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Entscheidungen

Gebühren

Kopierkosten, zweiter Aktenauszug, Erstattungsfähigkeit

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Bad Kreuznach, Beschl. v. 27.07.2010 - 1043 Js 5548/08 KLs

Fundstellen:

Leitsatz: Grundsätzlich obliegt der Staatskasse der Nachweis, dass die von dem Verteidiger geltend gemachten Auslagen zur sachgemäßen Wahrnehmung der Verteidigungsinteressen nicht erforderlich waren.

Zur Frage, der Erstattungsfähigkeit der Kopierkosten für einen kompletten zweiten, für den Beschuldigten vorgesehenen Aktenauszug.

In Betäubungsmittelverfahren sind Auslagen für die doppelte Ablichtung von Telefonüberwachungsprotokollen i.d.R. erstattungsfähig.


1043 Js 5548/08 KLs Landgericht Bad Kreuznach
Landgericht Bad Kreuznach
Beschluss
In dem Strafverfahren
gegen pp.
wegen Verbrechen nach BtMG u.a.
hier: Erinnerung des Rechtsanwalts S. gegen Kostenfestsetzung
hat die 2. Strafkammer des Landgerichts Bad Kreuznach durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht, die Richterin am Landgericht und die Richterin am 27.07.2010 beschlossen:

Auf die Erinnerung des Rechtsanwalts S. gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29.12.2009 wird über die bisher festgesetzten 2473,52 EUR hinaus ein weiterer Betrag in Höhe von 120,50 EUR (zzgl. MwSt) als von der Staatskasse an den Rechtsanwalt zu zahlende Vergütung festgesetzt.
Im Übrigen wird die Erinnerung als unbegründet verworfen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
Die Kammer hat im vorliegenden Verfahren durch Urteil vom 30.07.2009 gegen A, B, und C jeweils mehrjährige Haftstrafen verhängt, vornehmlich wegen Verstößen gegen das BtMG.
Das Urteil ist seit dem 04.02.2010 gegen alle 3 Angeklagten rechtskräftig.
In dem Verfahren ist Rechtsanwalt S. dem Angeklagten A. Pflichtverteidiger beigeordnet worden.
Am 15.12.2009 hat Rechtsanwalt S. die Festsetzung von Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 2899,89 EUR beantragt. Dabei hat Rechtsanwalt S. gemäß Nr. 7000 Nr. 1 W RVG neben den Kosten für einen eigenen Aktenauszug (für 2352 Seiten insgesamt 370,30 EUR) auch die Kosten für einen weiteren Aktenauszug, den er dem Angeklagten A. überlassen hat, geltend gemacht (für 2272 Seiten insgesamt 358,30 EUR).
Die Rechtspflegerin bei dem Landgericht Bad Kreuznach hat die zu zahlende Vergütung am 29.12.2009 auf lediglich 2473,52 EUR festgesetzt. Sie hat die Kosten des für den Angeklagten gefertigten Aktenauszugs (358,30 EUR zzgl. MwSt) abgesetzt, da sie der Ansicht ist, dass diese Kosten nicht gemäß § 46 Abs. 1 RVG zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit erforderlich waren. Auch bei einer umfangreichen und komplexen Sache sei es dem Verteidiger zuzumuten, die Angelegenheit anhand seines eigenen Aktenauszugs mit dem Mandanten zu erörtern.
Gegen diese Entscheidung wendet sich Rechtsanwalt S. am 14.01.2010 mit der Beschwerde, die als das hier statthafte Rechtsmittel der Erinnerung (§ 56 Abs. 1 RVG) auszulegen ist.
Er trägt vor, aufgrund des Umfangs der Akten und der Inhaftierung des Angeklagten A. sei hier ein zweiter Aktenauszug erforderlich gewesen.

