Gericht / Entscheidungsdatum: VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 18.02.2025 – 13 S 1513/24
Leitsatz des Gerichts:
1. Die Fahrerlaubnisbehörde hat nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe c FeV nicht nur bei einer Trunkenheitsfahrt (Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr) mit einem Kraftfahrzeug, sondern auch bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad ein medizinisch-psychologisches Gutachten anzuordnen.
2. Nach § 3 Abs. 4 StVG entfalten Strafurteile und Strafbefehle in einem Entziehungsverfahren ausschließlich zu Gunsten des Betroffenen Bindungswirkung. Allerdings muss ein Fahrzeugführer eine rechtskräftige strafgerichtliche Entscheidung mit dem darin festgestellten Sachverhalt dann gegen sich gelten lassen, wenn sich nicht gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen ergeben.
In pp.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19. September 2024 - 15 K 5624/24 - wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.250,-- EUR festgesetzt.
Gründe
Die fristgemäß eingelegte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Auf der Grundlage der Gründe, die in der innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO eingegangenen Begründung angeführt sind und auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO grundsätzlich beschränkt ist, kommt eine Änderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses vom 19.09.2024 nicht in Betracht.
Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerdebegründung die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen (zu diesem Darlegungserfordernis vgl. Beschlüsse des Senats vom 26.11.2024 - 13 S 1306/24 - juris Rn. 4 und vom 06.11.2024 - 13 S 1336/24 - juris Rn. 3).
Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe führen nicht dazu, dass die vom Gericht im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Abwägung zu Gunsten des Interesses des Antragstellers ausfällt, vom Vollzug der Entziehungsverfügung des Antragsgegners vom 06.08.2024 bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über dessen Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben. Wie das Verwaltungsgericht ist auch der Senat der Ansicht, dass der Antragsteller höchstwahrscheinlich zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht geeignet ist. Deshalb ist ernstlich zu befürchten, dass er bereits vor einer endgültigen Entscheidung in der Hauptsache die Sicherheit des Straßenverkehrs gefährden wird. Damit überwiegt aber das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der Verfügung. Unabhängig hiervon würde selbst für den Fall, dass die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren als offen zu bewerten sind, eine Interessenabwägung zu Ungunsten des Antragstellers ausfallen.
1. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 der FeV vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FeV). Ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist unter anderem, wer - ohne alkoholabhängig zu sein - Alkohol missbräuchlich konsumiert, indem er das Führen von Fahrzeugen und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennt (Nummer 8.1 der Anlage 4 der FeV). Die Wiedererlangung der Fahreignung nach Beendigung des Missbrauchs setzt voraus, dass die erforderliche Änderung des Trinkverhaltens gefestigt ist (Nummer 8.2 der Anlage 4 der FeV).
Hat ein Fahrerlaubnisinhaber ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 ng/l oder mehr geführt, ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist (§ 46 Abs. 3 i. V. m. § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe c FeV). Dies gilt nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht nur für eine Fahrt mit einem Kraftfahrzeug, sondern auch für eine Fahrt mit einem nicht motorisierten Fahrzeug, also auch bei einer erstmaligen Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 04.12.2020 - 3 C 5.20 - juris Rn. 19 und vom 20.06.2013 - 3 B 102.12 - juris Rn. 5 ff.; Beschluss des Senats vom 06.11.2023 - 13 S 1463/23 - n. v.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.01.2012 - 10 S 3175/11 - juris Rn. 12; BayVGH, Beschluss vom 19.08.2019 - 11 ZB 19.1256 - juris Rn. 11; OVG Sachsen, Beschluss vom 26.04.2017 - 3 A 239/16 - juris Rn. 7 ff.).
