtswegs der §§ 23 ff. EGGVG für diesen Fall wäre nicht nur systemwidrig, sondern würde zu einer Aufspaltung der Rechtswege hinsichtlich der Akteneinsicht für Beschuldigte bei gleichem Verfahrensgegenstand führen. Versagt die Staatsanwaltschaft einem Beschuldigten die Akteneinsicht u.a. wegen der Schutzbedürftigkeit von Mitbeschuldigten, wäre das Ermittlungsgericht zuständig. Gewährt die Staatsanwaltschaft die Akteneinsicht für einen Beschuldigten trotz der Schutzbedürftigkeit von Mitbeschuldigten, wäre das Bayerische Oberste Landesgericht zuständig.

Hieraus kann indes nicht gefolgert werden, dass die Bewilligung von Akteneinsicht an Mitbeschuldigte des Antragstellers bzw. deren Verteidiger unanfechtbar ist. Hiergegen spricht, dass im Fall der Gewährung einer solchen umfassenden Akteneinsicht der Schutzbereich des Grundrechts des Antragstellers auf informationelle Selbstbestimmung berührt ist und darüber hinaus nach seinem Vorbringen das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 GG) verletzt sowie der grundrechtliche Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (Art. 12 i.V.m. Art. 14 GG) beeinträchtigt sein könnten. Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG ist aber bei schlüssiger Geltendmachung entsprechender Eingriffe in Grundrechte des Beschuldigten effektiver Rechtsschutz gegen die Gewährung von Akteneinsicht an Mitbeschuldigte zu gewährleisten (vgl. auch Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 10).

2. Ein solcher Rechtsschutz ist über eine analoge Anwendung des § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO durch das nach § 162 StPO zuständige Gericht zu gewähren.

a) Der Senat führt insoweit die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu einer vergleichbaren Konstellation fort. Nach § 406e Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 StPO in der im Jahr 1993 geltenden Fassung, die in der Formulierung dem § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO entsprach, konnte der Verletzte gegen die Versagung der Akteneinsicht durch die Staatsanwaltschaft gerichtliche Entscheidung nach Maßgabe des § 161a Abs. 3 Satz 4 bis 4 StPO (a.F.) beantragen.

aa) Der Bundesgerichtshof hat insoweit entschieden, dass in entsprechender Anwendung des § 406e Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 StPO der Beschuldigte gerichtliche Entscheidung beantragen könne, wenn die Staatsanwaltschaft dem Verletzten Akteneinsicht gewährt (BGH, Beschluss vom 18.01.1993 – 5 AR (VS) 44/92 –, BGHSt 39, 112, juris Rn. 13 = NStZ 1993, 351 mit kritischer Anm. Otto).

(1) Er bezog sich (a.a.O., juris Rn. 16) auf die Gesetzesmaterialien, wonach es dem Gesetzgeber „sachgerecht“ erschien, die Anfechtbarkeit der Versagung der Akteneinsicht durch die Staatsanwaltschaft an den Verletzten in solchen Fällen nicht dem „schwerfälligeren und umständlicheren Verfahren“ nach §§ 23 ff. EGGVG zu überlassen, sondern die Anfechtungsmöglichkeit nach § 161a Abs. 3 StPO (a.F.) zu eröffnen (BT-Drs. 10/5305 S. 18 rechte Spalte oben und S. 33 rechte Spalte oben). Die Gründe, die zu der Regelung in § 406e StPO geführt haben, sprächen dafür, die Anfechtbarkeit der Entscheidung der Staatsanwaltschaft über die Gewährung von Akteneinsicht an den Verletzten durch den Beschuldigten in gleicher Weise zu bestimmen. In beiden Fällen gehe es bei der Entscheidung, ob und in welchem Umfang Akteneinsicht an den Verletzten gewährt werden soll, darum, in dem beschriebenen Spannungsfeld zwischen den Interessen des Beschuldigten, den Interessen des Verletzten und dem öffentlichen Interesse an wirksamer Strafverfolgung einen Ausgleich herbeizuführen. Die Bedenken des Gesetzgebers gegen das Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG bei einer Anfechtung der Versagung von Akteneinsicht durch den Verletzten würden in gleicher Weise bei einer Anfechtung der Entscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht durch den Beschuldigten gelten (BGH, a.a.O., juris Rn. 17).