Der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Bad Kreuznach führt in seiner Stellungnahme vom 19.04.2010 aus, das die Ablichtung der kompletten Akten hier nicht erforderlich gewesen sei. Das Verfahren habe sich gegen drei Beschuldigte gerichtet und sei nur von etwa der Hälfte der Fälle der Anklage betroffen gewesen. Im Falle solch umfangreicher Akten sei es Aufgabe des Verteidigers, mit seinem beruflichen Sachverstand das Wesentliche herauszuschälen und dem Beschuldigten die Punkte, auf die es ankomme, begreiflich zu machen. Bei den Besprechungen mit dem inhaftierten Beschuldigten könne dies unter Heranziehung einzelner Schriftstücke aus den Akten geschehen, wobei der Verteidiger auf seinen eigenen Ablichtungssatz zurückgreifen könne (vgl. KG, 3 Ws 20/05). Die Überlassung eines vollständigen Aktendoppels an den Angeklagten lasse erkennen, dass statt der gebotenen schwerpunktmäßigen Durcharbeitung des Stoffs und der entsprechenden Präsentation ein arbeitsorganisatorisch einfacherer Weg beschritten worden sei, um den Angeklagten formal aber ungefiltert mit Informationen zu versorgen. Die Kosten einer solchen Vereinfachung seien aber nicht erstattungsfähig (vgl. OLG Koblenz, 2 Ws 526/09).

Hiergegen wendet Rechtsanwalt S. ein, dass er keine unnötigen Kopien • gefertigt habe, da er es unterlassen habe, Deckblätter, Doppel und Ähnliches abzulichten.

Im Übrigen habe es aber in der Sache keine Teile gegeben, die dem Mandanten nicht vorzulegen gewesen seien.

Es habe sich um ein Strafverfahren auf dem Gebiet des Betäubungsmittelstrafrechts gehandelt, gegen A. und seine Mittäter seien über Monate Telefonüberwachungsmaßnahmen durchgeführt worden. Seitens der Verteidigung habe überhaupt nicht eingeschätzt werden können, inwieweit Telefonate unter den Mittätern auch hinsichtlich des Mandanten relevant seien. Im Bereich des Betäubungsmittelstrafrechts sprächen die Täter oft codiert. Nur A. selbst habe nach einem Studium der einzelnen Unterhaltungen mitteilen können, um welche Sachverhalte es sich handele und ob ein Bezug zu seiner Person gegeben sei. Es sei nicht möglich gewesen, Abhörprotokolle in einem Umfang von über 500 Seiten dem Mandanten während eines zweistündigen Besuches in der Untersuchungshaftanstalt vorzutragen.

Gleiches gelte für die in der Akte befindlichen umfangreichen Zeugenaussagen und die Durchsuchungsprotokolle.

Die Beschuldigten hätten sich die Verantwortung für die Taten gegenseitig zugeschoben. Jede Zeugenaussage habe A. zumindest mittelbar betroffen.

Der Mandant habe außerdem auf das Gramm genau wissen müssen, welche Drogenmengen bei welchem Mitbeschuldigten gefunden worden seien. Zum einen, um den. Sachverhalt nachvollziehen zu können, zum anderen um gegebenenfalls von § 35 BtMG profitieren zu können.
Weiter sei zu berücksichtigen, dass A zur Zeit der Taten regelmäßig unter Drogeneinfluss gestanden habe und infolgedessen unter Gedächtnisverlusten gelitten habe. Unter Vorhalt einzelner Gesichtspunkte habe er keine brauchbaren Angaben machen können, dies habe sich erst geändert, nachdem er die gesamte Ermittlungsakte ausführlich studiert habe.

Die Erinnerung ist zulässig und hat in der Sache teilweise, Erfolg.

Das vorliegende Verfahren war sehr komplex. Den drei Angeklagten wurden in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach vom 30.06.2009 insgesamt 103 rechtlich selbstständige Handlungen zur Last gelegt. In der Anklageschrift wurden 21 Zeugen benannt und zahlreiche Schriftstücke als Beweismittel angeführt. Zudem waren im Ermittlungsverfahren verdeckte Ermittlungen, insbesondere umfangreiche Telefonüberwachungen und eine Observation, durchgeführt worden. Der Zeugen Z. der in seinem eigenen Strafverfahren auf eine Strafmilderung gemäß § 31 BtMG hoffte, hatte die Angeklagten stark belastet.

Bei dieser Sachlage musste sich der Verteidiger des Angeklagten A. umfassend und gründlich in den gesamten Prozessstoff einarbeiten und diesen detailliert mit seinem Mandanten erörtern, um die Verteidigung sachgerecht führen zu können.

Dies muss allerdings nicht zwingend in der Weise geschehen, dass dem Mandanten ein eigener vollständiger Aktenauszug überlassen wird.