Die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe c FeV ist zum Schutz der Verkehrssicherheit zwingend vorgegeben, ohne dass der Fahrerlaubnisbehörde ein Ermessen zukäme. Weigert sich der Betreffende, sich untersuchen zu lassen oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf die Behörde bei ihrer Entscheidung gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf dessen Nichteignung schließen. Dies setzt allerdings voraus, dass die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist und für die Nichtbeibringung kein ausreichender, vom dem Betroffenen nicht zu vertretender Grund besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.12.2023 - 3 C 10.22 - juris Rn. 13; Beschlüsse des Senats vom 21.06.2023 - 13 S 473/23 - juris Rn. 5 und vom 14.06.2023 - 13 S 366/23 - juris Rn. 5). Dann ist nämlich die Annahme gerechtfertigt, dass der Betroffene durch die Unterlassung der Beibringung des Gutachtens einen Eignungsmangel verbergen will (vgl. Beschlüsse des Senats vom 14.12.2023 und vom 21.06.2023 jew. a. a. O.).
Von einem solchen Fall ist hier aller Voraussicht nach auszugehen. Der Antragsteller hat das wegen des Führens eines Fahrzeugs im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr (vgl. § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe c FeV) von dem Antragsgegner mit Schreiben vom 09.04.2024 angeforderte medizinisch-psychologische Gutachten ohne ausreichenden Grund nicht beigebracht.
Nach den Feststellungen im rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts K. vom 13.11.2023 - xx - hat der Antragssteller am 03.10.2023 gegen 22.20 Uhr ein Fahrrad geführt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke fahruntüchtig war. Die am 03.10.2023 entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,08 Promille.
Mit seinem Vorbringen, der im Strafbefehl des Amtsgerichts K. festgestellte Sachverhalt treffe nicht zu, weil er mit dem Fahrrad nicht gefahren sei, sondern es geschoben habe, jedenfalls könne aber ein Beweis, dass er mit dem Fahrrad alkoholisiert gefahren sei, nicht sicher geführt werden, sodass der Beschluss des Verwaltungsgerichts unter Verletzung von Beweisregeln (Grundsatz „in dubio pro reo“) ergangen sei, vermag der Antragsteller nicht durchzudringen.
Zwar kennt das geltende Fahrerlaubnisrecht eine strikte, sich zu Ungunsten des Betroffenen auswirkende Bindung der Fahrerlaubnisbehörde an rechtskräftige straf- bzw. bußgeldrechtliche Entscheidungen lediglich in besonders geregelten, hier nicht einschlägigen Fällen (vgl. § 2a Abs. 2 Satz 2, § 4 Abs. 5 Satz 4 StVG). Im Übrigen entfalten Strafurteile, Strafbefehle und Bußgeldbescheide nach § 3 Abs. 4 StVG Bindungswirkung ausschließlich zu Gunsten des Betroffenen. Hieraus folgt im Umkehrschluss, dass es einem Fahrerlaubnisinhaber unbenommen bleibt, in fahrerlaubnisrechtlichen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren geltend zu machen, der Sachverhalt sei für ihn vorteilhafter, als dies das Strafgericht oder die Bußgeldbehörde angenommen habe. Dies übersieht der Antragsgegner, wenn er unter Berufung auf § 3 Abs. 4 StVG pauschal meint, es sei ihm nicht möglich, die Rechtmäßigkeit eines abgeschlossenen Strafverfahrens zu prüfen (Schriftsatz vom 20.08.2024 im erstinstanzlichen Verfahren, auf den die Beschwerdeerwiderung vom 25.10.2024 Bezug nimmt). Allerdings muss ein Fahrzeugführer in einem Fahrerlaubnisverfahren eine rechtskräftige strafgerichtliche Entscheidung mit dem darin festgestellten Sachverhalt dann gegen sich gelten lassen, wenn sich nicht gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen ergeben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 03.09.1992 - 11 B 22.92 - juris Rn. 3, Urteil vom 12.03.1985 - 7 C 26.83 - juris Rn. 14; Beschluss des Senats vom 22.02.2023 - 13 S 2569/22 - n. v.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.10.2015 - 10 S 1491/15 - juris Rn. 6, Urteil vom 27.07.2016 - 10 S 77/15 - juris Rn. 34). Mit diesem grundsätzlichen Vorrang der strafgerichtlichen vor verwaltungsbehördlichen Feststellungen sollen überflüssige, aufwändige und sich widersprechende Doppelprüfungen möglichst vermieden werden. Im Ergebnis begründet das Vorrangverhältnis eine Mitwirkungsobliegenheit des Betroffenen, substantiierte und gewichtige Hinweise für eine eventuelle Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Feststellungen vorzubringen, wenn er diese im Verwaltungsverfahren nicht gegen sich gelten lassen will (vgl. Beschluss des Senats vom 22.02.2023 a. a. O; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.10.2015 a. a. O.; vgl. auch BayVGH, Beschluss vom 19.08.2019 - 11 ZB 19.1256 - juris Rn. 13).