(2) Der Bundesgerichtshof erachtete es zu Recht als sinnwidrig, gleichartige Maßnahmen von verschiedenen Gerichten in verschiedenartigen Verfahren überprüfen zu lassen. Er führte aus (a.a.O., juris Rn. 18), dass Rechtswegregelungen in besonderem Maß von Zweckmäßigkeitserwägungen bestimmt werden und einer sachgemäßen Arbeitsverteilung unter verschiedenen Gerichten dienen (so bereits BGH, Beschluss vom 26.06.1979 – 5 ARs (Vs) 59/78 –, BGHSt 29, 33, juris Rn. 7; BVerwG, Urteil vom 03.12.1974 – I C 11.73 –, BVerwGE 47, 255, juris Rn. 16). Sachgemäß und zweckmäßig sei deshalb eine Regelung, die es nach Möglichkeit vermeidet, dass dieselbe Maßnahme von verschiedenen Gerichten unterschiedlich beurteilt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 26.06.1979 – 5 ARs (Vs) 59/78 –, BGHSt 29, 33, juris Rn. 7). Bei einer Aufspaltung des Rechtswegs könnte bei teilweiser Gewährung von Akteneinsicht durch die Staatsanwaltschaft dieselbe Entscheidung vom Verletzten nach § 161a StPO a.F., vom Beschuldigten dagegen nach §§ 23 ff. EGGVG angegriffen werden, was die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen zur Folge hätte, wenn das Landgericht auf den Antrag des Verletzten diesem uneingeschränkte Akteneinsicht gewährt, während das Oberlandesgericht auf Antrag des Beschuldigten Akteneinsicht an den Verletzten versagt .

Die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen bei einer schwer zu durchschauenden Aufspaltung des Rechtswegs (vgl. zu diesem Argument bei der Frage des Rechtswegs gemäß § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO analog anstelle § 23 EGGVG BGH, Beschlüsse vom 05.08.1998 – 5 ARs (VS) 1/97 –, BGHSt 44, 171, juris Rn. 17; vom 25.08.1999 – 5 AR (VS) 1/99 –, BGHSt 45, 183, juris Rn. 17) spricht auch entscheidend im vorliegenden Verfahren gegen eine Anwendung von § 23 EGGVG: Würde der Senat dem Antrag stattgeben und Akteneinsicht nur in beschränktem Umfang bewilligen, könnten die Mitbeschuldigten zumindest nach Abschluss der Ermittlungen gemäß § 147 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 162 StPO beim Ermittlungsgericht gerichtliche Entscheidung beantragen. Dieses wäre nicht an die Entscheidung des Senats gebunden und könnte Akteneinsicht in vollem Umfang bewilligen.

(3) Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs standen der entsprechenden Anwendung der genannten Vorschrift auch nicht allgemeine Grundsätze der Rechtsanwendung entgegen. § 406e Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 StPO a.F. war eine Spezialvorschrift zu § 23 EGGVG. Sie gewährte den Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 161a Abs. 3 Satz 2 bis 4 StPO a.F. und schloss damit den subsidiären Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG aus. Der Bundesgerichtshof erkannte keinen Rechtssatz, der es ausnahmslos verbieten würde, Ausnahmevorschriften ausdehnend auszulegen oder entsprechend anzuwenden. Im Verhältnis zwischen Ausnahmeregel und allgemeiner Vorschrift könne eine Lückenhaftigkeit der gesamten gesetzlichen Regelung darin liegen, dass die Ausnahmeregelung nicht ausreicht, gleichgelagerte Fälle zu erfassen. Dann dürfe sie entsprechend angewandt werden (BGH, Beschluss vom 18.01.1993 – 5 AR (VS) 44/92 –, BGHSt 39, 112, juris Rn. 21 f. m.w.N.).