Grundsätzlich obliegt der Staatskasse der Nachweis, dass die von dem Verteidiger geltend gemachten Auslagen zur sachgemäßen Wahrnehmung der Verteidigerinteressen nicht erforderlich waren. Daher ist die Notwendigkeit der Kopierkosten im Zweifel anzuerkennen. Das gilt jedoch dann nicht, wenn gewichtige Gründe dafür ersichtlich sind, dass einzelne Auslagen unnötig verursacht wurden und zur sachgemäßen Bearbeitung nicht erforderlich waren. Der Verteidiger muss dann die Erforderlichkeit der Auslagen belegen, wobei ihm ein gewisser Ermessensspielraum zusteht. Dabei ist der Pflichtverteidiger gegenüber der Staatskasse aber stets zur kostensparenden Prozessführung verpflichtet (OLG Koblenz, Beschluss vom 16.11.2009, Az.: 2 Ws 526/09).

Nach diesen Maßstäben waren hier lediglich die Auslagen, die für die doppelten Ablichtungen der Telefonüberwachungsprotokolle angefallen sind, erforderlich und damit erstattungsfähig. Die kriminalistische Erfahrung lehrt, dass insbesondere Täter, die sich in größerem Umfang an Betäubungsmittelgeschäften beteiligen, in aller Regel mit Telefonüberwachungsmaßnahmen rechnen und ihr Verhalten bei Telefonaten hierauf einstellen. Dies führt dazu, dass die Beschuldigten in Telefonaten so gut wie nie offen über Betäubungsmittelgeschäfte sprechen, sondern für die Mitteilung relevanter Informationen (etwa hinsichtlich Art und Menge der Drogen, anderer Beteiligter und relevanter Treffpunkte oder Tatmittel) individuelle Codes entwickeln, die nur den Gesprächspartnern bzw. der jeweiligen Tätergruppe bekannt sind. Diese besonderen Umstände machen es dem Verteidiger ungewöhnlich schwer, der Aufgabe des anwaltlichen Bestands, die in einem komplexen Verfahren auch im Wesentlichen darin besteht, mit dem beruflichen Sachverstand aus einer Fülle von Stoff das Wesentliche herauszuarbeiten und die entscheidenden Punkte dann mit dem Mandanten zu erörtern, sachgerecht nachzukommen. Der Verteidiger verfügt in der Regel nicht über die notwendigen tatsächlichen Hintergrundinformationen, um die volle Bedeutung solcher Telefonate zu erfassen und umfassend beurteilen zu können. Da es gerade auf einzelne Worte bzw. Verklausulierungen entscheidend ankommen kann, ist eine Zusammenfassung derart, dass der volle Inhalt erhalten bleibt, oft nicht möglich.

Insoweit hat sich der Verteidiger daher hier innerhalb des ihm zustehenden Ermessenspielraums bewegt, indem er die Telefonüberwachungsprotokolle (hier insgesamt 620 Seiten) für den Beschuldigten noch einmal gesondert abgelichtet hat, damit dieser sich insoweit zunächst selbst ein Bild über die Beweislage machen konnte.

Solche besonderen Umstände, die die Anfertigung eines vollständigen zweiten (Teil-)Aktenauszugs ausnahmsweise rechtfertigen können, liegen hier indessen hinsichtlich der übrigen Aktenbestandteile nicht vor.
Insbesondere bei polizeilichen Durchsuchungsprotokollen und Zeugenaussagen — mögen diese im Einzelfall auch sehr umfangreich sein — ist nicht nachvollziehbar, dass der Verteidiger diese nicht inhaltlich erfassen und die jeweils bedeutenden Aspekte zusammentragen und dann anhand seiner eigenen Unterligen mit dem Beschuldigten im Zusammenhang und unter Darlegung der für den Beschuldigten relevanten Bezüge erörtern könnte. Gerade bei umfangreichen und komplexen Verfahren kann auch nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass der im Durcharbeiten von Ermittlungsakten ungeübte Beschuldigte von dem Überlassen eines vollständigen Aktenauszugs profitierten und die Informationen eigenständig richtig einordnen und beurteilten kann. Es bleibt dem Verteidiger überdies unbenommen, dem Beschuldigten bei Besprechungen einzelne Bestandteile des eigenen Auszugs der Ermittlungsakte zur Einsicht vorzulegen bzw. auch zur Einsicht zu überlassen.

Die von Rechtsanwalt S. geltend gemachten Auslagen sind daher — bis auf die Auslagen, die für die doppelte Ablichtung der Telefonüberwachungsprotokolle angefallen sind — nicht gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 RVG.

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Anmerkung:


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