Dem Antragsteller ist es nicht gelungen, substantiierte und gewichtige Hinweise auf eine eventuelle Unrichtigkeit der Feststellungen im Strafbefehl des Amtsgerichts K. vom 13.11.2023 zu geben.
Vom Ansatz her zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen (S. 13 des Beschlussabdrucks), dass der Vortrag des Antragstellers, es gebe keinen Beweis dafür, dass er entgegen seiner Darstellung mit dem Fahrrad gefahren sei, eine realistische Auseinandersetzung mit dem dargestellten Geschehensablauf im Polizeibericht des Polizeireviers K. vom 03.10.2023 vermissen lasse. Danach ist Anlass der Polizeikontrolle gewesen, dass die Polizei durch einen Taxifahrer (der Zeuge C. K., s. Strafanzeige vom 27.10.2023) verständigt wurde, weil dieser einen betrunkenen Fahrradfahrer gesehen hatte. Der Zeuge gab gegenüber der eingetroffenen Polizeibeamtin (EPHM`in C.) an, er habe beobachtet, wie der Antragsteller die S.straße in Richtung K.straße befahren habe. Der Antragsteller sei dabei auf dem Radweg gefahren, der auf der Höhe des Geldautomaten auf den Gehweg direkt neben dem Geldautomaten führe. Auf dem Gehweg sei der Antragsteller mit seinem Fahrrad mit einem dortigen Pfosten kollidiert, sodass er zum Stehen gekommen sei und von seinem Fahrrad habe absteigen müssen. Anschließend sei der Antragsteller mit seinem Fahrrad (schiebender Weise) zu dem Geldautomaten der Volksbank getaumelt, wo er - laut Polizeibericht - durch die hinzukommenden Polizeibeamten einer Kontrolle unterzogen wurde. Zwar wurden die mündlichen Angaben des Zeugen nicht (wörtlich) protokolliert und hat er seine - allerdings nicht in der Fahrerlaubnisakte befindliche - nachgereichte E-Mail trotz entsprechender Aufforderungen nicht weiter präzisiert. Jedoch hat der Antragsteller substantiierte Hinweise darauf, dass der Zeuge durch falsche Informationen einen Polizeieinsatz ausgelöst oder gegenüber der Polizeibeamtin unzutreffende (mündliche) Angaben gemacht haben sollte, nicht vorgebracht. Insbesondere ist nichts dafür ersichtlich oder vorgetragen, dass der Zeuge aus persönlichen Gründen den Antragsteller zu Unrecht belastet haben könnte. Ebenso wenig ist erkennbar oder dargelegt, dass der Polizeibericht den Inhalt der Befragung des Zeugen unzutreffend wiedergegeben haben könnte. Soweit der Antragsteller geltend macht, dass es auf Grund der Örtlichkeiten und Sichtverhältnisse nicht möglich gewesen sei, dass der Zeuge ihn an der behaupteten Stelle gesehen haben könne, wird dies nicht weiter nachvollziehbar dargelegt und entspricht auch nicht den aus Google-Street-View zu gewinnenden Erkenntnissen (zur Heranziehung solcher als allgemein bekannt bzw. zugänglich verwertbaren Erkenntnisse im gerichtlichen Verfahren vgl. FG Hamburg, Urteil vom 05.02.2015 - 3 K 45/14 - juris Rn. 33 m. w. N.). Entsprechendes gilt, soweit der Antragsteller mit seinem Vorbringen, es gebe auf dem ganzen Weg, den er am 03.10.2023 zurückgelegt habe, keinen Pfosten, die Ausführungen im Polizeibericht in Frage stellen möchte, dass er auf dem Gehweg direkt neben den Geldautomaten mit seinem Fahrrad mit einem dortigen Pfosten kollidiert sei. Der entsprechenden Google-Street-Ansicht lässt sich vielmehr entnehmen, dass in unmittelbarer Nähe des Geldautomaten der Volksbank vier Begrenzungspfosten zwischen Gehweg und dem angrenzenden E.-G.-Platz angebracht sind.