(3.1.) Hierfür spricht nach Auffassung des Bundesgerichtshofs vor allem, dass es sich bei §§ 23 ff. EGGVG um Vorschriften handelt, die den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten in Fällen eröffnen sollen, in denen das Gesetz eine Sonderregelung nicht enthält. Bis zur Schaffung solcher Sonderregelungen haben die §§ 23 ff. EGGVG Übergangscharakter (Beschluss vom 18.01.1993 – 5 AR (VS) 44/92 –, BGHSt 39, 112, juris Rn. 24; s. zu letzterem auch BayObLG, Beschluss vom 23.07.2024 - 204 VAs 102/24 - StraFo 2024, 336, juris Rn. 54 unter Hinweis auf den Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf der VwGO, BT-Drucks. 3/1094, S. 15: Zu §§ 170aa und 171c; BeckOK GVG/Köhnlein, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 46; HK-GS/Duttge/ Kangarani, 5. Aufl. 2022, EGGVG § 23 Rn. 9; Böttcher in: Löwe-Rosenberg, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 84). Soweit der Gesetzgeber zwischenzeitlich solche Sonderregelungen getroffen hat, wird deshalb in diesen eine abschließende, den §§ 23 ff. EGGVG vorgehende, Regelung gesehen. Diese Sonderregelungen werden weit ausgelegt und auf gleichgelagerte Sachverhalte entsprechend angewandt (BGH, Beschluss vom 18.01.1993 – 5 AR (VS) 44/92 –, BGHSt 39, 112, juris Rn. 24; vgl. auch BGH, Beschluss vom 26.06.1979 – 5 ARs (Vs) 59/78 –, BGHSt 29, 33, juris Rn. 7). Dem entspricht die mittlerweile in Rechtsprechung und dem überwiegenden Teil der Kommentarliteratur befürwortete weite Auslegung des § 23 Abs. 3 EGGVG. Danach gilt die dort geregelte Subsidiarität des Rechtswegs gemäß §§ 23 ff. EGGVG nicht nur, soweit die ordentlichen Gerichte bereits aufgrund anderer Vorschriften angerufen werden können, sondern auch für erst nachträglich geschaffene oder lediglich als entsprechend anwendbar erklärte Rechtsbehelfe (vgl. BeckOK GVG/Köhnlein, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 46; in diesem Sinne auch MüKoStPO/Ellbogen, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 1; zur Subsidiarität s.a. Mayer in: Kissel/Mayer, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 57; and. Ans. etwa SK-StPO/Paeffgen/Gross-Wilde, a.a.O., Vor EGGVG § 23 Rn. 11 ff.) und insbesondere im Verhältnis zum Rechtsschutzsystem der Strafprozessordnung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 05.08.1998 – 5 ARs (VS) 1/97 –, BGHSt 44, 171, juris Rn. 19; vom 25.08.1999 – 5 AR (VS) 1/99 –, BGHSt 45, 183, juris Rn. 20 f.; so auch LR-StPO/Gerson, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 93).

(3.2.) Nach diesen Grundsätzen liege - jedenfalls soweit es um die Anfechtung der Entscheidung der Staatsanwaltschaft über die Gewährung von Akteneinsicht an den Verletzten geht - eine Regelungslücke vor, die im Wege der Analogie geschlossen werden könne (BGH, Beschluss vom 18.01.1993 – 5 AR (VS) 44/92 –, BGHSt 39, 112, juris Rn. 26). Für eine abschließende Regelung in dem Sinne, dass eine entsprechende Anwendung auf die Anfechtung der Entscheidung der Staatsanwaltschaft über die Gewährung von Akteneinsicht ausgeschlossen sein soll, spreche weder der Wortsinn der Vorschrift noch deren Entstehungsgeschichte. Die Bedenken des Bundesrats gegen die vorgesehene Vorschrift gingen lediglich dahin, „die strittige Frage eines Rechtsbehelfs gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft sondergesetzlich für die Akteneinsicht des Verletzten“ zu entscheiden (BT-Drs. 10/5305 S. 30 linke Spalte unten). Dieser Stellungnahme des Bundesrats und der Gegenäußerung der Bundesregierung hierzu (BT-Drs. 10/5305 S. 33 rechte Spalte oben) könne allenfalls entnommen werden, dass § 161a StPO a.F. nicht auf andere Maßnahmen der Staatsanwaltschaft angewandt werden soll (BGH, Beschluss vom 18.01.1993 – 5 AR (VS) 44/92 –, BGHSt 39, 112, juris 27).

bb) Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, wonach den Beschuldigten oder Dritten, die von einer Akteneinsicht der Geschädigten betroffen sind, Rechtsschutz entsprechend § 406e Abs. 4 Satz 2 a.F. zu gewähren ist, haben sich mittlerweile - allerdings unter Geltung der aktuellen Vorschrift des § 406e Abs. 5 Satz 2 StPO - die Rechtsprechung (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 02.04.2020 – III-2 Ws 651/19 –, juris Rn. 17; OLG Stuttgart, Beschluss vom 31.08.2021 - 4 Ws 162/21 -, zitiert bei Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 406e Rn. 21; s.a. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15.04.2005 – 2 BvR 465/05 –, NStZ-RR 2005, 343, juris Rn. 12 und die zugrundeliegende Entscheidung des LG Mannheim, a.a.O., juris Rn. 5) und die Kommentarliteratur angeschlossen (vgl. KK-StPO/Zabeck, a.a.O., § 406e Rn. 13; MüKoStPO/Schreiner, 2. Aufl. 2024, § 406e Rn. 30; HK-GS/Ferber, 5. Aufl. 2022, StPO § 406e Rn. 11; Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 406e Rn. 21; LR-StPO/Gerson, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 104). Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Strafverfahrensrechts - Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 - vom 02.08.2000 (StVÄG 1999; BGBl. I S. 1253) am 01.11.2000 ist § 406e Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 StPO dahin geändert worden, dass gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft nach § 406e Abs. 4 Satz 1 StPO (also über die Gewährung von Akteneinsicht an den Verletzten) gerichtliche Entscheidung nach Maßgabe des § 161a Abs. 3 Satz 2 bis 4 StPO beantragt werden könne. Die aktuelle Fassung des § 406e Abs. 5 StPO sieht in Satz 2 Halbs. 1 vor, dass gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft nach Satz 1 gerichtliche Entscheidung durch das nach § 162 StPO zuständige Gericht beantragt werden könne. Nach der Gesetzesbegründung ist dies eine Folgeänderung u.a. zu § 147 Abs. 5 StPO, wonach erstmals dem Verteidiger ausdrücklich die Möglichkeit gerichtlicher Überprüfung der Versagung der Akteneinsicht durch die Staatsanwaltschaft eingeräumt wurde (vgl. BT-Drs. 14/1484 S. 25 i.V.m. S. 21 f.).

b) In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 406e Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 StPO a.F. hat das Oberlandesgericht Stuttgart (Beschluss vom 10.03.2006 – 4 VAs 1/06 –, NJW 2006, 2565, juris Rn. 19) die entsprechende Anwendung von § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO i.V.m. § 161a Abs. 3 Sätze 2 bis 4 StPO a.F. für den Fall bejaht, dass der Verletzte einer Straftat oder ein am Verfahren nicht beteiligter Dritter geltend macht, durch die Gewährung unbeschränkter Akteneinsicht an den Beschuldigten in seinen (Grund-)Rechten verletzt zu sein. Der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG sei, um widersprüchliche Entscheidungen zu vermeiden, insoweit nicht eröffnet.

c) Nichts anderes kann gelten, wenn sich ein Beschuldigter gegen die einem Mitbeschuldigten gewährte Akteneinsicht wenden will.

aa) Die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze für die analoge Anwendung der den strafprozessualen Rechtsschutz gewährenden Vorschrift des § 406e Abs 4 Satz 2 Halbs. 1 StPO a.F. entfalten im Falle des § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO entsprechende Geltung.

bb) Die herrschende Meinung, dass der Beschuldigte gegen die Versagung der Akteneinsicht über die normierten Fälle des § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO hinaus außer in engen Ausnahmefällen keinen gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann, steht nicht entgegen.