Daneben hält der Senat - ebenso wie das Verwaltungsgericht - das Vorbringen des Antragstellers, warum er das Fahrrad nur geschoben habe, damit aber nicht gefahren sei, für wenig plausibel. Es liegt zunächst fern, dass jemand, der - wie vom Antragsteller geltend gemacht - von seiner Wohnung aufbricht, um an einem Geldautomaten Bargeld abzuholen, den etwa 1 km langen Weg zu Fuß zurücklegt und dabei ohne nachvollziehbaren Grund für das Mitführen des Fahrrads dessen nutzloses Schieben in Kauf nimmt. Der Antragsteller, der zunächst mit Schreiben vom 16.03.2024 gegenüber dem Antragsgegner ohne nähere Begründung ausführte, er habe das Fahrrad geschoben, machte erstmals im Widerspruchsverfahren mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 12.08.2024 und dann im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht geltend, er habe bei der Ausfahrt der Tiefgarage seiner Wohnung bemerkt, dass das Licht am Fahrrad nicht gegangen sei, und es deswegen geschoben. Nachdem das Verwaltungsgericht diesbezüglich zutreffend davon ausgegangen ist, dass diese Sachverhaltsdarstellung des Antragstellers nicht erkläre, weshalb er nach Bemerken des defekten Lichts das Fahrrad nicht zurück in die Tiefgarage gebracht habe und sich von vornherein zu Fuß auf den Weg gemacht habe, macht der Antragsteller mit der Beschwerdebegründung geltend, dass das Licht „etwas flatterte“, sodass er nicht habe ganz einordnen können, ob die fehlende volle Funktionstauglichkeit des Fahrrads vorübergehender Natur gewesen sei, weswegen er es „in diesem Dilemma“ geschoben habe. Dieses wechselnde und jeweils angepasste Erklärungsverhalten des Antragstellers ist wenig glaubhaft und nicht geeignet, die tatsächlichen Feststellungen im Strafbefehl des Amtsgerichts K. in Frage zu stellen. Es kommt hinzu, dass es für den Senat wenig nachvollziehbar ist, dass der Antragsteller nach eigenem Vorbringen bereit war, mit über zwei Promille Fahrrad zu fahren, hiervon aber wegen des „etwas flatternden“ Lichts abgesehen haben will, weil er sich rechtstreu verhalten wollte.
Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Antragstellers bestehen auch deswegen, weil er durchgängig (etwa persönliches Schreiben vom 16.03.2024 und Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 12.08.2024 im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht) angegeben hat, er trinke selten Alkohol, weswegen er am Tattag die Wirkung seines Alkoholkonsums unterschätzt habe (persönliches Schreiben vom 16.03.2024) bzw. es für ihn umso ärgerlicher gewesen sei, ausgerechnet mit einer solchen Situation konfrontiert gewesen zu sein (Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 12.08.2024 im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht). Denn die bei dem Antragsteller festgestellte (hohe) Blutalkoholkonzentration von 2,08 Promille deutet auf deutlich normabweichende Trinkgewohnheiten, eine ungewöhnliche Giftfestigkeit und eine dauerhafte, ausgeprägte Alkoholproblematik hin (vgl. BVerwG, Urteile vom 17.03.2021 - 3 C 3.20 - juris Rn. 312 und vom 21.05.2008 - 3 C 32.07 - juris Rn. 14; Beschlüsse des Senats vom 07.02.2024 - 13 S 1495/23 - juris Rn. 7 und vom 06.11.2023 a. a. O.; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 14.10.2022 - 1 M 148/22 - juris Rn. 42; BayVGH, Beschluss vom 25.06.2019 - 11 ZB 19.187 - juris Rn. 14; vgl. auch Schubert/Huetten/Reimann/Graw, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung Kommentar, 3. Aufl., S. 248 ff.), mit denen sich die Angaben des Antragstellers, er trinke selten Alkohol, schwerlich in Einklang bringen lassen.