(1) Sinn dieser Norm ist es, vor Abschluss der Ermittlungen grundsätzlich, also mit Ausnahme der drei dort genannten Sonderfälle, keinen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Akteneinsicht zu gewähren, um den Untersuchungszweck nicht zu gefährden (§ 147 Abs. 2 Satz 1 StPO; BeckOK StPO/Wessing, a.a.O., § 147 Rn. 5; KK-StPO/Willnow, a.a.O., § 147 Rn. 14 f.). Dieser Zweck wird in der Regel nicht beeinträchtigt, wenn ein Beschuldigter gegen die von der Staatsanwaltschaft einem anderen Beschuldigten bewilligte Akteneinsicht vorgehen möchte. Eine dem § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO entsprechende Rechtsschutzmöglichkeit für den Fall der Bewilligung der Akteneinsicht an Beschuldigte, die wie im Fall des Oberlandesgerichts Stuttgart einen Dritten oder wie vorliegend einen anderen Beschuldigten beschweren kann, steht deshalb die Zweckrichtung der Norm nicht entgegen.

(2) Wie bereits das Oberlandesgericht Stuttgart (Beschluss vom 10.03.2006 – 4 VAs 1/06 –, NJW 2006, 2565, juris Rn. 16) zutreffend ausgeführt hat, ist die Anfechtbarkeit der einem Beschuldigten gewährten Akteneinsicht durch einen Dritten (oder wie hier durch einen Mitbeschuldigten) im Gesetzgebungsverfahren nicht diskutiert worden und daher auch nicht Inhalt von § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO. Dass § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO insoweit abschließend ist, als ein gerichtlicher Rechtsschutz gegen die Versagung der Akteneinsicht an den Beschuldigten nur bei Vorliegen einer der drei genannten Voraussetzungen gewährt wird, hindert es somit nicht, einen entsprechenden Rechtsschutz für einen Beschuldigten gegen die Bewilligung von Akteneinsicht an Mitbeschuldigte unabhängig vom Vorliegen dieser Voraussetzungen zu gewähren.

(3) Soweit das Landgericht Koblenz der Auffassung ist, dass sich ein Beschuldigter gegen die einem Mitbeschuldigten gewährte Akteneinsicht weder durch Anrufung des Ermittlungsgerichts in entsprechender Anwendung des § 147 Abs. 5 i.V.m. § 162 StPO noch durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 23 ff. EGGVG wehren könne (Beschluss vom 08.06.2020 - 10 Qs 29/20 -, wistra 2020, 429, juris Rn. 13 und 20 mit zustimmender Anm. Reuker, jurisPR-StrafR 16/2021 Anm. 2 und Corsten/Oesterle, wistra 2020, 430 ff.), folgt der Senat dem - soweit es § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO anbelangt - somit nicht.

Das Landgericht Koblenz führt zwar im Grunde zutreffend aus, dass § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO nach dem eindeutigen Wortlaut den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Versagung der Akteneinsicht, jedoch nicht gegen die Gewährung von Akteneinsicht (an die Verteidigung eines Mitbeschuldigten) eröffne (a.a.O., juris Rn. 13; so auch Heerspink in: Kohlmann, Steuerstrafrecht Kommentar, 84. Lieferung, 8/2024, § 392 AO 1977, Rn. 447; LR-StPO/Esser, StPO, 27. Aufl. 2024, IPBPR Art. 14 Rn. 939 Fn. 2503).

Dies hindert aber - wie die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur entsprechenden Anwendung des § 406e Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 StPO a.F. zugunsten des Beschuldigten gegen die Akteneinsicht durch den Verletzten zeigt - nicht die entsprechende Anwendung des § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO zugunsten des Verletzten gegen die Akteneinsicht durch den Beschuldigten (so das OLG Stuttgart, a.a.O.) bzw. zugunsten des Beschuldigten gegen die Akteneinsicht durch die Mitbeschuldigten.

Das Landgericht Koblenz beruft sich zwar darauf, dass dann, wenn einem Mitbeschuldigten die Möglichkeit eröffnet wäre, über eine erweiterte Auslegung des § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO diese grundsätzlich unbeschränkte Akteneinsicht des Beschuldigten zu verhindern oder zu beschränken, die Gefahr bestünde, dass dieses Recht und damit auch das Recht auf eine effektive Verteidigung beschnitten werden könnten. Dies würde der Regelung des § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO widersprechen und deren Sinn und Zweck in das Gegenteil verkehren, denn nach ihrem Wortlaut ermöglicht die Vorschrift den Rechtsschutz gerade gegen die Versagung der Akteneinsicht, also die (womöglich zu Unrecht erfolgte) Beschränkung des Rechts auf eine effektive Verteidigung (a.a.O., juris Rn. 14).

Dem ist aber entgegenzuhalten, dass die Abwägung zwischen der das Recht auf effektive Verteidigung des Mitbeschuldigten gewährleistenden, grundsätzlich (abgesehen von den Fällen des § 147 Abs. 2 bis 4 StPO) unbeschränkbaren Akteneinsicht des Beschuldigten (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 11.11.2004 – 5 StR 299/03 –, BGHSt 49, 317, juris Rn. 30 m.w.N.; Corsten/ Oesterle, wistra 2020, 430, 432), die sich auch auf Geschäftsgeheimnisse bezieht (BGH, Beschluss vom 04.10.2007 – KRB 59/07 –, BGHSt 52, 58, juris Rn. 17 ff.; vgl. Rn. 17 auch zur Pflichtenstellung des Verteidigers; Rn. 12 ff. auch zur Einsicht in die Akten eines vorher abgetrennten Verfahrens), und dem durch diese Akteneinsicht verursachten Eingriff in Grundrechte des Beschuldigten keine Frage der Statthaftigkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes, sondern allenfalls des Rechtsschutzinteresses und der Begründetheit darstellt.

Das Landgericht Koblenz (a.a.O., juris Rn. 16) ist zwar der Ansicht, die prozessuale Rolle und die Rechte eines Verletzten oder unbeteiligten Dritten könnten nicht auf einen Beschuldigten übertragen werden, übersieht dabei aber, dass der Bundesgerichtshof im zitierten Beschluss vom 18.01.1993 die entsprechende Anwendbarkeit des § 406e Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 StPO a.F. bejaht hat, um dem Beschuldigten Rechtsschutz gegen die dem Verletzten gewährte Akteneinsicht zu gewähren.

Einer entsprechenden Anwendung des § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO auf den Fall der Gewährung von Akteneinsicht im laufenden Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft an Mitbeschuldigte stehen somit unter Zugrundelegung der genannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Oberlandesgerichts Stuttgart keine Hindernisse entgegen.

d) Die Nachrangigkeit des Rechtsweges nach §§ 23 ff. EGGVG wird auch nicht durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Frage gestellt, dass bei verweigerter Akteneinsicht in Spurenakten für den Beschuldigten dieser Rechtsweg eröffnet sei (Beschluss vom 12.01.1983 – 2 BvR 864/81 –, BVerfGE 63, 45, juris Rn. 63).

aa) Diese Entscheidung bezog sich auf außerhalb der Ermittlungen gegen den Beschuldigten entstandene Spurenakten, die nicht Bestandteil der dem Gericht vorliegenden Prozessakten waren. Das Bundesverfassungsgericht führte aus, wenn der Beschuldigte geltend macht, er wolle sich selbst Gewissheit darüber verschaffen, dass sich aus diesen Akten - wie Staatsanwaltschaft und Gericht meinen - keine seiner Entlastung dienenden Tatsachen ergeben, werde ihm die Einsicht in solche Akten regelmäßig nicht zu versagen sein, wobei dies aber nicht bedeute, dass dieses Recht auf Einsicht in Akten außerhalb des gerichtlich anhängigen Strafverfahrens in ähnlicher Weise unbeschränkt sein müsste wie das Akteneinsichtsrecht innerhalb des Verfahrens nach § 147 StPO, so dass im Einzelfall gewichtige, verfassungsrechtlich verbürgte Interessen der Gewährung der Akteneinsicht widerstreiten könnten (a.a.O., juris Rn. 63 f.).