Der Senat nimmt schließlich in den Blick, dass der Antragsteller gegen den Strafbefehl des Amtsgerichts K. vom 13.11.2023 keinen Einspruch eingelegt hat. Die hierfür von dem Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren vorgetragene Begründung, er habe „wegen Rechtsirrtum“ keinen Einspruch eingelegt, weil er angenommen habe, dass „sich die Angelegenheit durch die Zahlung erledige“, und er sei nicht davon ausgegangen, dass „seine Fahrerlaubnis durch den rechtskräftigen Strafbefehl gefährdet sein könnte“, vermag - auch vor dem Hintergrund der im Strafbefehl verhängten Gesamtgeldstrafe von 1.000,-- EUR - den Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsbehelfs für den Fall, dass der Antragsteller das Fahrrad tatsächlich nur geschoben, aber nicht gefahren haben sollte, nicht plausibel zu erklären. Wenn die im Strafbefehl getroffenen Feststellungen für den Antragsteller ohne weiteres erkennbar unzutreffend gewesen wären, wäre es - auch wegen des im Strafprozess geltenden Grundsatzes „in dubio pro reo“ - naheliegend gewesen, sich gegen einen solchen ungerechtfertigten Vorwurf zu wehren.
In Zusammenschau all der aufgezeigten Umstände enthält das Vorbringen des Antragstellers keine hinreichend gewichtigen und substantiierten Hinweise auf eine eventuelle Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Feststellungen im Strafbefehl. Der Antragsgegner konnte damit den Strafbefehl des Amtsgerichts K. vom 13.11.2023 der Gutachtensanordnung nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe c FeV zu Grunde legen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen des Antragstellers, ihm sei „durch seine sprachliche Störung pauschal unterstellt“ worden, dass er gefahren sei. Für eine solche Unterstellung finden sich weder im Polizeibericht vom 03.10.2023 noch in der Gutachtensanordnung vom 09.04.2024 Anhaltspunkte.
Die von dem Antragsteller außerhalb der Beschwerdefrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgelegten Laborwerte einer Haaranalyse des Labors E., Stuttgart, aus dem Januar 2025 (zur Frage der Berücksichtigungsfähigkeit außerhalb der Beschwerdefrist eingetretener und geltend gemachter neuer Umstände vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.01.2017 - 5 S 1791/16 - juris Rn. 30 m. w. N.; Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 146 Rn. 83 m. w. N.) führen ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Aus ihnen lassen sich angesichts der untersuchten Haarlänge allenfalls Schlussfolgerungen für eine Alkoholabstinenz in einem Zeitraum von drei Monaten vor der Haarentnahme am 02.01.2025 entnehmen (vgl. Beurteilung der Haaranalyse unter Anmerkung 3 des forensischen Befunds des Labors E.), sie sagen aber nichts über die in der Gutachtensanordnung in Bezug genommene Fahrt mit dem Fahrrad unter einer Blutalkoholkonzentration von 2,08 Promille aus. Soweit der Antragsteller mit der Vorlage der Laborwerte geltend machen sollte, er habe seine Fahreignung wiedererlangt, folgt aus § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe c i. V. m. § 20 Abs. 1 Satz 1 FeV, dass er grundsätzlich solange als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen gilt, bis er durch Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nachweist, dass er die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wiedererlangt hat (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 15.01.2025 - 13 S 1880/24 - juris Rn. 30 m. w. N.).