bb) Teile der Kommentarliteratur sprechen sich auch im Fall der Spurenakten zur Vermeidung einer Rechtswegzersplitterung für eine analoge Anwendung des § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO aus (vgl. LR-StPO/Gerson, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 102; KK-StPO/Willnow, a.a.O., § 147 Rn. 26). Ob außerhalb dieses Sonderfalls § 23 EGGVG neben § 147 StPO überhaupt Anwendung finden kann, wird in der Rechtsprechung und der Kommentarliteratur entweder ausdrücklich abgelehnt (vgl. KK-StPO/Willnow, a.a.O., § 147 Rn. 26; Schmitt in: Meyer-Goßner a.a.O. § 147 Rn. 40) oder nur in Ausnahmefällen bejaht, wonach es dann, wenn der gebotene Rechtsschutz des Betroffenen schlechthin in Frage gestellt wird, gemäß Art. 19 Abs. 4 GG geboten sein könne, den Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG zu eröffnen (OLG Hamm, Beschluss vom 08.04.2003 - 1 VAs 7/03 -, wistra 2003, 317, juris Rn. 7).

e) Letztlich steht die vom Senat befürwortete entsprechende Anwendung des § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO auch im Einklang mit der Forderung des Bundesverfassungsgerichts, das Rechtsschutzsystem bei abgeschlossenen strafprozessualen Zwangsmaßnahmen insgesamt möglichst wirksam zu gestalten (vgl. Beschluss vom 30.04.1997 – 2 BvR 817/90 –, BVerfGE 96, 27, juris Rn. 48 ff.) und - angesichts der bei schon abgeschlossenen richterlich angeordneten Durchsuchungen in schwer zu durchschauender Weise mehrfach gespaltenen und von den Fachgerichten uneinheitlich gehandhabten Rechtsmittel - den Rechtsschutz in effektiver Weise zu gewährleisten (vgl. Beschluss vom 27.05.1997 – 2 BvR 1992/92 –, BVerfGE 96, 44, juris Rn. 18). Der Bundesgerichtshof erachtete in diesen Fällen eine übersichtliche Zuständigkeitsregelung durch entsprechende Anwendung des § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO für gewährleistet (Beschluss vom 05.08.1998 – 5 ARs (VS) 1/97 –, BGHSt 44, 171, juris Rn. 17) und hält für alle diese Fälle nunmehr einheitlich den Rechtsweg nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO (analog) vorrangig gegenüber §§ 23 ff. EGGVG für eröffnet (Beschlüsse vom 05.08.1998 – 5 ARs (VS) 1/97 –, BGHSt 44, 171, juris Rn. 19; vom 07.12.1998 – 5 AR (VS) 2/98 –, BGHSt 44, 265, juris Rn. 22; vom 25.08.1999 – 5 AR (VS) 1/99, BGHSt 45, 183, juris Rn. 16; vom 16.10.2020 – 1 ARs 3/20 –, NStZ-RR 2021, 52, juris Rn. 14 und 16; so auch KG, Beschluss vom 12.01.2000 – 1 AR 1264/99 - 4 VAs 41/99 –, juris Rn. 3; OLG Brandenburg, Beschluss vom 14.09.2006 - 2 VAs 3/06-, NStZ 2007, 54, juris Rn. 5 ff.; OLG Celle, Beschluss vom 16.04.2009 - 2 VAs 3/09 -, NStZ 2010, 534, juris Rn. 7 m.w.N.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2002 – 2 VAs 5/01 –, NJW 2002, 3117, juris Rn. 3 ff.; OLG Schleswig, Beschluss vom 21.01. 2004 – 2 VAs 15/03 –, juris Rn. 2 f.; MüKoStPO/Ellbogen, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 12; KK-StPO/Mayer, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 36; Mayer in: Kissel/Mayer, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 62).

Er hat damit in Abkehr von der Zuständigkeit des Oberlandesgerichts einen Weg hin zur Überprüfung grundrechtsrelevanter Maßnahmen durch das sachnähere Instanzgericht geschaffen. In konsequenter Fortsetzung dieser Rechtsentwicklung soll dies auch in anderen Fällen gebotener Überprüfung prozessualer Maßnahmen gelten (KK-StPO/Mayer, a.a.O., EGGVG § 23 Rn. 32; offen gelassen vom KG, Beschluss vom 31.05.2010 – 1 VAs 40/09 –, StraFo 2010, 428, juris Rn. 6 für die Überprüfung einer vom Betroffenen als objektiv willkürlich empfundenen Verfahrenseinstellung nach § 154 StPO; vgl. hierzu BVerfG, Kammerbeschluss vom 02.10.2003 – 2 BvR 660/03 –, BVerfGK 2, 27, juris Rn. 5).

Dass der Senat vorliegend nicht § 98 Abs. 2 Satz 2 und 3 StPO, sondern die für die Akteneinsicht geschaffene, also sachnähere Sonderregelung des § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO entsprechend anwendet, ändert hieran nichts, zumal in beiden Fällen das nach § 162 StPO zuständige Gericht angerufen werden kann.

3. Das Verfahren ist demgemäß in dem unter Ziffer 1 des Entscheidungssatzes tenorierten Umfang an das Amtsgericht Würzburg - Ermittlungsrichter - in eigener Zuständigkeit abzugeben.

Die vom Oberlandesgericht Bamberg im „Verweisungs-“ Beschluss vom 23.08.2024 vertretene Ansicht, dass Anhaltspunkte für eine sonstige Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Bamberg (oder eines diesem untergeordneten Gerichts) nach § 23 Abs. 3 EGGVG nicht ersichtlich seien und insbesondere kein Rechtsmittel nach der Strafprozessordnung gegen die Gewährung von Akteneinsicht durch die Staatsanwaltschaft während des laufenden Ermittlungsverfahrens in Betracht komme, hindert den Senat nicht an einer solchen Abgabe. Denn eine Bindung gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG tritt nur bei einer Verweisung wegen Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs, nicht aber bei einer Abgabe des Verfahrens innerhalb desselben Rechtswegs ein.

Die §§ 17 bis 17b GVG betreffen nur den Rechtsweg, also das Verhältnis verschiedener Gerichtsbarkeiten (Arbeits-, Sozial-, Finanz-, Verwaltungs-, ordentliche Gerichtsbarkeit) zueinander. Für das Verhältnis der innerhalb einer Gerichtsbarkeit mit verschiedenen Rechtsgebieten befassten Gerichte zueinander gelten sie - außer in den Fällen des § 17a Abs. 6 GVG - nicht (BGH, Beschluss vom 16.10.2020 – 1 ARs 3/20 –, NStZ-RR 2021, 52, juris Rn. 20). Die Sache ist daher ungeachtet des Beschlusses des Oberlandesgerichts Bamberg, dem keine Bindungswirkung zukommt, an das Amtsgericht Würzburg weiterzuleiten. Demgemäß bedarf es innerhalb des Rechtsweges der ordentlichen Gerichtsbarkeit auch keines Verweisungsbeschlusses des Senats nach § 17a Abs. 2 GVG (BayObLG, Beschluss vom 29.06.2023 - 203 VAs 120/23 -, juris Rn. 3).

IV.

1. Die Tragung der Gerichtskosten durch den Antragsteller wird unmittelbar durch das Gesetz geregelt (§ 1 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 19, § 22 Abs. 1 GNotKG). Es besteht kein Anlass, die Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dem Antragsteller entstandenen außergerichtlichen Kosten aus der Staatskasse anzuordnen (§ 30 EGGVG).

2. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 1 Abs. 2 Nr.19 i.V.m. § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.

3. Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen (§ 29 Abs. 2 EGGVG), da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.


Einsender: 4. Strafsenat des BayObLG

Anmerkung:


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