§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV eröffnet - anders als der Antragsteller meint - kein Ermessen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.01.2012 - 10 S 3175/11 - juris Rn. 24; BayVGH, Beschluss vom 28.10.2021 - 11 CS 21.2148 - juris Rn. 15; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl., § 11 FeV Rn. 51). Vielmehr ist auf die Nichteignung des Betroffenen zu schließen, wenn ein zu Recht angeordnetes Gutachten ohne ausreichenden Grund nicht beigebracht wird (zur Nachholung der Beibringung eines Gutachtens im Widerspruchsverfahren vgl. Beschlüsse des Senats vom 25.10.2022 - 13 S 1641/22 - juris Rn. 13 und vom 17.10.2022 - 13 S 1790/22 - juris Rn. 12 ff.). Bei einer Sicherungsmaßnahme, die dazu dient, die Allgemeinheit vor Gefährdungen durch ungeeignete Fahrzeugführer zu schützen, kommt es nicht in Betracht, von einem wie auch immer gearteten Entscheidungsspielraum der Behörde auszugehen. Aus Gründen der Sicherheit des Straßenverkehrs sind ungeeignete Kraftfahrer (zeitnah) vom öffentlichen Straßenverkehrs auszuschließen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.01.2001 - 3 B 144.00 - juris Rn. 3; BayVGH, Beschluss vom 05.01.2022 - 11 CS 21.2743 - juris Rn. 18).
2. Aber auch wenn man die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren als offen bewerten würde und davon ausginge, dass in einem Widerspruchsverfahren und in einem gegebenenfalls folgenden Klageverfahren (etwa durch Beiziehung der Strafakten des Amtsgerichts und Vernehmung der im Strafbefehl vom 13.11.2023 genannten Zeugen) weiter aufzuklären ist, ob der Antragsteller bei dem Vorfall am 03.10.2023 Fahrrad gefahren ist, fällt die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmende Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus. Solange - wie hier (dazu oben) - gewichtige, im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht ausgeräumte Zweifel an der Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr bestehen, die zu einer Erhöhung des Gefahrenpotenzials bei einer Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr führen, gebietet es die Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO grundsätzlich nicht, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 05.11.2018 - 3 VR 1.18 - juris Rn. 22 ff.; Beschlüsse des Senats vom 15.12.2023 - 13 S 1541/23 - n. v. und vom 08.12.2022 - 13 S 2057/22 - juris Rn. 19; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31.10.2018 - OVG 1 S 101.18 - juris Rn. 7). Dabei stellt der Senat auch in Rechnung, dass die bei dem Antragsteller am 03.10.2023 festgestellte Blutalkoholkonzentration von 2,09 Promille - wie bereits ausgeführt - eine besonders ausgeprägte Alkoholproblematik belegt, die durch den Nachweis einer dreimonatigen Alkoholabstinenz jedenfalls nicht ohne Weiteres als beseitigt angesehen werden kann (zur Bewertung sog. Trinkpausen vgl. Schubert/Huetten/Reimann/Graw a. a. O. S. 266) und er im gesamten Verfahren nicht geltend gemacht hat, wegen seiner Alkoholisierung nicht Fahrrad gefahren zu sein, sondern das Schieben des Fahrrads (lediglich) mit dessen Verkehrsunsicherheit wegen eines defekten Lichts begründet hat.
Auf Grund der damit gegebenen gravierenden und derzeit nicht ausgeräumten Bedenken an der Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr besteht wegen der von der Verkehrsteilnahme eines ungeeigneten Kraftfahrers ausgehenden erheblichen Gefahren für Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit anderer ein dringendes öffentliches Interesse an der sofortigen Unterbindung seiner weiteren Teilnahme am Straßenverkehr. Die mit der Entscheidung für ihn verbundenen Nachteile in Bezug auf seine private Lebensführung und Berufstätigkeit müssen von dem Antragsteller im überwiegenden Interesse der Verkehrssicherheit und im Hinblick auf das Gewicht der durch ihn gefährdeten hochrangigen Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer - zumindest vorläufig - hingenommen werden.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2, §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 und 2 GKG i. V. m. den Empfehlungen in den Nummern 1.5, 46.2, 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt bei Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, unter § 163 VwGO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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